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1. Johannes, Kapitel 3

1. Johannes, Kapitel 3

3:1 Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder sollen heißen! Darum kennt euch die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht.
Es ist ein großer Gedanke: Der Gott Himmels und der Erde, der Gott, der alle Macht und Gewalt in Seiner Hand hat, der ist mein Vater. Gott ist zu fürchten in Seinem Tun und Walten. Er schafft Wetterstrahlen, sendet Schloßen und Hagel, rührt die Erde an, und siehe, sie wanket und bebt! Alle Menschen sind Staub vor dem großen Gott. Aber gerade in Ungewittern, bei nahen Gefahren, bei ausbrechenden Seuchen, gerade in Fällen, wo vieler Herzen erzittern, ist das Bewusstsein überaus tröstlich: Ich bin völlig in den Händen des allmächtigen Gottes, in den Händen Dessen, der alles erschaffen und auch alles leitet, ordnet, durchdringt. Und dieser Gott ist mir nicht nur ein Gott der Gnaden, Er ist mein lieber, teurer Vater! Sein Auge ruht auf mir, auf mein Heil und Wohl ist Er bedacht. Ja, es ist in der Tat eine selige Sache, unter der Gnadenhand des himmlischen Vaters zu leben und es freudig zu glauben: Ohne Seinen Willen kann kein Haar von meinem Haupte fallen. Selig ist, wer den herrlichen Gott „Vater“ nennen darf; alle Dinge müssen ihm zum Besten dienen. Einen Zufall gibt es für solche Leute nicht, der Allwissende und Allweise lenkt ihr Leben. Es ist ein unendliches Glück, ein Kind Gottes zu sein und als ein Kind sich Seiner zu freuen, alles in Seine Hand legen und alles aus dieser Hand nehmen zu dürfen. Vor Ihm und mit Ihm zu wandeln, unter Gott zu stehen, Seiner väterlichen Leitung gewiss zu sein, welch eine Seligkeit im Erdenleben! Gottes Kinder sind ein fröhliches Volk. (Markus Hauser)

3:2 Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt! Schaut zu, was wir gewesen sind, und wie wir selber uns jetzt noch vorkommen, wenn die Sünde sich in uns regt und mächtig werden will, und verwundert euch über eure Begnadigung! Dennoch heißen wir „Gottes Kinder.“ Was ist doch die Kindschaft für eine innige Verwandtschaft, und welche herrlichen Vorrechte schließt sie in sich! Welche Sorgfalt und Zärtlichkeit hat der Sohn beim Vater zu erwarten, und welch eine Liebe fühlt der Vater zu dem Sohn! Aber das alles und noch mehr besitzen wir nun durch Christum Jesum. Die zeitliche Erniedrigung und Schmach unsers leidenden erstgebornen Bruders gereicht uns zur Ehre: „Darum kennet uns die Welt nicht, denn sie kennet Ihn nicht.“ Wir bleiben gern unbeachtet mit Ihm in seiner Erniedrigung, denn wir werden mit Ihm erhöht werden. „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder.“ Das ist leicht gelesen, aber nicht so leicht gefühlt. Wie steht‘s heute mit deinem Herzen? Schwebst du etwa in der tiefsten Nacht des Kummers? Regt sich das Verderben in deinem Herzen, und glimmt die Gnade nur noch wie ein armer zertretener Funke in deiner Seele? Will dir der Glaube zerrinnen? Fürchte dich nicht, weder deine Gnadenerfahrungen, noch deine Empfindungen sind der Quell deines innern Lebens; du musst einzig vom Vertrauen auf Christum dich nähren. Wenn sich alles gegen uns erhebt, dennoch sind wir nun - mitten im tiefsten Kummer, im Tal wie auf dem Berge „Geliebte, - so sind wir nun Gottes Kinder.“ „Ach,“ erwiderst du, „siehe, wie ich gekleidet bin! Mein Tugendschmuck ist nicht schön; meine Gerechtigkeit strahlt nicht in herrlichem Licht.“ Aber so lies denn, was folgt: „Und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir Ihm gleich sein werden.“ Der Heilige Geist wird unsern Sinn läutern, und die Kraft Gottes wird unsern Leib verklären; alsdann „werden wir Ihn sehen, wie Er ist.“ „Hier Gottes Kinder, und dort Erben Als Jesu Christi Eigentum! O, lasst uns werben um diesen Ruhm!“ (Charles Haddon Spurgeon)


Gott hat ein hohes Ziel mit uns. Er will: 1. dass ein jeder, der den Ruf zur Buße und zur Teilnahme an dem Heil in Christus vernimmt, sich bekehre, ein Eigentum Jesu und ein Kind Gottes werde. Fröhliche, selige Glieder Christi und lebendige Tempel Gottes sollen wir sein. 2. will Er, dass die Glieder Christi eins seien untereinander, ein heiliges Volk dem heiligen Herrn, ein Haus Gottes, in dem der Herr Seine Gaben austeilen kann. 3. dass der Herr eine Gemeinde von Priestern und von Mitarbeitern Gottes habe. Der König Jesus Christus will ein Rettungsheer auf Erden haben, eine geisterfüllte Zeugenschar. Blicken wir hinaus in die Zukunft und fragen nach dem Ziele Gottes mit uns, so entfalten sich da herrliche Dinge vor unsern Augen. Auferstehungsherrlichkeit will der Herr den Seinen verleihen. Aus dem Todesleibe soll durch Gottes Macht ein unsterblicher Leib erstehen, dem sinnlichen soll ein Geistleib folgen. Christi Glieder erlangen neue, herrliche, dem Seinigen ähnliche Auferstehungsleiber. Nur wenn Jesus in uns sich hat verherrlichen können, kann Er solche Herrlichkeitsleiber uns schenken; der Leib, der in die Erde gelegt wird, muss bewohnt gewesen sein von einer reinen Seele. Das Schauen Gottes setzt Verklärung in Sein Bild voraus und ist das denkbar höchste Ziel, dem Jesus seine Jünger entgegenführt. Das ist Gottes Ziel mit uns. Wer diesen seligen Willen Gottes erkannt und erfasst hat, der ehre Ihn durch entschiedene Glaubensschritte. Die ganze Gottesfülle ist uns erschlossen im Sohne. Durch Ihn führt uns Gott zum Ziel, zur Herrlichkeit. (Markus Hauser)


Gottes Kinder sind ein Erstling oder eine vornehme und vorzügliche Classe unter den Geschöpfen. Die Schmach ihrer sündlichen Abstammung von Adam, und alle Schande, welche sie sich selbst zugezogen haben, wird durch die Kindschaft Gottes bedeckt, ja aufgehoben und ersetzt. Es sind große Vorrechte mit dieser Kindschaft verbunden, nämlich das Recht, durch die kraft es heiligen Geistes Gott Vater zu nennen, das Recht, Seine väterliche Liebe und Vorsorge, nach welcher alle Dinge zum Besten dienen müssen, zu genießen, das Recht, vertraulich zu Ihm zu nahen, und insonderheit das Recht, ein Erbe Gottes und Miterbe Christi zu sein. Dabei muß man aber bedenken, daß diese Kindschaft Gottes kein in die Augen fallendes Ansehen und keine äußerlichen Vorzüge mit sich führt. Man kann so arm, so krank und so verachtet sein wie Lazarus, und doch ein Kind Gottes sein. Hat man’s in der Welt besser, so ist es eine zufällige Sache und nicht nothwendig mit der Kindschaft Gottes verbunden. Auch fällt diese der Welt nicht in die Augen, als welche ohnehin keinen vertraulichen Umgang mit Kindern Gottes sucht, und keinen erleuchteten Verstand hat, die Kennzeichen und den Werth derselben zu bemerken. ist es doch dem Sohn Gottes selber so gegangen, daß ungeachtet seiner höchst ehrwürdigen Gestalt und der mannigfaltigen Offenbarung seiner Herrlichkeit; Viele von ihm sagten: Wir sahen Ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte; ja Ihn auf eine grobe Weise schmäheten. Kinder Gottes sollen’s also mit Geduld ertragen, wenn die Welt sie entweder schmähet, oder außer einer ehrlichen und uneigennützigen Dienstfertigkeit nichts an ihnen erkennet; denn bis zur Kindschaft Gottes reicht der Blick der Welt nicht, denn sie kennet Gott, den Vater Seiner Kinder, nicht. Es ist aber überhaupt noch nicht erschienen, was die Kinder Gottes sein werden. Es erzählt ein alter Schriftsteller, der HErr Jesus sei einmal von Seinen Jüngern gefragt worden: wann kommt das Reich Gottes? und Er habe geantwortet: „alsdann kommt es, wenn das Aeußere sein wird wie das Innere.“ Alsdann wird freilich erscheinen, was die Kinder Gottes sind, wenn ihr Aeußeres sein wird, wie ihr Inneres. Sie werden alsdann wie die Sonne in ihres Vaters Reich leuchten. Sie werden mit Christo zur Herrlichkeit erhaben sein: sie werden Ihm gleich sein, denn sie werden Ihn sehen, wie Er ist. Dieses ist die Offenbarung der Kinder Gottes, auf welche die Creatur sehnlich harret, weil sie auch daran Antheil haben wird. Röm. 8,19. Wir werden Gottes Kinder, wenn wir aus Gott geboren werden, folglich ein geistliches leben empfangen, und an Jesum glaubig werden, Joh. 1,12.13. so lange dieses Leben und dieser Glaube noch schwach sind, so lange ist die Gewißheit von der Kindschaft noch wankend, gesetzt daß sie auch in heitern Stunden, da die Empfindung der Gnade lebhaft ist, groß zu sein schiene. Je völliger aber das geistliche Leben, und je stärker der Glaube ist, desto fester wird das Herz, und desto getroster kann der Christ mit Andern an Einem fort sagen: wir sind nun Gottes Kinder.
Fragt also Jemand in der Absicht auf Kinder Gottes: Was haben sie Gutes vor Andern? und was haben sie Schönes vor Andern? (Zach. 9,17.) so können sie unter Anderem antworten: Wir sind nun Gottes Kinder, und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden: wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm, unserem herrlichen Heiland, werden gleich sein; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. (Magnus Friedrich Roos)

3:3 Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist.
Ein wahrer Christ soll dreierlei täglich erwägen, wer er sey, nämlich ein Kind Gottes, was er an Gott habe, einen Vater, einen Wohlthäter und den allerbesten Freund, und was er von Gott noch zu erwarten habe, nämlich himmlische Freude und Herrlichkeit. Diese Betrachtung wird in ihm die Liebe zu Gott entzünden und stärken, und Verachtung gegen alles sündliche Leben erwecken. Dann 1) große Herrlichkeit haben die Gläubigen schon allhier in diesem Leben, nämlich Vergebung der Sünden, die Kindschaft bei Gott, den Frieden mit Gott, einen Tröster in aller Noth, einen Fürbitter und Vorsprecher, Freude der Seele, Ruhe in Gott; gegen diese Herrlichkeit sind Silber, Gold, Geld, und alle königlichen Kronen für nichts zu achten. 2) Große Herrlichkeit haben sie nach diesem Leben zu erwarten, nämlich den Eingang in den Himmel, das Anschauen des dreieinigen Gottes, die Gesellschaft der heiligen Engel und Auserwählten, Befreiung von allem Leiden, ein ewiges Wohlseyn, und endlich eine fröhliche und selige Auferstehung des Leibes. Ein gläubiger Christ soll 3) sich darauf freuen, sich derselben bei vorfallenden Trübsalen zu trösten, und sich versichern, es werde dereinst alles Leiden in ein ewiges Jauchzen verwandelt werden. Sonderlich aber soll er 4) diese Herrlichkeit nicht verscherzen durch ein sündliches Weltleben, sondern bedenken, er sey zu etwas Herrlicherem bestimmt. Zu dem Ende 5) bleibt er im Glauben und siehet das Irdische an als etwas Vergängliches, das er verlassen muß, hingegen schickt er sein Herz oft da hinein, wo er ewig wünscht zu seyn.(Johann Friedrich Stark)

3:4 Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht.

3:5 Und ihr wisset, daß er ist erschienen, auf daß er unsre Sünden wegnehme, und es ist keine Sünde in ihm.

3:6 Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer da sündigt, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt.
Ein sehr ernstes Wort sagt uns hier Johannes. Wenn es heißt: „der sündigt nicht“, so ist wohl damit gesagt: der tut nicht Gewalt noch Unrecht, der ehrt Vater und Mutter, der stiehlt und betrügt nicht, der bleibt fern von Hurerei und Ehebruch, der lügt und afterredet nicht (verbreitet keine üble Nachrede); der ist nicht zänkisch, nicht hart und ungerecht, nicht unversöhnlich und rachsüchtig; der mißbraucht nicht den Namen Gottes zu unheimlichem Aberglauben; der schändet Seine Feiertage nicht, und dergleichen. Denn alles das heißt sündigen, und noch anderes mehr.
Wer dergleichen tut, so recht mit Willen und wider besseres Wissen und Gewissen tut - denn einen Unterschied zwischen Sünde und Sünde müssen wir uns immerhin denken -; wer auch ungescheut so fortmacht und von Buße und Bekümmernis darüber nichts weiß und wissen will: der, so sagt Johannes, „hat Ihn nicht gesehen noch erkannt“, d. h. der ist Ihm im Geiste noch nie so fühlbar nahe gestanden, daß es ihm ist, als hätte er Ihn gesehen oder erkannt, wie es bei echten Jüngern Jesu der Fall ist. Mag er sich auch noch soviel den Schein geben, als hätte er Ihn gesehen und erkannt wie ein echter Gläubiger, so ist's doch nur Lüge und Täuschung. Das will Johannes sagen.
Ein sehr ernstes Wort ist da gesagt, welches sichere Heilige - deren es heute nur zu viele gibt - wohl erschrecken dürfte! Heutzutage kann man oft recht viel Erkenntnis vorschützen, man weiß auch viel zu reden von den Dingen des Reiches Gottes; aber das Sündigen bleibt bei so vielen nicht weg! Solange aber das Sündigen dableibt, hat man bei aller Erkenntnis und klaren Einsicht ins Wort Gottes doch eigentlich noch nicht recht die Gnade des HErrn an seinem Herzen erfahren - so sehr man's oft auch denken mag! Denn wenn das wirklich so wäre, so würde die Sünde aufhören, wenigstens das freche Buhlen mit der Sünde, als brächte man diese im Neuen Bunde durch die Gnade leicht wieder weg! übel steht es schon bei vielen, die doch die Erkenntnis haben wollen: daß sie eben so hingehen, wie's kommt - sei's recht oder unrecht, gut oder nicht gut, Gott gefällig oder nicht gefällig! Solch leichtes Wesen sollte aufhören bei dem, der in Jesus, dem Versöhner unsrer Sünden, bleibt und der sich somit fort und fort von Ihm angenommen denkt aus Gnaden um Seines Blutes willen! Der, bei welchem das letztere in Wahrheit so ist, der hütet sich, nimmt sich in acht, zittert schon vor dem Gedanken, seinen Heiland mit fernerem übertreten der Gebote Gottes zu betrüben; denn er hat durch seinen Glauben den HErrn gleichsam erkannt und gesehen. Die Empfindung der Liebe Gottes durch Christus zerbricht den alten Menschen; und je stärker sie wird, desto gewisser muß das Sündigen weichen.
Ach, da helfe uns der HErr, daß nur Christus eine Gestalt in uns gewinne, damit das häßliche Sündigen aufhöre!
Zusatz zu 1. Johannes 3,6 Das Sehen und Erkennen des HErrn
Der Spruch: „Wer in Ihm bleibt, der sündigt nicht; und wer sündigt, hat Ihn nicht erkannt noch gesehen“, wäre recht geeignet, uns die Augen zu öffnen über den Stand der Christenheit in unsren Tagen.
Wir wollen nicht von denen reden, die sich Christen nennen - und der Tat nach, sofern sie sich vor keiner Sünde scheuen, sich als Heiden gebärden, die weder von einem Gott noch von einem Heiland etwas wissen. Aber wie steht's um die sogenannten Gläubigen, um die Bekehrten, die sich von der Welt absondern wollen? Bei vielen besteht alle Bekehrung nur darin, daß sie fromm tun und die Form der Frömmigkeit annehmen und das grobe offene Sündigen meiden und lassen. Das ist nur gar zu oft weitaus alles, womit sie ihr besseres Christentum an den Tag legen! Bei vielen scheint's sogar, wie wenn alles Christentum nur im Schelten über die Welt und die Ungläubigen oder im Streiten mit Andersglaubenden bestünde. Im Verborgenen aber - ach wie- vieles schleicht sich noch ein! Wie wenig Zartheit des Gewissens - wenn sich's um das Mein und Dein handelt, wenn Verleugnung der bösen Lüste gefordert wird - kann man zu seinem Schrecken noch wahrnehmen, so daß man fast mit der Anfechtung geplagt wird - fühlt ja doch jeder seine eigene Schwäche -: ob es denn auch noch Christen gäbe, die so lauter, rein, völlig und ohne Täuschung die Gnade des HErrn an sich erfahren haben, daß es ein „Sehen und Erkennen des HErrn“ genannt werden kann? Wir wollen und dürfen nicht hart und richtend sein; aber Bedenken erregt es doch, wenn wir das apostolische Wort mit dem Stand der Christenheit vergleichen wollen!
Freilich können wir auch wieder sagen, daß der HErr in unsrer Zeit um des geringen Standes willen, in dem die Christenheit sich befindet, sich ferne gestellt habe. Deshalb bekommen viele Ihn auch bei besserem Wollen und Streben doch nicht so zu fühlen, um sagen zu können, sie hätten Ihn gesehen und erkannt, wie es in der Apostel Zeiten war. Wir sind gar arm gestellt und sind mehr auf die Sehnsucht nach dem HErrn gewiesen. Es sollte aber so sein, daß wir Ihn besitzen! Es scheint daher einer neuen Gnadenzeit zu bedürfen, in der wir Ihn wieder näher und völliger haben, Ihn gleichsam „sehen und erkennen“ dürfen. Wir sehen viele unter Seufzen und Tränen und mit viel Buße des Herzens kämpfen und ringen, viele sich mit lauterem Sinn vor dem HErrn darüber anklagen, daß es mit ihnen so stehe, wie es steht - freilich dabei auch nicht immer ihr eigentlichstes (sündiges) Tun erkennend. Zwar mag sie der HErr nie ganz leer ausgehen lassen; aber sie fühlen sich doch arm am Geist, hungernd und dürstend, ohne sich ganz ihres Heilandes freuen zu können.
Den HErrn sehen und erkennen, geistlich verstanden, das wäre viel! Und wenn wir so ein Wort des Apostels lesen, kann es uns nur den Eindruck geben - ich wiederhole es! -: Es könnte überhaupt anders geworden sein, als es im Anfang war, eben weil sich der HErr den entarteten, Ihm nur halb zugetanen Christen nicht so nahe machen kann. Und somit ist es uns in unsrer Zeit schwerer geworden, Ihn zu sehen und zu erkennen, Ihn im Geiste recht zu haben.
Ist das aber wirklich so, so haben wir aus unsrer Armut heraus den HErrn um die Barmherzigkeit zu bitten, Er möge sich wieder - um das Wort beizubehalten - völliger zu sehen und zu erkennen geben! Das könnte Er tun etwa durch eine erneuerte Ausgießung Seines Heiligen Geistes, damit wir auch wieder freier werden vom Sündigen, nachdem wir von solchen Gnaden hingenommen und erquickt werden; jetzt empfinden wir sie auf eine sehr wandelbare Art mehr nur in gefühlsmäßiger als in geistlid1er Weise. Denn wenn es so ist, daß unser Sündigen Ihn ferne getrieben hat, so ist's auch umgekehrt wahr - und das will auch unser Spruch sagen, wenn er vom „Bleiben in Jesus“ redet -, daß wir es schwerer haben, vom Sündigen loszuwerden, weil Er uns ferner steht, sich gleichsam von uns nicht sehen läßt.
Lernen wir daher, den Jammer erkennend, um Sein Näherkommen bitten! Und glauben wir's, daß das Not tue, daß Er uns wieder näher komme! Glauben wir's, ohne es zu übersehen oder gleichgültig zu nehmen, daß es anders ist als vormals!
Der HErr kann's nicht versagen, wenn ihrer viele unter ernstlichem Ringen nach Verleugnung aller weltlichen Lüste und Begierden „heilige Hände“ emporheben und Ihn bittend angehen wie die Witwe den ungerechten Richter! Und wenn diese Vielen nicht nachlassen - auch wenn Er „lange nicht will“ -, bis Er sich unser erbarmt, uns wieder mehr an die Hand nimmt, uns mit Seinem Heiligen Geist erfüllt, uns Sein persönliches Nahesein wieder fühlbarer macht und uns so hilft zu überwinden!
So soll's werden auf die Zeit Seines Wiederkommens hin!(Christoph Blumhardt)


Gottes Burg, die er uns dadurch erbaut hat, dass uns Christus mit seiner Gnade umfasst, ist fest, und die Mauer, die unser Verhalten vom Sündigen trennt, wird durch keinen Ansturm feindlicher Gewalten zerbrochen. Das ist das Evangelium und dieses wird mir dazu gesagt, damit ich mich an ihm freue, nicht, damit ich angstvoll mich selbst ansehe und mein Vermögen messe, ob es wohl zu dem gewaltigen Satz ausreiche: er kann nicht sündigen; das Lügen ist ihm unmöglich geworden und zum Hassen ist er unfähig gemacht und kann keine Ungerechtigkeit mehr fertig bringen und kann Gott nicht mehr vergessen und nicht mehr gottlos denken. Denn das, was ihm Christus gebracht hat, ist die Zerstörung der Werke des Teufels und ist die wirksame Hilfe, die ihn vom Bösen trennt. Mit diesen Worten preist Johannes die Herrlichkeit der göttlichen Gnade und verkündet mit ihnen den Ruhm Jesu und so soll ich sie hören. So dienen sie mir als Waffe und Schutz und werden mir zur Quelle der Kraft; denn sie machen meinen Glauben wach. Oder gerate ich doch auf diesem Weg in Einbildungen hinein? Aber Einbildung und Glaube sind niemals beisammen. Weil der Glaube dadurch entsteht, dass die Wahrheit von mir aufgenommen wird, treibt er alle Einbildung aus. Ist meine Natur verwandelt? Sind die natürlichen Triebe in mir erloschen? Nein; ich lebe im Fleisch. Sind meine Beziehungen zur Welt zerschnitten und die Menschen verschwunden, die mich in ihren Willen hinüberziehen? Nein; ich lebe in der Welt. Aber ich, der ich im Fleisch und in der Welt lebe, bin nicht nur mit diesen Mächten, sondern auch mit meinem Herrn verbunden und sein gnädiger Wille hat die Macht und die Herrschaft über mich. Darin besteht mein Unvermögen zur Bosheit, nur darin, nicht in der Kräftigung meines Glaubens, auch nicht in der Wachsamkeit meiner Busse oder in der Tatkraft meines Glaubens, auch nicht in der Wachsamkeit meiner Busse oder in der Tatkraft meiner Liebe, sondern darin, dass es der Wille Jesu ist, dass ich nicht sündige, und dass die Gabe der Gnade darin besteht, dass sie mich vom Bösen erlöst. Was soll ich tun, wenn ich nicht nur erkenne, dass ich die sündliche Art an mir trage, sondern dass ich wieder so gehandelt habe, dass Ungerechtigkeit daraus entstand? Dann habe ich nicht Christus zu beschuldigen, nicht seine Heilandsmacht anzuzweifeln und seine Verheißung wegzulegen – so wird aus meinem Sündigen ein mich zerstörender Fall –, sondern ich habe daran zu denken, dass seine Verheißung: ich bin dein Schutz gegen dein Sündigen, darauf beruht, dass er auch für mich, der ich ihn kenne und den Glauben an ihn empfangen habe, der Versöhner meiner Sünden ist, wie Er es ist für die der ganzen Welt.
Dein Gesetz, Herr Gott, sagt mir; du darfst nicht sündigen. Damit ist das Heil mir noch nicht erschienen. Deine Gnade sagt mir: du kannst nicht sündigen; denn ich bin bei dir. Das ist mein Heil. Ich kann es nur aus Deiner Hand empfangen und suche es mit herzlichem Verlangen bei Dir. Amen. (Adolf Schlatter)

3:7 Kindlein, laßt euch niemand verführen! Wer recht tut, der ist gerecht, gleichwie er gerecht ist.

3:8 Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre.

3:9 Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt bei ihm; und kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren.
Warum kann er nicht sündigen? Weil er aus Gott geboren ist! Die Sünde ist seiner neuen Natur zuwider. Er kann nicht hassen, er muss lieben, er kann nicht murren und klagen, er muss loben und danken, er kann nicht zweifeln und misstrauisch sein, er muss glauben und vertrauen; weil er ein Kind Gottes ist, darum ist bei ihm alles neu geworden. Wer aus Gott geboren ist, der kann nicht fluchen, er muss segnen; er kann nicht im Wirtshaus bei den Spöttern sein, der Herr erfreut ihn in Seinem Bethause; er kann nicht rennen und jagen nach gottwidrigen Dingen dieser Erde, er muss trachten nach dem, das droben ist. Und wenn ein Wiedergeborener strauchelt oder fällt, so zeigt es sich gerade da, dass er einer höheren Welt angehört; er kann nicht liegenbleiben, er kann unmöglich in der Sünde verharren; er hat keine Ruhe, bis er wieder in Jesus Ruhe gefunden hat. Je öfter ein Kind einen Fehler überwindet, desto kräftiger wird die neue Natur. Heiligung ist Sieg über die Sünde. Mit zunehmendem Alter in Christus sollte das „Er kann nicht sündigen!“ immer stärker hervortreten. Die heiligende Gnade ist die Kraft wider das ungöttliche Wesen, und diese Kraft strömt denen zu, welche sie gebrauchen. Sage an, lieber Jünger des Herrn, wieviel hast du schon hiervon selbst erfahren? Wer mit Werken umgeht, kann nicht von Gnade leben, wer aber auf den Herrn vertraut, der wird reines Herzens werden. Dieser Gnadenstand bringt köstliche Erquickungen. Wir müssen der Sünde entwöhnt werden, in ihr und durch sie kein Glück mehr suchen; was uns beseligt, strömt nur von Gott uns zu. (Markus Hauser)

3:10 Daran wird's offenbar, welche die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels sind. Wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott, und wer nicht seinen Bruder liebhat.

3:11 Denn das ist die Botschaft, die ihr gehört habt von Anfang, daß wir uns untereinander lieben sollen.

3:12 Nicht wie Kain, der von dem Argen war und erwürgte seinen Bruder. Und warum erwürgte er ihn? Weil seine Werke böse waren, und die seines Bruders gerecht.

3:13 Verwundert euch nicht, meine Brüder, wenn euch die Welt haßt.

3:14 Wir wissen, daß wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder. Wer den Bruder nicht liebt, der bleibt im Tode.
„Gott schied das Licht von der Finsternis.“ Die Finsternis ist an und für sich ruhig und bleibt ungestört; sobald aber der Herr Licht hineinsendet, so gibt es einen Kampf, denn eines stehet dem andern entgegen. Und dieser Kampf hört nimmer auf, bis der Gläubige völlig verklärt ist im Herrn. Findet nun eine Scheidung innerhalb des einzelnen Christen statt, so erfolgt auch äußerlich eine Scheidung. Sobald der Herr einem Menschen Licht schenkt, so strebt er, sich von der umgebenden Finsternis los zu machen; er will nichts mehr zu schaffen haben mit einer bloß weltlichen Frömmigkeit äußerlicher Formeln, denn ihm genügt von nun an nichts mehr, außer dem Evangelium von Christus, und er entzieht sich aller weltlichen Gesellschaft und allen leichtsinnigen Vergnügungen und sucht die Gemeinschaft der Heiligen, denn „wir wissen, dass wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder.“ Das Licht sammelt sich, und so auch die Finsternis. Was Gott geschieden hat, wollen wir nicht zu vereinigen suchen, sondern gleichwie Christus hinausging außer dem Lager und seine Schmach trug, so wollen auch wir ausgehen von den Gottlosen und ein heiliges Volk sein. Er war heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern ausgesondert; und gleich wie Er, sollen auch wir uns nicht dieser Welt gleichstellen, sondern alle Sünde verabscheuen und uns von den übrigen Menschen dadurch auszeichnen, dass wir unserem Meister ähnlich werden; denn wir sind geheiligt durch den Namen unseres Herrn Jesu Christi. (Charles Haddon Spurgeon)


Einst, sagt Johannes zur Christenheit, gehörtet ihr zur Schar der Toten; aber ihr habt euch von ihr getrennt und seid zur Schar der Lebenden hinübergegangen. Dieser Schritt, der uns aus dem Tod ins Leben führt, überspringt eine gewaltige Kluft. Woran sieht es Johannes, dass er selbst mit seinen Gemeinden zwar zu denen gehört, die im Tode waren, nun aber nicht mehr ihm verfallen, sondern zu den Lebenden gelangt ist? „Wir lieben die Brüder.“ Nicht das meint er, dass wir mit unserer Liebe den Tod in uns bezwungen haben. Von solchem Aberglauben war Johannes ganz erlöst. Das Leben, sagt er, war beim Vater und es ist uns erschienen, weil Jesus bei uns war. Er gibt uns aber nicht nur eine Verheißung, die uns das Leben in der Ferne zeigt, so dass wir noch als die Hoffenden darauf warten müssten, sondern macht es uns sichtbar, dass der Tod für uns vergangen und der Schritt in das Leben hinein vollzogen ist, und die gewisse, deutliche, unverkennbare Tatsache, die uns dies zeigt, ist, dass wir die Brüder lieben. Wer ist die Liebe? Gott! Wie entsteht sie in uns? Durch Gottes Wirken. Weil es Gottes Gabe ist, dass wir lieben, ist dies der Beweis dafür, dass wir leben. „Die Brüder“, sagt Johannes, und dies hat tiefe Bedeutsamkeit, die, die sich mit uns zu Jesus bekennen, sein Wort bewahren und nach seinem Willen handeln. Wird das Werk Jesu in den anderen sichtbar, so erzeugt das in uns keinen Widerwillen; ihr Glauben trennt uns nicht von ihnen und der Ernst, mit dem sie die Sünde hassen, treibt uns nicht von ihnen weg; Gottes Werk in ihnen ist uns teuer und verbindet uns mit ihnen. Darin, dass wir imstande sind, die Brüder zu lieben, besteht das sichere Kennzeichen, dass wir nicht mehr zu den Toten gehören, sondern das Leben empfangen haben.
Den Vielen, die nicht wissen, was Leben ist, zu zeigen, dass Du uns in das Leben hineingeführt hast, das, Herr, großer Gott, ist Dein köstlicher Auftrag und der herrliche Dienst der Christenheit. Deine Gnade hat mich von denen getrennt, die aus ihrem Leben ein leeres Geschwätz und eine mühevolle Eitelkeit machen. Darum bitte ich Dich um Dein größtes Geschenk, um die Liebe, die mich mit den Brüdern eint, damit meine Seele Dein Lob singe und Dir danksage, dass Du mich zur Schar der Lebenden herzugerufen hast. Amen. (Adolf Schlatter)


Die brüderliche Liebe,, die aus dem Glauben kommt, wohnt dann beständig in dem Gläubigen, wenn er mit Christo verbunden bleibt und auf ihn blickt. Statt sich kalt und verächtlich von seinen Brüdern abzuwenden, wenn er ihre Gebrechen wahrnimmt, oder wenn sie nicht in allen Punkten seine Ansicht teilen, sieht er sie nur in Christo an; er schätzt und liebt in ihnen Glieder am Leibe Christi. Er sieht in ihnen Brüder und Miterben, die des gleichen Geistes und der gleichen Hoffnung mit ihm teilhaftig geworden sind, die den gleichen Vater und den gleichen Heiland haben und mit ihm nur einen Leib bilden - Brüder, die, wie er selber, nur von Christo und durch ihn leben. Diese Lebensgemeinschaft ist das einzige, was Liebe erzeugt. Sobald der Christ sich in seiner eigenen Heiligkeit oder in seinem besonderen Lichte betrachtet, sobald er bei sich selber verweilt, so fällt er einem Geist der Lieblosigkeit und der Zwietracht anheim. Die anderen Christen werden ihm gleichsam Nebenbuhler, die er geringschätzt oder beneidet. Sobald er sich aber in Christo und in dem, was er mit anderen Christen gemein hat, betrachtet, so wird er geneigt, sie zu lieben und zu tragen, und auch die Geringsten unter ihnen erscheinen ihm nötig zum Wohl des Ganzen. Das Ich entzweit - Christus vereinigt. Das Lied der Erlösten im Himmel, wo die Liebe vollkommen ist, hat daher nur einen einzigen Gedanken, den sie alle unter sich gemein haben: „Du hast uns erkauft mit deinem Blut.“ In diesem einen Gedanken, der ihre Lust und der Gegenstand ihrer Loblieder ist, sind ihre Herzen und ihre Stimmen in Übereinstimmung.
Ihr Christen, Kinder des nämlichen Vaters, redet lieber nicht so viel von Einigkeit und strebet desto mehr nach dem, was sie herbeiführt! Hanget mehr an Christo, weniger an euren besonderen Ansichten, so werdet ihr euch zu allen denen hingezogen fühlen, die Christi sind; und der nämliche Zug wird auch sie alle zu euch ziehen. (Auguste Rochat)

3:15 Wer seinen Bruder haßt, der ist ein Totschläger; und ihr wisset, daß ein Totschläger hat nicht das ewige Leben bei ihm bleibend.

3:16 Daran haben wir erkannt die Liebe, daß er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen.

3:17 Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes bei ihm?

3:18 Meine Kindlein, laßt uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.
Der Apostel redet wider die falschen Brüder und Heuchel-Christen, die das Evangelium nur im Maule, und auf der Zunge haben, und den Schaum davon behalten, daß sie sich lassen düncken, Evangelium und Glauben haben, stehe allein in Worten, daß man viel könne waschen, und wann sie es einmal gehöret haben, so sind sie allein der Kunst Meister, und solls niemand so wohl können, wie sie, wissen alle Welt zu richten und zu tadeln, und ist niemand Evangelisch als sie. Aber daß es eine lautere Hülsen sey, siehet man dabey, daß sie nicht dencken darnach zu leben, und die Liebe zu beweisen, daß man sehen könnte, daß es ihnen ein Ernst wäre, haben nicht mehr davon bracht, denn daß sie gehöret haben, daß man allein durch den Glauben Vergebung der Sünden kriege, und seelig werde, und mit Wercken solches nicht erlangen könne, daher werden sie faul und wollen nun keine Werck thun, gehen immer dahin unter dem Namen des Glaubens, und werden ärger denn zuvor, und leben also, daß auch die Welt sie strafen muß, schweige daß sie für GOtt bestehen solten. (Martin Luther)

3:19 Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor ihm damit stillen,

3:20 daß, so uns unser Herz verdammt, Gott größer ist denn unser Herz und erkennt alle Dinge.
Ein wiedergeborner Christ soll nicht sündigen, sondern wandeln, wie Jesus auf Erden gewandelt hat. Er soll sich bewahren, daß ihn der Arge nicht antaste, er soll im Licht, in der Liebe und in der Wahrheit wandeln, die Gebote Gottes halten, und thun, was vor Ihm gefällig ist: wie Johannes in seinem ersten Brief ausführlich und nachdrücklich lehrt. Und wenn er dieses thut, so verdammt ihn sein Herz nicht, und er hat eine Freudigkeit oder volle Zuversicht zu Gott, und was er mit dieser Zuversicht bittet, wird er von Ihm empfangen. 1 Joh. 3,21.22. Wie aber? Wenn er sündiget? Wenn er von einem Fehl übereilt wird? Was entsteht daraus? Sein Herz verdammt ihn alsdann, seine Zuversicht wird geschwächt, er kann nicht mehr so, wie vorher, beten. Soll er aber alsdann Alles aufgeben? Soll er sich für verloren achten? Oder wenigstens seine Bekehrung von vorne anfangen? Mit nichten. Johannes sagt 1 Joh. 2,1.2.: meine Kindlein, Solches schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündiget, und ob Jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christ, der gerecht ist. Und derselbige ist die Versühnung für unsere Sünden, nicht allein für die unseren, sondern auch für der ganzen Welt Sünden. 1. Joh. 3,20. aber sagt er: so uns unser Herz verdammt, so ist Gott größer als unser Herz, und erkennet alle Dinge. Was für ein Trost in diesen Worten liege, hat ein sel. Lehrer, nämlich Philipp David Burk, in seinem Buch von der Rechtfertigung (1 Th. § 167., S. 192. 193.) deutlich und lebhaft angezeigt. „Du sprichst, schreibt er, ich zweifle nicht eben an Gott, und dem, was Er Seinerseits zu thun hat: aber mein eigen Herz verdammt mich. Antwort: Gott ist größer, beständiger, edelmüthiger, als dein kleinmüthiges, veränderliches, enges Herz. Dieses bleibt so an einem einigen Stück, wo du es verfehlt hast, behangen und schlägt sich damit ohne Unterlaß. Aber Gott erkennet alle Dinge, und weiß nicht nur, wie du etwa, dein Elend, sondern auch deine Sehnsucht nach Seiner Hülfe: nicht nur dein ehemaliges und noch tägliches Versehen, sondern auch die schon geleistete Versühnung für dieselbe deine Sünden: nicht nur deine Verirrung, sondern auch deine Umkehr: nicht nur deine, sondern auch Seine Gedanken: nicht nur das Vergangene und Gegenwärtige, sondern auch das Zukünftige: nicht nur deine Ungeschicklichkeit, sondern auch deiner Feinde Bosheit: nicht nur deine Armuth, sondern auch deinen Reichthum (Off. Joh. 2,9.): nicht nur deines Herzens besondere Unart, sondern auch der Zeiten, in welchen du lebest, allgemeine Verdorbenheit, und der Versuchungen, womit du umfangen bist, besondere Macht aus dem Reich der Finsterniß; kurz: nicht nur Eins und das Andere, sondern Alles: und dieß Alles nicht nur so obenhin, von der Seite her, die dir zur Beschuldigung werden mag, sondern gründlich, zumal von allen Seiten, und auf das Allergenaueste, und heute wie gestern und ehegestern, und morgen wie heute.! Diese Wahrheit soll dazu dienen, daß der Sünder, den sein Herz verdammt, sich nicht in einem unglaubigen Unmuth herumwälze, sondern eilend durch Christum zu dem großen Gott nahe, und bei Ihm so lange um Gnade bitte, bis eine neue Freimüthigkeit gegen Ihn und ein neuer Friede in dem Herzen entsteht, und er wieder im völligen Glauben und als los vom bösen Gewissen vor Gott wandeln und Ihn anrufen kann.(Magnus Friedrich Roos)

3:21 Ihr Lieben, so uns unser Herz nicht verdammt, so haben wir eine Freudigkeit zu Gott,

3:22 und was wir bitten, werden wir von ihm nehmen; denn wir halten seine Gebote und tun, was vor ihm gefällig ist.

3:23 Und das ist sein Gebot, daß wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesu Christi und lieben uns untereinander, wie er uns ein Gebot gegeben hat.

3:24 Und wer seine Gebote hält, der bleibt in ihm und er in ihm. Und daran erkennen wir, daß er in uns bleibt, an dem Geist, den er uns gegeben hat.
Köstliches Wort: „Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor Ihm stillen, daß, so uns unser Herz verdammet, Gott größer ist, denn unser Herz und erkennet alle Dinge!“ Die wichtigste Lebensfrage ist unstreitig die: bin ich aus der Wahrheit? d.h. ist Leben in mir? gehöre ich zu Christi Schafen? sind lauter meine Gottesdienste, aufrichtig meine Bekenntnisse und Gebete, ohne Lug mein gottseliger Wandel, gerad und einfältig und ungefärbt mein ganzes Wesen? Und kann ich mein Herz und Gewissen vor Gott stillen, so daß es mich nicht verdammt, den Richterstab bei Seite legt und der Ruhe, dem Frieden und einer stillen, ungetrübten Heiterkeit in den Gründen meines Wesens Raum giebt? Der Apostel spricht drei Worte, und in den drei Worten die genügendste und herrlichste Lösung beider Fragen. Der Mensch ist aus der Wahrheit, wenn ihn 1) sein Herz verdammt und mit inniger Beugung und Beschämung ihm das Bekenntniß abnöthigt: ja, ich bin ein Sünder und nach Gottes Recht des höllischen Feuers schuldig; 2) wenn er glaubt, daß Gott größer ist als sein Herz; kann dieses nur verdammen, Gott kann auch lossprechen und vergeben; das Opfer und die Genugthuung seines Sohnes hat Ihn in den Stand gesetzt, unbeschadet seiner Gerechtigkeit die größten und schwersten Schulden zu streichen; 3) wenn er festhält, daß Gott Alles wisse und erkenne, und darum Gott nichts verhehlt, sondern sich ehrlich und aufrichtig vor Ihm giebt, wie er ist. Diese drei Stücke sind die Merkmale unserer Kindheit vor Gott, und die gewissen Mittel, unser Herz vor Gott zu stillen, sowohl in der ersten Buße als bei jedem weiteren Fehltritt unseres Lebens, wenn das Gericht in den innern Kammern wieder angeht und das von Gott schon längst gestillte Gewissen wieder in große Unruhe geräth. Sie setzen das Herz in jene Sabbathfeier, die ein Vorschmack derjenigen ist, welche unser droben harret vor Seinem ewigen Thron. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Hier wird uns im Anfang von Johannes eine sehr große Wohlthat und überaus hohe Ehre vorgestellet, deren uns Gott gewürdiget hat, nämlich Seine unaussprechliche Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, die Er uns in Christo Jesu erzeiget, haß wir durch denselben Gottes Kinder worden sind. Darüber ruft selbst Gott der heilige Geist voll Verwunderung aus: „Sehet doch!“ gleichsam als wollte Er sagen: „Um Gottes willen, was ist das für eine Liebe und Gnade, daß uns der himmlische Vater um Christi willen zu Seinen Kindern auf- und annimmt!“
Diese Kindschaft bei Gott begreift alle andern hohen Gutthaten in sich, die wir von Gott und dem HErrn Christo haben, sonderlich die Erbschaft des Himmels und der ewigen Seligkeit. Denn Gott läßt es damit nicht genug seyn, daß wir schon hier auf Erden Seine Kinder heißen, sondern nach unserm seligen Tod sollen wir noch zu weit höheren Ehren kommen und gelangen, indem wir Gott recht vollkommen erkennen - und Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden.
Solche hohe und unaussprechliche Gnade und Ehre sollen wir, wie billig, auch mit hohem und herzlichem Dank erkennen - und mögen diesen Dank Gott nicht besser beweisen, als wenn wir uns von ganzem Herzen bemühen, Ihm als unserm lieben himmlischen Vater nachzuahmen, und deßwegen uns vordersamt von Sünden reinigen, „gleichwie Er auch rein ist.“
Zu solchem Ende ist ja Christus erschienen und in die Welt gekommen, daß Er durch Sein Blut und Verdienst die Sünde von uns wegnehme; und darum ist es allerdings unmöglich, daß der an Christo theilhaben und Gottes Kind seyn kann, welcher sich mit muthwilligen und vorsätzlichen Sünden besudelt und befleckt.
So wird denn auch dieses als das zweifache vornehmste Kennzeichen wahrer und rechtschaffener Kinder Gottes im gegenwärtigen Kapitel angegeben: sich vor wissentlichen, vorsätzlichen Sünden hüten, und dagegen in den Geboten Gottes wandeln - und eines heiligen und unsträflichen Lebens sich befleißigen.
Daraus erhellet auch der Unterschied derer, die Kinder Gottes sind, und derer, die Kinder des Teufels sind. Wer Sünde thut, der ist vom Teufel - und schändet, so viel an ihm ist, das Verdienst Christi, der doch in dieser Absicht in die Welt gekommen ist - und ein so schweres Leiden um unsertwillen erduldet und ausgestanden hat, daß Er die Werke des Teufels zerstöre, während die Gottlosen dieselben mit ihrem bösen Leben und Wandel wieder aufrichten.
Und das heißt eben Sünde thun oder der Sünde den Zaum lassen: nach Gottes Wort nichts fragen, muthwillig und ohne alle Furcht Gottes in den Tag hineinleben, den bösen Lüsten des Fleisches nachhängen - und sich aller Schande und allen Lastern ergeben. Dies ist des Satans Art und sein Same. Denn wie sollte der ein Kind Gottes seyn, der seinem Vater also entgegen wandelt und zuwider thut, der auch des Satans Macht und Gewalt in sich verräth durch die Lieblosigkeit gegen den Nächsten und die Brüder - und durch den beständigen Haß, mit welchem er die Frommen und Gläubigen verfolgt, wie der gottlose Cain den frommen und gerechten Abel?
Wer dagegen aus Gott geboren ist, der thut nicht Sünde, sondern gedenket immerdar, wie er Gottes Gebot halte - und durch den Glauben gerecht erfunden werde. Obwohl nämlich die Kinder Gottes aus Schwachheit sündigen, so gehen sie doch gar bald in sich, zumal wenn sie aus Gottes Wort erinnert werden, sind auch nicht sicher, sondern erkennen und bekennen ihre Sünden, bitten durch Christum um Gnade und Vergebung - und trachten ohne Heuchelei mit Hilfe des heiligen Geistes so viel als möglich, wie sie sich wieder aufhelfen. Denn sie wissen, daß man sich außerdem der Kindschaft bei Gott nicht rühmen - noch irgend eine Hoffnung der Herrlichkeit haben kann, die einstmals an den Kindern Gottes offenbar werden soll.
Gottes Kinder sind also in der heiligen Taufe aus dem guten Samen des göttlichen Worts wiedergeboren; solcher Same aber bleibet jederzeit bei ihnen; und gleichwie aus einem guten Samen keine böse Frucht aufgehet, ebenso werden auch die Kinder Gottes nicht vorsätzlich und muthwillig sündigen, sondern vielmehr allezeit ihre Sorge und vornehmste Angelegenheit seyn lassen, vor Gott und den Menschen recht zu thun.
Weil ferner der Sohn Gottes Seine Liebe gegen die Menschen sonderlich damit erwiesen hat, daß Er Sein Leben für sie gelassen, so denken die Kinder Gottes ebenfalls dahin, zumal wenn es die Noth erfordert, dergleichen für ihren Bruder und Nächsten auch zu thun, und schließen dabei also: wenn ein Christ für den andern sogar das Leben lassen soll, so wird ja die Liebe gegen den armen dürftigen Nächsten das Herz auch darinnen nicht zuschließen, wenn es etwa mit Speise, Trank und anderer Nothdurft demselben zu Hilfe kommen soll.
Wenn nun solchergestalt die Kinder Gottes recht glauben und heilig leben, so wissen sie, daß Gott ihr Vater allezeit ein Wohlgefallen an ihnen hat, können auch ihr Herz vor Ihm stillen, das ist, ein freudiges und fröhliches Gewissen behalten, können ferner mit Freuden vor Ihn treten und beten - und sich endlich gewiß versichern, daß ihnen von ihrem Vater im Himmel Gnade und Erhörung zu rechter Zeit widerfahren werde.
Der HErr unser Gott, der größer ist, als unser Herz, gebe, daß wir allezeit Freudigkeit zu Ihm haben - und an dem Geist, den Er uns gegeben hat, erkennen, Er sey unser Vater, und als Seine lieben Kinder durch den Glauben an und bei Ihm bleiben, auf daß, wann Jesus Christus dermaleinst erscheinen wird, wir Ihm gleich seyn - und Ihn sehen mögen, wie Er ist. Amen. (Veit Dieterich)

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