Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 36. Die finstere Nacht.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 36. Die finstere Nacht.

Als er in einer mondlosen Nacht erwachte und wegen der dicken Finsterniß die Hand vor den Augen, wie man sagt, nicht sehen konnte, gedachte er: nicht ohne ist es; die Finsterniß wird von bösen Leuten oft durch Antrieb des Fürsten der Finsterniß gemißbraucht und zu Sünden und Schanden angewandt; dennoch sind ich in derselben, mein Gott! deine verborgene Güte und von wenigen erkannte Wohlthat. Die finstere Nacht dient zur Abkühlung und Erfrischung der abgematteten Gewächse, welche sie mit dem fruchtbaren Thau erquickt; sie schärft das Gesicht des Menschen, indem sie es blendet und den Augen Zeit giebt, die Sehkräfte wieder zu sammeln, und eben hiedurch dient sie auch dem Verstand, welcher bei Tage, von den Augen vornehmlich und andern Sinnen auf mancherlei Dinge verleitet, nicht alles zur Genüge und nach Gebühr erwägen kann; die Nacht aber schlägt ihm einen schwarzen Mantel um den Kopf, daß er von dem Aeußerlichen abgeführt bei sich selbst sein und wichtigen Sachen desto schärfer und ruhiger nachsinnen könne. Ja, was ist die finstere Nacht anders, als der Teppich, den du, mein Gott! um unser Bett gezogen hast, damit wir desto friedlicher und sanfter schlafen möchten, da du indessen nicht schläfst, noch schlummerst, sondern uns, wie eine Mutter ihr Kind, hütest, Verleihe, mein lieber Gott! daß bei finsterer Nacht, so oft ich erwache, ich an dich denke und mein Gemüth auf die Betrachtung deiner unbegreiflichen Gute anstrenge! Laß dein Licht auch bei finsterer Nacht in meine Seele leuchten!

Laß mich fest an dir bekleiben,
Und auch schlafend dein verbleiben!

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