Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 34. Die Bücher.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 34. Die Bücher.

Einer beklagte sich, daß er nicht Mittel hätte, sich viel Bücher anzuschaffen, da doch seinem Dünken nach eine Studierstube ohne Bücher wäre gleich einer wüsten Apotheke, darinnen die Riolen (Riege, Spinde) entblößt, und die Büchsen leer, die keine Arznei wider einige Krankheit herausgeben könnte. Gotthold sagte: Ich weiß nicht, ob ich euch nicht glücklich-unglückselig mit Recht nennen könne? Denn, Lieber, meinet nicht, daß das gewünschte Aufnehmen der Gelahrtheit allein aus vielen Büchern herkomme; hiedurch wird der Verstand bei den meisten ausgeleert und ungewisser gemacht, als er zuvor je gewesen. Wenn ein Spiegel in etliche lö0 Stücke zerschlagen ist, so soll zwar ein jedes euch euer Bild vorstellen, aber klein und unkenntlich, so daß ihr euch in Abwaschung eurer Flecken wenig danach achten könnt. Kann doch ein großer Strom, wenn er in viele kleine Gräben abgeleitet wird, versiegen. So gehts zu mit dem Gemüth, welches durch Neusüchtigkeit und Hoffnung des Ruhms, viel gelesen zu haben, in vielen Büchern sich bemüht und weiter nichts, als das Gelesenhaben davon bringt. Wiewohl ihr auch nicht in Abrede sein werdet, daß manchem seine Bücher sind, was reichen Leuten in den großen Städten ihr überflüssiger Hausrath, welcher ohne weiter n Gebrauch zur Zierde an die Wand gesetzt und, wenn er staubig und unsauber geworden, gescheuert und wieder an seinen Ort gebracht wird. Trauet mir! wenn einer sorgfältiger ist, daß seine Bücher nicht etwa einen Tintenflecken bekommen, als wie er vermittelst derselben seine Unwissenheit und Fehler abthue, so sind sie ihm wenig nütze. Besser, ein Mann ohne Bücher, als Bücher ohne einen Mann. Erwählt euch ein und das andre, und laßt die nicht aus euren Händen kommen, bis man sehen könne, daß sie wohl gebraucht sind. Ich erinnere mich, daß mir einmal ein gottseliger Prediger, der nunmehr in Gott ruht, erzählte, daß seine Mutter in ihrem Wittwenstande und vielfältigen Sorgen ein Buch gehabt, das sie zu ihrem Trost und Unterricht gebraucht, nämlich die Herz-Postille Hrn. Valerii Herbergers, des geistreichen Predigers, welche sie so oft durchblättert und mit so viel Thränen benetzt, daß die Blätter ganz dürr und gelb geworden. Ein solch wohlgebrauchtes Buch ist besser, als die großen Bibliotheken der Heuchler und Maulchristen. Darum seht nicht so sehr darauf, wie viel Bücher ihr habt, sondern wie wohl ihr euch derselben zur Erbauung bedient. Das beste Buch ist die Bibel, die Schatzkammer aller geistlichen und göttlichen Wissenschaften; dieses muß billig den Vorrang haben, weil es euch zum Himmelreich gelehrt macht. Matth. 13, 52.

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