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-======Tersteegen, Gerhard - Die Kraft Der Liebe Christi ======+======Tersteegen, Gerhard - Die Kraft der Liebe Christi.======
  
 +**Die Liebe Christi dringt uns also.** 2 Kor. 5,14.
  
 +1. Wenn wir, liebste Herzen, unsere Gestalt, sowohl was wir in der Natur sind, als was wir durch die Gnade werden sollen, sowohl wie wir aussehen oder ausgesehen. haben, so lange wir noch tot in Sünden sind, als welche Leute aus uns werden sollen durch die Mitteilung des Lebens, das aus GOtt ist, recht eigentlich wollen abgebildet sehen; dann müssen wir aufschlagen das 37. Kapitel im Propheten Hesekiel, da der HErr diesem Gottes-Manne ein weites Feld voller sehr dürrer Toten-Gebeine zeigte.
  
-**Die Liebe Christi dringet uns also.**\\ +In der Tat, wenn es dem HErrn gefallen sollte, uns (wie dem Propheten) die Augen des Geistes zu eröffnen, es würde uns das weite Feld dieser untern Welt und, wollte GOtt! ich müsste nicht dabei sagen, das weite Feld unserer sogenannten Christenheit eben also vorkommenWir würden, ach leider! an allen Enden und Orten, und in allen Ständen fast nichts erblicken, als eitel Toten-Gebeine, tote Herzen, tote Schein Christen, tote Worte, tote Werke, toten Wandel, toten GottesdienstUnd unter dieser Menge Toten-Gebeine würden wir uns auch selbst mit findenso lange wir noch im Natur-Stande liegen. 
-2Cor. 5,14+
  
-Wenn wir, liebste Herzen, unsere Gestalt, so wohl was wir in der Natur sind, als was wir durch die Gnade werden sollen, so wohl wie wir aussehen oder ausgesehen habenso lange wir noch todt in Sünden sindals welche Leute aus uns werden sollen, durch die Mittheilung des Lebens das aus GOtt ist, recht eigentlich wollen abgebildet sehen; dann müssen wir aufschlagen das 37Capitel im Profeten Hesekielda der HERR diesem GOttes-Manne ein weites Feld voller sehr dürren Todten-Gebeine zeigte.+2. Es konnten diese Toten-Gebeine Hesekiels nicht so sehr dürre und elend aussehenals unsere Herzen gestaltet sind, so lang wir, leer und fremde von dem Leben, das aus GOtt ist, ohne Saft und ohne Kraft der Gottseligkeit da auf der Erden liegenWer würde es diesen Toten-Gebeinen des Propheten angesehen habendass sie ehedem so schöne menschliche Körper gewesen? So gar hat der Mensch durch den Sünden-Fall seine ursprüngliche Gestalt verloren; so gar ist er ein gräuliches Ungeheuer geworden, dass man nichts Ähnliches mehr dran sehen kann. Man sollte es nicht sagen, dass dies der herrliche Gottes-Mensch gewesen, der ehedem so überaus schön aus den Händen seines Schöpfers hervorgekommen.
  
-In der Thatwenn es dem HErrn gefallen sollte, uns (wie dem Profeten) die Augen des Geistes zu eröffnen, es würde uns das weite Feld dieser untern Welt, und, wollte GOtt! ich müste nicht dabey sagendas weite Feld unserer sogenannten Christenheit eben also vorkommen. Wir würdenach leider! an allen Enden und Orten und in allen Ständen fast nichts erblicken als eitel Todten-Gebeinetodte Herzentodte Schein-Christentodte Wortetodte Werketodten Wandeltodten GottesdienstUnd unter dieser Menge Todten-Gebeine würden wir uns auch selbst mit findenso lange wir noch im Naturstande liegen.+3. Zwar es hat der gefallene Mensch noch ein Leben; aber ein solches Leben, wie mans bei den Toten-Äsern und Gebeinen zu finden pflegt. Man findet im Toten-Aas kein natürlichessondern ein fremdes Leben; es wimmelt und lebt von Würmern und Ungeziefer. Auch in unserm an GOtt erstorbenen Herzen ist ein dergleichen fremdes widernatürliches Leben eingedrungen; es wimmelt nicht weniger von allerhand weltlichensündlichenunordentlichen LüstenAffektenNeigungen und Begierdenals so vielem gräulichem UngezieferSchlangen und Skorpionenso dass wir ein rechter Abscheu vor GOtt und Engelnund erleuchteten Menschen geworden; wie man etwa ein Toten-Aas verabscheutJa, ich bin gewiss, wenn wir uns recht in dieser unserer widernatürlichen Ungestalt erkennen sollten, wir würden kein Ding mehr verabscheuen, als uns selbst, wir würden uns selbst wie anekeln.
  
-2Es konnten diese Todten-Gebeine Hesekiels nicht so sehr dürre und elend aussehenals unsere Herzen gestaltet sindso lang wir leer und fremde von dem Leben, das aus GOtt istohne Saft und ohne Kraft der Gottseligkeit da auf der Erden liebenWer würde es diesen Todten-Gebeinen des Profeten angesehen habendaß sie ehedem so schöne menschliche Cörper gewesen? So gar hat der Mensch durch den Sünden-Fall seine ursprüngliche Gestalt verlohrenso gar ist er ein greuliches Ungeheuer gewordendaß man nicht Aehnliches mehr dran sehen kann. Man sollte es nicht sagendaß diß der herrliche GOttes-Mensch gewesender ehedem so überaus schöne aus den Händen seines Schöpfers hervorgekommen.+4Du Menschenkind, sprach der HErr zum Propheten, meinst du auch, dass diese Gebeine wieder lebendig werden? HErrHErrantwortete er, das weißt du; als hätte er sagen wollen: Das kann ichals ein Menschenkind, nicht für möglich erkennen; das muss ich deiner Weisheit und Allmacht anheim stellenWeissage, spricht der HErr, von diesen Beinen, und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Beine, hört des HErrn Wortund wie es da weiter heißt. Worauf dann auch der Prophet weissagte und siehe, da rasselte und rauschte esund die Gebeine kamen wieder zusammen, es wuchsen Adern und Fleisch darauf; aber es war noch kein Odemkeine Seele darin. Eben so wenig ist bei dem gefallenen Menschen einige menschliche Möglichkeit oder Ansehen der Möglichkeit zu seiner Wiederlebendigmachung zu findenals bei diesen Toten-Gebeinen war.
  
-3. Zwar es hat der gefallene Mensch noch ein Leben; aber ein solches Lebenwie mans bey den Todten-Aesern und Gebeinen zu finden pfleget. Man findet im Todten-Aas kein natürlichessondern ein fremdes Leben; es wimmelt und lebet von Würmern und Ungeziefer und in unserm an GOtt erstorbenen Herzen ist ein dergleichen fremdes widernatürliches Leben eingedrungen; es wimmelt nicht weniger von allerhand weltlichensündlichenunordentlichen LüstenAffecten, Neigungen und Begierdenals so vielem greulichem Ungeziefer, Schlangen und Scorpionenso daß wir ein rechter Abscheu vor GOtt und Engeln, und erleuchteten Menschen geworden, wie man etwa ein Todten-Aas verabscheuet. Ja ich bin gewißwenn wir uns recht in dieser unserer widernatürlichen Ungestalt erkennen solltenwir würden kein Ding mehr verabscheuenals uns selbstwir würden uns selbst wie anstinken.+Und wer uns, die wir von der Gnade ergriffen wordensonderlich manche unter unsvor einigen Jahrenvor einem Jahrvor einem halben Jahr gekannt hatin unserem damaligen verderbten Zustand und Wandelder hätte auch mögen fragenMeinst dudass aus einem solchen Toten-Bein und abscheulichen Toten-Aas noch ein lebendiger Mensch werden wird? Meinst dudass aus einem solchen sicherneiteln Sünderoder wohl gar aus einem solchen gräulichen und frechen Höllen-Brandnoch ein begnadigtes Kind GOttes werden wird? O mein GOtt! wie so wenig Ansehen und Hoffnung konnten wir dazumal zu einer solchen Veränderung geben!
  
-4Du Menschen-Kindsprach der HErr zum Profetenmeynest du auch, daß diese Gebeine wieder lebendig werden? HErr, HErr, antwortete er, das weissest duals hätte er sagen wollen: Das kann ich, als ein Menschen-Kindnicht möglich erkennen; das muß ich deiner Weisheit und Allmacht anheim stellenWeissagespricht der HErrvon diesen Beinenund sprich zu ihnenIhr verdorreten Beinehöret des HErrn Wort, und wie es da weiters heissetWorauf dann auch der Profet weissageteund sieheda rasselte und rauschete es, und die Gebeine kamen wieder zusammenes wuchsen Adern und Fleisch darauf; aber es war noch kein Odem, keine Seeledarin. Eben so wenig ist bey dem gefallenen Menschen einige menschliche Möglichkeit oder Ansehen der Möglichkeitzu seiner Wiederlebendigmachung zu findenals bey diesen Todten-Gebeinen war.+5Inzwischenes ist in dem Namen des HErrn über uns geweissagt worden; der HErr hat sein Wort gesandtund seinem Wort die Kraft des Geistes beigelegtes ist unter uns an diesem Ort ein RauschenRasseln und Lärmen entstandenDie Welt hats gehörtund sich gewundertwas aus den Toten-Beinen werden wollte. Der Fürst der Finsternis ist drüber bestürzt und bange worden, dass ihm zu viele Untertanen aus seinem Toten-Reich entgehen möchtendie Toten Gebeine haben. sich zusammen gegebenBein zu seinen Gebeinen: so sitzen wir jetzt hierDie Welt sieht uns nun vor so Leute anwir sehen so aus wie Menschennämlich wie Christen-Menschen: es ist wenigstens so eine Gestaltso ein Körper, herausgekommen. Aber, ist auch die rechte Seeleder Odem, die freie Lebens-Bewegung in diesem Körper? So wenig der Mensch aus einem bloßen Körper besteht, so wenig besteht das Christentum in der bloßen Form und Gestaltim bloßen Mitgehen oder Mitredenin gezwungenem Tun oder Lassen.
  
-Und wer uns, die wir von der Gnade ergriffen worden, sonderlich manche unter uns, vor einigen Jahrenvor einem Jahr, vor einem halben Jahr, gekannt hat, in unserem damaligen verderbten Zustand und Wandel, der hätte auch mögen fragen: Meynest du, daß aus einem solchen Todten-Bein und abscheulichen Todten-Aas noch ein lebendiger Mensch werden wird? Meynest dudaß aus einem solchen sicherneiteln Sünder, oder wohl gar aus einem solchen greulichen und frechen Höllen-Brand, noch ein begnadigtes Kind GOttes werden wirdO mein GOtt! wie so wenig Ansehen und Hoffnung konnten wir dazumal zu einer solchen Veränderung geben!+6. Zwar, dem HErrn sei davor Dank und Ehre! es ist doch auch ein Leben in uns gekommen; denn wo wäre sonst das Geräuschdas Zusammenkriechen der Totenbeine her entstanden? Ist doch in uns selbst von Natur nicht die geringste Bewegung oder Neigung zum Guten: aber es ist wohl eine durchgängigefreieleichte Lebens-Bewegung? oder nur ein so halbeskriechendeskümmerliches LebenDas vergnügt ja nicht; das muss ja weiter gehen.
  
-5. Inzwischen, es ist in dem Namen des HErrn über uns geweissaget worden; der HErr hat sein Wort gesandtund seinem Wort die Kraft des Geistes beygeleget; es ist unter uns an diesem Ort ein RauschenRasseln und Lärmen entstanden. Die Welt hats gehöretund sich gewundert, was aus den Todten-Beinen werden wollte. Der Fürst der Finsternis ist drüber bestürzt und bange worden, daß ihm zu viele Unterthanen aus seinem Todten-Reich entgehen möchten: Die Todten-Gebeine haben sich zusammen gegeben, Bein zu seinen Gebeinen: so sitzen wir jetzt hier. Die Welt siehet uns nun vor so Leute an; wir sehen so aus wie Menschen, nemlich wie Christen-Menschenes ist wenigstens so eine Gestaltso ein Cörperherausgekommen: Aber ist auch die rechte Seele, der Odem, die freye Lebens-Bewegung, in diesem Cörper? So wenig der Mensch aus einem blossen Cörper bestehetso wenig bestehet das Christentum in der blossen Form und Gestaltim blossen Mitgehen oder Mitredenin gezwungenem Thun oder Lassen.+Es ist eine Veränderungja eine merkliche Veränderung bei manchem unter uns vorgegangen: alleinliebste Herzenfühlen wirs nichtmerken wirs nicht, dass noch so was fehlt? und noch vieles fehlt? Das Herz reget und bewegt sich noch nicht recht in dem Christen-Körperman kann GOtt nicht so recht liebentrauenanhangenund in ihm und seinen Wegen seine Lust haben: man will wohlaber man kann nicht; das Herz ist noch so trägso kaltso tot; es sinkt noch so leicht ohnmächtig zur Erden. Das muss ja anders gehen.
  
-6Zwardem HErrn sey davor Dank und Ehrees ist doch auch ein Leben in uns gekommen; dann wo wäre sonst das Geräuschdas Zusammenkriechen der Todten-Beine her entstandenIst doch in uns selbst von Natur nicht die geringste Bewegung oder Neigung zum Guten: Aberist es wohl eine durchgängige, freye, leichte Lebens-Bewegung? oder nur ein so halbeskriechendeskümmerliches LebenDas vergnüget ja nicht; das muß ja weiter gehen.+7Will man einen leblosenoder in Ohnmacht liegenden Körper nur etliche Fuß weit von der Stelle bringenwelch eine Mühe und Arbeit muss man da nicht anwenden! welch ein Geschlepp gibt das nicht! Und ach! liebste Herzengehts nicht bei manchen fast eben so mühsam, so gezwungen und gedrungen im Werk und Lauf der Gottseligkeit her? Wie lange und kümmerlich schleppt man sich nicht mit dem Leibe des Todes! Man enthält sich von dem und von jenem; aber so kaumman muss sich so zwingen; es kostet so was. Man übt sich in diesem und in jenemdas man für gut erkennt; aber wie muss man sich anstrengenund Gewalt antunMan möchte wohl gern beständig, treu und heilig sein; aber ach! man bringts nicht weit. Siehe, so gehtsund es kann wohl nicht besser gehen, so lange wir nur so einen halb-lebenden Christen-Körper haben. Wir müssen eine Seele, einen Geist haben, der diesen Körper frei beleben und bewegen könne.
  
-Es ist eine Veränderungja eine merkliche Veränderung bey manchem unter uns vorgegangen: Alleinliebste Herzenfühlen wirs nicht, merken wirs nicht, daß noch so was fehlet? und noch vieles fehlet? Das Herz reget und beweget sich noch nicht recht in dem Christen-Cörper; man kann GOtt nicht so recht liebentrauenanhangenund in ihm und seinen Wegen seine Lust haben: man will wohl, aber man kann nicht; das Herz ist noch so trägso kalt, so todt; es sinkt noch so leicht ohnmächtig zur Erden. Das muß ja anders gehen.+8. Man kann endlich einen seellosen Körper mit großer Mühe wohl empor heben, und ihm eine Stütze geben: aber was hilftswo nicht eine Seele, ein Leben in denselben kommt? Dass uns GOttes Güte so mancherlei Gnadenmittel vergönnt zu unserer AufweckungErmunterung und Stärkungdas sollen wir ja nicht gering achtensondern als unschätzbare Gnaden und Wohltaten GOttes demütigst erkennen. Allein wenn wir nicht unter und bei dem Gebrauch aller solcher Mittel uns hauptsächlich um Christi GeistKraft und Liebe bekümmernda mögen wirals einmal in den Sinnen bewegt, und, wie jener Körper, emporgehoben werden; es währt aber nicht langder tote Klotz fällt wieder zur Erden, in seine vorige Trägheit und angewohnte Dinge.
  
-7. Will man einen leblosenoder in Ohnmacht liegenden Cörpernur etliche Fuß weit von der Stelle bringenwelch eine Mühe und Arbeit muß man da nicht anwenden! welch ein Geschlepp gibt das nicht! Und ach! liebste Herzen, gehts nicht bey manchen fast eben so mühsamso gezwungen und gedrungen im Werk und Lauf der Gottseligkeit her? Wie lange und kümmerlich schleppt man sich nichtmit dem Leibe des Todes! Man enthält sich von dem und von jenem; aber so kaumman muß sich so zwingenes kostet so wasMan übt sich in diesem und in jenem, das man vor gut erkennt; aber wie muß man sich anstrengen, und Gewalt anthun? Man mögte wohl gern beständigtreu und heilig seyn; aber ach! man bringts nicht weit. Sieheso gehts; und es kann wohl nicht besser gehenso lange wir nur so einen halb-lebenden Christen-Cörper haben. Wir müssen eine Seele, einen Geist, haben, der diesen Cörper frey beleben und bewegen könne.+Ganz ein anders ists mit Menschendie ein geistlich Leben haben: die mögen wohl schläfrigträg und matt, und hingegen durch Versammlungen und andere Gnadenmittel wieder aufgewecktgenährt und mächtig unterstützt werden in ihrem Lauf. Wer aber kein geistliches Leben oder Seele, bei seiner Gottseligkeit erlangt; ach! liebste Freunde, dem helfen alleauch die besten Stützen in die Länge nichtsie verlieren ihre Kraft an unsMenschendie's nur beim Gehen und Hören bewenden lassen, und sich nicht um die inwendige Kraft der Gottseligkeit bekümmern halten in die Länge nicht Stand, und können nicht Stand halten; der schönste Körper wird bald stinkenfaulen und Würmer kriegen, wo keine Seele hinzu kommt
  
-8Man kann endlich einen seellosen Cörper mit grosser Mühe wohl empor heben, und ihm eine Stütze gebenaber was hilftswo nicht eine Seeleein Leben, in denselben kommt? Daß uns GOttes Güte so mancherley Gnaden-Mittel vergönnet zu unserer AufweckungErmunterung und Stärkungdas sollen wir ja nicht gering achtensondern als unschätzbare Gnaden und Wohlthaten GOttes demühtigst erkennen: Alleinwenn wir nicht unter und bey dem Gebrauch aller solcher Mittel uns hauptsächlich um Christi Geist, Kraft und Liebe bekümmernda mögen wir als einmal in den Sinnen bewegetundwie jener Cörperempor gehoben werden: es währet aber nicht langder todte Klotz fällt wieder zur Erdenin seine vorige Trägheit und angewohnte Dinge.+9Mit einem Wort: So nötig es war, dass der Prophet Hesekiel zum andernmal im Namen des HErrn weissagte, und zum Wind oder Geist sprachWindkomme hervor aus den vier Windenund blase diese Getöteten andass sie lebendig werden; worauf auch ein Odem in sie kam, und sie wieder lebendig wurden: eben so unumgänglich nötig ist es unsdie wir eine anfängliche Regung zum Gnadenleben in uns empfunden habendass auch über uns noch einmal im Namen des HErrn geweissagt werdedamit der rechte Geist des Christentums in uns komme, und was Lebendiges und Ganzes aus uns werde. Komm, du Geist! soll auch unser Herze schreienkomm und blase mich toten Menschen andass ein Odem, eine Seele in mich komme! Diese Seeledieses Lebendiese Kraft der Gottseligkeitist nun nichts andersals die Liebe Christiwelche uns zu lebendigen, tätigen Christen macht. Ach! um diese Liebe haben wir uns zu bekümmern.
  
-Ganz ein anders ists mit Menschen, die ein geistlich Leben haben: die mögen wohl schläferig, träg und matt, und hingegen durch Versammlungen, und andere Gnaden-Mittel wieder aufgewecket, genähret und mächtig unterstützet werden in ihrem LaufWer aber kein geistliches Leben oder Seelebey seiner Gottseligkeiterlanget; ach! liebste Freunde, dem helfen alle, auch die besten Stützenin die Länge nicht; sie verlieren ihre Kraft an uns. Menschendie es nur beym Gehen und Hören bewenden lassenund sich nicht um die inwendige Kraft der Gottseligkeit bekümmernhalten in die Länge nicht Standund können nicht Stand halten; der schönste Cörper wird bald stinkenfaulen und Würmer kriegen, wo keine Seele hinzu kommt.+10Dergleichen lebendigetätigeheilige Christen waren nicht allein die Apostelsondern überhaupt die Gläubigen zu den Zeiten der Apostel. Sehen wir diese ersten brünstigen Christen an, und fragen nach: Wie habt ihr Leute das können tunwas ihr getan? das können leidenwas ihr gelitten? so können lebenwie ihr gelebt habt? So antwortet uns der heilige Apostel Paulus in ihrer aller Namenmit den Worten unseres Textes: Die Liebe Christi dringt uns also.
  
-9Mit einem Wort: So nöthig es wardaß der Profet Hesekiel zum andernmal im Namen des HErrn weissagete, und zum Winde oder Geist sprach: **Wind, komme hervor aus den vier Winden, und blase diese Getödeten an, daß sie lebendig werden**; worauf auch ein Odem in sie kam, und sie wieder lebendig wurden: Eben so unumgänglich nöthig ist es uns, die wir eine anfängliche Regung zum Gnaden-Leben haben. daß auch über uns noch einmal im Namen des HErrn geweissaget werde, damit der rechte Geist es Christentums in uns kommeund was Lebendiges und Ganzes aus uns werde. **Komm, du Geist!** soll auch unser Herze schreyen, **Komm und blase mich todten Menschen an, daß ein Odem, eine Seele in mich komme!** Diese Seele, dieses Leben, diese Kraft der Gottseligkeit, ist nun nichts anders, als die Liebe Christi, welche uns zu lebendigen, thätigen Christen macht. Ach um diese Liebe haben wir uns zu bekümmern.+11Nach Anleitung dieserdurch den Geist ausgesprochenen Wortewollen wir denn bei unserer jetzigen Versammlung unter GOttes Beistand mit einander betrachten:
  
-10. Dergleichen lebendige, thätige, heilige Christen waren nicht allein die Apostel, sondern überhaupt die Gläubigen zu den Zeiten der Aposteln. Sehen wir diese erste brünstige Christen an, und fragen nach: Wie habt ihr Leute das können thun, was ihr gethan? das können leiden, was ihr gelitten? so können leben, wie ihr gelebet habt? So antwortet und der heilige Apostel Paulus in ihrer aller Namen, mit den Worten unseres Textes: **Die Liebe Christi dringet uns also.**+ Die Liebe JEsu Christi, und  
 + - derselben göttliche Kraft
  
-11. Nach Anleitung dieserdurch den Geist ausgesprochenen Wortewollen wir dannbey unserer jetzigen Versammlungunter GOttes Beystand miteinander betrachten:+O mein liebster HErr JEsu Christeich will nicht unterwinden von deiner Wunder-Liebe zu zeugenachsiehe nicht an meine Unwürdigkeitmeine Untüchtigkeit. Nahe dich zu meinem Herzen, und entzünde es; rühre meine unbeschnittene Lippen mit einer glühenden Kohle von deinem Altar, damit ich nicht kraft- und saftlos von deiner brünstigen Liebe reden möge! Amen.
  
-**IDie Liebe JEsu Christi, und**\\ +12Es hat dem heiligen Geist nicht gefallen, uns deutlicher anzuzeigen, ob in den verlesenen Textesworten durch die Liebe Christi gemeint sei die Liebe, womit Christus uns liebt, oder aber die Liebe, womit gläubige Herzen Christum lieben: vielleicht eben darum, damit wir beides zusammen nehmen sollten. Es hängt auch wirklich ganz genau an einander; eines fließt aus den andern, und es ist im Grunde einsDenn, mein! wo hätten wir auch nur einen Funken der Liebe zu Christo, wo er uns nicht erst geliebt hätte? und die Liebe, womit wir ihn lieben können, ist nicht weniger seine Liebe, als die, womit er uns in Zeit und Ewigkeit geliebt hat. Christus macht denn den Anfang mit Lieben; drum müssen wir in dieser unserer Betrachtung auch mit seiner Liebe zu uns den Anfang machen.
-**IIderselben göttliche Kraft.**+
  
-//O mein liebster HErr JEsu Christeich will mich unterwinden von deiner Wunder-Liebe zu zeugen: Ach, siehe nicht an meine Unwürdigkeit, meine UntüchtigkeitNahe dich zu meinem Herzen, und entzünde es; rühre meine unbeschnidtene Lippen mit einer glühenden Kohle von deinem Altardamit ich nicht kraft- und saftlos von deiner brünstigen Liebe reden möge! Amen.//+13. Christus liebt uns mit einer mehr als treuestenund mehr als größten Freundschafts-Liebe. Christus liebt uns und will uns lieben mit einer mitleidigstensorgfältigsten und unermüdeten Mutter-Liebe. Christus liebt uns und will uns lieben mit einer zartesten, genauesten, seligsten Bräutigams-Liebe.
  
-12. Es hat dem heiligen Geist nicht gefallen uns deutlicher anzuzeigenob in den verlesenen Textes-Worten durch die Liebe Christi gemeinet sey die Liebewomit Christus uns liebetoder aber die Liebe, womit gläubige Herzen Christum lieben: Vielleicht eben darum, damit wir beydes zusammen nehmen solltenEs hängt auch würklich ganz genau aneinander; eines fliesset aus dem andern, und es ist im Grunde eins. Dannmein! wo hätten wir auch nur einen Funken der Liebe zu Christo, wo er uns nicht erst geliebet hätte? und die Liebe, womit wir ihn lieben können, ist nicht weniger seine Liebe, als die, womit er uns in Zeit und Ewigkeit geliebet hat. Christus macht dann den Anfang mit Lieben; drum müssen wir in dieser unserer Betrachtung auch mit seiner Liebe zu uns den Anfang machen.+Christussage ichliebt uns mit einer mehr als treuestenund mehr als größten Freundschafts-Liebe. Eine Freundschafts-Liebe unter den Menschen besteht in der freien innigen Herzens-Neigungkraft welcher man einander alles Gute gönnt und gerne zuwege bringt, hingegen allen Schaden und Unglück abzuwenden, auch in allen Bedürfnissen einander zu helfen und beizuspringen sucht. Und mit einer solchen Freundschafts-Liebe ist uns Christus in der Wahrheit und im höchsten Grade zugetan.
  
-13. Christus liebet uns mit einer mehr als treuesten, und mehr als grössesten Freundschafts-Liebe. Christus liebet unsund will uns liebenmit einer mitleidgstensorgfältigsten und unermüdeten Mutter-Liebe. Christus liebet uns, und will uns lieben, mit einer zartestengenauesten, seligsten Bräutigams-Liebe.+Wenn wir uns eine Freundschafts-Liebe am treuesten wollen vorstellen, dann müsste es eine sein, die in der Not Stand hält: wo findet man aber unter den Menschen einen Freund in der Not? Und wenn wir uns diese Liebe am allergrößten wollen einbilden, dann müssten wir den Fall sehen, da ein Freund das Leben für den andern lässt. Und wo wird man unter Menschen einen solchen Freund, eine solche Freundschaft finden? An Christo haben wir wirklich einen solchen Freund, und in seinem Herzen eine solche Freundschafts-Liebe zu unsNiemandspricht er selbst Joh. 15,13. hat größere Liebedenn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ach, liebster Heiland! was sagst du von Freunden? Feinde und Rebellen waren wir, und doch hast du dein Leben für uns gelassen. Christus ist, nach Pauli Ausdruck, für uns Gottlose gestorben. GOtt preist seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorbenda wir noch Sünder waren. Röm. 5,6. Darum habe ich mit gutem Bedacht die Liebe Christi genannt eine mehr als treuesteund mehr als größte Freundschafts-Liebe.
  
-Christus, sage ich, liebet uns mit einer mehr als treuestenund mehr als grössesten Freundschafts-Liebe. Eine Freundschafts-Liebe unter den Menschen bestehet in der freyeninnigen Herzens-Neigung, kraft welcher man einander alles Gute gönnet und gerne zuwege bringethingegen allen Schaden und Unglück abzuwendenauch in aller Bedürfniß einander zu helfen und beyzuspringen suchet: Und mit einer solchen Freundschafts-Liebe ist uns Christus in der Wahrheit und im höchsten Grade zugethan.+14. O erstaunenswürdiger Brand der Liebe Christi! Du und ich, liebe Seele, waren aus GOttes Freundschaft, Licht, Liebe und Gemeinschaft in das allergrößte UnglückElend und Hölle gefallendu und ich waren nicht mehr Freundesondern Feinde, nicht mehr liebens- sondern hassenswürdig, zornwürdig; dennoch jammerte GOtt in Ewigkeit dieses unser über alle maßen großes Elend. Er ließ es sein bestes kosten; er schenkte uns, zu unserm Heil, seinen Sohn, sein Schoßkind, und in seinem Sohn, das Herz seiner Liebe. Das kann weder Engel noch Mensch begreifen noch ergründen; man muss es glauben, man muss es verehren, und mit Christo selbst bewundernd sagen: Also hat GOtt die Welt, die elende Welt, geliebt.
  
-Wenn wir uns eine Freundschafts-Liebe am treuesten wollen vorstellen, dann müßte es eine seyn, die in der Noth Stand hält: wo findet man aber unter den Menschen einen Freund in der Noth? Und wenn wir uns diese Liebe am allergrössesten wollen einbildendann müßten wir den Fall setzenda ein Freund das Leben für den andern läßt: Und wo wird man unter Menschen einen solchen Freundeine solche Freundschaftfinden? An Christo haben wir wirklich einen solchen Freund, und in seinem Herzen eine solche Freundschafts-Liebe zu unsNiemand, spricht er selbst Joh. 15,13. hat grössere Liebedann diedaß er sein Leben lässet für seine Freunde. Ach liebster Heyland! was sagst du von Freunden? Feinde und Rebellen waren wir, und doch hast du dein Leben für uns gelassen. Christus istnach Pauli Ausdruckfür uns Gottlose gestorben. GOtt preiset seine Liebe gegen unsdaß Christus für uns gestorbenda wir noch Sünder waren Röm. 5,6.8. Darum habe ich mit gutem Bedacht die Liebe Christi genannt eine mehr als treueste, und mehr als grösseste Freundschafts-Liebe.+15. Christi mehr als treueste Freundschafts-Liebe drang ihn aus dem Himmel. (Hört doch diese erfreuliche Wunder-Geschichte! es ist keine Fabel, sondern eine gewisse Geschichte. Hört dieses herrliche Evangelium des seligen GOttes, nicht als eine Sache, die ihr ohnedem schon wisst, und von Jugend auf in der Bibel und im Katechismus gelernt habt; sondern hörts als eine wichtigeneue Zeitung((Nachricht)); hörts doch heute einmal alsoals wenn ihrs euer Leben lang noch nicht gehört hättet!) Christi mehr als treueste Freundschafts-Liebesage ichhat ihn gedrungen aus dem Himmeluns zu retten und zu helfenUnd damit er solches tunund wir nicht vor ihm erschrecken möchtenkleidete er sich ein in unsere armselige Menschheit und sündliche Gestalt, er nahm (als unser Goel((Erlöser)) und naher Verwandter) unsere Sündenlast und Schuldenals seine eigene wirklich auf sich; er hat in die vierunddreißig Jahre für dich und für michliebe Seelegearbeitetgebetetgerungenbeim allerfürchterlichsten Anblick und empfindlichsten Gefühl des durch die Sünde erregten göttlichen Zorns gezittert und gezagt, Blut geschwitztgöttliche Verlassung und Höllenangst empfunden; mit einem Wort, alles das gelitten und ausgestanden, was du und ich, liebe Seele, ewig, ewig unserer Sünden wegen hätten leiden müssen: und dieses alles hat er aus einer freiwilligen Freundschafts-Liebe getan, damit er uns durch den unschätzbaren Wert seines Bluts wieder aussöhnen, und ihm zu seinen Freunden erkaufen möchte.
  
-14O erstaunenswürdiger Brand der Liebe Christi! Du und ich, liebe Seele, waren aus GOttes Freundschaft, Licht, Liebe und Gemeinschaft in das allergrösseste UnglückElend und Hölle gefallen: Du und ich waren nicht mehr Freunde, sondern Feinde; nicht mehr liebens-, sondern hassenswürdig, zornwürdig, dennoch jammerte GOTT in Ewigkeit dieses unser über alle maßen grosses ElendEr ließ es sein bestes kosten; Er schenkte unszu unserm Heylseinen Sohnsein Schooß-Kind; und in seinem Sohn, das Herz seiner LiebeDas kann weder Engel noch Mensch begreifen noch ergründen; man muß es glaubenman muß es verehrenund mit Christo selbst bewundernd sagen: Also hat GOtt die Weltdie elende WeltgeliebetJoh. 3,16.+16Siehewo kann eine größere Liebe erdacht werden? Ist nicht Christus ein wahrer Freund in der Notein rechter Freund bis in den Tod! Und dieses alles hat er nicht nur überhaupt für uns, sondern für einen jeglichen unter uns gelittenAlso sah es Paulus anGalat. 2,20. Christus hat mich geliebt, und sich selbst für mich dahingegebenEilieber Paulewas sagst du? ist dann Christus allein für dich gestorben? O jaallein für michund allein für dichDenn so sollen wir die Sache ansehenum sie mit bestem Nutzen anzusehen; und so liebt Christus einen jeden mit einer solchen sonderbaren Liebe.
  
-15Christi mehr als treueste Freundschafts-Liebe drung ihn aus dem Himmel(Höret doch diese erfreuliche Wunder-Geschichte! Es ist keine Fabelsondern eine gewisse Geschichte. Höret dieses herrliche Evangelium des seligen GOttes, nicht als eine Sache, die ihr ohnedem schon wisset, und von Jugend auf in der Bibel und im Catechismo gelernet habt; sondern hörets als eine wichtige neue Zeitung; hörets doch heute einmal alsoals wenn ihrs euer Lebenlang noch nicht gehöret hättet!) Christi mehr als treueste Freundschafts-Liebesage ichhat ihn gedrungen aus dem Himmeluns zu retten und zu helfen. Und damit er solche thunund wir nicht vor Ihm erschrecken mögten, kleidete er sich ein in unsere armselige Menschheit und sündliche Gesalt, er nahm (als unser Goel und naher Verwandter) unsere Sünden-Last und Schuldenals seine eigene würklich auf sich; er hat in die 34 Jahr für dich und für michliebe Seelegearbeitetgebettetgerungenbeym allerfürchterlichsten Anblick und empfindlichsten Gefühl des durch die Sünde erregten göttlichen Zorns gezittert und gezaget, Blut geschwitzetgöttliche Verlassung und Höllen-Angst empfunden; mit einem Wortalles das gelitten und ausgestandenwas du und ich, liebe Seele, ewig, ewig unserer Sünden wegenhätten leiden müssenUnd dieses alles hat er aus einer freywilligen Freundschafts-Liebe gethandamit er uns durch den unschätzbaren Werth seines Bluts wieder aussöhnenund ihm zu seinen Freunden erkaufen mögte.+17Christus liebt uns, sagte ich zum andern, und will uns lieben mit einer mitleidigsten, sorgfältigsten, unermüdeten Mutter-Liebe. Ist irgendwo ein Kindlein krankist ein Kind gefallenverwundet und liegt da schmerzhaft und weinend vor den Augen seiner Muttersiehe, so hassts die Mutter nicht, seines so elenden Zustandes wegensondern sieht das arme Kindlein an mit herzlichem Mitleiden, und sucht ihm auf alle mögliche Weise zu helfen und es zu erquickenSolche mütterliche Liebes-Eingeweide zieht Christus an gegen uns gefallene Sünden-Kindersonderlich wenn wir unseren Schaden bußfertig fühlen und beweinen. O da sieht er uns mit innigst mitleidigem Herzen und Augen an. Das glaubst du armesreuiges Kind wohl nicht, dass dich Christus also liebt, dass er dich also ansieht; du meinstdu wärst gar zu erschrecklich zugerichtetund hast dich mutwillig in allen den Jammer hineingestürztdarum achte er deiner jetzt nicht mehr. Nunso höre dennwas er beim Hesekiel 16,6. davon sagt: Ich sehe dich wohl in deinem Blut liegen, und so gewiss er dich siehtso gewiss wird er auchwenn seine Stunde da istzu dir sprechenDu sollt lebenja du sollt leben. Wir sollen nur auf Ihn im Glauben sehenwie die kranken Kinder mit tränenden Augen auf die Mutter zu sehen pflegen.
  
-16Siehe, wo kann eine grössere Liebe erdacht werden? Ist nicht Christus ein wahrer Freund in der Nothein rechter Freund bis in den Tod! Und dieses alles hat er nicht nur überhaupt für unssondern für einen jeglichen unter uns gelitten. Also sahe es Paulus anGalat. 2,20. Christus hat mich geliebetund sich selbst für mich dahingegebenEylieber Paulewas sagst du? ist dann Christus allein für dich gestorben? O ja, allein für mich, und allein für dichDann so sollen wir die Sache ansehenum sie mit bestem Nutzen anzusehen; und so liebet Christus einen jedenmit einer solchen sonderbaren Liebe.+18Eine bußfertig-bekümmerte Seele kann es oft gar nicht glauben, dass ihr Weinen und Klagen gehört und erhört werde. Allerdings, liebe Seele, der HErr hörts wohlwie Ephraim klagtund, wie es da weiter heißt: Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein trautes Kind? ich gedenke noch wohl daranwas ich ihm geredet habe: darum bricht mir mein Herz gegen ihndass ich mich sein erbarmen mussspricht der HErr. Jer31,20. Wenn das nicht eine mitleidigste Mutter-Liebe zu nennen, dann kenne ich keine. Wir dürften dergleichen zarte, mütterliche Liebes-Bewegungen GOtt ja nicht zuschreibenwo es der HErr nicht selber täteAchbußfertige Seelen! könnten wirs glaubenkönnten wirs sehen, auch unsere Herzen würden vor kindlicher Gegenliebe brechen müssen
  
-17. Christus liebet uns, sagte ich zum andern, und will uns liebenmit einer mitleidigsten, sorgfältigsten, unermüdeten Mutter-Liebe. Ist irgendwo ein Kindlein krank, ist ein Kind gefallen, verwundet, und lieget da schmerzhaft und weinend vor den Augen seiner Mutter, siehe, so hassets die Mutter nicht, seines so elenden Zustandes wegen, sondern siehet das arme Kindlein an mit herzlichem Mitleidenund sucht ihm auf alle mögliche Weise zu helfen und es zu erquicken. Solche mütterliche Liebes-Eingeweide ziehet Christus an gegen uns gefallene Sünden-Kindersonderlich wenn wir unseren Schaden bußfertig fühlen und beweinen. O da siehet er uns mit innigstmitleidigem Herzen und Augen anDas glaubest du armes reuiges Kind wohl nicht, daß dich muthwillig in allen den Jammer hineingestürzet, darum achte er deiner jetzt nicht mehr. Nun, so höre dann was er beym Hesekiel 16, 6. davon sagtIch sehe dich wohl in deinem Blute liegen; und so gewiß er dich siehetso gewiß wird er auchwenn seine Stunde da ist, zu dir sprechenDu sollt leben, ja du sollt leben. Wir sollen nur auf Ihn im Glauben sehen, wie die kranken Kinder mit thränenden Augen auf die Mutter zu sehen pflegen.+19. Christus liebt uns, und will uns lieben mit der sorgfältigsten Mutter-Liebe. Eine natürliche Mutter hat ihrem Kinde dieses zeitliche Leben gegeben, und es in diese jammervolle Welt geboren: Christus wiedergebiert uns zur ewigen Lichtund Freuden-Welt, und schenkt uns ein Leben, das unvergänglich istEine Mutter nährt ihr Kind aus ihren Brüsten: und Christus gibt sich selbstsein Fleisch und Blutseinen wiedergeborenen Kindern zur Speisedas tut doch keine natürliche Mutter.
  
-18. Eine bußfertig-bekümmerte Seele kann es oft gar nicht glauben, daß ihr Weinen und Klagen gehöret und erhöret werdeAllerdingsliebe Seeleder HERR hörets wohl, wie Ephraim klagetund, wie es da weiter heisset: Ist nicht Ephraim mein theurer Sohn, und mein trautes Kind? ich gedenke noch wohl daran, was ich ihm geredet habe: darum bricht mir mein Herz gegen ihmdaß ich mich sein erbarmen mußspricht der HErr. JErem. 3120Wenn das nicht eine mitleidigste Mutter-Liebe zu nennen, dann kenne ich keineWir dürften dergleichen zarte mütterliche Liebes-Bewegungen GOtt ja nicht zuschreibenwo es der HErr nicht selber thäteAchbußfertige Seelen! könnten wirs glaubenkönnten wirs sehenauch unsere Herzen würden vor kindlicher Gegenliebe brechen müssen.+20. Eine Mutter reinigt ihr Kind, hegt, trägt und pflegt ihr Kind, bis es angewachsen; sie hat immer was mit dem Kinde zu schaffen, und ihre mütterliche Liebe macht, dass sie nicht ermüdetAchachwer muss nicht mit Scham und Bestürzung daran gedenken, wie sich der ewig liebende GOtt mit uns unartigen Kindern schleppen mussdass ich so menschlich rede, wie so viele Mühe wir ihm machen mit unsern Sünden! ja, es ist nicht auszusprechen, was er nicht mit einer einzigen Seele zu tun hatsie groß((Klein ziehenwäre auch rechtaber keine gewöhnliche Redensart)) zu ziehenDer HErr drückt selber diese seine geschäftige, helfende Mutter-Liebe aus im 46Kapitel Jesajada es im dritten und vierten Vers also heißt: Ihr vom Hause Israel, die ihr von mir im Leibe getragen werdet, und mir in der Mutter liegtJaich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich hab es getanspricht der HErrund ich will es tun, ich will heben und tragen und erretten.
  
-19Christus liebet uns, und will uns liebenmit der sorgfältigsten Mutter-Liebe. Eine natürliche Mutter hat ihrem Kinde dieses zeitliche Leben gegeben, und in diese jammervolle Welt geboren: Christus wiedergebieret uns zur ewigen Licht- und Freuden-Welt, und schenkt uns ein Leben das unvergänglich ist. Eine Mutter nähret ihr Kind aus ihren Brüsten: und Christus gibt sich selbstsein Fleisch und Blutseinen wiedergebornen Kindern zur Speise: das thut doch keine natürliche Mutter.+21Eine natürliche Mutter bewahrt ihr Kind vor allem Unfall, und sucht sein Bestesso viel sie kann; Christus, unsere ewige Liebes-Mutter, bewacht und bewahrt die, so aus ihm geboren sind, unvergleichlich genauer, dass der Arge sie nicht kann anrühren, ja auch kein Härlein von ihrem Haupte fallen kann ohne seinen Willen. Alles, was solchen Gnaden-Säuglingen zustößt im Kleinen und im Großenim Innern und im Äußern, das lenkt und regiert die mütterliche Liebe Christidass es ihnen allesalles zum Besten dienen muss.
  
-20Eine Mutter reiniget ihr Kind, heget, träget und pfleget ihr Kind, bis es angewachsensie hat immer was mit dem Kinde zu schaffen, und ihre mütterliche Liebe machts, daß sie nicht ermüdet. Ach, ach, wer muß nicht mit Scham und Bestürzung daran gedenken, wie sich der ewig liebende GOtt mit uns unartigen Kindern schleppen muß, daß ich so menschlich rede, wie so viele Mühe wir ihm machen mit unsern Sünden! ja, es ist nicht auszusprechenwas er nicht mit einer einzigen Seele zu thun hat, sie groß((Klein ziehen wäre auch recht, aber keine gewöhnliche Redens-Art)) zu ziehenDer HERR drücket selber diese seine geschäftige, helfende Mutter-Liebe aus im 46. Cap. Jesaiä, da es im 3. und 4. Vers also heisset: Ihr vom Hause Israel, die ihr von mir im Leibe getragen werdet, und mir in der Mutter lieget. Jaich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich habe es gethanspricht der HErrund ich will es thunich will heben und tragen, und erretten.+22So wenig ein natürlich Kind sorgtwie es solle groß werdeneben so wenig darf auch ein Kind der Gnaden sorgen, wie es werde anwachsenstark und heilig werdenDie mütterliche Liebe Christi sorgt in dem allem; das gute Kind soll nur im Schoß der Mutter bleiben, und betendglaubendliebendaus der Brust der Gnaden Saft und Kraft zum Leben und Wachstum saugen. Und in diesem Liebes-Schoß liegenddarf das schwächste und ärmste Kind sich nicht fürchten vor einiger Gefahr.
  
-21Eine natürliche Mutter bewahret ihr Kind vor allem Unfall, und sucht sein Bestesso viel sie kannChristusunsere ewige Liebes-Mutterbewachet und bewahret die, so aus ihm gebohren sindunvergleichlich genauerdaß der Arge sie nicht kann anrührenja auch kein Härlein von ihrem Haupte fallen kann ohne seinen WillenAlleswas solchen Gnaden-Säuglingen zustössetim Kleinen und im Grossenim Innern und im Auessern, das lenket und regieret die mütterliche Liebe Christi, daß es ihnen alles, alles zum Besten dienen muß.+23Es verhängt ja wohl die Liebe mancherlei ProbenVersuchungen und Leiden über die Gnaden-Kinderzu ihrem Bestenes geht oft in der Dürre und Dunkelheit wohl so weitdass man mit Zion klagt: Der HErr hat mich verlassender HErr hat mein vergessen: aber, wie weit fehlt nicht die Seele in ihrem Denken! Kann auchfragt der HErr selbstein Weib ihres Kindleins vergessendass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselben vergäßeso will ich doch dein nicht vergessen: Siehe, in die verwundeten Hände habe ich dich gezeichnetAchSeeleSeeledas geht dich, das geht mich an! Also liebt Christus, und also will er lieben. Sollten wir nicht eine solche Liebe verehren? Sollten wir uns nicht einer solchen mütterlichen Liebe und Sorge Christi mit Leib und mit Seele auf ewig anvertrauen?
  
-22So wenig ein natürlich Kind sorget, wie es solle groß werden; eben so wenig darf auch ein Kind der Gnaden sorgen, wie es werde anwachsenstark und heilig werden. Die mütterliche Liebe Christi sorget in dem allemdas gute Kind soll nur im Schooß der Mutter bleiben, und bettendglaubendliebendaus der Brust der Gnaden Saft und Kraft zum Leben und Wachstum saugenUnd in diesem Liebes-Schooß liegenddarf das schwächste und ärmste Kind sich nicht fürchten vor einiger Gefahr.+24Christus liebt uns auch und will uns lieben mit einer zartestengenauesten und seligsten Bräutigams-Liebe. Ach ja, die Liebe Christi wirbt recht um die Herzen der armen verlorenen Sünder. wie so lange muss er nicht freien! wie so lange muss er uns nachgehenehe er das gesuchte Ja-Wort erhält! wie so oft hast du, und habe ich, seine angebotene Gewogenheit und Liebe nicht schändlich abgewiesen und zurückgestoßen; und dennoch ist er nicht müde wordenuns zu suchen. wie so zärtlich liebt erauch ehe er noch geliebt wird! aber noch unendlich zärtlicherwenn er nun seinen Zweck erreicht und er sich mit der Seele, als mit seiner Braut, verloben kann in Ewigkeit, und vertrauen in GerechtigkeitDa erfolgen öfters manche teure, auch empfindliche, beseligende Ausflüsse seiner Liebe in die Seele. Christus schenket ihr manche unschätzbare Himmelsgüter und Kleinodien, und lässt sie, nach ihrem Maß, erfahren Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist.
  
-23Es verhänget ja wohl die Liebe mancherley ProbenVersuchungen und Leidenüber die Gnaden-Kinderzu ihrem Besten; es gehet oft in der Dürre und Dunkelheit wohl so weitdaß man mit Zion ((Jes. 4914.15.)) klaget: Der HErr hat mich verlassender HErr hat mein vergessen: aberwie so weit fehlet nicht die Seele in diesem ihrem Denken! Kan auchfragt der HErr selbstein Weib ihres Kindleins vergessendaß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselben vergässeso will ich doch dein nicht vergessen: Siehe, in die verwundete Hände habe ich dich gezeichnetAch, SeeleSeeledas gehet dich, das gehet mich an! Also liebet Christus, und also will er lieben. Sollten wir nicht eine solche Liebe verehren? Sollten wir uns nicht einer solchen mütterlichen Liebe und Sorge Christi mit Leib und mit Seele auf ewig anvertrauen?+25Und da Christus seine anfänglich-verlobte Braut so ganz nackend, ja so bettlermäßig bekleidet findetso reißt er ihr, durch seine Liebe und durch heiliges Kreuzihre garstigen Bettler-Lumpen abbekleidet sie mit seiner Gerechtigkeit, flößt ihr, mit seiner Liebe, auch seinen ganzen Sinn, Bild und Gestalt immer mehr eindass sie mit seiner Demut, mit seiner Sanftmut, mit seiner Reinheit, Einfalt, Unschuld und allen göttlichen Tugenden bekleidet wird. Und nachdem er sie denn durch sich selbst schön gemacht hat, siehe, alsdann freut((Jes. 62,5)) er sich über sie, wie sich ein Bräutigam freut über seine BrautSiehe((Hohel. 1,15.16.)), du bist schönmeine Freundin, spricht Christus, der göttliche Bräutigam. Neinantwortet die Brautnur du bist schönmein Geliebter; auch die Schönheitdie du in mir siehst, ist die DeinigeEs sind dies keine leere Worte oder Einbildungensondern große Wunder der Liebe Christi. Wollte GOttdass wir solche nicht nur im Hohen Lied, sondern auch in unsern Herzen durch eine selige Erfahrung lesen könnten!
  
-24Christus liebet uns auch, und will uns lieben, mit einer zartestengenauesten und seligsten Bräutigams-LiebeAch jadie Liebe Christi buhlet recht um die Herzen der armen verlohrnen SünderO wie so lange muß er nicht freyen! wie so lange muß er uns nachgehenehe er das gesuchte Ja-Wort erhält! wie so oft hast duund habe ichseine angebotene Gewogenheit und Liebe nicht schändlich abgewiesen und zurück gestossen; und dennoch ist er nicht müde worden, uns zu suchenO wie zärtlich liebet er, auch ehe er noch geliebet wird! aber noch unendlich zärtlicherwenn er nun seinen Zweck erreichetund er sich mit der Seeleals mit seiner Braut, verloben kann in Ewigkeit, und vertrauen in GerechtigkeitDa erfolgen öfters manche theureauch empfindliche, seligende Ausflüsse seiner Liebe in die SeeleChristus schenket ihr manche unschätzbare Himmels-Güter und Kleinodien, und läßt sie, nach ihrem Maaß, erfahren GerechtigkeitFriede und Freude in dem heiligen Geist.+26Es ist unaussprechlichliebste Herzen, welch eine innig-tiefe Liebes-Neigung und brünstiges Verlangen in Christo ist, unserer Herzen wieder habhaft zu werden, uns wieder bei sich haben zu wollenuns wieder mit sich, und sich mit uns auf ewig zu verbinden und zu vereinigenEngel und Menschen könnens nicht begreifensondern werdens in einer ganzen Ewigkeit mit tiefster Bewunderung anbeten. Bis((Jak. 4,5.)) zur Eifersucht zu verlangt unser der Geist Christider in den Gläubigen wohntEr kanns gar nicht dulden, dass ein Herz, das ihn so teuer zu stehen kommen, ein Herz, das er so sehr liebtnoch andern Dingen nachhängen, und ihm nicht ganz und allein gewidmet bleiben sollteEr liebt die Seele als seine Einzigeund sie muss ihn auch wieder lieben als ihren Einzigen. Denn die Liebe Christidas istdie innig-tiefe Neigung Christi nach der Seelenerweckt in ihr eine gleichmäßig innig-tiefe Neigung nach Christo. Die Liebe Christi berührt und zieht die Seele an sich, und sie folgtZeuch michso laufen wirIhr Innigstes und ihr Alles sehnt und neigt sich aus allem heraus, nach immer genauerer Vereinigung mit ihrem Geliebten. Und was da für Liebes-BegegnungenLiebes-Umfassungen, Liebes-Vertraulichkeiten, Mitteilungen und Vereinigungen vorgehen und vorgehen können, das mögen reine, abgeschiedene Herzen wohl erfahren, aber nimmermehr aussprechen; gehört auch mehr zur Ewigkeit, als zu dieser Zeit. Einmal, die Liebe Christi ist ein großes Geheimnis der Gottseligkeit, und ein unerschöpflicher Abgrund von lauter Seligkeiten.
  
-25Und da Christus seine anfänglich verlobte Braut so ganz nackendja so betlermässig bekleidet findet, so reißt er ihr, durch seine Liebe und durch heiliges Creutz, ihre garstige Bettler-Lumpen ab, bekleidet sie mit seiner Gerechtigkeit, flößt ihrmit seiner Liebeaus seinen ganzen SinnBild und Gestalt immer mehr eindaß sie mit seiner Demuthmit seiner Sanftmuthmit seiner Reinheit, Einfalt, Unschuld und allen göttlichen Tugenden bekleidet wirdUnd nachdem er sie denn durch sich selbst schöne gemacht hatsiehe alsdann freuet((Jes62,5)) er sich über siewie sich ein Bräutigam freuet über seiner Braut. Siehe((Hohel. 115.16.)) du bist schön meine Freundinspricht Christusder göttliche Bräutigam: Neinantwortet die Brautnur du bist schönmein Geliebter; auch die Schönheit, die du in mir siehest, ist die Deinige. Es sind diß keine leere Worte oder Einbildungensondern grosse Wunder der Liebe Christi. Wollte GOttdaß wir solche nicht nur im Hohen Liedsondern auch in unsern Herzen, durch eine selige Erfahrung, lesen könnten!+27Nun dann, ihr unsterblichen Herzen alledie ihr mit mir zum Lieben und einen GOtt zu liebenerschaffenerlöst und berufen seidseht doch(ach hätten wir offene Augen zu sehen!) wie uns GOtt in Christo liebt, und so zärtlich liebtSchämen müssen sich alledie GOtt zu einem Tyrannen und Menschenhasser machen wollenNeinin GOtt ist kein Zornals nur wider das Böse; neinGOtt hat uns nicht geschaffendass er uns wollte hassenoder von uns gehasst werden; sondern zu dem Ende alleindass er uns wollte liebenund in Ewigkeit von uns geliebt werden. Aberach! aber ach! wo sind Herzen, die diesen GOtt wieder lieben! Ach! dass ein solcher GOttein solcher Christus ist, ein Christus, der uns Menschen also liebt; dass eine solche Liebe Christi istund wird doch so wenig und von so wenigen erkannterfahren und genossen.
  
-26Es ist unaussprechlichliebste Herzenwelch eine innig-tiefe Liebes-Neigung, und brünstiges Verlangen in Christo istunserer Herzen wieder habhaft zu werdenuns wieder bey sich haben zu wollenuns wieder mit sich, und sich mit uns auf ewig zu verbinden und zu vereinigenEngel und Menschen könnens nicht begreifensondern werdens in einer ganzen Ewigkeit mit tiefester Bewunderung anbeten.+28Tausendmal sagen die Menschen mit ihrem Munde: Lieber GOtt! lieber Heiland! Aberach! wie stehts um das Herz? was hat wohl unser Herz von der Kraft dieser Liebe Christi erfahren? Denn wir müssen uns so keine phantastischekraftloseschädliche Liebe Christi einbilden, als wenn Christus uns könnte und sollte liebenwenn wir gleich immer böse Buben bleiben; wie etwa manche Eltern dergleichen tolle Liebe zu ihren Kindern habendass sie ihnen in allem ihrem bösen Willen folgen, und sie so ins Verderben laufen lassen. So möchte sich auch der irdische, verkehrte Sinn des Menschen eine Liebe Christi und göttliche Barmherzigkeit wünschen, da Christus ihn, nach alle seinem Willen, in gesunden Tagen, der Weltlust und Eitelkeit genießen ließe; hernach, wenn er dann ja sterben müsste, und am Ende GOtt etliche gute Worte gäbe, da sollte GOtt so barmherzig sein, und Christus ihn so lieb haben, dass er ihn von Stund an in den Himmel nähme. Nein, törichter Mensch, solche Liebe Christi, und solchen Himmel baust du dir in deiner Phantasie; bei GOtt ist dergleichen nicht zu finden. Christus liebt dich, auch wider deinen Willen, weit mehr, als du dich selber liebstEr will dir lieber wehe tun und genesenals schmeicheln und dich verderben lassen.
  
-Bis((Jac4,5)) zur Eifersucht zu verlanget unser der Geist Christi, der in den Gläubigen wohnet. Er kanns gar nicht duldendaß ein Herzdas ihm so theuer zu stehen kommenein Herzdas er so sehr liebetnoch andern Dingen nachhängen, und ihm nicht ganz und allein gewidmet bleiben sollteEr liebet die Seele als seine Einzige, und sie muß ihn auch wieder lieben als ihren EinzigenDann die Liebe Christi, das ist, die innigtiefe Neigung Christi nach der Seelenerwecket in ihr eine gleichmäßig innigtiefe Neigung nach ChristoDie Liebe Christi berühret und ziehet die Seele an sichund sie folget: Zeuch mich, so lauffen wirIhr Innigstes und ihr Alles sehnet und neiget sich aus allem heraus, nach immer genauerer Vereinigung mit ihrem Geliebten. Und was da für Liebes-Begegnungen, Liebes-Umfassungen, Liebes-Vertraulichkeiten, Mittheilungen und Vereinigungen vorgehen, und vorgehen könnten, das mögen reine, abgeschiedene Herzen wohl erfahren, aber nimmermehr aussprechengehöret auch mehr zur Ewigkeitals zu dieser Zeit. Einmal, die Liebe Christi ist ein grosses Geheimniß der Gottseligkeit, und ein unerschöpflicher Abgrund von lauter Seligkeiten.+29Die Liebe Christi ist denn keine solche törichte Einbildungsondern eine lebendigegeschäftige und mächtige Kraft GOttesdie uns aus unserm IrrwegeVerderbenSünde und Todwirklich auf- und zurecht hilftneues, wahres Leben einflößt, zu allem Guten willig, lustig und vermögend und zu recht glückseligen Menschen machtDie Liebe Christi ist der Anfang, der Grund, die Seele des Christentums und aller GottseligkeitWer die Liebe Christi nicht hat, der hat entweder keineoder nur eine gemalte, tote Gottseligkeit oder FrömmigkeitEs muss uns Christusdafern er uns selig machen sollnicht so ferne bleibenWir müssen die Kraft seiner Liebe an unsern Herzen und sodann auch in unsern Herzen erfahren, und ihr Raum gebensonst bleiben wirbei allem Reden und Hören von der Liebe Christi, tote und unselige Menschen.
  
-27Nun dannihr unsterbliche Herzen, alle, die ihr mit mir zum Lieben, und einen GOtt zu liebenerschaffen, erlöset und berufen seydsehet doch(ach hätten wir offene Augen zu sehen!) wie uns GOtt in Christo liebet, und so zärtlich liebet. Schämen müssen sich alledie GOtt zu einem Tyrannen und Menschenhasser machen wollenNein, in GOtt ist kein Zornals nur wider das Böse: NeinGOTT hat uns nicht geschaffen, daß er uns wollte hassen, oder von uns gehasset werden; sondern zu dem Ende alleindaß er uns wollte liebenund in Ewigkeit von uns geliebet werdenAber, ach! aberach! wo sind Herzen, die diesen GOtt wieder lieben! Ach! daß ein solcher GOtt, ein solcher Christus ist, ein Christus, der uns Menschen also liebet; daß eine solche Liebe Christi istund wird doch so wenig, und von so wenigen, erkannt, erfahren und genossen.+30Allerdings macht Christus den Anfang mit Liebe. Wenn nämlich die Liebe Christi den Menschen dringt zur Bekehrungda bestraft ihn dieser Liebes-Geist über sein Unrechtüberzeugt ihn von der Notwendigkeit der Buße und Bekehrungbeunruhigt ihn über seine Sünden und gefährlichen Seelen-Zustand. Es ist wasdas geht dem Menschen so nach; das dringt so auf ihn aner soll sich bekehren, GOtt ergeben, ein anderer Mensch werdenDas hält nun zwar der blinde Mensch, in großem Unverstandwohl für Teufels-Anfechtungendenen er widerstehen müsse; oder er siehts an als seine eigene ihm von Ungefähr einfallende verdrießliche Gedanken, für was Böses, für Schwermütigkeit. Inzwischenob er dergleichen öfters nur gern wieder quitt sein möchte, kommts doch als wieder, zum Beweisdass es nicht vom Menschen selbst herrühreJahr und Tage geht, ach leidermancher in solcher Klemme dahinund erkennt nichtdass es eben die herumholende Liebe Christi seidie so auf ihn andringt.
  
-28. Tausendmal sagen die Menschen mit ihrem Munde: Lieber GOtt! lieber Heyland! Aberach! wie stehets um das Herz? was hat wohl unser Herz von der Kraft dieser Liebe Christi erfahren? Dann wir müssen uns so keine fantastischekraftloseschädliche Liebe Christi einbildenals wenn Christus uns könnte und sollte lieben, wenn wir gleich immer böse Buben blieben; wie etwa manche Eltern dergleichen tolle Liebe zu ihren Kindern habendaß sie ihnen in allem ihrem bösen Willen folgenund so ins Verderben lauffen lassen. So mögte sich auch der irdische verkehrte Sinn des Menschen eine Liebe Christi und göttliche Barmherzigkeit wünschenda Christus ihnnach alle seinem Willenin gesunden Tagender Welt-Lust und Eitelkeit geniessen liessehernach, wenn er dann ja sterben müßte, und am Ende GOtt etliche gute Worte gäbeda sollte GOtt so barmherzig seyn, und Christus ihn so lieb haben, daß er ihn von Mund auf in den Himmel nähme. Nein, thörichter Mensch, solche Liebe Christi, und solchen Himmel bauest du dir in deiner Fantasie; bey GOtt ist dergleichen nicht zu finden. Christus liebet dich, auch wider deinen Willen, weit mehr, als du dich selber liebest; Er will dir lieber wehe thun und dich rettenals schmeicheln und verderben lassen.+Jawahrlich, da steht der erbarmendeewig-liebende JEsusan deiner Tür, und klopft an; er bittet und bettelt recht um dein Herzeben als wenn ers nötig hätte: Gib mir dochgib mirmein Sohn, dein Herz! Lass dich doch mit GOtt versöhnen! Siehe so dringt die Liebe Christi. Und wie so oftwie so lange hat sie solches nicht bei uns getan! Wie so oft hat er uns nicht versammeln wollenwie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügelda es uns noch nicht gelegen kam, und wir nicht gewollt haben! Wir rennen ja in unserm sichern Natur-Stande spornstreichs zum Verderbenist das denn nicht Liebe, wenn uns der Heiland Einhalt tut? Wir wandeln wie auf dem Rande der Hölle; ist denn das nicht Liebe, dass er, auch mit unserm Schmerzen, uns ergreift und zurückzieht? Achwas hat wohl der allgenugsame GOtt davondass er dir und mir so nachgeht? bedarf er denn unser? hat er Vorteil von uns? ists nicht pur lautere Liebe Christi? Achliebe Seele, wenn du((Joh. 4,10)) erkennst die Gabe GOttes und wer der ist, der mit solchem Dringen zu dir spricht: Gib dich übernun nicht länger! Fürwahr du würdest dich nicht weiter wehren oder ausweichen, sondern den Augenblick ihm zu Fuß fallen, und dich hineinwerfen in die Arme seiner Liebe.
  
-29Die Liebe Christi ist dann keine solche thörichte Einbildungsondern eine lebendigegeschäftigemächtige Kraft GOttes, die uns aus unserm IrrwegeVerderben, Sünde und Todwürklich auf- und zurecht hilftneues wahres Leben einflösset, zu allem Guten willig, lustig und vermögend, und zu recht glückseligen Menschen machet. Die Liebe Christi ist der Anfangder Grund, die Seele des Christentums und aller Gottseligkeit. Wer die Liebe Christi nicht hat, der hat entweder keineoder nur eine gemahlte, todte Gottseligkeit oder FrömmigkeitEs muß uns Christusdafern er uns selig machen sollnicht so ferne bleiben: Wir müssen die Kraft seiner Liebe an unsern Herzenund sodann auch in unsern Herzen erfahren, und ihr Raum gebensonst bleiben wirbey allem Reden und Hören von der Liebe Christi, todte und unselige Menschen.+31Ist nun die Seele so glücklich, dass sie dieser ziehenden und herumholenden Liebe still hältsie Gehör und Eingang bei sich finden lässtdass das Herz in wahrer Buße gedrücktgebücktzerknirscht, zu der Gnade seine Zuflucht nimmt: siehe, so ist solches abermals die Liebe Christi, wodurch die Seele in ein solch schmerzliches Gefühl hinein gedrungen wird. Nach der Natur möchte sie wohl gern das Ding wieder aus dem Sinn schlagen, und, wie vorhinfrei, lustig und fröhlich in den Tag hinein leben; aber neines ist ihr so ein Päcklein aufs Herz gefallen, das sich so nicht wieder wegwerfen lässt; sie fühlt ihre Sünden, ihre Not, ihre Seelen-Gefahr; sie fühlts, wo sie geht und steht. Die Liebe Christi, sage ichdringt sie in dieses Gefühl; ob die Seele gleich noch nichts von dieser Liebe, sondern nur von Zorn und Verdammnis weißSie hats gehörtsie hats erkanntdass eben sie den liebenden Christum mit ihren Sünden gekreuzigt habe. Das geht ihr durchs Herzdas tut ihr wehedas soll sie hier ein wenig fühlendamit sie es nicht ewig gar zu hart fühlen müsse. Ist das nicht Liebe?
  
-30. Allerdings macht Christus den Anfang mit lieben. Wenn nemlich die Liebe Christi den Menschen dringet zur Bekehrungda bestrafet ihn dieser Liebes-Geist über sein Unrechtüberzeuget ihn von der Nothwendigkeit der Busse und Bekehrungbeunruhiget ihn über seine Sünden und gefährlicher Seelen-ZustandEs ist wasdas gehet dem Menschen so nach; das dringet so auf ihn an, er soll sich bekehrenGOTT ergebenein anderer Mensch werden. Das hält nun zwar der blinde Menschin grossem Unverstandwohl für Teufels-Anfechtungendenen er widerstehen müsse; oder er siehets an als seine eigene ihm von ohngefehr einfallende verdrießliche Gedankenfür was Bösesfür Schwermüthigkeit: Inzwischenob er dergleichen öfters nur gern wieder quit seyn mögtekommts doch als wieder zum Beweisdaß es nicht vom Menschen selbst herrühre. Jahr und Tag gehetach leider! mancher in solcher Klemme dahin, und erkennet nichtdaß es eben die herumholende Liebe Christi seydie so auf ihn andringet.+Die Liebe Christi dringt sie in ein solch Gefühl des Schadens, damit der Schade und dessen Not sie beugen und dringen möge in die Liebe Christi hineindaselbst ihre Erleichterung und Genesung zu finden. Denn das ist eben die einzige Absicht GOttes bei diesen schmerzlichen Umständen nichtdass er uns wolle von sich stoßen, in Verzweiflung und Verderben stürzen; sonderndass wir sein liebendes Herz sollen suchen, dass wir, aus aller Sünde und Sünden-Not, in Christi Liebe sollen bußfertig hinein hungern, in Christi Versöhn-Blut, teures Verdienst und ewige Gnadenicht zwar durch eine unkräftigeselbstgemachte Zuneigung, sondern durch demütiges Herzens-Sehnen und Stöhnen nach Christi Gnaden- und Liebes-Kraftwie sich solche zur Beruhigung des beklemmten Herzens und Gewissens wirklich erfahren lässt. Da soll die Seele, bei solchen Umständen, sich nur fein beugenfein schuldig gebenfein wegwerfenund von nichtsals Liebe Christi und ewiger Gnade wissen wollen. Und wenn die Sünde und Sünden-SchuldZorn und Verdammnisgroßgrößerallergrößte, ihr aufs Gemüt käme, sonst nichts dabei tun, als sich immer tieftiefer, allertiefest in diesen eröffneten Abgrund der ewigen Gnade und Liebe Christi hinein senken. Sieheso sollen wir uns durch die Liebe Christi in die Buße, und durch die Buße zur Liebe dringen lassen. Da erfolgt denn endlich gewissdass die Liebe Christi der Sünden Menge zudecktdass man sich hernach, wie es im Propheten((Hes. 16,63)) heißt, recht schämt vor demütigem Dank und Bestürzung, wenn einem der HErr so alle Sünden vergibt, und gleichsam mit lauter Liebe bezahlt: da dann wohl solche, denen vor andern viele Sünden vergeben sind, auch vor andern viel lieben.
  
-Jawarlichda stehet der erbarmendeewigliebende JEsusan deiner Thürund klopfet aner buhlet und bettelt recht um dein Herzeben als wenn ers nöthig hätte: Gib mir doch, gib mir, mein Sohn, dein Herz! Laß dich doch mit GOtt versöhnen! Siehe so dringet die Liebe ChristiUnd wie so oftwie so langehat sie solches nicht bey uns gethan! Wie so oft hat er uns nicht versammeln wollenwie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügelda es uns noch nicht gelegen kamund wir nicht gewollt haben! Wir rennen ja in unserem sichern Natur-Stande spornstreichs zum Verderben; ist das denn nicht Liebewenn uns der Heyland Einhalt thut? Wir wandeln wie auf dem Rande der Hölle; ist denn das nicht Liebe, daß er, auch mit unserm Schmerzenuns ergreifet und zurückziehetAchwas hat wohl der allgenugsame GOTT davon, daß er dir und mir so nachgehet? bedarf er denn unser? hat er Vortheil von uns? ists nicht pur lautere Liebe Christi? Achliebe Seelewenn du ((Joh410)) erkennetest die Gabe GOttes und wer der istder mit solchem Dringen zu dir spricht: Gib dich über! nun nicht länger! Fürwahr du würdest dich nicht weiter wehren oder ausweichen, sondern den Augenblick ihm zu Fuß fallenund dich hineinwerfen in die Arme seiner Liebe.+32. Die Liebe Christi dringt sodann weiter eine bekehrte Seele aus der SündeWelt und ihren Eitelkeiten heraus. Man kann nicht mehr so mitmachenoder man wird beklemmt. Warum denn? Fürchtest du etwa der Elternder Herrschaftder Obrigkeit Strafe? O neines werden ja bei einem geahndet sogar solche Sünden, die kein Mensch weiß oder wissen kannauch sogar die kleinsten Dinge, die wohl nicht ins Straf-Amt der Obrigkeit und Menschen fallenWarum denn? Spotten und verachten einen etwa die Leutewenn man so eitel dahin gehtund nicht fein fromm lebt? Keineswegsvielmehr spotten und lästern siewenn((1 Petri 4,5.)) man nicht mehr mit ihnen in eben dieses unordentliche Wesen läuft. Eiwarum machst du denn nicht mit, und hältst dich so eingezogenSollte ein Bekehrter nach dem eigentlichen Grund hierauf antwortendann würde er sagen müssen: Die Liebe Christi dringt mich alsodass ich diese Dinge soll und will verlassen; ich darf nicht mehrich will nicht mehr, meiner verderbten Natur, meinem eiteln Sinn folgenEs ist übrig genugdass ich die vergangene Zeit nach heidnischem Willen zugebracht habe. Lange genug habe ich meinen lieben Heiland mit meinen Sünden gekreuzigt; den Heiland, den Christum, der mich also geliebtdass er um meinetwillen nicht nur die Welt, sondern den Himmel verleugnet hatsollte ich um seinetwillen nicht eine garstige Sünde, nicht eine eitle, vergängliche Weltlust verleugnen?
  
-31Ist nun die Seele so glücklichdaß sie dieser ziehenden und herumholenden Liebe still hältsie Gehör und Eingang bey sich finden lässet, daß das Herz in wahrer Busse gedrücket, gebücket, zerknirschet, zu der Gnade seine Zuflucht nimmt: Siehe, so ist solches abermals die Liebe Christi, wodurch die Seele in ein solch schmerzliches Gefühl hinein gedrungen wird. Nach der Natur mögte sie wohl gern das Ding wieder aus dem Sinn schlagen, und, wie vorhin, frey, lustig und fröhlich in den Tag hinein leben; aber neines ist ihr so ein Päcklein aufs Herz gefallen, das sich so nicht wieder wegwerfen läßt; sie fühlet ihre Sünden, ihre Noth, ihre Seelen-Gefahr; sie fühlets, wo sie gehet und stehet. Die Liebe Christisage ich, dringet sie in dieses Gefühl; ob die Seele gleich noch nichts von dieser Liebe, sondern nur von Zorn und Verdammniß weißSie hats gehöret, sie hats erkannt, daß eben sie((Apost. Gesch. 2, 36)) den liebenden Christum mit ihren Sünden gecreutziget habe: Das gehet ihr durchs Herz, das thut ihr wehe; das soll sie hier ein wenig fühlen, damit sie es nicht ewig gar zu hart fühlen müsse. Ist das nicht Liebe?+33Jadie Liebe Christi dringt nicht nur auf die Verleugnung der groben Welt, und der toten Werke der Sünden; sondern auch auf die wirkliche Absagung der im Herzen steckenden Liebe der Welt und Anhänglichkeit am Geschaffenenauf die Verleugnung des falschen und tief eingedrungenen eigenen Lebensauf die Ertötung der Lust- und Zorn-Begierdenauf die Aufopferung seines eigenen Willens, seiner Selbst-Liebe und Selbst-Gefälligkeit im Kleinen und Großenim Natürlichen und im Geistlichen.
  
-Die Liebe Christi dringet sie in ein solch Gefühl des Schadens, damit der Schade und dessen Noth, sie beugen und dringen möge in die Liebe Christi hinein, daselbst ihre Erleichterung und Genesung zu findenDann das ist eben die einzige Absicht GOttes bey diesen schmerzlichen Umständen: Nicht, daß er uns wolle von sich stossenin Verzweifelung und Verderben stürzen; sonderndaß wir sein liebendes Herz sollen suchendaß wirauch aller Sünde und Sünden-Nothin Christi Liebe sollen bußfertig hinein hungernin Christi Versöhn-Bluttheures Verdienstund ewige Gnade: Nicht zwar durch eine unkräftigeselbstgemachte Zueignungsondern durch demüthiges Herzens-Sehnen und Stöhnen nach Christi Gnaden- und Liebes-Kraft; wie sich solche zur Beruhigung des beklemmten Herzens und Gewissens würklich erfahren lässetDa soll die Seelebey solchen Umständensich nur fein beugen, fein Schuld geben, fein wegwerfen, und von nichtsals Christi Liebe und ewiger Gnade, wissen wollen. Und wenn die Sünde und Sünden-SchuldZorn und Verdammnißgroßgrösserallergrößtihr aufs Gemüthe käme, sonst nichts dabey thun, als sich immer tief, tiefer, allertiefest in diesen eröffneten Abgrund der ewigen Gnade und Liebe Christi hinein senkenSieheso sollen wir uns durch die Liebe Christi in die Busse, und durch die Busse zur Liebe dringen lassen. Da erfolget denn endlich gewißdaß die Liebe Christi der Sünden Menge zudecketdaß man sich hernachwie es im Profeten ((Hes. 16,63)) heißtrecht schämet, vor demüthigem Dank und Bestürzungwenn einem der HErr so alle Sünden vergiebetund gleichsam mit lauter Liebe bezahlt: Da dann wohl solchedenen vor andern viele Sünden vergeben sind, auch vor andern viel lieben.+Welche düstere und fürchterliche Vorstellungen machenwir uns nicht öfters von der Verleugnung! Wie lassen sich schwacheungeübte Seelennicht öfters ohne Not abschrecken! O! denkt mandas ist ja ein peinliches Leben. da du keine freudige Stunde mehr in der Welt würdest haben könnendas kannst du unmöglich aushalten; von dem und dem Teil wirst du nimmermehr können los werdenusw. Achliebe Seelewie bildest du dir doch immer deinen GOtt so unrecht ein! GOtt hat unserer Verleugnung seinetwegen nicht nötigaber wir haben sie nötig. Er ist nicht sowie ein harter Mannder einem das Leben und den Weg zum Himmel so peinlich und schwer machte, und in der Welt keine Freude gönnteDenn solche dummeblindeausgeartete Kinder sind wirdass wir unser wahres Glück und Heil nicht erkennen, und das Freude und Lust nennenwas doch unser wirkliches Verderben, Qual und Hölle ist; wie etwa ein Kinddas mit dem Messer spieltin seinem Unverstand weint und widerstrebtwenn die sorgfältige Mutterliebe demselben das Messer hinzulegen befiehlt. Alle das innere Andringen zum Verleugnensollen wir nicht so gesetzlichsondern als einen Andrang der Liebe Christi ansehenEr will uns törichte Kinder freundlich beredenwir sollen das schädliche Messer aus der Hand legen; und will das freundliche Bereden nicht helfen, dann lässt er wohl einmal zu, dass wir uns schneiden, bloß dass wir das schädliche Messer mögen hinwerfen. O, es ist eitel Liebe! Christus will gern das ganze Herz haben, und durch solche Verleugnungen alle Hindernisse bei Seite räumen, die im Wege liegendamit er uns seiner wahrengründlichenewigen FreudeLiebe und Vergnügung möge können teilhaftig machen. Jaje genauer der HErr eine Seele in die Verleugnung führtje weniger er ihr erlauben willdesto sonderbarer ist die Liebe Christi zu solchen Seelen
  
-32. Die Liebe Christi dringet sodann weiter eine bekehrte Seele aus der SündeWelt und allen ihren Eitelkeiten herausMan kann nicht mehr so mitmachenoder man wird beklemmet. Warum denn? Fürchtest du etwa der Elternder Herrschaft, der ObrigkeitStrafe? O neines werden ja bey einem geahndet sogar solche Sünden, die kein Mensch weiß oder wissen kannauch sogar die kleinsten Dingedie wohl nicht ins Straf-Amt der Obrigkeit und Menschen fallen. Warum denn? Spotten und verachten einen etwa die Leutewenn man so eitel dahin gehet, und nicht fein fromm lebtKeineswegsvielmehr spotten und lästern siewenn ((1. Petr. 4,5.)) man nicht mehr mit ihnen in eben dieses unordentliche Wesen läuft. Ey, warum machst du denn nicht mit, und hältst dich so eingezogen? Sollte ein Bekehrter nach dem eigentlichen Grund hierauf antwortendann würde er sagen: Die Liebe Christi dringet mich alsodaß ich diese Ding soll und will verlassen; ich darf nicht mehrich will nicht mehrmeiner verderbten Naturmeinem eiteln Sinn folgen. Es ist übrig genugdaß ich die vergangene Zeit nach heidnischem Willen zugebracht habe. Lange genug habe ich meinen lieben Heyland mit meinen Sünden gecreutziget; den Heylandden Christumder mich also geliebetdaß er um meinetwillen nicht nur die Welt, sondern den Himmel verläugnet hat, sollte ich um seinetwillen nicht eine garstige Sünde, nicht eine eitele, vergängliche Welt-Lust verläugnen?+Wie wir nun den Andrang zur Verleugnung nicht gesetzlich, sondern als Liebe Christi ansehen sollen; also müssen wir uns auch nicht gesetzlich in der Übung der Verleugnung betragensondern die Liebe Christi uns zum Verleugnen dringen lassenWenns nur immer bei der Seele heißt: Du musstsonst bist du ewig verdammt; und man dann so ohne Christoin eigener Kraftaufs Verleugnen fällt, ach! das ist so ein mühseliges Leben, so man doch als mit in der Erfahrung schmecken muss. Es ist wohl wahrwir müssen, oder wir sind verdammtalleinist das nicht schon ein Stück der Verdammungimmer müssen, und nimmer von Herzen willig seinimmer müssen, und nimmer können? Nach Christi Liebe sollen wir hungern, in Christi Liebe die Willigkeit und die Kraft zum Verleugnen suchen, und so lange suchenbis wirs finden; bis die Liebe Christi uns dringtdass wir gern uns selbst und allen Dingen absagenund wir uns glücklich schätzenihm unserm Freundunserer Mutterunserm Bräutigamzu Liebe was zu verleugnenwas zu wagenund zu allem Gefallen leben zu mögen.
  
-33. Ja, die Liebe Christi dringet nicht nur auf die Verläugnung der groben Weltund der todten Werke der Sünden; sondern auch auf die würkliche Absagung der im Herzen steckenden Liebe der Welt und Anhänglichkeit am Geschaffenenauf die Verläugnung des falschen und tief eingedrungenen eigenen Lebensauf die Ertödtung der Lust- und Zorn-Begierdenauf die Aufopferung seines eigenen Willens, seiner Selbst-Liebe und Selbst-Gefälligkeit im Kleinen und Grossen, im Natürlichen und im Geistlichen.+Ja, wenn ich gerade reden soll zu begnadigten Seelen, zu Seelen, die so herzlich gern sich verleugnen wollen, aber, zu ihrem Leidwesen, sich überall zu kurz finden: dann wollte ich sagen, denkt nicht einmal so viel an verleugnen, an treu sein, an heilig und genau leben:- liebt nur, hungert nach Liebe, übt euch in der Liebe. Die Liebe verleugnet immerohne die Bitterkeit der Verleugnung zu schmecken, und fast ohne ans Verleugnen zu denken. Denkt nurwie ihr Christum liebenimmer herzlicher lieben, und seiner Liebe alles zu Gefallen tun mögt.
  
-Welche düstere und fürchterliche Vorstellungen machen wir uns nicht öfters von der Verläugnung! Wie lassen sich schwacheungeübte Seelen nicht öfters ohne Noth abschrecken! O! denkt man, das ist ja ein peinliches Leben, da du keine freudige Stunde mehr in der Welt wurdest haben können, das kannst du ohnmöglich aushalten; von dem und dem Theil wirst du nimmermehr können los werdenu.s.w. Ach, liebe Seele, wie bildest du dir doch immer deinen GOtt so unrecht ein! GOtt hat unserer Verläugnung seinetwegen nicht nöthig, aber wir haben sie nöthigEr ist nicht so, wie ein harter Mannder einem das Leben und den Weg zum Himmel so peinlich und schwer machte, und in der Welt keine Freude gönnete: Dann solche dumme, blindeausgeartete Kinder sind wir, daß wir unser wahres Glück und Heyl nicht erkennen, und das Freude und Lust nennen, was doch unser würkliches Verderben, Quaal und Hölle ist; wie etwa ein Kind, das mit dem Messer spielet, in seinem Unverstand weinet und widerstrebet, wenn die sorgfältige Mutter-Liebe demselben das Messer hinzulegen befiehletAlle das innere Andringen zum Verläugnen, sollen wir nicht so gesetzlich, sondern als einen Andrang der Liebe Christi ansehen: Er will uns thörichte Kinder freundlich beredenwir sollen das schädliche Messer aus der Hand legen; und will das freundliche Bereden nicht helfen, dann läßt er wohl einmal zu, daß wir uns schneiden, bloß, damit wir das schädliche Messer mögen hinwerfenO, es ist eitel Liebe! Christus will gern das ganze Herz haben, und durch solche Verläugnungen alle Hindernisse beyseite räumen, die im Wege liegendamit er uns seiner wahren, gründlichen, ewigen Freude, Liebe und Vergnügung, möge können theilhaftig machenJa, je genauer der HERR eine Seele in die Verläugnung führetje weniger er ihr erlauben willdesto sonderbarer ist die Liebe Christi zu solcher Seelen.+34. Die Liebe Christi dringt die Gläubigen ins Kreuz und durchs Kreuz. Das klingt wunderlichund ist doch die Wahrheit. Man gerät manchmal so wunderlich und unversehens in eine Not und Druckdass man nicht weiß, wie es zugeht. Man wird so recht hinein gedrungenDa muss der oder jener just so redenso mit uns handelnda muss eine Sache oder ein Wort so unrecht aufgenommen werden; da müssen die Dinge just sich so zutragen, und aufeinander folgendass wir eben ein Pröbchen Kreuz und Leiden kriegen mögenDie Dinge dürfen auch nicht eben allemal so groß oder wichtig sein; die Liebe Christi bedient sich manchmal einer Kleinigkeit, und weiß uns damit eben auf das empfindliche Plätzchen zu treffenSo gehts im Äußeren und Leiblichen, und so gehts auch im Geistlichenauf unzählig unterschiedene ArtenUnd das tut die Liebe Christiwenn wir gleich denkendiese oder andere Dinge wären Ursach daran.
  
-Wie wir nun den Andrang zur Verläugnung nicht gesetzlichsondern als Liebe Christi ansehen sollen; also müssen wir uns auch nicht gesetzlich in der Uebung der Verläugnung betragen, sondern die Liebe Christi uns zum Verläugnen dringen lassen. Wenns nur immer bey der Seelen heißt: Du musstsonst bist du ewig verdammt; und man dann so ohne Christoin eigener Kraftaufs Verläugnen fälltach! das ist so ein mühseliges Lebenso man doch als mit in der Erfahrung schmäcken mußEs ist wohl wahrwir müssen, oder wir sind verdammt; alleinist das nicht schon ein Stück der Verdammung, immer müssen, und nimmer von Herzen willig seyn? immer müssen, und nimmer können? Nach Christi Liebe sollen wir hungern, in Christi Liebe die Willigkeit und die Kraft zum Verläugnen suchenund so lange suchenbis wirs finden; bis die Liebe Christi uns dringet, daß wir gern uns selbst und allen Dingen absagen, und wir uns glücklich schätzenihmunserm Freund, unserer Mutter, unserm Bräutigam, zu Liebe was zu verläugnen, was zu wagen, und zu allem Gefallen leben zu mögen.+Schwacheblöde Seelen können sich manchmal gewaltig ängstendurchs ungläubige Voraussehen auf zukünftigeäußere oder innere LeidenVersuchungenund ich weiß nicht welche Probendie vielleicht nie über sie kommen werdenWenn du einmal das leiden solltestdenken siewas jenem aufgelegt worden? wenn du in diese oder jene harte Wege solltest geraten, das würdest du unmöglich aushalten können! Ach, Seelen! plagt euch doch nicht mit vergeblicher Sorge und Kummer: trauts doch der Liebe zudass sie euch werde dringen in Kreuz und durchs Kreuzich will sagenbleibt doch nur kurz im Gegenwärtigen. Die Liebe teilt die Kreuze weislich aus: sie verstehts besser als wir. So lang wir so kleineschwache Kinder sindwird sie uns keine  große Päcke auflegen
  
-Jawenn ich gerade reden soll zu begnadigten Seelen; zu Seelendie so herzlich gern sich verläugnen wollenaberzu ihrem Leidwesensich überall zu kurz findendann wollte ich sagendenkt nicht einmal so viel an verläugnen, an treu seynan heilig und genau leben: Liebet nur, hungert nach Liebe, übet euch in der LiebeDie Liebe verläugnet immerohne die Bitterkeit der Verläugnung zu schmäckenund fast ohne ans Verläugnen zu denken. Denkt nur, wie ihr Christum lieben, immer herzlicher lieben, und seiner Liebe alles zu Gefallen thun möget.+Was aber im Gegenwärtigen zu leiden vorfälltdas sollen wir gerade aus der Hand der Liebe Christiund  nicht von dem oder jenem annehmen. Wie Christus litteda nahm er sein Leiden nicht von Judavon Pilatovon  den Pharisäern an, sondern gerade von der Hand seines VatersSollt ich den Kelch nicht trinkenhieß es, den mir mein Vater gegeben hat? Denkt dann nicht so sehr ans Kreuzals an denders Kreuz gibtIsts wahrliebe Seeleglaubst du esdass eben Christus dir  dieses oder jenes Kreuzchen gibt; o wie so köstlichwie so  ehr- und liebenswürdig muss dir nicht alles sein, was von  dieser Liebes-Hand kommt? Denke, welch ein Großes  hat er für dich gelitten: willst du dann, ihm zu behagen, nicht ein kleines Kreuzchen tragen? 
  
-34Die Liebe Christi dringet die Gläubigen ins Creutz und durchs Creutz. Das klingt wunderlich, und ist doch die Wahrheit. Man geräth manchmal so wunderlich und unversehens in eine Noth und Druck, daß man nicht weiß, wie es zugehet. Man wird so recht hinein gedrungen. Da muß der oder jener just so reden, so mit uns handelnda muß eine Sache oder ein Wort so unrecht aufgenommen werden; da müssen die Dinge just sich so zutragenund aufeinander folgen, daß wir eben ein Pröbgen, Creutz und Leiden kriegen mögen. Die Dinge dürfen auch nicht eben allemal so groß oder wichtig seyn; die Liebe Christi bedienet sich manchmal einer Kleinigkeit, und weiß uns damit eben auf das empfindliche Plätzgen zu treffen. So gehts auch im Geistlichen, auf unzählig unterschiedene Arten. Und das thut die Liebe Christi, wenn wir gleich denken diese oder andere Dinge wären Ursach daran.+Denke nicht so sehr ans Kreuz, als an die Liebe Christi. Liebe nur, dann kannst du alles leiden. Was kann die Liebe nicht! Was haben nicht so viel tausend Märtyrer und unzählig andere heilige Seelen gelitten, und leiden können, nur weil die Liebe Christi sie also drang! Die Liebe Christi flößt immer mehr einen Leidenssinn ein, und hält die Seele auf eine geheime Weise, wie angenagelt am Kreuz, so dasswenn es auch manchmal kümmerlich hergehtsie doch nicht vom Kreuze sollte herabsteigen, und wieder Luft für die Natur suchen wollen, wenn es ihr auch gleich freigestellt würde
  
-Schwache, blöde Seelen können sich manchmal gewaltig ängstendurchs unglaubliche Voraussehen auf zukünftigeäussere oder innere LeidenVersuchungenund ich weiß nicht welche Probendie vielleicht nie über sie kommen werden. Wenn du einmal das leiden solltest, denken sie, was jenem aufgeleget worden? wenn du in diese oder jene harte Wege solltest gerathenda würdest du unmöglich aushalten können! AchSeelen! plaget euch doch nicht mit vergeblicher Sorge und Kummer; trauets doch der Liebe zu, daß sie euch werde dringen ins Creutz und durchs Creutz, ich will sagenbleibt doch nur kurz im Gegenwärtigen. Die Liebe theilt die Creutze weislich aus: sie verstehets besser als wir. So lang wir so kleine, schwache Kinder sind, wird sie uns keine grosse Päcke auflegen.+35. Die Liebe Christi soll uns dringen zur Heiligung. Wie so fürchterlich und unmöglich machen. sich nicht manche Seelen ihre Heiligung! So genau lebenwie die Schrift es vorstelltso demütigso sanftmütigso treuso andächtig, so lauter, so unsträflich, so heilig werden, ach, das ist nicht möglich, denken sie, das können sie keineswegs aushalten oder erreichen. Jaliebe Seele, wenn Mosis scharfe Zucht im Gewissen dazu dringt, dann ist es unmöglich; wenn du dich selbst dazu dringst und zwingstdann ist es nicht zu erreichen; wohl aber, und gar leichtwenn wir uns die Liebe Christi dringen lassen zur Heiligkeit.
  
-Was aber im Gegenwärtigen zu leiden vorfälltdas sollen wir gerade aus der Hand der Liebe Christi, und nicht von dem oder jenem annehmenWie Christus lidteda nach er sein Leiden nicht von Judavon Pilatovon den Pharisäern ansondern gerade von der Hand seines VaterSollt ich den Kelch nicht trinkenhieß esden mir mein Vater gegeben hat? Denket dann nicht so sehr ans Creutzals an denders Creutz giebetIsts wahrliebe Seeleglaubest du es, daß eben Christus dir dieses oder jenes Creutzgen giebet; o wie so köstlich, wie so ehr- und liebenswürdig muß dir nicht alles seynwas von dieser Liebes-Hand kommt! Denkewelch ein Grosses hat er für dich gelittenwillst du dannihme zu behagen, nicht ein kleines Creutzgen tragen?+Achwie tun nicht manche so recht ängstlich, und lassen sichs sauer werden mit ihrem Selbst-Heiligmachen! O ihr Herzen! liebt nur, vereinigt euch nur mit Christo durch Glauben, Liebe und Gebet, wie der Rebe sich vereinigt mit dem WeinstockEifällt es denn einem solchen Reben so schwer, dass er süße Trauben trage? darf man es mit befehlendrohenschütteln und rütteln erzwingen? neines geht alles sanft, leicht und ganz natürlich zuder Rebe bleibt nur am Weinstocklässt sich von dessen edlem Saft durchdringen, so grünt erund trägt Fruchtohne dass er sonst was hinzu bringtSieheso sollen wirs auch machen: Bleibt((Joh. 15)) in mirspricht Christus, so bringt ihr viele Früchte. Wir sollen nur lieben, wir sollen nur eingekehrt bleiben in der Liebe, und, als in uns selbst dürre Reben, uns von dem reinen göttlichen Saft und Kraft der süßen Liebe Christi durchdringen lassen; o da werden wir wie von selbstheilige, liebe und gottgefällige Leute werden, erfüllet mit allerhand süßen Früchten der Gerechtigkeit, zum Lobe JEsu Christi, da werden uns die Tugenden wie natürlich und leicht; und wir werden uns selig schätzen, dass wir Christo zu allem Gefallen leben mögen. Und wirklich, wenn es gleich möglich wäre, so doch nicht ist, dass wir aus uns selbst heilig werden könnten; so wäre das doch alles nur ein gebrechlichestotes und unwertes Dingdas aus menschlichem Willen und Kräften hervorkäme, und worin wir nur uns selbst beäugelten und liebten. Die Liebe Christi muss aller Gottseligkeit, allen Werken und Tugenden das rechte Leben, Kraft und Gültigkeit geben. Drum weiß Paulus diesen vortrefflichen Liebesweg nicht hoch genug anzupreisenWenn ichspricht ermit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz; und wie es weiter heißt, im 13. Kap. des ersten Briefs an die Korinther, so wir zu Haus nachlesen mögen.
  
-Denke nicht so sehr ans Creutz, als an die Liebe Christi. Liebe nurdann kannst du alles leidenWas kann die Liebe nicht! Was haben nicht so viel tausend Märtyrerund unzählig andere heilige Seelen gelitten, und leiden können, nurweil die Liebe Christi sie also drungeDie Liebe Christi flösset immer mehr einen Leidens-Sinn ein, und hält die Seele, auf eine geheime Weise, wie angenagelt am Creutz, so daß, wenn es auch manchmal kümmerlich hergehet, sie doch nicht vom Creutze sollte herabsteigen, und wieder Lust für die Natur suchen wollenwenn es ihr auch gleich frey gestellet würde.+36Die Liebe Christi dringet zu allem FleißWachsamkeit und Munterkeit in allem Werk, und im ganzen Wandel der GottseligkeitDurch Furcht und Schläge kann mancherim Todesschlaf der Sünden sicherer Menscherschreckt und erweckt werden; durch göttliche Gerichte, Krankheit, Todesangst, Sterben naher Anverwandten, oder sonstige Gewissensrügungen können gewaltige Bewegungen und die ernstlichsten Entschließungen bei einem Menschen entstehendass man ja denken solltees würde was rechts daraus: allein, wie so bald gehts wieder vorüber, wo nicht die herzerneuernde Gnade und Liebe Christi hinzukommtSchmutz und Tod, und Hölle, mögen dringen wie sie wollen; dringt die Liebe Christi nicht mit, so schläft man wieder ein. Die äußerlichen Mittel der Gnaden können auch dienlich seinträge, schläfrige Herzen zu erwecken und zu ermuntern; wollen wir aber durch die Gnadenmittel, die uns GOtt an die Hand gibt, auf eine fruchtbare und bleibende Weise erweckt werden, so müssen wir nahe bei unserm Herzen bleiben, und auf die mitwirkende Liebe Christi acht gebendie inwendig aufweckt, ermuntert, und mit ihren Rührungen gern tief ins Herz hinein dringt.
  
-35. Die Liebe Christi soll uns dringen zur HeiligungWie so fürchterlich und unmöglich machen sich nicht manche Seelen ihre Heiligung! So genau lebenwie die Schrift es vorstellet, so demüthig, so sanftmüthig, so treu, so andächtig, so lauter, so unsträflich, so heilig werden: Ach, das ist nicht möglich, denken sie, das können sie keinesweges aushalten oder erreichen. Ja, liebe Seele, wenn Mosis scharfe Zucht im Gewissen dazu dringt, dann ist es unmöglich; wenn du dich selbst dazu dringest und zwingest, dann ist es nicht zu erreichen; wohl aber, und gar leicht, wenn wir uns die Liebe Christi dringen lassen zur Heiligkeit.+Die Liebe weiß zwar von keiner ängstlichen unruhigen Sorge; aber sie weiß auch von keiner Trägheit und SchläfrigkeitEs liegt einem vom Morgen bis zum Abend immer so am Herzenwas man doch dem Geliebten solle zu Gefallen tun?
  
-Ach, wie thun nicht manche so recht ängstlich, und lassen sichs sauer werden mit ihrem Selbst-Heiligmachen! O ihr Herzen! liebet nurvereiniget euch nur mit Christo durch Glauben, Liebe und Gebet, wie der Rebe vereiniget ist mit dem Weinstock, Ey, fällt es denn einem solchen Reben so schwer, daß er süsse Trauben trage? darf mans mit befehlen, drohen, schütteln und rütteln erzwingen? O nein, es gehet alles sanft, leicht und ganz natürlich zu: der Rebe bleibet nur im Weinstockläßt sich von dessen edlen Saft durchdringenso grünet erund trägt Fruchtohne daß er sonst was hinzu bringt. Siehe, so sollen wirs auch machenBleibet ((Joh. 15.)) in mirspricht Christus, so bringet ihr viele FrüchteWir sollen nur liebenwir sollen nur eingekehret bleiben in der Liebeundals in uns selbst dürre Reben, uns von dem reinen göttlichen Saft und Kraft der süssen Liebe Christi durchdringen lassen: o da werden wir wie von selbstheilige, liebe und GOtt-gefällige Leute werden, erfüllet mit allerhand süssen Früchten der Gerechtigkeit, zum Lobe JEsu Christi: da werden uns die Tugenden wie natürlich und leicht; und wir werden uns selig schätzen, daß wir Christo zu allem Gefallen leben mögen.+Ich gedenke hierbei noch der äußern Trägheit und Schläfrigkeit. Es klagen manche Herzen, dass sie in der Einsamkeit und zur Abendzeit so leicht der Schlaf überfalle. Das hat nun zwar bei manchendie etwa durch Arbeit stark ermüdet wordenoder schwächlich sindseine natürlichen Ursachenda man Geduld haben mussich fürchte aberdass es bei vielen an der Liebe fehltIch habs probiertdass manche zur Abendzeit der Schlaf überfielwenn was Gutes geredet oder gelesen wurde; die aber alsobald sich ermuntertenwenn von andern ihnen beliebten Sachen was vorfiel. Pfui der Schande! Ach hätten wir ein wenig mehr Liebe, wir würden munterer sein!
  
-Und würklichwenn es gleich möglich wäreso doch nicht istdaß wir aus uns selbst heilig werden könnten; so wäre das doch alles nur ein gebrechliches, todtes und unwerthes Dingdas aus menschlichem Willen und Kräften hervorkämeund worin wir nur uns selbst beäugten und liebten: Die Liebe Christi muß aller Gottseligkeit, Werken  und Tugendendas rechte LebenKraft und Gültigkeit gebenDrum weiß Paulus diesen fürtreflichen Liebes-Weg nicht hoch genug anzupreisen: Wenn ichspricht ermit Menschen- und mit Engel-Zungen redete, und hätte der Liebe nichtso wäre ich ein thönend Erz; und wie es weiter heißtim 13Cap. des ersten Briefs an die Corinther, so wir zu Haus nachlesen mögen.+37. Die Liebe Christi dringt zu guten Werken. Die Gelehrten disputieren allerhand von den guten Werkenvon deren Verdienstob, und wie weit sie zur Seligkeit vonnöten, und was dergleichen mehr ist. Eine Seeledie Christum liebt, hält sich mit solchen Zänkereien nicht auf. Die Liebe dringt unaufhörlichnach ihrer Art, zu allen guten Werken, gegen GOtt, gegen die Brüder, gegen den Nächsten, ja gegen die Feinde; die Liebe kanns nicht lassen, sie will jedermann Gutes tun, und sich allen preisgebenSie hat immer genug, sie ist reich, sie ist milde, sie gibt gerne hin, und hat sie kein Geld oder andere Sachen mehr zu gebendann hat sie doch noch ein Herz, das sie hingibt im Mitleiden, Erbarmen und andern möglichen Hilfleistungen. Mit einem Wort: Die Liebe tut immer Gutesohne fast daran zu gedenken; sie tut tausend gute Werke, ohne zu fragen, ob sie gute Werke tun müsse; und von Verdienst der guten Werke fällt ihr gar nichts ein. Wenn sie auch vieles getan hatdann meint sie, sie habe noch nichts getan; jetzt will sie erst anfangenSiehe, so dringt die Liebe Christi.
  
-36. Die Liebe Christi dringet zu allem Fleiß, Wachsamkeit und Munterkeit in allem Werk, und im ganzen Wandel der Gottseligkeit. Durch Furcht und Schlägekann mancherim Todes-Schlaf der Sünden sicherer Mensch, erschrecket und erwecket werden; durch göttliche Gerichte, Krankheit, Todes-Angst, Sterben naher Anverwandten, oder sonstige Gewissens-Rügungen können gewaltige Bewegungen und die ernstlichste Entschliessungen bey einem Menschen entstehen, daß man ja denken sollte, es würde was rechts daraus: allein, wie so bald gehets wieder vorüber, wo nicht die Herz-erneuernde Gnade und Liebe Christi hinzu kommtNoth, und Todund Hölle, mögen dringen wie sie wollen; dringet die Liebe Christi nicht mit, so schläft man wieder ein.+38. Die Liebe Christi dringt zum immerwährenden Fortgang in der Gottseligkeit und HeiligungDas ist noch ein ganz unnötiger Zankden die Leute haben über die Vollkommenheitob man GOttes Gebote auch halten könne? ob man den und den Stand auch erreichen könne? und was dergleichen mehr ist. Mein GOttman disputiert von der Vollkommenheit, und sollte billig erst fragen; Hast du auch einen Anfang gemacht? Mich deucht, die Leute verraten mit dergleichen Streitigkeiten nur ihr lieblosestotes Herz.
  
-Die äusserlichen Mittel der Gnaden können auch dienlich seynträgeschläferige Herzen zu erwecken und zu ermunternwollen wir aber durch die Gnaden-Mitteldie uns GOtt an die Hand gibtauf eine fruchtbare und bleibende Weise erwecket werdenso müssen wir nahe bey unserm Herzen bleiben, und auf die mitwirkende Liebe Christi Acht geben die inwendig aufwecktermundertund mit ihren Rührungen gern tief ins Herz hinein dringet.+Die Liebe weiß von keinen Schranken; sie will immer weitertreuerfrömmer, gottgefälliger werdensie fragt nicht langeob man es könne oder nicht könne; sie geht nur wacker drauf los; sie muss ihrem Trieb, ihrem Dringen folgen. Der Apostel Paulus war ja weiter gekommen, als wir alle; inzwischen was sagt er im 3. Kap. an die Philipper: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu demdas da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinodwelches vorhält die himmlische Berufung GOttes in Christo JEsu. Wielieber Paulus! bist du denn noch nicht fromm genug? du bist ja wohl nicht mehr bange vor der Hölle? Eispricht Paulus, dies ist es nicht; es dringt mich nicht die Hölle, es dringt mich nicht der Himmel; die Liebe Christi dringt mich also.
  
-Die Liebe weiß zwar von keiner ängstlichen unruhigen Sorge; aber sie weiß auch von keiner Trägheit und SchläferigkeitEs liegt einem vom Morgen bis zum Abend immer so am Herzenwas man doch dem Geliebten solle zu Gefallen thun.+39. Die Liebe Christi dringt sich gern in alle unsere Dinge ein. Sie will und muss nicht nur in den großen, sondern auch in den kleinsten Dingen die Hand haben: wäre die Sache noch so klein, alles muss ihr Opfer sein. Alles, was wir hier im natürlichen Leben machen, es scheine so wichtig und groß es immer wolle, ist in sich selbst eine nichtige Lapperei, und nicht wert, dass ein edler Geist sich damit beschäftige; aber durch die Liebe können alle diese Kleinigkeiten recht groß, und ein wahrer Dienst GOttes werdenWerso zu reden, auch nur einen Strohhalm von der Erde hübe durch die Liebe Christi, der verrichtete ein großes Werk.
  
-Ich gedenke hiebey noch der äussern Trägheit und SchläferigkeitEs klagen manche Herzendaß sie in der Einsamkeit und zur Abend-Zeit so leicht der Schlaf überfalle. Das hat nun zwar bey manchendie etwa durch Arbeit stark ermüdet worden, oder schwächlich sindseine natürliche Ursachenda man Geduld haben muß: ich fürchte aber, daß es bey vielen an der Liebe fehletIch habs probiretdaß manche zur Abend-Zeit der Schlaf überfielwenn was Gutes geredet oder gelesen wurdedie aber alsobald sich ermuntertenwenn von andern ihnen beliebten Sachenwas vorfiele. Pfui der Schande! Ach hätten wir ein wenig mehr Liebewir würden munterer seyn!+Manche Herzen klagen gar sehr, dass ihnen ihre äußeren notwendigen Geschäfte so viele Zerstreuung, Verhinderung und Schaden brächtenWoher kommtsliebste Seelen? ihr tut vielleicht eure Sachen nur als ein weltliches Ding. Wenn ihr in der Kammer, in der Kirchein der Versammlung sieht, oder sonst was Gutes lesen oder vorhaben könntdann meint ihr, das wäre GOtt gedient, aber auf dem Feldein der Küche, oder wo sonst ein jeder zu tun hat, seine Arbeit verrichten, das sei der Welt gedient. Ach Jammer und Schade! so würden wir ja die mehrste Zeit im eiteln Dienst der Welt zubringen müssen. Verrichtet eure Geschäfte als einen Dienst der Liebe Christi, so schaden sie euch gar nicht mehrWenn uns die Weltbegierde, die Sorge, der Unglaube, oder einige andere Naturkraft dringt zu und in den Geschäften, so muss ja das Gemüt nur immer mehr verfinstert und zerrüttet werdendringt uns aber die Liebe Christi zu dem Werkeund wir lassen uns von derselben in Schranken halten in den Geschäftendass wir sie nur so kindlich hin ihm zu lieb und zu Ehren verrichten; nein, dann hindern sie nicht mehr, sondern sie werden ein wahrer Gottesdienst. Dies meint der heilige Geist, wenn es Kolosser 3 heißt: Alles, (merkt es doch, alles), was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des HErrn JEsu.
  
-37((Im Original 38)). Die liebe Christi dringet zu guten Werken. Die Gelehrten disputiren allerhand von den guten Werkenvon deren Verdienst, ob, und wie weit sie zur Seligkeit vonnöthenund was dergleichen mehr istEine Seele, die Christum liebethält sich mit solchen Zänkereyen nicht auf: Die Liebe dringet unaufhörlich, nach ihrer Art, zu allen guten Werken, gegen GOttgegen die Brüdergegen den Nächstenjagegen die Feinde: die Liebe kans nicht lassensie will jedermann Gutes thun, und sich allen Preiß geben.+40. Die Liebe Christi will uns gern den ganzen Tag bei sich und in ihren Schranken behaltenuns dringen in den Weg, und mit ihrem Dringen verwahrendass wir weder zur Rechten noch zur Linken beiseits ausweichenAchwenn wir nur fein aufmerksam in ihrem Gleise bleiben möchten! Es machen sich die Seelen öfters so allerhand gute VorschriftenOrdnungen und Regeln ihres Verhaltens, die ich nicht überall verwerfe; ich weißdass den unartigen Kindern Zucht und Ordnung vonnöten istoder sie laufen gar ins Wilde; das ist nur Schadedass alle gute Vorschriften und Regeln so bald wieder gebrochen werden. Es ist keine bessere Regel, Ordnung oder Vorschrift, als die Liebe Christidie uns so innig nahe ist.
  
-Sie hat immer gnugsie ist reichsie ist mildesie gibt gerne hin, und hat sie kein Geld oder andere Sachen mehr zu gebendann hat sie doch noch ein Herzdas sie hingibt im MitleidenErbarmen und andern möglichen Hilf-Leistungen.+Die Liebe Christi will uns gängelnwie eine Mutter ihr Kind. Ein Kinddas am Leitband gehtwird so gelenktso gehalten! es geht zwar frei und uneingeschränkt; sollte es aber in Kot laufen wollen, oder sonst ein Schaden zu fürchten seinalsobald würde es fühlendass es hinten von was gehalten würde. Auf eine dergleichen Art will uns die Liebe Christi führen, dass wir wandeln sollen in Seiten der Liebe, Hosea 11,4. Wenn wir im Unverstand in was Unrechtes oder Schädliches hinein wollten; wir würden eben dergleichenwie jenes Kind am Leitband merken, dass uns so was hielte und beklemmte((Dieser Nachdruck steckt im griechischen Text, wie sich dann dasselbe Wort auch findet Luk. 12,50. Ich muss mich taufen lassen mit einer Laufe, und wie werde ich beklemmt. Und Philipp. 1,23. Ich werde von beiden Teilen beklemmt.)), nämlich die Liebe Christi
  
-Mit einem Wort: Die Liebe thut immer Gutes, ohne fast daran zu gedenkensie thut tausend gute Werke ohne zu fragenob sie gute Werke thun müsse; und von Verdienst der guten Werkefällt ihr gar nichts ein. Wenn sie auch vieles gethan hatdann meint siesie habe noch nichts gethan; jetzt will sie erst anfangen. Siehe, so dringet die Liebe Christi.+41. Die Liebe Christi soll und will uns dringen zum Gebet. Beten ohne Herzaus bloßem Dringen der Gewohnheitdas ist kein Betenbeten, wenn Seelennot und Gefahr, wenn Gefühl der Sünden und Dürftigkeit dringtdas ist ein recht gutes Gebet; wenn aber die Liebe Christi zum Gebet dringto das ist das schönste und edelste Gebet! Wir klagen öftersdass wir nicht wüssten zu beten, dass wir nicht gebührende Lust dazu hätten, dass uns auch wohl die Zeit dabei lang fiele, usw. Siehe, das rühret her aus Mangel der Liebe Christi, Lasst uns nur der Liebe Raum geben, dann wird die Liebe uns schon dringen zum GebetMit lieben Freunden ist man ja so gern ein wenig unter vier Augen allein: wenn wir Christum lieben, und herzlich lieben, dann werden wir gern mit ihm allein gehen, dann wird uns nicht leicht die Zeit bei ihm zu lang fallen: wenn wir Christum lieben, dann werden wir ihm immer was zu sagen haben; und haben wir ihm nichts zu sagen, dann haben wir doch was zu lieben; und das ist beten. Lieben und schweigen in der Gegenwart GOttes, o das ist ein großes Gebet!
  
-38. Die Liebe Christi dringet zum immerwährenden Fortgang in der Gottseligkeit und Heiligung. Das ist auch noch ein ganz unnöthiger Zankden die Leute haben über die Vollkommenheitob man GOttes Gebote auch halten könne? ob man den und den Stand auch erreichen könne? und was dergleichen mehr ist. Mein GOtt! man disputiret von der Vollkommenheit, und sollte billig erst fragen: Hast du auch einen Anfang gemachtMich deucht, die Leute verrathen mit dergleichen Streitigkeiten nur ihr liebloses todtes Herze.+O ja, liebste Herzen! wir könnens nicht glauben, welch ein trefflicher Betmeister die Liebe Christi sei, die in Begnadigten so unzählige, unaussprechliche Seufzerlein im Herzen erweckt: möchten sie nur besser gehegt und gepflegt werden! So manches kräftigesüßeverliebte Ach und O macht sie aus dem tiefsten Grunde aufsteigen, ohne dass man sichs öfters vornimmt, oder kaum erinnertBald erschallt im Herzen, wenn gleich die Lippen schweigen, ein wahres Ach mein GOtt! O mein HErr JEsu! bald heißt es: Ganz für dich in Ewigkeit! Mein GOtt und mein AllesDa ein dergleichen einiges Herzensseufzerlein wichtiger vor dem Allerhöchsten ist, und wirklich weit mehr in sich fasset, als ein großes anderes Gebet aus dem Buche oder Verstand daher gesagt, weil es Worte der Wahrheit sind. Ei liebe Seele, in welchem Buche hast du doch immer mehr diese schöne Gebetlein gelernt? ein solches Betbüchlein möchte ich mir auch gern anschaffenDie Liebe Christispricht die Seele, ist mein Betbuch; die Liebe Christi dringet mich also zu seufzen. Nicht nur ist die Liebe Christi der treffliche Betmeister, sondern das Gebet selbst. Die Liebe ist gleichsam das vom Himmel herabgefallene immerwährende Feuer auf dem Altar im Tempel des Herzens, da das edle Rauchwerk einer stillen Geistesandacht so sanft und lieblich aus dem innern Heiligtum aufsteigt, in tausend Lob, und Liebe und Aufopferung und Erhebung und Beugung und Verehrung und Anbetung und Bewunderung des seligsten GOttes; da eine einzige solcher innern Glaubens- und Liebestaten, mehr Leben, Frieden, Wonne und Seligkeit in sich hält, als alle Welt nicht geben kann. Die Seele macht das nicht selbst, kann es auch nicht machen: wer tuts dann? Die Liebe Christi dringt sie also.
  
-Die Liebe weiß von keinen Schranken; sie will immer weitertreuerfrömmerGOttgefälliger werden: sie fragt nicht langeob mans könne oder nicht könne; sie gehet nur wacker drauf los; sie muß ihrem Triebihrem Dringen folgenDer Apostel Paulus war ja weiter gekommenals wir alle; inzwischen was sagt er im 3Capan die PhilipperIch vergessewas da vornen ist: und jage nach dem vorgesteckten Zieldem Kleinodwelches vorhält die himmlische Berufung GOttes in Christo JEsu. Wielieber Paulus bist du dann noch nicht fromm genug? dir ist ja wohl nicht mehr bange vor der Höllen? Eyspricht Paulusdiß ist es nichtes dringet mich nicht die Höllees dringet mich nicht der Himmel; die Liebe Christi dringet mich also.+Die Liebe Christi dringt, mit einem Wort, die Seele immer mehrdurch selige Zügezur völligen und ewigen Vereinigung mit dem Geliebten. Sie hat des Wassers der Liebe getrunkenso Christus ihr gegebendas wird je länger je mehr in ihr ein Brunnender da quillet ins ewige LebenSie fühltses ist für sie nichts mehr hieruntenauf Erden, in allem Geschaffenen und ZeitlichenO es wird ihr alles sogar unwert, so recht fremdeihr Alles sehnt sich zum Ewigenzu Christo; und Christusihr himmlischer Liebesmagnetkann sie auch nicht in die Länge hier im Elende lassener zieht sie anund endlich zu sich. Vater! ich willdasswo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit anschauen. Joh. 17, 24.
  
-39Die Liebe Christi dringet sich gern in alle unsere Dinge ein. Sie will und muß nicht nur in den grossensondern auch in den kleinsten Dingen, die Hand haben: wär die Sache noch so klein, alles muß ihr Opfer seynAlleswas wir hier im natürlichen Leben machenes scheine so wichtig und Groß es immer wolleist in sich selbst eine nichtige Lappereyund nicht werthdaß ein edler Geist sich damit beschäftige: aber durch die Liebe können alle diese Kleinigkeiten recht groß, und ein wahrer Dienst GOttes werden. Werso zu redenauch nur einen Strohhalm von der Erden hübe durch die Liebe Christi, der verrichtete ein grosses Werk.+42Seht, Seelen, diese Seligkeit, wovon wir so was weniges lallen, ist euch zugedacht, und in Christo angeboten; ja sie ist für Euchund auch für den allergebrechlichsten und elendesten unter euchO Herzen! o Herzen! liebt doch den GOttder euch also liebt, und ewig lieben will; überlasst euch unbedingt dem Dringendem Ziehen dieser beseligenden GOttesliebe; seht dieser Liebe doch keine Schrankensie führt weiterals ein menschlicher Verstand begreifen kann, und es sind größere Wunder und Seligkeitenauch noch bei Leibesleben, in ihr zu erfahren und zu genießenals Menschen- und Engelzungen aussprechen können.
  
-Manche Herzen klagen gar sehrdaß ihnen ihre äussere nothwendige Geschäfte so viele Zerstreuung, Verhinderung und Schaden brächten. Woher kommts, liebste Seelen? ihr thut vielleicht euere Sachen nur als ein weltliches Ding. Wenn ihr in der Kammerin der Kirchein der Versammlung sitzetoder sonst was Gutes lesen oder vorhaben könnt, dann meynet ihr, das wäre GOtt gedienet; aber auf dem Feldein der Kücheoder wo sonst ein jeder zu thun hatseine Arbeit verrichtendas seye der Welt gedienet. Ach Jammer und Schadeso würden wir ja die mehreste Zeit im eiteln Dienst der Welt zubringen müssen. Verrichtet euere Geschäfte als einen Dienst der Liebe Christi, so schaden sie euch gar nicht mehr.+43. O bejammernswürdige Blindheit und Unverstand der mehrsten menschlichen Herzen in der Weltdass sie so kalt gegen GOtt und so brünstig gegen andere Dinge sind! dass die Liebe der Welt, der Sünden, der Eitelkeitenmehr Vermögen haben auf die Herzenals die Liebe Christi! Die Weltliebe darf nur winkeno da läuft man! Christi Liebe dringt so langeund doch folgt man nicht, und doch ergibt man sich nichtO wie lässt sich nicht manches unglückselige Weltkind von der sündlichen Weltliebe dringen und treiben aus einer Sünde, Laster und Eitelkeit in die andere; ist wie ein Sklave, der es fast nicht lassen kann, so wird er gedrungen von seinem harten Herrn: der Satan, die Weltliebe beherrschen und dringen ihn, und werden ihn dringen bis zur Hölle hinein, wo er sich nicht bei Zeiten besinnen wird, und durch Christi Liebe zur Buße dringen lassen.
  
-Wann uns die Welt-Begierdedie Sorgeder Unglaube, oder einige andere Natur-Kraft, dringet zu und in den Geschäftenso muß ja das Gemüth nur immer mehr verfinstert und zerrüttet werden: dringet uns aber die Liebe Christi zu dem Werke, und wir lassen uns von derselben in Schranken halten in den Geschäftendaß wir sie nur so kindlich hinihm zu Lieb und zu Ehren verrichten; neindann hindern sie nicht mehr, sondern sie werden ein wahrer Gottesdienst. Diß meynet der Heilige Geistwenn es Colosser 3. heißtAlles(merkets dochalles,) was ihr thut mit Worten, oder mit Werken, das thut alles in dem Namen des HErrn JEsu.+44. Lasst uns doch deswegen untersuchenihr Seelenwas lieben wir? Was hat bei uns das Übergewicht? woran denken wir des Morgens am ersten? und woran den Tag hindurch am meisten? Denn dabei kann man schon so was prüfenwo unser Schatz ist. Haben wir wohl die Liebe Christi, auch nur dem Anfang nach)an unsern Herzen lassen kräftig werden? oder stehen wir noch in unserm leb- und lieblosen Naturstande, ohne Christo und seiner Liebe? O unbeschreiblich unglückseliger Zustand! o entsetzlich gefährlicher Stand! Sind wir nicht in der Liebeso sind wir ja in dem Zornim grimmen Reich der Finsternisda der Zorn GOttes über unserm Haupteund wir am dünnen Lebensfaden über einem solchen Abgrund schwebenundo ewiges Unglückwenn wir in einem solchen Zustande sterben sollten!
  
-40. Die Liebe Christi will uns gern den ganzen Tag bey sich und in ihren Schranken behalten, uns dringen in den Weg, und mir ihrem Dringen verwahren, daß wir weder zur Rechten noch zur Linken beyseits ausweichen. Ach, wenn wir nur fein aufmerksam in ihrem Gleise bleiben mögten! Es machen sich die Seelen öfters so allerhand gute Vorschriften, Ordnungen und Regeln ihres Verhaltens, die ich nicht überall verwerfe; ich weiß, daß den unartigen Kindern Zucht und Ordnung vonnnöthen ist, oder sie lauffen gar ins Wilde: das ist nur Schade, daß alle gute Vorschriften und Regeln so bald wieder gebrochen werden. Es ist keine bessere Regel, Ordnung oder Vorschrift, als die Liebe Christi, die uns so innig nahe ist. 
  
-Die Liebe Christi will uns gängeln, wie eine Mutter ihr KindEin Kind das am Leit-Band gehetwird so gelenketso gehalten: es gehet zwar frey und uneingeschränkt; sollte es aber in Koht wollen lauffen, oder sonst ein Schade zu befürchten seyn, alsobald würde es fühlen, daß es hinten von was gehalten würde. Auf eine dergleichen Art will uns die Liebe Christi führendaß wir wandeln sollen in Seilen der LiebeHosea 11,4Wenn wir im Unverstand in was Unrechtes oder Schädliches hinein wollten; wir würden eben dergleichenwie jenes Kind am Leit-Bandmerkendaß uns so was hielte und((Dieser Nachdruck steckt im Griechischen Textwie sich dann dasselbe Wort auch findet Luc. 12,50. Ich muß mich taufen lassen mit einer Taufe, und wie werde ich beklemmet rc. Und Philipp. 1,23Ich werden von beyden Theylen beklemmet)) beklemmetenemlich die Liebe Christi.+45Ach Seelenach unsterbliche Seelen! sehtjetzt hören wir noch von der Liebe Christi: wer weiß wie lange? Jetzt wird sie uns noch verkündetangepriesenund durch Christum selbst unsern Herzen angebotenJaChristus liebt euchihr Sünder alleihr größten Sünderdie ihr gestehen müsstdass ihr bis dahin noch Sklaven der Sünde und des Satans gewesen seid; ihr dürft nicht verloren gehenChristus will euch gerne helfen: er bittet euch drumAchgebt euch doch über! 
  
-41Die Liebe Christi soll und will uns dringen zum Gebet. Beten ohne Herzaus blossem Dringen der Gewohnheitdas ist kein Beten; Beten, wenn Seelen-Noth und Gefahrwenn Gefühl der Sünden und Dürftigkeit dringetdas ist ein recht gutes Gebet; wenn aber die Liebe Christi zum Gebet dringeto das ist das schönste und edelste GebetWir klagen öftersdaß wir nicht wüßten zu betendaß wir nicht gebührende Lust darzu hättendaß uns auch wohl die Zeit dabey lang fiele, u.s.w. Siehe, das rühret her aus dem MAngel der Liebe ChristiLaßt uns nur der Liebe Raum gebendann wird die Liebe uns schon dringen zum Gebet. Mit lieben Freunden ist man ja so gern ein wenig unter vier Augen alleinwenn wir Christum liebenund herzlich liebendann werden wir gern mit ihm allein gehendann wird uns nicht leicht die Zeit bey ihm zu lang fallen: wenn wir Christum lieben, dann werden wir ihm immer was zu sagen haben; und haben wir ihm nichts zu sagen, dann haben wir doch was zu lieben; und das ist beten. Lieben und schweigen in der Gegenwart GOtteso das ist ein grosses Gebet!+46Kann euch euer Elend und Gefahrkann euch GOttes Zorndie Furcht des Todes und des schrecklichen Gerichtstagessamt eurem eigenen ewigen Unglück und Verdammnis nicht dringen und bewegenso lasset es doch die Liebe Christi tun. Lasst euch doch den leidenden JEsum vor die Augen malen! Sieheda liegt er im Blutschweiß und entsetzlicher Seelenangst gleichsam vor euch auf der Erde, winselt und bittet euchSiehe da hängt erin höchster Leibes- und Seelennot am Stamme des Kreuzeshat seine Arme ausgebreitetkommende Sünder anzunehmen! Siehe, er zeiget euch seine bluttriefende Wunden und preist euch seine Gnade und Liebe anSo gewiss diese Worte zu euch gesprochen werdenso gewiss ist die erbarmende Liebe Christi an euren Herzen geschäftig und dringt euchachübergebt euch doch! Ach tut es doch! damit ihr nicht dermaleinst zu spät den ansehen müssetin welchen ihr mit euren Sünden gestochen habt. Ergreifet die Liebedamit euch der Zorn nicht ergreife! Ergreift die Liebeweil sie noch da ist!
  
-O Jaliebste Herzen! wir könnens nicht glauben, welch ein trefflicher Bet-Meister die Liebe Christi sey, die in Begnadigten so unzähligeunaussprechliche Seufzerlein im Herzen erwecket: mögten sie nur besser geheget und gepfleget werden! So manches kräftigessüssesverliebtes Ach und O macht sie aus dem tiefsten Grunde aufsteigenohne daß man sichs öfters vornimmt, oder kaum erinnert. Bald erschallet im Herzenwenn gleich die Lippen schweigenein wahres Ach mein GOtt! O mein HErr JEsu! bald heißt esGanz für dich in Ewigkeit! Mein GOtt, und mein Alles! Da ein dergleichen einiges Herzens-Seufzerlein wichtiger vor dem Allerhöchsten ist, und würklich weit mehr in sich fassetals ein grosses anderes Gebet aus dem Buche oder Verstand daher gesagtweil es Worte der Wahrheit sind. Eyliebe Seele, in welchem Buches hast du doch immermehr diese schöne Gebetlein gelernet? ein solches Betbüchlein möchte ich mir auch gern anschaffen: Die Liebe Christispricht die Seeleist mein Betbuch; die Liebe Christi dringet mich also zu seufzen.+47. Ihr aber, die ihr mit mir ein Fünklein dieser Liebe Christi aus Gnaden seid teilhaftig wordenachtet es doch hoch, es ist eine unschätzbare Perle; und wie klein diese Perle ist, so ist sie doch mehr wert als die ganze Welt; wie klein dieses Fünklein jetzt noch ist, so kann es noch eine feurige Gluteine Flamme des HErrn werden, wenn es wohl gehegt und gewartet wird. Bewahrt es wohldurch einen recht behutsamen Wandel; meidet allen unnötigen Umgang, Freundschaft und Einwickelungen mit den Menschen dieser Weltund alle andere ablockende Gelegenheiten(( Weil in eben der Woche eine besondere Gelegenheit zur Zerstreuung bevorstund, so wurden mit Absicht darauf hier einige Warnungen eingefügt)). In solchen und. dergleichen Gelegenheiten mehr muss man gehen, wie einer der mit einer kleinen Kerze durch den Wind, oder mit einem kostbaren Kleinod durch einen Wald geht: überall sind Seelenräuber, die auf unser Kleinod lauern; da sollen wir stets sorgfältig seinund aus dem abgesungenen Lied betenAchhilf uns wachen Tag und Nacht, und diesen Schatz der Liebe bewahrenvor den Scharen die wider uns mit Macht aus Satans Reiche fahren. Wir meinen wohl, es hätte nichts zu sagenwir wollten uns schon in acht nehmen; aber achwir kennen des Feindes List und unsre Schwäche, sonderlich zur Stunde der Versuchung, nicht genug. Wir dürfen zu unsrer Warnung Petri Exempel nicht anführen; wir haben davon in der Nähe betrübte Erfahrungen genug. Lasset uns doch uns hüten vor aller LeichtsinnigkeitZerstreuung und Vernünftelei. Ich weiß wohldass die Liebe Christi uns zu diesem allen dringt, und nach Notdurft belehrt; allein, wir sind leider! nicht allzeit auf dem Plätzchen, da wir solches gebührend können vernehmen. Drinnen sollen wir nahe beim Herzen bleiben, da die Liebe ihre Werkstatt hat, in einem stillen, andächtigen und eingesetzten Sinn
  
-Nicht nur ist die Liebe Christi der trefflichste Bet-Meistersondern das Gebet selbstDie Liebe ist gleichsam das vom Himmel herabgefallene immerwährende Feuer auf dem Altar im Tempel des Herzensda das edle Rauchwerk einer stillen Geistes-Andacht so sanft und lieblich aus dem innern Heiligtum aufsteiget, in tausend Lobund Liebeund Aufopferung, und Erhebung, und Beugung, und Verehrung, und Anbetung, und Bewunderung des seligsten GOttesda eine einzige solcher innern Glaubens- und Liebes-Thaten, mehr Leben, FriedenWonne und Seligkeit in sich hältals alle Welt nicht geben kanndie Seele macht das nicht selbstkann es auch nicht machen: wer thuts dann? Die Liebe Christi dringet sie also.+48. Nun denn, noch ein Wort der Aufmunterung zu uns allenund damit will ich dann auch beschließenHört und nehmt mit mir im Glauben an dieses herrliche Evangelium des seligen GOttes, so uns in dieser Stunde in Schwachheitdoch im Namen des Herrnverkündiget ist: Christus liebt uns, und will uns liebenEr will uns mitteilen die Kraft dieser seiner Liebe in uns, und zugleich mit derselben alles Gute in Zeit und in Ewigkeit. Christus liebt unsihr Herzen alle! was machen wir dochwas zagen wir nochwas schlafen wir noch!
  
-Die Liebe Christi dringetmit einem Wort, die Seele immer mehrdurch selige Zügezur völligen und ewigen Vereinigung mit dem Geliebten. Sie hat des Wassers der Liebe getrunkenso Christus ihr gegebendas wird je länger je mehr in ihr ein Brunnder da quillet ins ewige Leben. Sie fühletses ist für sie nichts mehr hier unten auf Erden, in allem Geschaffenen und Zeitlichen. O es wird ihr alles sogar unwerth, so recht fremde: ihr Alles sehnet sich zum Ewigenzu Christo; und Christus, ihr himmlischer Liebes-Magnetkann sie auch nicht in die Länge hier im Elende lassener ziehet sie an, und endlich zu sich: Vater! ich will, daßwo ich bin, auch die bey mir seyen, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit anschauen. Joh. 17,24.+49. Christus liebt euchihr Jünglinge und ihr Jungfrauen, die ihr in euren blühenden Jahren doch was zu lieben. haben wollt. Achwie würde michs jammernwie würde es JEsum jammernwenn ihr euch durch eine betrügliche falsche Liebe bezaubern ließet! Wäre es nicht ewig Schadewenn ihr von einer eitlen Liebe dieser Welt solltet verführtbeflecketgeschändet werden? durch die Liebe solcher Dinge, die nichts reizendesnichts wahrhaft vergnügendes in sich habendie so bald, so bald verwelken, Eckel verursachen, und verschwinden wie ein Rauch. Christus liebt euchwisst ihrs wohl? bedenkt ihrs wohl? Für ihn allein habt ihr eure Herzen empfangen; für ihn allein ist euch die edle Neigung zum Lieben so tief ins Herz gepflanzt. wenn ihrs recht wüsstetwas in Christowas in seiner Liebe zu finden istihr würdet den Augenblick in diese unvergleichliche Schönheit verliebt und brünstig werden
  
-42SehetSeelendiese Seligkeitwovon wir so was weniges lallenist euch zugedacht, und in Christo angebotenja sie ist für euch, und auch für den allergebrechlichsten und elendesten unter euch. O Herzen! o Herzen! liebet doch den GOttder euch also liebetund ewig lieben will; überlaßt euch unbedingt dem Dringendem Ziehen dieser seligenden GOttes-Liebe; setzt dieser Liebe doch keine Schranken, sie führet weiter, als ein menschlicher Verstand begreifen kann, und es sind grössere Wunder und Seligkeitenauch noch bey Leibes-Lebenin ihr zu erfahren und zu geniessenals Menschen- und Engel-Zungen aussprechen können.+50Christus liebt euchihr bußfertigenbekümmertenkleinmütigen Herzenund ihr wisst es nicht, ihr glaubt es: Jesus Christus liebt euch; es ist die Wahrheit: wollt ihr noch wegen bleiben in eurer Mutlosigkeit? sollte euch diese fröhliche Botschaft nicht aufspringen machen? Könnt ihrs noch nicht völlig glauben? wohlanversucht es einmalwagt es einmalwie jene Königindie Estherkomm ich um, sprach sie, so komm ich um: sie nahte mit Furcht zum Könige: und wie sie gedachtesie wäre des Todes, da ward ihr das Gnaden-Zepter gereicht, und der König umarmte sie. Seelen, kommt nur, ihr werdets erfahren, dass euer Los nicht schlimmer ausfallen werde!
  
-43O bejammernswürdige Blindheit und Unverstand der mehresten menschlichen Herzen in der Weltdaß sie so kalt gegen GOTt, und so brünstig gegen andere Dinge sind! daß die Liebe der Weltder Sündender Eitelkeitenmehr Vermögen haben auf die Herzen als die Liebe Christi! Die Welt-Liebe darf nur winken,, o da läuft man! Christi Liebe dringet so langeund doch folget man nichtund doch ergibt man sich nicht! O wie läßt sich nicht manches unglückseliges Welt-Kind von der sündlichen Welt-Liebe dringen und treiben aus einer Sünde, Laster und Eitelkeit in die andere; ist wie ein Sclave der es fast nicht lassen kannso wird er gedrungen von seinem harten Herrn; der Satan, die Welt-Liebe beherrschen und dringen ihn, und werden ihn dringen bis zur Höllen hineinwo er sich nicht beyzeiten besinnen wird, und durch Christi Liebe zur Busse dringen läßt.+51Christus liebt unsihr alle meine Mitberufenen: sollten wir nicht den Schlaf aus den Augen wischen, unsere Herzensaugen emporheben, Christum wieder lieben, und recht munter in seinen Wegen wandeln? Was machen sich nicht die Leute darauswenn sie von einem KönigeFürsten oder einem andern angesehenen sterblichen Menschen geliebt werdenmit einer Liebe, die dem Geliebten nichts wesentliches und bleibendes mitteilt; und sieheChristusder Sohn GOttesliebt uns als seine Braut: sollten wir uns noch mit den nichtigen Läppereien dieser Erde aufhalten? sollten wir nicht seine Liebe uns dringen lassen, unsere Herzen von allen nichtigen Götzen und Nebenbuhlern völlig abzureißen, und sie auf ewig seiner göttlichen Liebe zu widmen? In Christi Herz sehe ich nichtsals Liebe zu uns: - ach Schande! ach Schande! dass in unsern Herzen noch was anders gesehen wird, als die Liebe Christi. 
  
-44Laßt uns doch deßwegen untersuchenihr Seelen, was lieben wir? Was hat bey uns das Uebergewicht? woran denken wir des Morgens am ersten? und woran den Tag hindurch am meistenDann dabey kann man schon so was prüfen, wo unser Schatz ist. Haben wir wohl die Liebe Christi, auch nur dem Anfang nach, an unsern Herzen lassen kräftig werdenoder stehen wir noch in unserm leb- und lieblosen Natur-Standeohne Christo und seiner LiebeO unbeschreiblich unglückseliger Zustand! o entsetzlich gefährlicher Stand! Sind wir nicht in der Liebe, so sind wir ja in dem Zorn, im grimmen Reich der Finsterniß, da der Zorn GOttes über unserm Haupte, und wir am dünnen Lebens-Faden über einem solchen Abgrund schwebenund, o ewiges Unglück, wenn wir in einem solchen Zustande sterben sollten!+52Nun wohlanes muss besser gehen! Wollen wir denn damit beschließendass wir unsern Liebesbund mit Christo nochmals erneuern vor seinem Angesichtwollen wir uns aufs Neue dem Schönsten in redlicher Gegenliebe ergeben und verpflichtenmit einem unverfälschten und, GOtt gebe! unverbrüchlichen Jawort? Wollen wirsist es uns von Herzen bedacht? Wohlan, so gebt mit dem gegenwärtigen JEsu eure Herzenshand, und lasst uns mit wahrer Andacht sprechen:
  
-45. Ach Seelenach unsterbliche Seelen! sehetjetzt hören wir noch on der Liebe Christiwer weiß wie lange? jetzt wird sie uns noch verkündigetangepriesen, und durch Christum selbst unsern Herzen angebotenJa, Christus liebet euch, ihr Sünder alle, ihr grössesten Sünder, die ihr gestehen müßt, daß ihr bis dahin noch Sclaven der Sünde und des Satans gewesen seyd; ihr dürft nicht verlohren gehen, Christus will euch gerne helfen: er bittet euch drum: Ach, gebt euch doch über!+JaAmenda sind beide Hände;\\ 
 +Aufs Neue sei dirs zugesagt:\\ 
 +Ich liebe dich ohn alles Ende;\\ 
 +Mein Ganzes werde dran gewagt.\\ 
 +Ich will den holden JEsus-Namen\\ 
 +Vor jedermann bekennen frei,\\ 
 +Und schwöre dir jetzt ew'ge Treu,\\ 
 +Auf deine BundestreueAmen!
  
-46. Kan euch euer Elend und Gefahr, kann euch GOttes Zorn, die Furcht des Todes und des erschrecklichen Gericht-Tages, samt euerem eigenen ewigen Unglück und Verdammniß nicht dringen und bewegen, so lasset es doch jetzt die Liebe Christi thun. Laßt euch doch den leidenden JEsum vor die Augen mahlen:: Siehe, da liegt er in seinem Blut-Schweiß und entsetzlichen Seelen-Angst gleichsam vor euch auf der Erden, winselt, und bittet euch: Siehe, da hängt er, in höchster Leibes- und Seelen-Noth am Stamme des Creutzes, hat seine Arme ausgebreitet, kommende Sünder anzunehmen: Siehe, er zeiget euch seine Blut-triefenden Wunden und preiset euch seine Gnade und Liebe an. So gewiß diese Worte zu euch gesprochen werden, so gewiß ist die erbarmende Liebe Christi an eueren Herzen geschäftig, und dringet euch: Ach, gebt euch doch über! Ach thut es doch! damit ihr nicht dermaleinst zu späth den ansehen müsset, in welchen ihr mit eueren Sünden gestochen habt. Ergreifet die Liebe, damit euch der Zorn nicht ergreife! Ergreifet die Liebe, weil sie noch da ist!+{{tag>2_Kor_5}}
  
-47. Ihr aberdie ihr mit mir eines Fünkleins dieser Liebe Christi aus Gnaden seyd theilhaftig worden, achtets doch hoch, es ist eine unschätzbare Perle; und wie klein diese Perle ist, so ist sie doch mehr werth, als die ganze Welt; wie klein dieses Fünkleins jetzt noch ist, so kann es noch eine feurige Glut, eine Flamme des HErrn werden, wenn es wohl geheget und gewartet wird. Bewahrets wohl, durch einen recht behutsamen Wandel: meidet allen unnöthigen Umgang, Freundschaft und Einwickelungen mit den Menschen dieser Welt, und alle andere ablockende Gelegenheiten((Weil in eben der Woche eine besondere Gelegenheit zur Zerstreuung bevorstunde, so wurden mit Absicht darauf hier einige Warnungen eingefüget.)). In solchen und dergleichen Gelegenheiten mehr, muß man gehen, wie einer der mit einer kleinen Kerze durch den Wind, oder mit einem kostbaren Kleinod durch einen Wald gehet: überall sind Seelen-Räuber, die auf unser Kleinod lauren; da sollen wir stets sorgfältig seyn, und aus dem abgesungenen Lied beten: Ach, hilf uns wachen Tag und Nacht, und diesen Schatz der Liebe bewahren, vor den Schaaren die wider uns mit Macht aus Satans Reiche fahren. Wir meynen wohl, es hätte nichts zu sagen, wir wollten uns schon in acht nehmen; aber ach, wir kennen des Feindes List und unsere Schwäche, sonderlich zur Stunde der Versuchung, nicht gnug. Wir dürfen zu unserer Warnung Petri Exempel nicht anführen; wir haben davon in der Nähe betrübte Erfahrungen gnug. Lasset uns doch uns hüten vor aller Leichtsinnigkeit, Zerstreuung und Vernünfteley. Ich weiß wohl, daß die Liebe Christi uns zu diesen allem dringet, und nach Nothdurft belehret; allein, wir sind, leider! nicht allezeit auf dem Plätzgen, da wir solches gebührend können vernehmen. Drinnen sollen wir nahe beym Herzen bleiben, da die Liebe ihre Werkstatt hat, in einem stillen, andächtigen und eingekehrten Sinn. +TersteegenGerhard Die Kraft der Liebe Christi\\ 
- +über die Worte Pauli 2 Kor5,14\\ 
-48. Nun dann, noch ein Wort der Aufmunterung zu uns allen, und damit will ich dann auch beschliessen: Höret und nehmet mit mir im Glauben an dieses herrliche Evangelium des seligen GOttes, so uns in dieser Stunde in Schwachheit, doch im Namen des HErrn, verkündiget ist: Christus liebet uns, und will uns lieben; Er will uns mittheilen die Kraft dieser seiner Liebe in uns, und zugleich mit derselben alles Gute in Zeit und in EwigkeitChristus liebet unsihr Herzen alle! was machen wir doch, was zagen wir noch, was schlaffen wir noch! +die Liebe Christi dringt uns also. \\ 
- +Angepriesen in einer Erweckungsrede den 14. Okt1751 \\ 
-49. Christus liebet euch, ihr Jünglinge und ihr Jungfrauen, die ihr in eueren blühenden Jahren doch was zu lieben haben wollet. Ach, wie würde michs jammern, wie würde es JEsum jammern, wenn ihr euch durch eine betriegliche falsche Liebe bezaubern liesset! Wäre es nicht ewig Schade, wenn ihr von einer eiteln Liebe dieser Welt solltet verführet, beflecket, geschändet werden? durch die Liebe solcher Dinge, die nichts reitzendes, nichts wahrhaftig vergnügendes in sich haben, die so bald, so bald verwelken, Eckel verursachen, und verschwinden wie ein Rauch. Christus liebet euch, wisset ihrs wohl? bedenkt ihrs wohl? Für ihn allein habt ihr euere Herzen empfangen; für ihn allein ist euch die edle Neigung zum lieben so tief ins Herze gepflanzet. O wenn ihrs recht wüßtet, was in Christo, was in seiner Liebe zu finden ist, ihr würdet den Augenblick in diese unvergleichliche Schönheit verliebt und brünstig werden! +zu Mühlheim an der Ruhr 
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-50. Christus liebet euch, ihr bußfertige, bekümmerte, kleinmüthige Herzen, und ihr wisset es nicht, ihr glaubt es nicht. Christus liebet euch; es ist die Wahrheitwollt ihr noch lieben bleiben in euerer Muthlosigkeit? sollte euch diese fröhliche Botschaft nicht aufspringen machen? Könnt ihrs noch nicht völlig glauben? wohlan, versucht es einmal, wagt es einmal, wie jene Königin, die Esther, komm ich um, sprach sie, so komm ich um; sie nahete mit Furcht zum Könige: und wie sie gedachte, sie wäre des Todes, da ward ihr das Gnaden-Scepter gereicht, und der König umarmete sie. Seelen, kommet nur, ihr werdets erfahren, daß euer Loos nicht schlimmer ausfallen werde! +
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-51. Christus liebet uns ihr alle meine Mitberufene: sollten wir nicht den Schlaf aus den Augen wischen, unsere Herzens-Augen empor heben, Christum wieder lieben, und recht munter in seinen Wegen wandeln? Was machen sich nicht die Leute daraus, wenn sie von einem Könige, Fürsten, oder einem andern angesehenen sterblichen Menschen geliebet werden, mit einer Liebe, die dem Geliebten nichts wesentliches und bleibendes mittheilet; und siehe, Christus, der Sohn GOttes, liebet uns als seine Braut: sollten wir uns noch mit den nichtigen Lappereyen dieser Erden aufhalten? sollten wir nicht seine Liebe uns dringen lassen, unsere Herzen von allen nichtigen Götzen und Neben-Buhleren völlig abzureissen, und sie auf ewig seiner göttlichen Liebe zu widmen? In Christi Herz sehe ich nichts, als Liebe zu uns: Ach Schande! ach Schade! daß in unsern Herzen noch was anders gesehen wird,, als die Liebe Christi. +
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-52. Nun wohlan, es muß besser gehen! Wollten wir dann damit beschliessen, daß wir unsern Liebes-Bund mit Christo nochmals erneuern vor seinem Angesicht? wollen wir uns aufs Neue dem Schönsten in redlicher Gegen-Liebe ergeben und verpflichten, mit einem unverfälschten, und, GOtt gebe! unverbrüchlichen Ja-Wort? wollen wirs? ist es uns von Herzen bedacht? Wohlan, so gebet mit mir dem gegenwärtigen JEsu euere Herzens-Hand, und laßt uns mit wahrer Andacht sprechen: +
- +
-Ja, Amen, da sind beyde Hände;\\ +
-Aufs neue sey Dirs zugesagt:\\ +
-Ich liebe Dich ohn alles Ende;\\ +
-Mein Ganzes werde dran gewagt.\\ +
-Ich will den holden JEsus-Namen\\ +
-Vor jedermann bekennen frey,\\ +
-Und schwöre Dir jetzt ew'ge Treu,\\ +
-Auf deine Bundes-Treue. Amen!+
  
 +Stuttgart,\\
 +zu haben bei der evangelischen Gesellschaft\\
 +Hauptstätterstraße Nro. 34.\\
 +1847
  
-Angepriesen und angewiesen\\ 
-In einer Erweckungs-Rede\\ 
-Gerhard Tersteegen\\ 
-Zweyte Auflage\\ 
-Basel,\\ 
-Zu finden im Bischoffischen Buchladen\\ 
-1772