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Prediger

Prediger

Kapitel 1

1:1 Dies sind die Reden des Predigers, des Sohns Davids, des Königs zu Jerusalem.

1:2 Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.

1:3 Was hat der Mensch mehr von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne?

1:4 Ein Geschlecht vergehet, das andere kommt; die Erde aber bleibet ewiglich.

1:5 Die Sonne gehet auf und gehet unter und läuft an ihren Ort, daß sie wieder daselbst aufgehe.

1:6 Der Wind gehet gen Mittag und kommt herum zur Mitternacht und wieder herum an den Ort, da er anfing.

1:7 Alle Wasser laufen ins Meer, noch wird das Meer nicht voller; an den Ort, da sie herfließen, fließen sie wider hin.

1:8 Es ist alles Tun so voll Mühe, daß niemand ausreden kann. Das Auge siehet sich nimmer satt und das Ohr höret sich nimmer satt.

1:9 Was ist's, das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird. Was ist's, das man getan hat? Eben das man hernach wieder tun wird; und geschieht nichts Neues unter der Sonne.

1:10 Geschieht auch etwas, davon man sagen möchte: Siehe, das ist neu? Denn es ist zuvor auch geschehen in vorigen Zeiten, die vor uns gewesen sind.

1:11 Man gedenkt nicht, wie es zuvor geraten ist; also auch des, das hernach kommt, wird man nicht gedenken bei denen, die hernach sein werden.

1:12 Ich, Prediger, war König über Israel zu Jerusalem

1:13 und begab mein Herz, zu suchen und zu forschen weislich alles, was man unter dem Himmel tut. Solche unselige Mühe hat GOtt den Menschenkindern gegeben, daß sie sich drinnen müssen quälen.

1:14 Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht; und siehe, es war alles eitel und Jammer.

1:15 Krumm kann nicht schlecht werden, noch der Fehl gezählet werden.

1:16 Ich sprach in meinem Herzen: Siehe, ich bin herrlich worden und habe mehr Weisheit denn alle, die vor mir gewesen sind zu Jerusalem; und mein Herz hat viel gelernt und erfahren.

1:17 Und gab auch mein Herz drauf, daß ich lernete Weisheit und Torheit und Klugheit. Ich ward aber gewahr, daß solches auch Mühe ist.

1:18 Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämens; und wer viel lehren, muß, der muß viel leiden.
Was hier der allerklügste König sagt: „Alles ist eitel,“ ist eben dasselbe, was Johannes schreibt: „Kindlein, habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist, denn die Welt vergehet mit ihrer Lust.“ Wo ist jemals unter allen, die in der Welt gelebt haben, Einer gewesen, der das mehr versucht hat, als Salomo? Er hatte es gewagt und sich ins Meer aller Eitelkeiten, auch mit Gefahr seiner Seele, hineingestürzt, ob er etwa in einigen Dingen ein beständiges Vergnügen finden möchte, und doch mußte er endlich seine Thorheit beklagen und Alles ganz eitel nennen. Er versuchte mit fleißiger Arbeit der Welt zu dienen; er bildete sich ein, daß gute Tage und Wohlleben ihn vergnügen könnten; er glaubte seines Lebens Lust in der Ehre und Herrlichkeit dieser Erde zu finden: Alles umsonst! O daß denn diese centnerschweren Worte des weisen Herrschers möchten angeschrieben stehen in den Pallästen der Großen, an den Wänden der Edlen, an den Läden der Kaufleute, an den Spiegeln der Stolzen, über den Tafeln der Schwelger: es ist Alles eitel, ganz eitel! Aber wie voll Blindheit und Thorheit, o Gott, Du höchstes Gut und bester Schatz unserer Seelen, sind doch unsere vereitelten Herzen Jahr aus Jahr ein! wie oft sehen wir die Welt und die irdischen Dinge nicht an in ihrem Nichts, sondern als etwas, das noch einiges Suchens und Liebens werth ist! Kaum haben uns die Stimmen Deines Worts und die Sünden Deiner Heiligen abrufen können, vorsichtig genug die gefährlichen Gruben zu meiden, in die so viele unvorsichtige Seelen sich gestürzt haben. Ach, nimm doch weg aus unserm Herzen alles, was Dir darin noch mißfällt, insbesondere alle sündliche Liebe zur Welt und ihrer Lust, und pflanze darin eine wahre und aufrichtige Liebe zu Dir, dem höchsten Gut, und Deiner allersüßesten Gemeinschaft. Laß das unsere einzige Freude sein, daß wir uns zu Dir halten und unser Vertrauen auf Dich allein setzen. Erwecke in uns ein heiliges Mißtrauen gegen die Welt und gieb, daß wir uns dann am meisten fürchten, wenn sie uns am meisten liebkoset. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 2

2:1 Ich sprach in meinem Herzen: Wohlan, ich will wohlleben und gute Tage haben. Aber siehe, das war auch eitel.

2:2 Ich sprach zum Lachen: Du bist toll und zur Freude: Was machst du?

2:3 Da dachte ich in meinem Herzen, meinen Leib vom Wein zu ziehen und mein Herz zur Weisheit zu ziehen, daß ich ergriffe, was Torheit ist, bis ich lernete, was den Menschen gut wäre, das sie tun sollten, solange sie unter dem Himmel leben.

2:4 Ich tat große Dinge; ich bauete Häuser, pflanzte Weinberge,

2:5 ich machte mir Gärten und Lustgärten und pflanzte allerlei fruchtbare Bäume drein;

2:6 ich machte mir Teiche, daraus zu wässern den Wald der grünenden Bäume.

2:7 Ich hatte Knechte und Mägde und Gesinde; ich hatte eine größere Habe an Rindern und Schafen denn alle, die vor mir zu Jerusalem gewesen waren.

2:8 Ich sammelte mir auch Silber und Gold und von den Königen und Ländern einen Schatz. Ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen und Wollust der Menschen, allerlei Saitenspiel,

2:9 und nahm zu über alle, die vor mir zu Jerusalem gewesen waren; auch blieb Weisheit bei mir.

2:10 Und alles, was meine Augen wünschten, das ließ ich ihnen, und wehrete meinem Herzen keine Freude, daß es fröhlich war von aller meiner Arbeit; und das hielt ich für mein Teil von aller meiner Arbeit.

2:11 Da ich aber ansah alle meine Werke, die meine Hand getan hatte, und Mühe, die ich gehabt hatte, siehe, da war es alles eitel und Jammer und nichts mehr unter der Sonne.

2:12 Da wandte ich mich, zu sehen die Weisheit und Klugheit und Torheit. Denn wer weiß, was der für ein Mensch werden wird nach dem Könige, den sie schon bereit gemacht haben?

2:13 Da sah ich, daß die Weisheit die Torheit übertraf, wie das Licht die Finsternis,

2:14 daß dem Weisen seine Augen im Haupt stehen; aber die Narren in Finsternis gehen, und merkte doch, daß es einem gehet wie dem andern.

2:15 Da dachte ich in meinem Herzen: Weil es denn dem Narren gehet wie mir, warum habe ich denn nach Weisheit gestanden? Da dachte ich in meinem Herzen, daß solches auch eitel sei.

2:16 Denn man gedenkt des Weisen nicht immerdar, ebensowenig als des Narren; und die künftigen Tage vergessen alles; und wie der Weise stirbt, also auch der Narr.

2:17 Darum verdroß mich zu leben; denn es gefiel mir übel, was unter der Sonne geschieht, daß es so gar eitel und Mühe ist.

2:18 Und mich verdroß alle meine Arbeit, die ich unter der Sonne hatte, daß ich dieselbe einem Menschen lassen müßte, der nach mir sein sollte.

2:19 Denn wer weiß, ob er weise oder toll sein wird? Und soll doch herrschen in aller meiner Arbeit, die ich weislich getan habe unter der Sonne. Das ist auch eitel.

2:20 Darum wandte ich mich, daß mein Herz abließe von aller Arbeit; die ich tat unter der Sonne.

2:21 Denn es muß ein Mensch, der seine Arbeit mit Weisheit, Vernunft und Geschicklichkeit getan hat, einem andern zum Erbteil lassen, der nicht dran gearbeitet hat. Das ist auch eitel und ein groß Unglück.

2:22 Denn was kriegt der Mensch von aller seiner Arbeit und Mühe seines Herzens, die er hat unter der Sonne,

2:23 denn alle seine Lebtage Schmerzen, mit Grämen und Leid, daß auch sein Herz des Nachts nicht ruhet? Das ist auch eitel.

2:24 Ist's nun nicht besser dem Menschen, essen und trinken und seine Seele guter Dinge sein in seiner Arbeit? Aber solches sah ich auch, daß von GOttes Hand kommt.

2:25 Denn wer hat fröhlicher gegessen und sich ergötzet denn ich?

2:26 Denn dem Menschen, der ihm gefällt, gibt er Weisheit, Vernunft und Freude; aber dem Sünder gibt er Unglück, daß er sammle und häufe und doch dem gegeben werde, der GOtt gefällt. Darum ist das auch eitel Jammer.
Im zweiten Kapitel zeigt Salomo die Nichtigkeit des Irdischen an seinem eignen Beispiele. Er beginnt mit der Weisheit und behauptet, sie sei kein Gut, sondern eine Plage. Denn der Gegenstand der Weisheit, die irdischen Dinge, ist nichtig, und diese Nichtigkeit tritt umso schärfer hervor, je tiefer sie erforscht werden. Die Weisheit, die nicht bei der Oberfläche der Dinge stehen bleibt, sondern ihnen auf den Grund geht, zerstört die Täuschungen, den beglückenden Wahn. So kann also der Besitz der Weisheit nur Kummer und Schmerzen eintragen. Je weiser, desto unglücklicher. In der Welt des Scheines ist ein weiser Mann ein armer Mann. Ist es mit der Welt nichts, so kann auch die Weltweisheit nicht viel werth sein. – Von der Weisheit wendet sich Salomo zum Besitz und Genuß der Güter dieser Welt. Alles hat ihm zu Gebote gestanden, er hat Freude gesucht und Sinnengenuß in großen Werken und Anlagen, in reichem Besitzthum, glänzenden Verhältnissen, aber nirgends hat er ein wahrhaftiges Gut gefunden, nirgends etwas, womit das Herz gestillt werden konnte, nirgends einen Ersatz für die mannichfaltige Qual und Unruhe, welche das Schaffen desselben bereitet. Der Gedanke an einen schlechten Nachfolger, den er nach der Welt Lauf zu erwarten hat und auch wirklich fand, an die mannichfachen Unfälle des Lebens, die oft in einem Augenblicke zerstören, was man mit so vieler Mühe geschaffen hat, an den Tod, für den kein Kraut gewachsen ist, an die Vergessenheit, welche in Zukunft nicht minder den Weisen deckt als den Thoren – alles dies vergällt ihm die Freude an seinen Schöpfungen. Da ist es doch besser, daß der Mensch, solchem Treiben und Jagen entsagend, dem Augenblicke lebt und die Freude genießt, die sich von selbst darbietet. Doch solch heitrer Genuß der Gaben Gottes steht auch nicht in der Menschen Macht, sondern kommt von Gott, der das Herz genußfähig machen und aus den Banden des Geizes erlösen muß. – Die Moral daraus ist: blicke nicht in schmerzlicher Sehnsucht auf Salomo und seine glänzende und vermeintlich freudenreiche Zeit. Ihr Reichthum an Freude ist, näher betrachtet, Eitelkeit. Der unscheinbare Quell der Freude, aus dem Salomo wirklich schöpfte, was er an Freude genoß, steht auch Dir noch offen in jedem, auch dem dürftigsten Verhältniß. Laß mich aus demselben schöpfen, o Herr, im neuen Jahre und allezeit. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 3

3:1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde.

3:2 Geboren werden, Sterben, Pflanzen, Ausrotten, das gepflanzt ist,

3:3 Würgen, Heilen, Brechen, Bauen,

3:4 Weinen, Lachen, Klagen, Tanzen,

3:5 Steine zerstreuen, Steine sammeln, Herzen, Fernen von Herzen,

3:6 Suchen, Verlieren, Behalten, Wegwerfen,

3:7 Zerreißen, Zunähen, Schweigen, Reden,

3:8 Lieben, Hassen, Streit, Friede hat seine Zeit.

3:9 Man arbeite, wie man will, so kann man nicht mehr ausrichten.

3:10 Daher sah ich die Mühe, die GOtt den Menschen gegeben hat, daß sie drinnen geplagt werden.

3:11 Er aber tut alles fein zu seiner Zeit und läßt ihr Herz sich ängsten, wie es gehen solle in der Welt; denn der Mensch kann doch nicht treffen das Werk, das GOtt tut, weder Anfang noch Ende.

3:12 Darum merkte ich, daß nichts Besseres drinnen ist, denn fröhlich sein und ihm gütlich tun in seinem Leben.

3:13 Denn eine jeglicher Mensch, der da isset und trinkt und hat guten Mut in all seiner Arbeit, das ist eine Gabe GOttes.

3:14 Ich merkte, daß alles, was GOtt tut, das bestehet immer; man kann nichts dazutun noch abtun; und solches tut GOtt, daß man sich vor ihm fürchten soll.

3:15 Was GOtt tut, das stehet da; und was er tun will, das muß werden; denn er trachtet und jagt ihm nach.

3:16 Weiter sah ich unter der Sonne Stätte des Gerichts, da war ein gottlos Wesen, und Stätte der Gerechtigkeit, da waren Gottlose.

3:17 Da dachte ich in meinem Herzen: GOtt muß richten den Gerechten und Gottlosen; denn es hat alles Vornehmen seine Zeit und alle Werke.

3:18 Ich sprach in meinem Herzen von dem Wesen der Menschen, darin GOtt anzeigt und läßt es ansehen, als wären sie unter sich selbst wie das Vieh.

3:19 Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh: wie dies stirbt, so stirbt er auch, und haben alle einerlei Odem; und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh; denn es ist alles eitel.

3:20 Es fähret alles an einen Ort; es ist alles von Staub gemacht und wird wieder zu Staub.

3:21 Wer weiß, ob der Odem der Menschen aufwärts fahre und der Odem des Viehes unterwärts unter die Erde fahre?

3:22 Darum sah ich, daß nichts Besseres ist, denn daß ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil. Denn wer will ihn dahin bringen, daß er sehe was nach ihm geschehen wird?
In diesem Kapitel zeigt Salomo zuerst, daß für Alles, was der Mensch thut, eine von Gott bestimmte Zeit vorhanden sei, die man mit aller Arbeit und Mühe nicht verrücken oder ändern könne. Deßhalb darf er sich von seiner Thätigkeit nie einen bestimmten Gewinn versprechen V. 1-15. einer Ausgleichung dieses Mißverhältnisses darf man sich um so weniger getrösten, da der sterbende Mensch vor dem sterbenden Thiere nichts voraus hat. V. 16-21. Die Frage (V. 21): „wer weiß, ob der Odem der Menschen aufwärts fahre?“ ist nur vom Standpunkt gottloser Menschen aus geredet; kein Gottloser kann ja aus sich selbst irgend eine Gewißheit der Unsterblichkeit haben. Kap. 12,7 spricht Salomo es auf’s bestimmteste aus, daß der Geist zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat. Aus dieser Abhängigkeit des Menschen von Gott zieht er V. 22 den Schluß, daß derselbe nichts Besseres thun könne, als die Gegenwart weise zu benutzen und sich mit Sorgen um die Zukunft nicht zu quälen, sondern fröhlich zu sein bei seiner Arbeit. Denn nur der Augenblick, den wir in der Zeit leben, ist unser Eigenthum. Jede verlebte Stunde sinkt unwiderruflich ins Meer der Vergangenheit, die Zukunft ist ungewiß, und darum der ein Thor, welcher die Gegenwart ungenutzt vorübergehen läßt, in eitler Zerstreuung vergeudet oder in nutzlosen Klagen vertrauert. Dem wahrhaft Weisen ist jeder Augenblick heilig, um ihm Samen für die Zukunft anzuvertrauen, ums eine Freuden mit Dank zu genießen, seine Leiden mit Gelassenheit zu tragen und aus der Trübsal Segen zu ziehen für den inwendigen Menschen, da ja für den Christen jedes Leid eine verhüllte Gnade ist. Gieb mir denn, o Herr, solche Weisheit, daß ich von den Ameisen lerne fleißig sein, so lange der Sommer meines Lebens währt, damit ich im Winter der Ewigkeit nicht darben müsse. Laß mich von den Kranichen und Schwalben lernen, die Zeit wohl in Acht zu nehmen, die kurze, bald verschwindende Gnadenzeit; und wenn ich einmal sterbe, von meiner Geistessaat das ewige Leben erndten. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 4

4:1 Ich wandte mich und sah alle, die Unrecht leiden unter der Sonne; und siehe, da waren Tränen derer, so Unrecht litten und hatten keinen Tröster; und die ihnen Unrecht taten, waren zu mächtig, daß sie keinen Tröster haben konnten.

4:2 Da lobte ich die Toten, die schon gestorben waren, mehr denn die Lebendigen, die noch das Leben hatten.

4:3 Und der noch nicht ist, ist besser denn alle beide, und des Bösen nicht inne wird, das unter der Sonne geschieht.

4:4 Ich sah an Arbeit und Geschicklichkeit in allen Sachen; da neidet einer den andern. Das ist je auch eitel und Mühe.

4:5 Denn ein Narr schlägt die Finger ineinander und frißt sein Fleisch.

4:6 Es ist besser eine Hand voll mit Ruhe denn beide Fäuste voll mit Mühe und Jammer.

4:7 Ich wandte mich und sah die Eitelkeit unter der Sonne.

4:8 Es ist ein einzelner und nicht selbander und hat weder Kind noch Brüder; noch ist seines Arbeitens kein Ende, und seine Augen werden Reichtums nicht satt. Wem arbeite ich doch und breche meiner Seele ab? Das ist je auch eitel und eine böse Mühe.

4:9 So ist's je besser zwei denn eins; denn sie genießen doch ihrer Arbeit wohl.

4:10 Fällt ihrer einer, so hilft ihm sein Gesell auf. Wehe dem, der allein ist! Wenn er fällt, so ist kein anderer da, der ihm aufhelfe.

4:11 Auch wenn zwei beieinander liegen, wärmen sie sich; wie kann ein einzelner warm werden?

4:12 Einer mag überwältiget werden, aber zween mögen widerstehen; denn eine dreifältige Schnur reißt nicht leicht entzwei.

4:13 Ein arm Kind, das weise ist, ist besser denn ein alter König, der ein Narr ist und weiß sich nicht zu hüten.

4:14 Es kommt einer aus dem Gefängnis zum Königreich; und einer, der in seinem Königreich geboren ist, verarmet.

4:15 Und ich sah, daß alle Lebendigen unter der Sonne wandeln bei einem andern Kinde, das an jenes Statt soll aufkommen.

4:16 Und des Volks, das vor ihm ging, war kein Ende, und des, das ihm nachging; und wurden sein doch nicht froh. Das ist je auch eitel und ein Jammer.
Dies Kapitel enthält verschiedene Beispiele der Nichtigkeit und des Elends des menschlichen Lebens, welche noch immer sich wiederholen. Einerseits viel Druck und Jammer, neben unruhigem Trachten nach Glück auf rechten und unrechten Wegen, verbunden mit Lebensmüdigkeit und Aufgeben aller Lebenspläne; andrerseits eine peinigende Sucht, es Anderen zuvorzuthun, oder in grober Selbstsucht und Geiz sich auf sich selbst zurückzuziehen, wodurch man nur kälter, liebeleerer, mürrischer und unseliger wird; endlich falsche, eitle Vertröstung auf vermeintlich bessere Zukunft und eitle Hoffnung des kommenden Bessern im Vergleich mit dem drückenden Gefühle der Gegenwart, indem man von einer andern Regierung oder Verfassung alles Heil erwartet, statt von einem andern, neuen Herzen und Leben in Gott. So machen sich die Menschen meist selbst aus der Welt ein Thränenthal, wo eine Noth der andern die Hand bietet. Wir klagen über die Bosheit unseres eignen Herzens, durch die wir so oft genöthigt werden, harte und dem Fleisch und Blut unangenehme Wege zu gehen. Wir sehen in der argen Welt oft Thränen derer, die Unrecht leiden, aber wir sehen nicht die Ursachen, warum Gott solch Unrecht verhängt; wir sehen die Gerechtigkeit der Sache, aber nicht die Ungerechtigkeit der Personen, die wegen anderer Sünden wohl tausendmal mehr Züchtigungen verdient hätten; wir erfahren alle Tage, daß Gerechtigkeit nur ein Volk und einen Menschen erhöhet, die Sünder aber der Leute Verderben ist, und doch macht Schaden uns nicht klug, und wir wiederholen nichtsdestoweniger dieselbe Sünde und ziehen uns dieselben Strafen wieder zu. O Herr, öffne uns doch die Augen, daß wir sehen lernen, und die Herzen, daß wir auf die Stimme Deines Worts und der Erfahrung achten und dadurch klug werden, damit wir immer mehr uns selbst verläugnen, und nicht nach den Schätzen trachten, welche die Motten und der Rost fressen, sondern allein nach Dir und Deiner Gnade, und Deinen Willen zu dem unsrigen machen. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 5

5:1 Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause GOttes gehest, und komm, daß du hörest! Das ist besser denn der Narren Opfer; denn sie wissen nicht, was sie Böses tun.

5:2 Sei nicht schnell mit deinem Munde und laß dein Herz nicht eilen, etwas zu reden vor GOtt; denn GOtt ist im Himmel und du auf Erden; darum laß deiner Worte wenig sein.

5:3 Denn wo viel Sorgen ist, da kommen Träume; und wo viele Worte sind, da höret man den Narren.

5:4 Wenn du GOtt ein Gelübde tust, so verzeuch's nicht zu halten; denn er hat kein Gefallen an den Narren. Was du gelobest, das halte!

5:5 Es ist besser, du gelobest nichts, denn daß du nicht hältst, was du gelobest.

5:6 Verhänge deinem Mund nicht, daß er dein Fleisch verführe, und sprich vor dem Engel nicht: Ich bin unschuldig. GOtt möchte erzürnen über deine Stimme und verdammen alle Werke deiner Hände.

5:7 Wo viel Träume sind, da ist Eitelkeit und viel Worte; aber fürchte du GOtt!

5:8 Siehest du dem Armen Unrecht tun und Recht und Gerechtigkeit im Lande wegreißen, wundere dich des Vornehmens nicht; denn es ist noch ein hoher Hüter über den Hohen, und sind noch Höhere über die beiden.

5:9 Über das ist der König im ganzen Lande, das Feld zu bauen.

5:10 Wer Geld liebt, wird Gelds nimmer satt; wer Reichtum liebt, wird keinen Nutz davon haben. Das ist auch eitel.

5:11 Denn wo viel Guts ist, da sind viele, die es essen; und was geneußt sein, der es hat, ohne daß er's mit Augen ansiehet?

5:12 Wer arbeitet, dem ist der Schlaf süß, er habe wenig oder viel gegessen; aber die Fülle des Reichen läßt ihn nicht schlafen.

5:13 Es ist eine böse Plage, die ich sah unter der Sonne, Reichtum behalten zum Schaden dem, der ihn hat.

5:14 Denn der Reiche kommt um mit großem Jammer; und so er einen Sohn gezeuget hat, dem bleibt nichts in der Hand.

5:15 Wie er nackend ist von seiner Mutter Leibe kommen, so fährt er wieder hin, wie er kommen ist, und nimmt nichts mit sich von seiner Arbeit in seiner Hand, wenn er hinfähret.

5:16 Das ist eine böse Plage, da er hinfähret, wie er kommen ist. Was hilft's ihm denn, daß er in den Wind gearbeitet hat?

5:17 Sein Leben, lang hat er im Finstern gegessen und in großem Grämen und Krankheit und Traurigkeit.

5:18 So sehe ich nun das für gut an, daß es fein sei, wenn man isset und trinket und gutes Muts ist in aller Arbeit, die einer tut unter der Sonne sein Leben lang, das ihm GOtt gibt; denn das ist sein Teil.

5:19 Denn welchem Menschen GOtt Reichtum und Güter und Gewalt gibt, daß er davon isset und trinket für sein Teil und fröhlich ist in seiner Arbeit, das ist eine Gottesgabe.

5:20 Denn er denkt nicht viel an das elende Leben, weil GOtt sein Herz erfreuet.
Aus der langen Erfahrung hatte Salomo sich allgemeine Grundsätze abgezogen, welche er auf Beispiele des Lebens zurückführt. Am eingehendsten hatte er die Hoheit des Reichthums kennen gelernt; daher ist der Hauptgedanke dieses Kapitels der: „Was sind dieses Lebens Güter? Eine Hand voller Sand, Kummer der Gemüther.“ Daneben stellt er specielle Lebensgrundsätze auf, insbesondere verständige Abwartung des Gottesdienstes V. 17, herzliches und aufrichtiges Gebet V. 1. 2, gewissenhafte Erfüllung der Gelübde V. 3-6. Endlich warnt er vor unersättlicher Geldgier V. 7-16, und empfiehlt weisen Genuß der Gegenwart. Wir wollen seine Ermahnungen zu Herzen nehmen, wollen alle kümmerlichen und herzfressenden Sorgen weit weg aus unserm Herzen verbannen, und unsere Hoffnung auf den Herrn setzen, der als der Allmächtige für uns sorgen kann besser, als wir selbst, und als der Allgnädige uns in unserm Vertrauen zu Ihm nicht wird zu Schanden werden lassen. Wenn wir durch Buße, Glauben, Gebet und heiligen Wandel seine Gnade befestigen, in unserm Beruf treu und fleißig arbeiten, so wird ein fröhliches und in Gott vergnügtes Herz unsere Freude sein. Uebergiebst Du uns, o Gott, nimmermehr an uns selbst, hältst Du uns bei Deinen Rechten, bewahrst Du uns davor, die Weltfreude für unsere Lust zu achten, ist vielmehr das unsere höchste Freude, daß wir an Dir einen gnädigen Gott im Himmel und bei unserm bescheidenen Theil auf Erden ein zufriedenes und fröhliches Herz haben, - was wollen wir hienieden mehr wünschen? Das Loos ist uns dann gefallen aufs lieblichste, und es ist uns ein schönes Erbtheil geworden. Darum gieb und erhalte in uns solche Gewißheit Deiner Gnade und solche Genügsamkeit bei aller unserer Mühe und Arbeit, versüße uns dadurch alle Bitterkeit der Welt, daß wir nicht allzuviel denken an dies elende Leben, sondern in fröhlicher Hoffnung stets hinaufsehen und das bessere Leben droben im Himmel erwarten. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 6

6:1 Es ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne, und ist gemein bei den Menschen:

6:2 Einer, dem GOtt Reichtum, Güter und Ehre gegeben hat, und mangelt ihm keines, das sein Herz begehrt, und GOtt doch ihm nicht Macht gibt, desselben zu genießen, sondern ein anderer verzehret es; das ist eitel und eine böse Plage.

6:3 Wenn er gleich hundert Kinder zeugete und hätte so langes Leben, daß er viel Jahre überlebete, und seine Seele sättigte sich des Guts nicht und bliebe ohne Grab, von dem spreche ich, daß eine unzeitige Geburt besser sei denn er.

6:4 Denn in Eitelkeit kommt er und in Finsternis fähret er dahin, und sein Name bleibt in Finsternis bedeckt,

6:5 wird der Sonne nicht froh und weiß keine Ruhe weder hie noch da.

6:6 Ob er auch zweitausend Jahre lebete, so hat er nimmer keinen guten Mut. Kommt's nicht alles an einen Ort?

6:7 Einem jeglichen Menschen ist Arbeit aufgelegt nach seinem Maße; aber das Herz kann nicht dran bleiben.

6:8 Denn was richtet ein Weiser mehr aus weder ein Narr? Was unterstehet sich der Arme, daß er unter den Lebendigen will sein?

6:9 Es ist besser, das gegenwärtige Gut gebrauchen, denn nach anderm gedenken. Das ist auch Eitelkeit und Jammer.

6:10 Was ist's, wenn einer gleich hoch berühmt ist, so weiß man doch, daß er ein Mensch ist, und kann nicht hadern mit dem, das ihm zu mächtig ist.

6:11 Denn es ist des eiteln Dinges zu viel; was hat ein Mensch mehr davon?

6:12 Denn wer weiß, was dem Menschen nütz ist im Leben, solange er lebet in seiner Eitelkeit, welches dahinfähret wie ein Schatten? Oder wer will dem Menschen sagen, was nach ihm kommen wird unter der Sonne?
Wieder Worte voll reicher Wahrheit und Lebensweisheit! Zur Bekämpfung des thörichten Strebens nach Reichthum stellt Salomo noch einmal lebhaft dar, wie der Reichthum doch nur durch seinen wirklichen Genuß etwas werth sein könne; der sei aber zweifelhaft, indem so Viele dazu nicht kämen oder nur Qual davon hätten, sich getäuscht den Tod wünschten und in Verzweiflung dächten: für solch nichtiges, wenn auch noch so langes Leben lieber gar keines! Demuth vor Gottes Macht, die es allen Menschen in diesem Stücke gleich gehen läßt zur Läuterung, ist das Beste. Und darum, lieber himmlischer Vater, will ich allezeit auf Dich sehen; von Deiner Hand habe ich was ich habe, und besitze es, so lange es Dir beliebt: laß mich nicht in Eigenliebe verfallen, daß ich meinem Laufen und Rennen zuschrieben sollte, was ich allein durch Deinen Segen habe. Nein, Herr, nicht mir, sondern Deinem Namen die Ehre. Mache Du meiner Seele recht verhaßt das schändliche Laster des Geizes, welches so viele unvorsichtige Gemüther in die Hölle gestürzt hat; denn warum sollte ich meine Seele mit dem Frohndienst Mammons belegen, die doch der Sohn Gottes frei gemacht hat? warum sollte ich im Finstern sitzen und der Sonne nicht froh werden, da Du mich zum Licht berufen hast und die Sonne der Gerechtigkeit mein Herz erfreut? Gieb mir ein demüthiges und zufriedenes Herz, damit ich mich des eitlen Reichtums nimmermehr überhebe, sondern durch irdischen Segen aufgemuntert werde, Dich mehr zu lieben und zu loben und Deinen Namen mehr zu verherrlichen. Laß mich als einen treuen Haushalter meine Gabe und mein Talent, so klein es auch sein mag, zu einem heiligen Wucher anlegen, damit ich am Tage der großen Rechenschaft als ein treuer Knecht eingehen möge zu Deiner Freude. Laß gelingen alles, was ich mit Dir, o Gott, anfange, und gönne mir die Wonne, daß ich die Frucht meiner Arbeit sehen möge in Deinem Segen. Ich weiß nichts, Du aber weißt alles; ich bin nichts, Du bist Alles; ich thue nichts, Du thust Alles; durch Deine Gnade bin ich allein, was ich bin: möge sie denn an mir niemals vergeblich sein! Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 7

7:1 Ein gut Gerücht ist besser denn gute Salbe und der Tag des Todes weder der Tag der Geburt.

7:2 Es ist besser, in das Klaghaus gehen denn in das Trinkhaus; in jenem ist das Ende aller Menschen, und der Lebendige nimmt's zu Herzen.

7:3 Es ist Trauern besser denn Lachen; denn durch Trauern wird das Herz gebessert.

7:4 Das Herz der Weisen ist im Klaghause und das Herz der Narren im Hause der Freuden.

7:5 Es ist besser hören das Schelten des Weisen denn hören den Gesang der Narren.

7:6 Denn das Lachen des Narren ist wie das Krachen der Dornen unter den Töpfen; und das ist auch eitel.

7:7 Ein Widerspenstiger macht einen Weisen unwillig und verderbt ein mildes Herz.

7:8 Das Ende eines Dinges ist besser denn sein Anfang. Ein geduldiger Geist ist besser denn ein hoher Geist.

7:9 Sei nicht schnelles Gemüts zu zürnen; denn Zorn ruhet im Herzen eines Narren.

7:10 Sprich nicht: Was ist's, daß die vorigen Tage besser waren denn diese? Denn du fragest solches nicht weislich.

7:11 Weisheit ist gut mit einem Erbgut und hilft, daß sich einer der Sonne freuen kann.

7:12 Denn die Weisheit beschirmet, so beschirmet Geld auch; aber die Weisheit gibt das Leben dem, der sie hat.

7:13 Siehe an die Werke GOttes, denn wer kann das schlecht machen, das er krümmet?

7:14 Am guten Tage sei guter Dinge und den bösen Tag nimm auch für gut; denn diesen schaffet GOtt neben jenem, daß der Mensch nicht wissen soll, was künftig ist.

7:15 Allerlei habe ich gesehen die Zeit über meiner Eitelkeit. Da ist ein Gerechter und gehet unter in seiner Gerechtigkeit, und ist ein Gottloser, der lange lebt in seiner Bosheit.

7:16 Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, daß du dich nicht verderbest!

7:17 Sei nicht allzu gottlos und narre nicht, daß du nicht sterbest zur Unzeit!

7:18 Es ist gut, daß du dies fassest und jenes auch nicht aus deiner Hand lässest; denn wer GOtt fürchtet, der entgehet dem allem.

7:19 Die Weisheit stärkt den Weisen mehr denn zehn Gewaltige, die in der Stadt sind.

7:20 Denn es ist kein Mensch auf Erden, der Gutes tue und nicht sündige.

7:21 Nimm auch nicht zu Herzen alles, was man sagt, daß du nicht hören müssest deinen Knecht dir fluchen.

7:22 Denn dein Herz weiß, daß du andern auch oftmals geflucht hast.

7:23 Solches alles habe ich versucht weislich. Ich gedachte, ich will weise sein; sie kam aber ferner von mir.

7:24 Es ist ferne; was wird's sein? und ist sehr tief; wer will's finden?

7:25 Ich kehrete mein Herz, zu erfahren und zu erforschen und zu suchen Weisheit und Kunst, zu erfahren der Gottlosen Torheit und Irrtum der Tollen,

7:26 und fand, daß ein solches Weib, welches Herz Netz und Strick ist und ihre Hände Bande sind, bitterer sei denn der Tod. Wer GOtt gefällt, der wird ihr entrinnen; aber der Sünder wird durch sie gefangen.

7:27 Schaue, das habe ich funden, spricht der Prediger, eins nach dem andern, daß ich Kunst erfände.

7:28 Und meine Seele sucht noch und hat es nicht funden. Unter tausend habe ich einen Menschen funden, aber kein Weib habe ich unter den allen funden.

7:29 Alleine schaue das, ich habe funden, daß GOtt den Menschen hat aufrichtig gemacht; aber sie suchen viel Künste.
Auch dies Kapitel enthält Aussprüche über die Weisheit des Lebens, oder die Kunst, glücklich zu sein, wobei der Prediger insbesondere V. 1. 2. zur Erstrebung eines guten Rufs ermahnt, dann V. 3-7 vor Umgang mit gottlosen Menschen warnt, V. 8-11 Gelassenheit empfiehlt, V. 15-19 auf die Nachtheile zu großer Strenge aufmerksam macht, und V. 20-30 kluges Nichtachten auf manche Urtheile der Welt fordert. Sehr wahr ist es, daß die Freude und das Glück der Welt einem Flackerfeuer gleicht, das heftig auflodert, aber schnell verlöscht; daß die Heiden und alle Ungläubigen ein thöricht Volk sind, weil sie ihrer eignen Vernunft überlassen und von dem Quell aller Weisheit abgeschnitten sind, unter Israel aber, dem Volke der Offenbarung, und allen Kindern Gottes die Weisheit ihren Sitz aufgeschlagen hat. Der Vorzug der Gläubigen und Frommen ist namentlich, daß ihnen die Zukunft angehört; denn wo die Weisheit ist, da muß auch seiner Zeit sich das Leben einstellen, die Fülle des Heils, der Sieg über die Welt, so gewiß als Gott dem Volke, dem Er die edelste Gabe gegeben, die niederen nicht versagen wird. Ein weiser Mann ist ein starker Mann, sollte er auch noch so schwach von außen anzusehen sein. – Zugleich ist der doppelte Trost wahr, mit welchem Salomo in den Leiden tröstet; einmal der Trost, daß im Leiden die Gerechtigkeit Gottes sich offenbare, welche auch bei den Frommen die Sünde, die noch in ihnen wohnt, nicht ungestraft lassen kann; dann der andere, daß jedes Leiden eine verhüllte Gnade ist, ein unentbehrliches Mittel der Förderung, welches Gott den seinen nicht ohne Härte entziehen kann. Denn des Vaters Liebesruth ist uns allewege gut. Wahre Christen nennen daher das Kreuz das liebe Kreuz; es stimmt zum Ernste, es führt zur lebendigen Erkenntniß der Nichtigkeit alles Irdischen, es drängt an Gott heran und eröffnet in der Gemeinschaft mit Ihm den einen Quell wahrhaftiger Freude. – Heilige denn, o Herr, alle unsere Freude und unsere Traurigkeit; jene, daß wir nicht anders als in Dir uns freuen, diese, daß wir auch rühmen können mitten in der Trübsal und sie uns zum Besten diene. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 8

8:1 Wer ist so weise? und wer kann das auslegen? Die Weisheit des Menschen erleuchtet sein Angesicht; wer aber frech ist, der ist feindselig,

8:2 Ich halte das Wort des Königs und den Eid GOttes.

8:3 Eile nicht, zu gehen von seinem Angesicht, und bleibe nicht in böser Sache; denn er tut, was ihn gelüstet.

8:4 In des Königs Wort ist Gewalt, und wer mag zu ihm sagen: Was machst du?

8:5 Wer das Gebot hält, der wird nichts Böses erfahren; aber eines Weisen Herz weiß Zeit und Weise.

8:6 Denn ein jeglich Vornehmen hat seine Zeit und Weise; denn des Unglücks des Menschen ist viel bei ihm.

8:7 Denn er weiß nicht, was gewesen ist; und wer will ihm sagen, was werden soll?

8:8 Ein Mensch hat nicht Macht über den Geist, dem Geist zu wehren; und hat nicht Macht zur Zeit des Sterbens und wird nicht losgelassen im Streit; und das gottlose Wesen errettet den Gottlosen nicht.

8:9 Das habe ich alles gesehen und gab mein Herz auf alle Werke, die unter der Sonne geschehen. Ein Mensch herrschet zuzeiten über den andern zu seinem Unglück.

8:10 Und da sah ich Gottlose, die begraben waren, die gegangen waren und gewandelt in heiliger Stätte, und waren vergessen in der Stadt, daß sie so getan hatten. Das ist auch eitel.

8:11 Weil nicht bald geschieht ein Urteil über die bösen Werke, dadurch wird das Herz der Menschen voll, Böses zutun.

8:12 Ob ein Sünder hundertmal Böses tut und doch lange lebt, so weiß ich doch, daß es wohlgehen wird denen, die GOtt fürchten, die sein Angesicht scheuen.

8:13 Denn es wird dem Gottlosen nicht wohlgehen und wie ein Schatten nicht lange leben, die sich vor GOtt nicht fürchten.

8:14 Es ist eine Eitelkeit, die auf Erden geschieht. Es sind Gerechte, denen gehet es, als hätten sie Werke der Gottlosen, und sind Gottlose, denen gehet es, als hätten sie Werke der Gerechten. Ich sprach: Das ist auch eitel.

8:15 Darum lobte ich die Freude, daß der Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne denn essen und trinken und fröhlich sein; und solches werde ihm von der Arbeit sein Leben lang, das ihm GOtt gibt unter der Sonne.

8:16 Ich gab mein Herz, zu wissen die Weisheit und zu schauen die Mühe, die auf Erden geschieht, daß auch einer weder Tag noch Nacht den Schlaf siehet mit seinen Augen.

8:17 Und ich sah alle Werke GOttes. Denn ein Mensch kann das Werk nicht finden, das unter der Sonne geschieht; und je mehr der Mensch arbeitet zu suchen, je weniger er findet. Wenn er gleich spricht: Ich bin weise und weiß es, so kann er's doch nicht finden.
Nachdem Salomo zum rechten Gehorsam gegen die Obrigkeit um des Gewissens willen ermahnt hat, auch wenn sie gewaltthätig verfährt, versichert er im obigen Kapitel; wer ruhig in dem Gebote Gottes bleibt und nicht von Menschengunst sich abhängig macht, weiß, daß ihm Niemand wesentlich schaden könne, daß Gott jeder Sache ihre Zeit bestimmt hat, also auch dem Unrecht, daß etwa ein Mensch thun kann; daß außerdem einmal viel Uebles dem Menschen auferlegt ist, in das er sich finden muß. Dabei berührt er die oft erhobene Bedenklichkeit, ob Gott wirklich gerecht sei, da die Erfahrung lehre, daß die Strafen der Gottlosen nicht allein aufgeschoben werden, sondern es ihnen auch wohlgehe und den Frommen dagegen mehrentheils schlecht, und übel; woraus dann zu schließen sei, daß zwischen den Frommen und Gottlosen kein Unterschied sei oder gehalten werde, und es nicht darauf ankomme, ob man Gottes Gebot halte oder nicht. Darauf antwortet er nun und giebt die Thatsache zu, fügt aber hinzu, daß der Weise sich dadurch nicht im Geringsten irre machen lassen soll an der gerechten Vergeltung Gottes, vielmehr sich bescheiden solle, daß auch diese Thatsache ein Stück der Eitelkeit alles Irdischen sei, und daß ein gewisses Maß von Freude Gott einem Jeden in seiner Mühseligkeit schenke, es komme nur darauf an, daß er, das Geringe dankbar hinnehmend, sich unter Gottes gewaltige Hand demüthige, und unter dem Elend dieser Welt, das er ausstehen müsse, gutes Muthes in und mit Gott sei, und das, was er von Ihm empfang, auf erlaubte Weise genieße. – Wie wichtig und lehrreich! Gebet’s denn den Gottlosen, als hätten sie Werke der Gerechten, so gieb, o Herr, daß wir uns an ihrem Scheinglück nicht ärgern, sondern bedenken, daß nicht die Welt, sondern der Himmel der Ort der Gnadenbelohnung sei. Laß uns in der Welt niemals suchen, was sie nicht hat, nämlich etwas Vollkommenes; uns aber auch nie vergessen, daß auch unser Wissen lauter Stückwerk ist. Herr, wenn wir Dich haben, dann haben wir Alles, und wir brauchen nichts mehr zu fragen nach Himmel und Erde. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 9

9:1 Denn ich habe solches alles zu Herzen genommen, zu forschen das alles, daß Gerechte und Weise sind und ihre Untertanen in GOttes Hand. Doch kennet kein Mensch weder die Liebe noch den Haß irgendeines, den er vor sich hat.

9:2 Es begegnet einem wie dem andern, dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem Unreinen, dem der opfert, wie dem, der nicht opfert. Wie es dem Guten gehet, so gehet es auch dem Sünder. Wie es dem Meineidigen gehet, so gehet es auch dem, der den Eid fürchtet.

9:3 Das ist ein böses Ding unter allem, das unter der Sonne geschieht, daß es einem gehet wie dem andern; daher auch das Herz der Menschen voll Arges wird, und Torheit ist in ihrem Herzen, dieweil sie leben; danach müssen sie sterben.

9:4 Denn bei allen Lebendigen ist, das man wünschet, nämlich Hoffnung; denn ein lebendiger Hund ist besser weder ein toter Löwe.

9:5 Denn die Lebendigen wissen, daß sie sterben werden; die Toten aber wissen nichts, sie verdienen auch nichts mehr, denn ihr Gedächtnis ist vergessen,

9:6 daß man sie nicht mehr liebet, noch hasset, noch neidet, und haben kein Teil mehr auf der Welt in allem, das unter der Sonne geschieht.

9:7 So gehe hin und iß dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dein Werk gefällt GOtt.

9:8 Laß deine Kleider immer weiß sein und laß deinem Haupte Salbe nicht mangeln.

9:9 Brauche des Lebens mit deinem Weibe, das du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir GOtt unter der Sonne gegeben hat, solange dein eitel Leben währet; denn das ist dein Teil im Leben und in deiner Arbeit, die du tust unter der Sonne.

9:10 Alles, was dir vorhanden kommt zu tun, das tue frisch; denn in der Hölle, da du hinfährest, ist weder Werk, Kunst, Vernunft noch Weisheit.

9:11 Ich wandte mich und sah, wie es unter der Sonne zugehet, daß zu laufen nicht hilft schnell sein, zum Streit hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein; daß einer angenehm sei, hilft nicht, daß er ein Ding wohl könne, sondern alles liegt es an der Zeit und Glück.

9:12 Auch weiß der Mensch seine Zeit nicht, sondern wie die Fische gefangen werden mit einem schädlichen Hamen, und wie die Vögel mit einem Strick gefangen werden, so werden auch die Menschen berückt zur bösen Zeit, wenn sie plötzlich über sie fällt.

9:13 Ich habe auch diese Weisheit gesehen unter der Sonne, die mich groß deuchte,

9:14 daß eine, kleine Stadt war und wenig Leute drinnen, und kam ein großer König und belegte sie und bauete große Bollwerke drum,

9:15 und ward drinnen funden ein armer weiser Mann, der dieselbe Stadt durch seine Weisheit konnte erretten; und kein Mensch gedachte desselben armen Mannes.

9:16 Da sprach ich: Weisheit ist ja besser denn Stärke. Noch ward des Armen Weisheit verachtet und seinen Worten nicht gehorcht.

9:17 Das macht der Weisen Worte gelten mehr bei den Stillen denn der Herren Schreien bei den Narren.

9:18 Denn Weisheit ist besser denn Harnisch; aber ein einiger Bube verderbet viel Gutes.
Salomo führt seine Betrachtungen über die Unerforschlichkeit der Weltregierung Gottes weiter aus in diesem Kapitel. Der forschgierige Mensch möchte so gern in Gottes Geheimniß-Cabinet eindringen und hienieden schon völlig und überall begreifen, wie Gott waltet, warum so oder so? Umsonst; er weiß nicht einmal, was im Innern der Menschen ist, die vor den Augen sind, viel weniger, was in Gott ist, ob er in Liebe oder Haß bei Gott stehe. Gott regiert alle Dinge; die Werke der Menschen ordnet und vergilt Er nach Seinem Wohlgefallen; und es ist durchaus eine Sache des Glaubens, und nicht des Schauens, die göttliche Weltregierung in ihrem Walten hienieden zu erkennen. Der Glaubende und Gott Alles Vertrauende thut immer hellere Blicke in die Gründe Seines Verfahrens; daher alle diejenigen, welche an diesem Glauben nicht festhalten, darüber toll werden und in dem Tode nichts als den Untergang all’ ihrer Freude und Hoffnung erblicken. In diesem Bewußtsein, daß Alles in Gottes Hand stehet, und nur von Ihm uns gegeben wird, daß an Seinem Segen Alles gelegen ist, daß wir Ihm unser Leben, unsere Ausbildung, die Verhältnisse und Umstände, unter welchen wir unsere Fähigkeiten anwenden, und den Erfolg unserer Bestrebungen verdanken, daß Er ja unserm Thun Sein Ja und Amen geben muß, wenn es gelingen soll, können wir, von allen Sorgen und Zweifeln frei, freudig unsere Berufspflichten heilig achten und mit gewissenhaftem Fleiße erfüllen, und unter allen Verhältnissen dann auf des Herrn Gnade warten. Des Christen ganzes Leben ist auf diese Weise eine Arbeit für Gott; und wie wechselnd und beschwerlich es auch ist, der Herr blickt freundlich auf ihn herab und nimmt auch den kleinsten Dienst an, der um Seinetwillen gethan ist. Herr, hilf mir denn also meine Zeit auskaufen, dann wird weder die Thätigkeit am Tage, noch die Erholung am Abende jemals verlorne Zeit sein. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 10

10:1 Also verderben die schädlichen Fliegen gute Salben. Darum ist zuweilen besser Torheit denn Weisheit und Ehre.

10:2 Denn des Weisen Herz ist zu seiner Rechten; aber des Narren Herz ist zu seiner Linken.

10:3 Auch ob der Narr selbst närrisch ist in seinem Tun, noch hält er jedermann für Narren.

10:4 Darum wenn eines Gewaltigen Trotz wider deinen Willen fortgehet, laß dich nicht entrüsten; denn Nachlassen stillet groß Unglück.

10:5 Es ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne, nämlich Unverstand, der unter den Gewaltigen gemein ist,

10:6 daß ein Narr sitzt in großer Würde, und die Reichen hienieden sitzen.

10:7 Ich sah Knechte auf Rossen und Fürsten zu Fuße gehen wie Knechte.

10:8 Aber wer eine Grube macht, der wird selbst dreinfallen; und wer den Zaun zerreißet, den wird eine Schlange stechen.

10:9 Wer Steine wegwälzet, der wird Mühe damit haben; und wer Holz spaltet, der wird davon verletzt werden.

10:10 Wenn ein Eisen stumpf wird und an der Schneide ungeschliffen bleibet, muß man's mit Macht wieder schärfen; also folgt auch Weisheit dem Fleiß.

10:11 Ein Wäscher ist nichts besser denn eine Schlange, die unbeschworen sticht.

10:12 Die Worte aus dem Munde eines Weisen sind holdselig; aber des Narren Lippen verschlingen denselben.

10:13 Der Anfang seiner Worte ist Narrheit, und das Ende ist schädliche Torheit.

10:14 Ein Narr macht viel Worte; denn der Mensch weiß nicht, was gewesen ist; und wer will ihm sagen, was nach ihm werden wird?

10:15 Die Arbeit der Narren wird ihnen sauer, weil man nicht weiß, in die Stadt zu gehen.

10:16 Wehe dir, Land, des König ein Kind ist und des Fürsten frühe essen!

10:17 Wohl dir, Land, des König edel ist und des Fürsten zu rechter Zeit essen, zur Stärke und nicht zur Lust.

10:18 (Denn durch Faulheit sinken die Balken, und durch hinlässige Hände wird das Haus triefend.)

10:19 Das macht, sie machen Brot zum Lachen, und der Wein muß die Lebendigen erfreuen, und das Geld muß ihnen alles zuwege bringen.

10:20 Fluche dem Könige nicht in deinem Herzen und fluche dem Reichen nicht in deiner Schlafkammer; denn die Vögel des Himmels führen die Stimme, und die Fittiche haben, sagen's nach.
Göttlich-Weise und ungöttliche Narren sind sich in Allem entgegengesetzt: diesen Satz führt Salomo im zehnten Kapitel in Sentenzen aus. Er beklagt das Unglück, wenn Unwürdige die höchsten Stellen einnehmen, während Würdige in niederen Posten stehen V. 5-7; da solche Mißgriffe, wie Alles, was ohne Vorsicht und Umsicht geschieht, von nachtheiligen Folgen begleitet sein müssen, V. 8-111; wie dies in der Rede der geschwätzigen Thoren deutlich an den Tag tritt, da nur der Weise sich durch seine Worte Gunst zu erwerben vermag V. 12-15. Schließlich wird das Land glücklich gepriesen, an dessen Spitze ein edler König und weise Minister stehen, da unwürdige Führer den Staat in Verfall bringen. V. 18-20. Salomo mag dabei wohl an seine Thronfolger Rehabeam und Jerobeam gedacht haben, obwohl es für alle Zeiten gilt. Aus der tiefen Rührung, mit der er dies sagt, läßt sich schließen, daß er mehr die Zukunft seines eignen Reichs, als eines idealischen, in Gedanken gehabt habe. Denn er wußte schon, wie es werden, wo es hinausgehen würde. Er hatte bei den einzelnen Aussprüchen gewiß Zweck auf gewisse Menschen, für die er zunächst einzelne Dinge schrieb, die es lesen sollten, und die es auch verstehen mußten, wenn sie es lasen. Die häufigen Wiederholungen des: „wer weiß, was künftig ist? was nach ihm geschehen wird? wer will ihm das entdecken?“ zeigen, wie sehr Salomo durch solche Gedanken bekümmert gewesen sei. – Segne denn, o Herr, und oberster Regent aller Welt, auch unser König und Herrn, und durch ihn unser ganzes Vaterland; und da Du uns alle zu geistlichen Königen gemacht hast, die Kriege genug tagtäglich zu führen haben, um die kleine Festung des menschlichen Herzens wohl zu verwahren, so bewahre uns vor Nachlässigkeit in unserm Christenthum, damit wir nicht in einen großen Schlaf der Sicherheit hineinfallen, sondern unsere Seligkeit schaffen mit Furcht und Zittern. Dann wirst Du uns geben, was unser Herz wünscht, hier die süße Empfindung Deiner Gnade und dort ein Gesicht Deiner ewigen Herrlichkeit im Himmel. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 11

11:1 Laß dein Brot über das Wasser fahren, so wirst du es finden auf lange Zeit.

11:2 Teile aus unter sieben und unter acht; denn du weißest nicht, was für Unglück auf Erden kommen wird.

11:3 Wenn die Wolken voll sind, so geben sie Regen auf die Erde; und wenn der Baum fällt, er falle gegen Mittag oder Mitternacht, auf welchen Ort er fällt, da wird er liegen.

11:4 Wer auf den Wind achtet, der säet nicht, und wer auf die Wolken siehet, der erntet nicht.

11:5 Gleichwie du nicht weißt den Weg des Windes, und wie die Gebeine in Mutterleibe bereitet werden, also kannst du auch GOttes Werk nicht wissen, das er tut überall.

11:6 Frühe sähe deinen Samen und laß deine Hand des Abends nicht ab; denn du weißt nicht, ob dies oder das geraten wird; und ob es beides geriete, so wäre es desto besser.

11:7 Es ist das Licht süß und den Augen lieblich, die Sonne zu sehen.

11:8 Wenn ein Mensch lange Zeit lebet und ist fröhlich in allen Dingen, so gedenkt er doch nur der bösen Tage, daß ihrer so viel ist; denn alles, was ihm begegnet ist, ist eitel.

11:9 So freue dich, Jüngling, in deiner Jugend und laß dein Herz guter Dinge sein in deiner Jugend. Tue, was dein Herz lüstet und deinen Augen gefällt; und wisse, daß dich GOtt um des alles wird vor Gericht führen.

11:10 Laß die Traurigkeit aus deinem Herzen und tue das Übel von deinem Leibe; denn Kindheit und Jugend ist eitel.
In diesem Kapitel zeigt Salomo die besseren Mittel, wie man ohne eitles Sorgen und Grämen eine weise Anstalt fürs Zukünftige zu machen habe, und zwar erstens durch Wohlthätigkeit gegen Arme V. 1-6, durch fleißige Arbeit V. 6, erlaubte, aber mit Gottesfurcht geheiligte Freudigkeit V. 7-12,7. Die Schlußverse enthalten einen zusammenfassenden Beschluß: alles Irdische, wenn es auch lieblich wäre, ist doch eitel durch Vergänglichkeit und Wechsel V. 8. Die höhere Freude darin ist das Beste; darum suche sie von Gott, indem du sein Gericht fürchtest, die Sünde meidest, und in Demuth genießest V. 9. Und dann kannst du das Bisherige gerade umkehren und dich freuen, weil deine Jugend nur vergänglich ist mit ihren irdischen Gütern und als Morgenröthe ein schöneres Licht vorbereiten will. V. 10. Der Schluß aus allem bisher Betrachteten ist: Richte so früh als möglich aus aller irdischen Eitelkeit den Blick zu deinem Schöpfer, daß du nicht erst, wie Salomo, durch lange, schwere Erfahrung klug werdest. – Herzlich sagen wir Deinem Namen Dank, o Herr, daß Du an uns gedacht hast in unserer Jugend, ehe wir an Dich denken konnten, und uns von Kindesbeinen an hast auf Adlers Flügeln getragen und lassen an Seilen der Liebe gehen. Unser Leben ist eine Reise durch die Wüste dieser Welt nach dem Canaan des Himmels; wenn wir in einer geheiligten Andacht auf unsern Pisga steigen, und an die Wege denken, die wir zurückgelegt haben, so sind wir wahrlich ein rechtes Wunder vor Deinen Augen, ein Wunder wie Deiner Allmacht, so Deiner Liebe. Wie treu und gnädig hast Du uns bewacht, geleitet, beschützt, zu Dir gezogen und erhalten bis auf diese Stunde! Herr, gedenke nicht der Sünden unserer Jugend und unserer vielfachen Uebertretungen, sondern gedenke unserer nach Deiner Güte und Barmherzigkeit. Hilf uns auch ferner durch diese arge und gefahrvolle Welt hindurch, bis es einmal heißt: Es ist genug, genug gekämpft und gelitten, gehe ein zu deines Herrn Freude. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 12

12:1 Gedenk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe denn die bösen Tage kommen und die Jahre herzutreten, da du wirst sagen: Sie gefallen mir nicht,

12:2 ehe denn die Sonne und das Licht, Mond und Sterne finster werden und Wolken wiederkommen nach dem Regen,

12:3 zur Zeit, wenn die Hüter im Hause zittern, und sich krümmen die Starken, und müßig stehen die Müller, daß ihrer so wenig worden ist, und finster werden die Gesichter durch die Fenster,

12:4 und die Türen auf der Gasse geschlossen werden, daß die Stimme der Müllerin leise wird und erwacht, wenn der Vogel singet, und sich bücken alle Töchter des Gesangs,

12:5 daß sich auch die Hohen fürchten und scheuen auf dem Wege; wenn der Mandelbaum blühet, und die Heuschrecke beladen wird, und alle Lust vergehet (denn der Mensch fährt hin, da er ewig bleibt, und die Kläger gehen umher auf der Gasse,

12:6 ehe denn der silberne Strick wegkomme, und die güldene Quelle verlaufe, und der Eimer zerbreche am Born und das Rad zerbreche am Born.

12:7 Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu GOtt, der ihn gegeben hat.

12:8 Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, ganz eitel!

12:9 Derselbe Prediger war nicht allein weise, sondern lehrete auch das Volk gute Lehre und merkte und forschete und stellete viel Sprüche.

12:10 Er suchte, daß er fände angenehme Worte, und schrieb recht die Worte der Wahrheit.

12:11 Diese Worte der Weisen sind Spieße und Nägel, geschrieben durch die Meister der Versammlungen und von einem Hirten gegeben.

12:12 Hüte dich, mein Sohn, vor andern mehr; denn viel Büchermachens ist kein Ende und viel Predigen macht den Leib müde.

12:13 Laßt uns die Hauptsumma aller Lehre hören: Fürchte GOtt und halte seine Gebote; denn das gehöret allen Menschen zu.

12:14 Denn GOtt wird alle Werke vor Gericht bringen, das verborgen ist, es sei gut oder böse.
Der Prediger Salomonis ermahnt in diesem letzten Kapitel die Jugend zur frühen Gottesfurcht; denn sie sei die Zeit der Frische und der Kraft, welche empfänglicher mache für Gemeinschaft mit Gott und fähiger, Wechsel und Verlust des Zeitlichen würdig zu tragen. Er schildert die Beschwerden des Alters nach Erfahrung. Zuerst seine trübe Stimmung: der Lebenshimmel ist trübe und mit Wolken bedeckt (V. 2.) Dann die Schwachheit der Hände und Füße; Kopf und Arme zittern, die Füße können die Last des Körpers kaum mehr tragen (V. 3); - den Mangel der Zähne: die Müller stehen müßig; - die Dunkelheit der Augen: die Gesichter werden finster durch die Augenlieder; - die eingefallenen Lippen: die Thüren nach der Gasse werden geschlossen (V. 4); - die schwere Aussprache: die Stimme wird leise; - die Schlaflosigkeit: Greise erwachen schon mit dem leisen Morgengesang der Vögel; - die Harthörigkeit: es erfreuen sie nicht mehr die Sängerinnen; - den Schwindel: sie scheuen sich vor den Anhöhen und fürchten sich vor jedem Wege (V. 5); - die weißen Haare, wie beim verblühenden Mandelbaum; - den krummen Rücken, wie bei der Heuschrecke, die im Frühlinge über breite Meere fliegt, aber im Herbste, wenn sie alt, fett und schwer geworden, hineinstürzt; - und die Verdrossenheit zu allen Dingen: es verliert sich endlich alle Lust und Begierde. Denn der Mensch geht in sein ewiges Haus, seinen Tod kündigen die an, die ihn auf den Straßen beklagen. Es hören endlich alle Lebensbedingungen, besonders das Atemholen, auf, wie beim Ziehbrunnen, wenn Rad, Eimer und Strick nicht mehr in gutem Stande sind. (V. 6.) Denn der Staub muß wieder zur Erde werden: wie demüthigend! – aber der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat: wie tröstend und aufrichtend! (V. 7). – Das Buch schließt mit der Nachweisung der Erfahrung und Weisheit seines Verfassers, daß seine Worte wahr und gefällig, auf Eingeben des h. Geistes geschrieben, Spieße, d.h. Leiter und Führer auf dem Lebenswege, wie Stachel, die das Zugthier leiten, und Nägel, die im Herzen haften, seien, und daß sie die Hauptsache des ganzen Lebens lehren, die Gottesfurcht innerlich und das Halten der Gebote äußerlich. Mögen sie auch uns das sein immer und ewiglich! Amen. (Friedrich Arndt)

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