Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 13. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 13. Andacht.

Philipper 3.

Dieses Kapitel handelt von der Gerechtigkeit des Glaubens. Wir werden in der Bibel, wie auch in diesem Kapitel oftmals an die rechte Art des Glaubens erinnert, und deshalb ist es besonders wichtig. Wir haben immer Ermahnungen nötig und wollen uns doch so ungern ermahnen lassen. Freut euch in dem Herrn! fordert der Apostel die Philipper auf. Wie stehts bei uns? Freuen wir uns auch in dem Herrn allewege? Wenn wir in Jesu Christo sind, so stehen wir auch in der rechten Freudigkeit. Haben wir unsern stolzen Sinn gebeugt, haben wir uns Ihm ganz ergeben mit Allem, was wir sind und haben, so, dass es bei uns heißt:

„Er, Er allein, Er soll es sein,
Dem ich wieder mich ergebe,
Dem ich einzig lebe.“

Steht es so bei uns, dann sind wir glücklich, anders sind wir wankelmütig, bald fröhlich, bald traurig, und ein kopfhängerisches Christentum mit Betrübnis und Trauer ist ein krankes Christentum; da fehlt Friede und Freude im heiligen Geist. Eher kann der heilige Geist nicht in uns Wohnung machen, bis wir vom eigenen Wesen ganz los sind. O, dass wir doch Alles wegwerfen, was uns beschwert und belastet und uns ganz willenlos der Zucht und Leitung des heiligen Geistes hingeben würden, wie namenlos glücklich könnten wir uns fühlen. Man sieht dieses Glück Jedem schon von Außen an; der Friede und die Liebe Gottes leuchtet aus den Augen. Wie war dem Apostel Paulus das Evangelium von Jesu Christo so groß und wichtig, dass die Sünder aus Gnaden können selig werden, und wem das nicht groß und wichtig ist und ihn jeden Tag zum innigsten Dank stimmt, wem diese Wahrheit nicht lebendig in der Seele ist, der kann sich nicht wahrhaftig im Herrn freuen. Es ist damit nicht die Freude gemeint, wie sich die Welt freut, sondern wir müssen zur Freudigkeit im Herrn hindurchdringen. Denn die Freude am Herrn ist meine Stärke, heißt es in der Schrift, und diese kommt aus dem wahren, lebendigen Glauben. So lange der Mensch noch auf Geburt, Erziehung, soliden Lebenswandel, Kirchengehen, gute Werke, religiöse Bewegungen rc. baut, so lange steht er nicht in Christo Jesu. Dem Apostel Paulus ist's durch Gottes Gnade auch klar geworden, dass ihn seine Abstammung, seine Gerechtigkeit, sein Eifer rc. nichts hilft, er hat Alles für Schaden geachtet um der überschwänglichen Erkenntnis Jesu Christi willen. Ach, wie viele Menschen haben schon sehr Schaden genommen, weil sie auf ihre eigene Gerechtigkeit bauten. Einem selbstgerechten Menschen, dessen Herz nicht gebrochen und gnadenbedürftig ist, kann der Heiland Seine Gnaden- und Heilsgüter nicht schenken. Der Apostel Paulus hat auch seine eigene Gerechtigkeit ausgezogen und die Gerechtigkeit Christi angezogen; das war ihm täglich neu und wichtig, deshalb hat er auch immer wieder davon geschrieben; wer auf diesem Grund steht, steht fest, es mag kommen was da will.

Durchs Gesetz können wir nie eine Gerechtigkeit aufrichten, denn auf Tausend können wir ja nicht Eines antworten. Vor Gott, vor dem die Himmel Himmel nicht rein sind, kann kein Mensch bestehen; es bleibt uns kein anderer Weg, als dass wir uns in die Gerechtigkeit Christi kleiden lassen. Für den menschlichen Hochmut ist das freilich ein unzugänglicher Weg; man muss sich beugen, wer aber das tut, dem wird Christi Gerechtigkeit im Glauben zugerechnet, obgleich er sich deren nicht würdig achtet, denn so hat's der Herr verordnet. Und Paulus gibt uns das schönste Beispiel davon; er konnte von sich bezeugen, er sei „nach der Gerechtigkeit im Gesetz gewesen unsträflich,“ und doch sagt er in V. 7-9: „Was mir aber Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet, denn ich achte es Alles für Schaden gegen der überschwänglichen Erkenntnis Christo Jesu, meines Herrn, um welches willen ich Alles habe für Schaden gerechnet, und achte es für Kot, auf dass ich Christum gewinne und in Ihm erfunden werde; dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.“ Diese Gerechtigkeit Jesu Christi ist vollgültig und reicht allein zu, um vor Gottes Angesicht bestehen zu können. Wenn die Seele in Reue und Schmerz über ihre Sünden im Glauben zu ihrem Herrn und Erlöser kommt und Ihn um Gnade und Vergebung der Sünden bittet, so sieht Er weder die Größe noch die Menge der Sünden an, und reinigt sie von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes. Der Herr nimmt sich unser mit großem Erbarmen an und vergibt auch gerne den Verbrechern und denen, die dem Arm der weltlichen Gerechtigkeit anheim gefallen sind, was wir bei dem Schächer am Kreuze sehen; von einer solchen begnadigten armen Sünderin, die im Blut Jesu Vergebung gefunden hat, will ich euch ein Beispiel erzählen: Mein lieber Urgroßvater von Pfeil hatte, als er Minister war, die Akten einer Kindsmörderin im Referat und fühlte zu dieser armen Seele ein so herzliches Erbarmen, dass er ihr ein selbstverfasstes Gedicht im Gefängnis vorlas; dasselbe wurde dieser armen Seele zu so großem Segen, dass mein lieber Urgroßvater unter das Lied schrieb: „Gott sei gedankt für den Segen, den es beim Lesen gehabt hat.“ Dieses ergreifende Lied heißt:

„So wahr Ich lebe, spricht der Mann,
Der nichts als Wahrheit sagen kann,
Ich habe ein Gefallen nicht
Am Todesurteil und Gericht.

Die Sünde wirkt des Sünders Tod,
Mich aber freut nicht seine Not.
Ich wollte lieber, dass er sich
Bekehr und lebe ewiglich.

Wird nun ein Sünder todeswert
Von diesem großen Schwur belehrt,
Die Rache schreit nach Seinem Blut,
Wie wird ihm wohl dabei zu Mut?

Die Blutschuld drückt ihn hart und schwer,
Und er hat keine Hoffnung mehr,
Der Stab ist über ihm entzwei,
Gott spricht's einmal und lässt's dabei.

Der Sünder macht mit seinem Blut
Dazu bei Gott noch gar nichts gut,
Und würd er tausendmal gericht't,
Das löschte Gottes Zorn noch nicht.

Das macht den armen Sünder arm,
Er schreit: „Ach, dass es Gott erbarm!
Ist denn für mich kein Retter mehr?
Ich hörte doch, dass Einer wär!

Weh mir, ich komm um Leib und Seel!
Wo ist denn der Imanuel,
Von dem man sagt: Er nehm sich's für,
Dass Er die Seelen nicht verlier'?

Der Teufel führt mich hin am Strick,
Wie ein im Spiel gewonn'nes Glück
Und legt mir seine Fesseln an,
Dass ich ihm nicht entkommen kann.

Mit Ketten großer Finsternis
Sind mir gebunden Händ' und Füß',
Weil ich so unbarmherzig war,
So ist's mit mir auch aus und gar.

O, wäre doch ein Retter da!“
Bald ist das Lämmlein Gottes nah,
Und fragt den Satanas: „Wohin
Mit diesem Raube und Gewinn?“

Der spricht: „Ich schlepp' ihn mit mir fort
An meinen und an seinen Ort;
Denn er ist mein leibeig'ner Knecht,
Den ich erwarb mit allem Recht.“

„Mit was für Recht?“ fragt Jesus Christ.
Der Satan spricht: „Mit Lust und List.“
„Was? sagt der Heiland, weiche du!
Ich hab ein größ'res Recht dazu.

Die Seelen, die gehören Mir,
Nicht Eine davon lass Ich dir.
Wenn sie mich um Erlösung flehn,
Den Augenblick lass diese gehn!“

Bald zeigt Er ihm des Blutes Preis,
Den ausgetropften heil'gen Schweiß.
Da ist's um Satans Macht getan,
Den Sünder aber fasst Er an

Und spricht: „Du armer Sünder du,
Komm, sag Mir deine Seele zu;
Sie kostet Mich Mein teures Blut,
Was macht sie in der ew'gen Glut?

Davon hab' ich dich los gemacht,
Als man Mich an das Kreuz geschlacht't,
Und dass man Mich getötet hat,
Geschahe Mir an deiner Statt.

Gott sah Mich als den Sünder an,
Der alle deine Sünd' getan;
Das Blut, das du vergossen hast,
Lag auch auf Mir wie eine Last.

Dafür vergoss ich auch mein Blut,
Und machte Gott dir wieder gut,
Denn ich, dein Bürge, nahm auf Mich
Die Mörderstrafe auch für dich.

Mein Blut, das um Barmherzigkeit
Auch jetzt für deine Seele schreit,
Das mach' dir doch dein Herze gleich
Um Gottes Liebe willen weich.

Wenn du nicht gern des Satans bist,
So bin Ich dir der heilge Christ.
Hier kannst du Meine Wunden sehn,
Und ew'ger Pein dadurch entgeh'n.

So viel hab ich getan für dich,
Was tust du wiederum für Mich?
Geh', mach mir und den Engeln doch
Mit deiner Buße Freude noch!

Wenn du mit deiner Sünde fast
Die ganze Welt geärgert hast,
So freut ob deiner Buße sich
Der ganze Himmel über dich.

So schenk, Gottes einig's Kind,
Ermordet für all deine Sünd'
Dir einen ewigen Pardon,
Und du gehst absolviert davon.

Dass du nicht Menschenblut verschont,
Wird dir hier mit dem Schwert gelohnt,
Eh' aber Gott dich ewig richt't,
Schont Er viel lieber Meiner nicht.

Wenn dich die Welt von sich ausspeit
Und „weg mit diesem Menschen“ schreit,
So schwing ich über dich die Fahn'
Und nehme dich mit Freuden an.

Man stößt dich aus der Welt hinaus,
Und ich führ dich in's Vaterhaus.
Da sehet diese Mörderin,
Sprech ich, ist Mir ein Blutgewinn.
Und stell' dich da zum Schächer hin,
Als Meinen neuen Kreuzgewinn.“

O Seele! wie ist dir zu Mut?
Das Lämmlein Gottes ist so gut,
Dass wenn du ihm nur glauben wilt,
Dir alle diese Wahrheit gilt!

Nun, liebe Seele, kannst du dieser reinen heiligen Liebe widerstehen? Wie wird es auch dir zu Mut beim Lesen dieses Liedes? So liebreich kommt uns der Herr entgegen! wenn wir nur ein Verlangen nach Ihm haben, so eilt Er, uns zu befreien von Sündenschuld und von der Gewalt des Teufels, dem wir durch Lust und List verfallen sind. O ihr Lieben, wir wollen dieser lieben Stimme gehorchen und uns dem Herrn Jesu ergeben, wir wollen in einem neuen Leben wandeln; Paulus rühmt es so überaus hoch nach V. 10 „zu erkennen ihn und die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft Seiner Leiden,“ dass ich, sagt er: „Seinem Tode ähnlich werde, damit ich entgegenkomme zur Auferstehung der Toten.“

Die Kraft der Auferstehung ist eine wesentliche Kraft, welche die Seele durchdringt. Wer Ihn erkennt und die Kraft der Auferstehung sich erbittet, der kann auch in die Gemeinschaft der Leiden eingehen, und nicht nur, dass man die Kraft bekommt das Leiden zu tragen, sondern dass man sich von Herzen freut mit leiden zu dürfen. Die Hauptsache im Christentum ist: Demut, gänzlicher Willensbruch und unbedingter Gehorsam, dass wir weder rechts noch links blicken, sondern stracks auf Jesum allein, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens. Aus eigener Kraft können wir auch das nicht, der Herr muss es uns schenken, Er wirds aber gewiss tun, sobald Er nur das aufrichtige Verlangen des Herzens sieht. Der Apostel Paulus sagt im 13. Vers: „Meine Brücker, ich schätze mich selbst noch nicht, dass ich es ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse was dahinten ist und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.“ Unsere himmlische Berufung, unsere Gnadenwahl muss uns immer das Wichtigste und Herrlichste sein, und wenn wir das uns stets vorhielten, würden wir uns auch durch Leiden und Versuchungen nicht irre machen lassen.

Das Kinderspiel am Weg,
Lasst uns nicht viel besehen,
Durch Säumen und durch Stehen,
Wird man verstrickt und träg.“

Ach, der Feinde sind gar viel, die uns vom wahren Weg abbringen wollen, deshalb gilts allen Ernst anzuwenden und mit Furcht und Zittern unsere Seligkeit zu schaffen. Es gibt nur zwei Wege, den breiten und den schmalen, ein „entweder - oder.“ Wir können nicht Gott dienen und dem Mammon. Wir dürfen deshalb auch nichts im Herzen beherbergen, sondern verleugnen alles ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Der Herr wolle doch Gnade geben, dass wir immer tiefer eindringen können in die göttlichen Geheimnisse und durchdringen zum wahren, lebendigen Glauben, damit wir doch einst gewiss des Glaubens Ziel, der Seelen Seligkeit erlangen möchten! Amen.

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