Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 24. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 24. Andacht.

Psalm 50.

Dieser herrliche Psalm Asaphs sagt uns viele Wahrheiten und lässt uns einen tiefen Blick in die Größe und Liebe unseres Gottes tun. Gott, der Herr, der Mächtige, redet und ruft der Welt von Aufgang der Sonne bis zum Niedergang. V. 1. Wenn wir die Allmacht und Liebe Gottes recht erkennten und tief beherzigten, wir würden niemals an Seiner Hilfe zweifeln. Er kann und will helfen, Er hat's verheißen und wird's auch tun. Der feste Glaube muss sich so eingraben in unser Herz, muss so lebendig werden, dass keine Not und keine Trübsal uns irre machen kann. Wir müssen uns deshalb vor Allem prüfen, wie unser Herz in dieser Beziehung steht. Es gibt nichts herrlicheres, als der feste Blick auf den Herrn und das unerschütterliche Vertrauen zu Ihm. Ein solcher Mensch geht getrost seine Wege und ist glückselig in seinem Gott in allen Lagen des Lebens. Im 2. Vers ist eine Weissagung auf den Messias ausgesprochen: „Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.“ Das ist das Licht, das in die Welt gekommen, der Glanz, der sie durchleuchtet. Haben wir uns, die wir jetzt in der Zeit der Erfüllung leben, auch von diesem Licht schon ganz durchdringen und durchleuchten lassen? Sind mir nicht bloß angeleuchtet, sondern wirklich durchleuchtet? Das sollte uns fort und fort beschäftigen und ein ernstliches Anliegen sein, dass es so weit komme. Die Bitte: Durchleuchte mich ganz! Offenbare mir Alles! sollte stets unsere Herzen bewegen und die innigen Seufzer nie verstummen: Lass, o treuer Heiland, alle Gedanken, die nicht auf Dich gehen, schwinden, zünde in mir ein heiliges Feuer an und lass durch deinen heiligen Geist mich stets zu allem Guten getrieben werden. Ach, meine Lieben, die Gnadenzeit ist so kurz, wir wissen nicht, wann der Herr kommt, und wie sieht's dann mit der Seele? Wir wissen, dass wir von hinnen müssen, aber in unserem Leichtsinn schieben wir's immer wieder hinaus und beruhigen uns, es habe keine Eile. Deshalb müssen wir ohne Unterlass um den heiligen Geist bitten, dass Er uns fort und fort mahne und treibe, damit wir aus unserem Traumleben erwachen und Fleiß anwenden zur Heiligung. Unsere Natur ist so träge und es ist dem alten Menschen sehr unbequem, dass er durchdringen muss, und so großen Ernst anzuwenden hat, um zu überwinden.

Im Anfang der Bekehrung verspürt man bei dem inneren Mahnen und Treiben des Heiligen Geistes eine Angst und Furcht und ein Zittern; später aber, wenn im Herzen alles mehr geordnet und wir Klarheit über uns selbst und dem Wort haben, der Unglaube gebrochen ist, dann wird das Innere allmählig ruhig und immer ruhiger und friedlicher, bis endlich die Seele in Jesu Christo völligen Frieden gefunden hat. Dann fühlt sich die Seele glücklich und geborgen wie in einem festen Schloss, umgeben mit einer feurigen Mauer.

V. 4 und 5 heißt es: „Er ruft Himmel und Erde, dass Er Sein Volk richte. Versammelt Mir Meine Heiligen, die den Bund mehr achten, denn Opfer.“ Die Heiligen kommen nicht ins Gericht. Wer sich auf dieser Welt selbst richtet, wird droben einst nicht gerichtet werden, deshalb ist es so nötig, dass wir uns selbst durchrichten und zwar schonungslos. Die Heiligen, die den Bund mehr achten als das Opfer, werden hier besonders genannt. Es ist dies auch ein sehr wichtiger, beherzigenswerter Punkt. Denn auf den Gnaden- und Friedensbund, den der Herr mit uns schon in der heiligen Taufe gemacht hat, müssen wir unsere größte Aufmerksamkeit richten. Gott hält Seinen Bund ewiglich; eher werden Himmel und Erde vergehen, ehe Seine Worte und Seine Gnade vergeht und der Bund Seines Friedens weichen wird. Wenn wir also auch untreu, abtrünnig geworden sind, wir dürfen heute wieder zurück in den Bund; der Bund des Herrn bleibt feste stehen. Äußerer Gottesdienst gibt uns keinen Halt, so wenig als das äußere Tun des Gesetzes und Opferdienstes ausreichen. Der Sünder muss sich arm, gnadebedürftig fühlen und in den Bund eingehen, dann erst kann er sich der Verheißungen Gottes freuen. Er will unser ganzes Herz, nicht ein halbes.

V. 7 heißt es: „Höre mein Volk, lass mich reden, Israel, lass mich unter dir zeugen: Ich, Gott, bin dein Gott.“ Der Herr möchte auch gerne unter uns zeugen und noch größere Zeichen und Wunder tun, als wir schon durch Seine Gnade haben erfahren dürfen. Wenn nur die Gläubigen unter einander mehr einig wären und einmütiger im Gebet zusammenstünden! Wo etwas Wesentliches erlangt werden soll, da müssen die Seelen eines Sinnes werden und anhalten mit Bitten und Flehen zum Herrn. O, wie beugt mich oft die Uneinigkeit, der Neid und die Missgunst unter den lieben Frommen. Wie Viele warten auf die Ausgießung des Heiligen Geistes, aber wie Wenige lassen sich zubereiten; der Neid und die Uneinigkeit unter den Frommen nimmt täglich überhand. O wie viel Ursache haben wir Buße zu tun und an unsere Brust zu schlagen mit der Bitte des Zöllners: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“

Als Petrus aus dem Kerker geführt wurde, war die Gemeinde einmütig beisammen und betete für ihn. Wenn der Geist Gottes ausgegossen werden soll über die Menschen und über einzelne Seelen, so müssen sie einmütig beisammen, ein Herz und eine Seele sein. Alsdann können sie des Geistes Gottes, wie zu der Apostel Zeiten, teilhaftig werden. Dies durfte der liebe Missionar Hebich in Indien und die liebe Dorothea Trudel in Männedorf erfahren, was ich von beiden mündlich erzählen hörte, es sei wie am Pfingsttag zu der Apostel Zeiten gewesen.

In Vers 15 heißt es weiter: „Und rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.“ Ich weiß sehr wohl noch, als der liebe Pfarrer B. in M. eine Gebetsgemeinschaft in seiner Gemeinde hatte, da sind auch Wunder und Zeichen geschehen wie zu der Apostel Zeiten. Nur dann können wieder Wunder und Zeichen geschehen, wenn die Einigkeit im Geiste unter den Gläubigen hergestellt ist, dann kann der Geist des Herrn ausgegossen werden. Mein lieber Urgroßvater von Pfeil sagt:

„Wenn die Gläub'gen dort und hier
Große mit den Kleinen,
Engel, Menschen, mit Begier
Alle sich vereinen,
und es geht, ein Gebet
Aus von ihnen allen,
wie muss das erschallen!
O, der unerkannten Macht,
von der Heilgen Beten!
Ohne das wird nichts vollbracht,
so in Freud und Nöten,
Schritt für Schritt, wirkt es mit,
Wie zum Sieg der Freunde,
so zum Sturz der Feinde.“

Wenn die Apostel im Gefängnis nicht am Gebet angehalten hätten, so wäre es nicht möglich gewesen, dass der Herr das große Zeichen an ihnen hätte tun können; sie sangen und lobten Gott, dass ihre Mitgefangenen es hörten, und welchen Segen mögen dieselben dadurch bekommen haben! Bei Gott ist Alles möglich, Er kann Alles machen, nur müssen wir es Ihm zutrauen und anhalten im Gebet. Es ist mir dieser Punkt sehr wichtig. Ich weiß von einem sehr frommen Manne, welcher um des Evangeliums willen in das Gefängnis gelegt wurde. Dieser hat den Herrn auch angerufen, Er möge ihn, wie einst seinen Apostel Petrus, aus dem Gefängnis führen lassen. Allein der Herr hat es nicht getan. Warum hat Er nun jene Seele herausgeführt und diese nicht? Sie hätte den Glauben auch gehabt wie jene; liebe Seelen, weil der Herr will, dass wir in der Einfalt bleiben, wie die Jünger, und kein besonderes Gelüste nach Zeichen und Wundern haben sollen, sonst kommen wir leicht aus der Einfalt. Es kommt bei dieser Erzählung der Jünger nichts vor, dass sie vom Herrn ein besonderes Zeichen verlangt hätten, der Herr möchte sie herausführen; sie lagen in Demut und in völliger, willenloser Hingabe vor dem Herrn als gehorsame Kinder und lobten und priesen Ihn. Deshalb konnte der Herr dieses Zeichen an ihnen tun. Auch ich in meinem schönen Beruf an den lieben Kranken und ihrer Seelenpflege, wenn ich denselben auflege und mit ihnen bete, darf nicht auf ein Zeichen und Wunder reflektieren und darauf warten, denn das nennt der Herr ein ehebrecherisches Geschlecht, welches Zeichen und Wunder verlangt, sondern ich habe bei meinen Kranken ganz wie ein Kind nur in der Einfalt und im Gehorsam des Wortes Gottes die Hände aufzulegen, Seine Segnungen und Gnadengüter auf dieselben zu erbitten und das Übrige, was Er, der Hochgelobte, an den Kranken tun will, Ihm ganz zu überlassen, ohne auf meinen Willen zu blicken. Er allein weiß, was für die Kranken das Beste ist, und dieses wird Er tun; auf diese Art darf ich unbeschreiblich reichen Erfolg Seiner Gnade und Barmherzigkeit erfahren. Auch muss es mir ganz einerlei sein, wenn Kranke, welche zu mir kommen, vorgeben, dass, im Fall ihrer Heilung, die ganze Familie, ja ihr ganzer Ort, sich bekehre, und dadurch des Herrn Ehre gerettet werde.

Auf solche Reden darf ich nicht hören und höre auch nicht darauf. Wir arme Würmlein können die Ehre des dreieinigen Gottes nicht retten, Er wird Seine Ehre selber retten; und dann habe ich auch hinreichend die Erfahrung gemacht, dass wenn der Herr solche Kranke auch vollständig geheilt hatte, so dass die Verwandten, ja der ganze Ort, in Erstaunen gesetzt wurde, die Familienglieder, wie auch andere Leute, sagten: Nun wollen wir erst abwarten, ob die Heilung auch anhält, und ob die gewesene Kranke auch gesund bleibt, und ist dies der Fall, so will Niemand mehr von einem Versprechen, sich zu bekehren, etwas wissen. V. 14 heißt es: „Opfere Gott Dank, und bezahle dem Höchsten deine Gelübde.“ Wenn wir Alles hingeben, „ja unseren Leib brennen ließen, und hätten der Liebe nicht, so wäre es uns nichts nütze.“ 1 Kor. 13,3. Die Liebe treibt uns auch zur wahren Dankbarkeit. Wenn eine Seele weiß, Gott ist mein Gott, mein versöhnter Gott, meine Sünden sind mir vergeben, ich habe Hoffnung des ewigen Lebens, das muss notwendig in uns Dank erwecken. Man dankt oft für äußere Gaben und Wohltaten, aber dafür zu danken, dass aus einem verlorenen Menschen ein Gotteskind geworden, dass man begnadigt ist und Vergebung seiner Sünden hat, das vergisst man leider gewöhnlich, oder tut es nicht, wie man es tun sollte.

Wir wollen den Herrn bitten um Klarheit, dass wir so danken lernen, wie Er uns ein Vorbild gegeben hat, und auch wandeln in der Wahrheit, im Gehorsam durch Seine Kraft, dann wird es uns an nichts fehlen; denn Seine Verheißungen sind ja und Amen. Das walte Gott! Amen.

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