Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Zwölftes Kapitel.

Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Zwölftes Kapitel.

Wie ein Christ unter dem Leiden den Tod und die Ewigkeit fleißig beherzigen soll.

Sirach sagt Kap. 40,1.2.: „Es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben von Mutterleibe an bis sie in die Erde begraben werden, die unser aller Mutter ist. Da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung, und zuletzt der Tod.“ Ja wohl ist der Tod unter allem, was dem Menschen auf der Erde begegnen kann, das letzte. Er ist der Beschluß einer mühseligen und gefährlichen Wallfahrt, die man auf Erden führen muß. Doch ist er unter demjenigen, das dem Menschen begegnet, nicht das allerletzte, sondern nur die Thüre zu einer unsichtbaren Welt und unendlichen Ewigkeit, in welche der Mensch eintritt, wenn er stirbt. Insonderheit folgt auf den Tod noch die Auferstehung des Leibes und das jüngste Gericht mit allem, was daran hängt. Derjenige nun ist weise, der dieses alles fleißig vor Augen hat.

Und zwar sollen wir erstlich bedenken, daß der Tod gewiß, aber die Zeit desselben insgemein ungewiß sei; denn ob es schon Leute gegeben haben soll, denen GOtt die Zeit ihres Todes vorher geoffenbaret hat, so sind doch derselben sehr wenige. Auch haben die natürlichen Zeichen eines längeren Lebens oder eines baldigen Todes schon oft betrogen, weil GOtt einerseits schon oft gesunde, starke und junge Leute weggerafft, und andererseits auf's Gebet oder aus unerforschlichen Ursachen todtkranke Menschen, denen jedermann das Leben abgesagt hatte, wieder gesund werden lassen, wie dem König Hiskias widerfahren ist. Ein wahrer Christ wendet einen jeden Tag und eine jede Stunde wohl an, denkt oft an den Tod und an die Ewigkeit, stellt es aber dem großen GOtt anheim, wie lange oder wie kurz die noch übrige Wallfahrt seyn soll, und begehrt das Ende derselben nicht fürwitzig zu erforschen.

2. Der Tod setzt einen jeden Menschen aus allen seinen irdischen Umständen und Verbindungen heraus, sie mögen ihm leidig oder annehmlich seyn. Als der arme Lazarus starb, so hörte er auf, arm zu seyn, und der reiche Mann hörte bei seinem Tod auf, reich zu seyn. Könige, Fürsten und Kriegshelden und alle Gewaltigen auf Erden werden durch den Tod ihrer irdischen Ehren entsetzt, so daß nach ihrem Tod sie niemand mehr fürchtet, und. sie keine Gewalt mehr unter den Sterblichen ausüben können. Der Tod trennt alle Ehen, und nimmt Eltern von den Kindern, Kinder von den Eltern, Geschwister von den Geschwistern, Nachbarn von ihren Nachbarn, Freunde von ihren Freunden, und so auch Feinde von ihren Feinden weg. Eine Zeitlang reden die Hinterbliebenen noch von dem Verstorbenen, und denken an ihn: nach und nach wird des Verstorbenen vergessen, und seine Ehre und Schmach verschwindet auf Erden ganz, es sei denn, daß seines Namens und seiner Thaten in den Geschichtsbüchern gedacht werde, welches doch wenigen widerfährt, und auch etwas Eitles ist. Ein Mensch, der auf dem Siechbett liegt und keine Genesung zu hoffen hat, findet doch das Ende seiner Schmerzen in seinem Tod, und so der Gefangene, den niemand losläßt, das Ende seiner Gefangenschaft, aber auch der Ueppige und Fröhliche das Ende seiner Ueppigkeit und Weltfreude. Wer nun dieses alles bedenkt, kann daraus den Schluß machen, daß alles unter der Sonne eitel sei, und daß es thöricht sei, wenn man sein Herz an etwas Irdisches hängt, und deßhalb an seiner Seele Schaden leidet. Auch kann man daraus erkennen, daß niemand um seiner äusserlich irdischen Umstände willen, die eine kurze Zeit währen, für glücklich oder für unglücklich zu halten sei.

3. Unaussprechlich wichtig ist aber der Zustand des Menschen, der auf den Tod folgt. Ist eine Seele durch den Glauben gerechtfertigt und mit Christo vereinigt: so wird sie nach ihrem Ausgang aus dem Leibe durch den Dienst der heiligen Engel derjenigen großen Schaar beigefügt, von welcher Johannes Offenb. 7,9. u. ff. schreibt: „ich sahe, und siehe eine große Schaar, welche niemand zählen konnte aus allen Heiden und Voller n und Sprachen, vor dem Stuhl (GOttes) stehend, und vor dem Lamm, angethan mit weißen Kleidern, und Palmen in ihren Händen, schrieen mit großer Stimme, und sprachen: Heil sei dem, der auf dem Stuhl sitzt, unserm GOtt und dem Lamm. Und es antwortete der (himmlischen) Aeltesten einer, und sprach zu mir: wer sind diese mit weißen Kleidern angethan? und woher sind sie kommen? Und ich sprach zu ihm: Herr, du weißest es. Und er sprach zu mir: diese sind es, die kommen sind aus großer Trübsal, und haben ihre Kleider gewaschen, und haben ihre Kleider helle gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhl GOttes, und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel. Und der auf dem Stuhl sitzet, wird über ihnen wohnen. Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten: es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne, oder irgend eine Hitze; denn das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen, und GOtt wird abwischen alle Thränen von ihren Augen.“ Wohl denen, die. zu dieser Schaar gelangen! Diesen ist das Sterben ein Gewinn. Vor diesen ist die Hölle verriegelt und verschlossen. An diesen werden alle Verheißungen erfüllt, die Offenbarung 2. und 3. den Ueberwindenden gegeben sind. Diese haben eine fröhliche Auferstehung und einen fröhlichen jüngsten Tag zu gewarten, an welchem ihre Herrlichkeit vollkommen werden wird. Ganz anders geht es den Gottlosen und allen denjenigen, die sich selbst mit einem falschen Christenthum betrogen haben. Ihre Seelen kommen nach der Trennung von ihren Leibern in finstere höllische Gefängnisse, wo sie alles Lichts und Trostes beraubt sind, und unter der Empfindung des göttlichen Zorns mit Angst und Schrecken auf den jüngsten Tag warten, an welchem sie ihre ganze Strafe bekommen sollen. Wenn derselbe jüngste Tag anbricht, oder wenn sie meinen, daß er anbreche, so sprechen sie zu den Bergen und Felsen,: fallet auf uns, und verberget uns vor dem Angesicht deß, der auf dem Stuhl sitzet, und vor dem Zorn des Lammes; denn es ist kommen der große Tag seines Zorns, wer kann bestehen? der jüngste Tag ist also für sie der große Tag, an dem der göttliche Zorn über sie ausbrechen wird. Kein Berg wird alsdann auf sie fallen, und kein Fels wird sie verbergen, ob sie es schon wünschen: aber der Jammer, der sie überfallen wird, wird schwerer seyn als Berge und Felsen. Ihre begangene Sünden werden aufgedeckt werden und an den Tag kommen. Der Richter JEsus wird sie anreden, und sie werden auch reden dürfen, aber nichts Gültiges vorbringen können. Endlich wird das schreckliche Urtheil über sie gefällt werden: „ Gehet hin ihr Verfluchten in das höllische Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Und sie werden in die ewige Pein gehen!“ Matth. 25, 41. 46.

4. Wenn man nun dieses alles zu Herzen nimmt, wie es denn dessen werth ist, und dabei glaubt, daß es in Ansehung der Seligkeit nicht auf die Einbildung ankomme, die der Mensch von sich selbst hat, sondern auf das wahrhaftige Urtheil GOttes, und daß man auch nicht mit einer trotzigen Gewalt in den Himmel eindringen könne, sondern daß es hierin allein auf GOttes Gnade ankomme: so muß man, wenn man anders klug seyn will, sich ernstlich besinnen, ob man so beschaffen sei, daß man eine gnädige Aufnahme in den Himmel, und eine selige Ewigkeit mit Grund der Wahrheit hoffen dürfe. Und zwar kommt es hier nicht auf die Armuth oder den Reichthum, auf einen hohen oder niedrigen Stand, oder auf dieses oder jenes zeitliche Glück oder Unglück an, denn dieses alles verdammt nicht, und macht auch nicht selig. Auch ist eine große Wissenschaft und ein gutes Zeugniß von Menschen noch kein Zeichen der göttlichen Gnade. Mit Beobachtung äusserlicher Ceremonien und Geberden läßt sich der Himmel nicht verdienen, und die besten Worte sind Heuchelei, wenn das Herz nicht dabei ist. GOtt ist ein Herzenskündiger. Er suchet das Herz an. Wie steht es da? Ist von dem heiligen Geist in demselben eine wahre Reue über die Sünde, ein aufrichtiger Glaube an Christum, und ein ernstlicher Vorsatz, ihm in leidigen und fröhlichen Umständen, unter Schmach und Ehre, in kranken und gesunden Tagen anzuhangen, zu dienen und zu leben, gewirket worden? Ist ein guter Anfang in der Heiligung gemacht, ohne welche niemand den HErrn sehen kann? Hat diese Heiligung seit der Zeit der Bekehrung einen Fortgang gehabt? Ist kein Rückfall in die vorigen Sünden geschehen? Hat die geistliche Schlafsucht oder Trägheit nicht überhand genommen, wie bei den zehen Jungfrauen Matth. 25.? Liegt kein Bann auf dem Gewissen? Ist keine heimliche Bosheitssünde beibehalten worden? Uebt man sich täglich im Wachen und Beten? Siehe, mein lieber Christ, auf die Beantwortung dieser Fragen kommt es an, wenn es ausgemacht werden soll, ob man ein seliges oder ein unseliges Ende haben werde. Weil aber der Mensch sich selber gern schmeichelt, und deßwegen viele Leute meinen, sie seien in ihrem Christenthum etwas, so sie doch nichts sind, Gal. 6, 3., so bitte ein jeder den großen GOtt, daß er ihn von allem Selbstbetrug oder Heuchelei frei mache, und ihm zur Prüfung seiner selbst das nöthige Licht schenke. Ja es soll ein jeder Mensch GOtt bitten, daß er ihn so mache, so bilde, so ausrüste, wie sein Wort lautet, und daß er alles dasjenige wesentlich in ihm darstelle, was in der Bibel von den Heiligen und Auserwählten geschrieben steht. Denn was hilft es mich, wenn ich höre und lese, wie fromme Christen beschaffen seien, und ich bin selbst nicht so beschaffen? Was wird mir alsdann mein Lesen und Hören nützen? Es wird mir nur zur Verdammniß gereichen, wenn ich nicht selber durch GOttes Gnade so werde, wie die Vorschrift im Wort GOttes lautet.

5. Die einzige rechte Vorbereitung auf das Sterben ist also eine wahre Buße und Bekehrung, und eine Beständigkeit in dem angefangenen Christenlauf bis ans Ende. Wenn es nun hieran nicht fehlt, so darf man sich auf die letzte Krankheit und auf den Tod selbst nicht bange seyn lassen. Zwar werden viele vor ihrem Ende mit empfindlichen und zuweilen auch langwährenden Schmerzen an ihrem Leibe heimgesucht, so daß sie mit Hiob Nagen müssen: „elender Nächte sind mir viel worden.“ Auch geschieht es zuweilen, daß fromme Christen vor ihrem Ende wegen ihrer Mängel, Gebrechen und Schwachheitssünden in ihrem Gewissen noch empfindlich bestraft, und in eine nicht geringe Angst hinein getrieben werden. Allein hier muß man an die Aussprüche der heiligen Schrift gedenken: „wir wissen, daß denen, die GOtt lieben, alle Dinge zum Besten dienen, die nach dem Vorsatz (GOttes zur Seligkeit) berufen sind.“ Rom. 8, 28. und Ebr. 12, 5. 6.: „Mein Sohn achte nicht gering die Züchtigung des HErrn, und verzage nicht, wenn du von ihm gestrafet wirst; denn welchen der HErr lieb hat, den züchtiget er; er stäupet aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt“, und Offenb. 3, 19.: „welche ich lieb habe, die strafe und züchtige ich (innerlich), so sei nun fleißig und thue Buße.“ Solche innerliche und äußerliche Züchtigungen dienen also denjenigen, die GOtt lieben, zum Besten, kommen von der Liebe GOttes her, und befördern und vergewissern die Aufnahme in die ewige Herrlichkeit. Wer will's dem lieben GOtt verargen, wenn er bei seinen Kindern dasjenige, was etwa vorher von ihnen versäumt oder übersehen worden ist, zuletzt noch mit einer liebreichen Schärfe in kurzer Zeit ersetzen will, damit sie alsdann in die völlige Ruhe des ewigen Lebens eingehen können! Wird es ihnen dabei bange, so können sie doch nicht verzagen, weil der Heiland für sie (wie für den Petrus) bittet, daß ihr Glaube nicht aufhöre, und weil der göttliche Tröster, nemlich der heilige Geist, sie (ohne daß sie es immer fühlen) erhält und stärkt. Doch gerathen nicht alle Fromme vor ihrem Ende in ein solches Feuer der Anfechtung hinein, auch verwandelt GOtt bei einigen die Angst in Freude, ehe sie sterben. Es gehe aber nun wie es wolle: so wird an einem jeden redlichen Christen erfüllt, was Christus Joh. 10, 27.28. gesagt hat: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Ingleichem was Paulus Rom. 8, 31. u. ff. schreibt: „Ist GOtt für uns, wer mag wider uns sehn? Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben. Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten GOttes beschuldigen? GOtt ist hie, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten GOttes und vertritt uns. Wer will uns scheiden von der Liebe GOttes? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung? - Aber in dem allem überwinden wir weit um deß willen, der uns geliebet hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben - mag uns scheiden von der Liebe GOttes, die in Christo Jesu ist, unserem HErrn.“ Merke hieraus, mein lieber Christ, daß der Heiland seinen Schafen, ob sie schon dem Leibe nach sterben, ewiges Leben gebe, und niemand sie aus seiner Hand reißen könne. Bemerke und glaube ferner, daß niemand die Auserwählten GOttes beschuldigen dürfe, weil GOtt seinen einzigen Sohn für sie gegeben, und mit demselben ihnen alles schenken will, und daß niemand diese Auserwählten verdammen könne, weil GOtt sie gerecht macht oder rechtfertigt, und daß nichts, auch die Todesangst nicht, auch der Tod selbst nicht, sie von der Liebe GOttes scheiden könne, weil Christus, an den sie glauben, gestorben und auferstanden ist, und zur Rechten GOttes ist, und für sie bittet. Dieses alles haben die Auserwählten, die im Himmel sind, schon völlig erfahren. Da singt man mit Freuden vom Sieg über den Tod: aber die Gläubigen, die auf Erden wallen, haben diesen Sieg noch zu gewarten, wiewohl er ihnen schon zugesagt ist, und sie dessen durch den Glauben gewiß sind. Ja, was wollen wir sagen? Ein Christ stirbt nicht, ob man schon so spricht; sein Elend stirbt nur; seine Seele aber siehet den Tod nicht, sondern wird nur von GOtt sanft und freundlich aus dem Leib heraus genommen, gleichwie eine Mutter ihr liebes Kind aus einem heißen Bettlein heraus nimmt, worin es vorher eingebunden war: denn Christus hat gesagt Joh. 8,52.: „So jemand mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen ewiglich“, und Joh. 11, 26.: „Wer da lebet, und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Endlich wird in der Auferstehung dieß Verwesliche (nemlich der Leib) anziehen das Unverwesliche, und dieß Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, und alsdann wird (völlig) erfüllet werden das Wort: „Tod, Wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“ 1 Cor. 15,54.55. GOtt gebe, daß wir es um Christi willen mit Freuden an uns selber erfahren!

Zugabe.

Ph. D. Burk führt in seinem Buch von der Rechtfertigung folgende Worte aus einer Handschrift J. A. Bengel's an:

Der Unterschied zwischen dem Tod der Ungläubigen und der Hinfahrt der Gläubigen, desgleichen zwischen dem Tod der Gläubigen vor dem Tod Christi, und der Hinfahrt der Gläubigen nach dem Tod Christi fällt nicht in die natürlichen Sinne, er ist aber doch an sich selbst gewiß und wichtig, und die Sprache Jesu Christi geht Joh. 1 l, 25. höher, als die Sprache im Land der Todten (auf der Erde), aber doch sehr eigentlich. JEsus Christus ist der Letzte unter denen, die eigentlich gestorben sind (von den Heiligen und Gläubigen zu reden), und der Erste unter denen, die eigentlich auferstanden sind und auferstehen (auch von den Heiligen zu reden), denn er ist aus der Angst und Gericht gerissen, seine Lebenslänge ist unermeßlich, und in derselben sieht er Samen, und sieht sich satt daran, Jes. 53, 8. 10. 11. Derjenige Tod ist eigentlich ein Tod, der ein Gerichtstod ist. Die Gläubigen sind frei von dem Gericht; so sind sie auch frei vom Tod. Ein solcher hat das ewige Leben. Er hat den Schritt aus dem Tod in's Leben schon gethan, und wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit, Joh. 5, 24. 8, 51. Grubst du das, lieber Leser? Von dem Tage an, da Adam sündigte, war er des Todes. Er war ein Sterbender. Von dem Tage an, da Christus durch seinen Tod den Teufel entkräftet Hat, ist lauter Leben vorhanden für die, die in Christo sind. Manche Gläubige haben noch viele Angst und Bitterkeit, auch oft bis an ihr Ende hinein: Aber sie sind aus vielen Ursachen selber Schuld daran. JEsus redet Joh. 11, 25. von der Sache, wie sie von GOttes Gnaden an sich selbst ist, und wir sie nehmen und haben könnten und sollten. Wo also in einem Gläubigen die Wurzel des Lebens grünet, da sind die noch übrigen Ueberbleibsel der Sterblichkeit (librae mortalitatis) gar was geringes. Es ist nur ein kleiner Uebergang vorhanden, bis das Alte auch in dem Aeußern ganz neu wird. Man erwäge Hebr. 2,14. 15., Rom. 8,10.11., l Cor. 15, 50., 2 Cor. 5, 1., Eph. 2, 6. In Summa, der Zeitpunkt (Horoscopus) ist viel wichtiger für jede Seele insbesondere, da sie zum Glauben des Sohnes GOttes und zum Leben in solchem Glauben kommt, als da sie selig abscheidet, oder am jüngsten Tag aufsteht. Diese zwei, auf jenes folgende Punkte geben sich selbst. JEsus Christus ist der Mittler zwischen GOtt und dem Menschen. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, als durch Ihn. Durch Ihn haben wir Glauben und Hoffnung zu GOtt. Der Vater hat uns dem Sohn gegeben: und der Sohn stellt uns Abtrünnige dem Vater wieder dar. Also müssen wir in der Uebung des Glaubens und des Gebets die Liebe des Vaters und die Huld des Sohnes immer zugleich vor Augen und im Herzen haben.

Kempis von der Nachfolge Christi, 3. Bd. 47. Kap.

Um das ewige Leben ist alles zu erdulden. Du wirst hier nicht lange zu leiden haben, noch immer mit Schmerzen beschwert seyn. Warte ein wenig, so wirst du plötzlich ein Ende an allem Uebel sehen. Es wird eine Stunde kommen, da alle Arbeit und Getümmel aufhören wird. Es ist nur was weniges und währet kurze Zeit, alles was mit der Zeit ein Ende nimmt. Thue mit Ernst, was du thust: seufze, schweige, bete, erdulde, männlich alle Widerwärtigkeiten: das ewige Leben verdient alle diese, ja wohl noch größere Kämpfe. - O hättest du die ewigen Kronen der Heiligen im Himmel gesehen, wie diejenigen, welche ehedem in der Welt verächtlich gehalten, und gleichsam des Lebens selbst unwürdig geachtet wurden, nun vor großer Herrlichkeit hüpfen: gewiß, du würdest dich alsobald bis zur Erde beugen, und lieber allen unterthan, als nur einem vorgesetzt seyn wollen. Ja du würdest auch keine fröhlichen Tage in diesem Leben verlangen, sondern lieber dich erfreuen, um GOttes willen Trübsal zu erdulden, und es für deinen größten Gewinn achten, unter den Menschen für Nichts geachtet zu werden. O wenn du daran einen Geschmack hättest, und dir dieses tief zu Herzen gienge: du würdest dich nicht unterstehen, auch nur ein einziges Klagwort aus deinem Munde hören zu lassen. Soll man nicht um des ewigen Lebens willen alle Mühseligkeit gern erdulden? O es ist nichts geringes, das Reich GOttes erlangen oder verlieren! Darum erhebe dein Angesicht empor gen Himmel. Siehe! Alle Heiligen, welche in dieser Welt einen großen Kampf ausgestanden haben, freuen sich nun, nun werden sie getröstet, nun sind sie sicher, nun ruhen sie und werden ewiglich in des Vaters Reich verbleiben.

Sam. Lau, Hofpred. und Consistorialrath in Wernigerode, sämmtliche erbauliche Schriften, 2. Th. S. 500 f.

Wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von GOtt erbauet, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel, 2 Cor. 5, 1. Es muß ein gewisses Wissen da seyn, wo man Selbstbetrug vermeiden, und zu einer beständigen Freudigkeit des Glaubens gelangen will. O es falle doch durch GOttes Kraft alles aus euren Gemüthern hinweg, was diese Gewißheit hindern will, und nicht vielmehr dazu zu gelangen behülflich ist. Gute Meinung, die man ohne Grund von sich gefaßt, und nach welcher man immer das Beste von sich hoffen will, macht die Sache nicht aus. Man muß durch den heiligen Geist selbst von dieser so wichtigen Sache überzeugt seyn. Freilich das Wort GOttes liegt auch bei dieser Gewißheit, so wie bei dem ganzen Christenthum zum Grund: aus demselben muß diese Ueberzeugung genommen werden. Es kann sich aber der Mensch dieselbe aus dem Worte GOttes nicht selbst nehmen, sondern der heilige Geist muß ihn in den Stand setzen, daß er ein wiedergebornes und durch Christum versöhntes Kind GOttes werde. Alsdann wird ihn eben dieser Brautführer, ich meine der heilige Geist, auch überzeugen können, daß er ein Erbe und Miterbe Jesu Christi sei; weil er zu einem Kind GOttes und zu einer lebendigen Hoffnung des ewigen Lebens von ihm wiedergeboren worden. Willst du also mit Wahrheit sagen: ich hoffe gewiß selig zu werden: so mußt du auch mit Wahrheit sagen können: ich bin in dem Blute Christi gewaschen und von meinen Sünden gereinigt worden; Er hat mir einen andern Sinn geschenkt, als ich ehmals bei dem Dienst der Sünden hatte, und sein Geist treibt mich täglich und stündlich an, zu fliehen und zu hassen, alles, was meinem Heiland zuwider ist; Er erregt mir mein Herz zum Seufzen, Flehen und Beten, hält mich in genauer Zucht, und zeigt mir, wo mein Fuß gleitet, und worin ich's versehen habe: Er macht mir theuer und werth die Schmach, so ich meinem Erlöser nachzutragen verbunden bin, und übt mich in mancherlei Kämpfen und Leiden. - Wahre Kinder GOttes aber können einen herrlichen Trost in allem ihrem Leiden aus diesem Text nehmen, wenn sie denselben im Glauben recht fassen und fest halten. Nemlich sie können hiernach versichert seyn, daß es mit ihnen auf ein anderes und besseres Leben angefangen sei (l Cor. l5, 19.), und daß daher alles, was ihnen von Kampf, Noth und Jammer innerlich oder äußerlich zustoßet, nicht werth sei, daß man sich dadurch vom Glauben und von der Nachfolge Jesu abhalten lasse. Es gibt freilich mancherlei dem Lamme nachzutragen, und findet sich der Mühseligkeit bei wahren Kindern GOttes oft eine große Menge. Ein jeder, dem es feine Seele zu erretten ein wahrer Ernst ist, wird davon aus eigener Erfahrung genugsam überzeugt seyn oder noch werden. - Auch die muntersten Streiter Jesu Christi würden ermüden und weichen, wenn ihnen dieser Trost nicht zu statten käme, daß sie einen Bau im Himmel haben von GOtt erbauet. Darum sei es zur Stärkung und Aufmunterung aller derer, die unter Kampf und Streit entweder einen Anfang der Bekehrung gemacht, oder auf dem Wege des Lebens schon eine Zeitlang gewandelt haben, geredet: Wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von GOtt erbauet. Wir haben einen Bau von GOtt erbauet. Was hat's nun mit eurer Noth für Gefahr? und müßtet ihr über dem Kampf wider die Sünde auch euer Leben einbüßen, so wisset ihr schon zum voraus, wie selig dieser Handel ablaufe. Diese leimerne Hütte (ich meine euern sterblichen Leib) könnet ihr mit Freuden zerbrechen lassen, wenn dieses Wort in euern Seelen recht grünet und lebendig ist. Wie kann das jemand bekümmern, wenn er eine elende, leimerne und löcherige Hütte mit einem steinernen und von Marmor erbauten Palast, wo ihm tausendmal mehr wohl ist, als zuvor, verwechseln soll? Wie sieht er nicht zum Fenster seines neuen Palasts mit Freuden zu, wenn seine ehemalige schlechte Hütte eingebrochen wird, und denkt, sie sei nichts besseres werth, als eingerissen zu werden! O wie viel mehr ist ein Kind GOttes, das seine Augen auf den hohen Bau im Himmel gerichtet hat, gerne, gerne damit zufrieden, daß sein Heiland mit ihm in ein anderes und besseres Leben eilet! Wie wartet es nicht allen Kampf willig ab! Wie gern läßt es sich in den Händen seines Meisters hin und her werfen, und aus einem Streit in den andern führen, geht durch allerlei innere und äussere Leiden, durch Anfechtungen und Verfolgungen getrost hindurch, bis daß es zu seinem hohen Ziel gelangt, da es mit Freude sagen kann: Nun habe ich gottlob überwunden, und mein Heiland wirft mir meine Hütte ein, die ohnedem aus Staub und Asche gemacht war, und ich gehe in den großen Bau, der im Himmel ist, und ewig stehen bleibt.

Gebet.

Ewiger GOtt! der du allein Unsterblichkeit Hast, und dessen Jahre kein Ende nehmen: ich elender Mensch bin wegen der Sünde, die in meine Natur eingedrungen ist, hinfällig und sterblich. Ich bin wie das Gras, das am Morgen steht, und am Abend schon abgehauen wird und verdorret. Ich habe zur Zeit meiner gesunden Jugend geblüht wie eine Blume: aber nun verdorre ich und werde bald abfallen. Erbarme dich meiner und wirke in dem noch übrigen kurzen Theil meines Lebens, was zu meiner Vorbereitung auf die selige Ewigkeit nöthig ist. Wirke in mir Buße zum Leben. Vergib mir meine Sünden, und sende deinen heiligen Geist in mein Herz, daß er darin wohne und bleibe, und auch im Sterben mein innerlicher Tröster sei. HErr Jesu Christe! der du am Oelberg Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen aufgeopfert hast, und auch von deinem Vater erhörte worden bist, erlöse mich um deines Kampfes und Opfers willen von dem Grauen vor dem Tod, und schenke mir nicht nur eine Willigkeit, sondern auch eine Freudigkeit zum Sterben. Laß mich im Sterben erfahren, daß mein Tod keinen Stachel habe, oder daß derjenige, der dein Wort halte, den Tod, in so fern er fürchterlich ist, nicht sehen dürfe. Zerbrich meine Leibeshütte sanft, und bewahre mich vor Ungeberd, wenn ich mein Haupt nun neigen werd. Schenke mir und den Meinigen, von denen ich durch den Tod getrennt werde, den Trost des heiligen Geistes reichlich, damit dein Name von uns allen durch Glauben und Geduld geheiliget werde. In deine Hände befehle ich meinen Geist: du hast mich erlöset, HErr, du getreuer GOtt! Laß meine Seele, wenn sie vom Leibe scheidet, zur Ruhe kommen, laß sie aus der Finsterniß in's Licht, aus der Fremde in die Heimath gelangen. Vollende die Heiligung in ihr bei dem Uebergang in die Ewigkeit. Sende ihr deine heiligen Engel zu Hilfe, und lasse sie, wie die Seele des Lazarus, nach dem ausgestandenen Leide getröstet werden. Hast du mich bei meiner Geburt aus dem Mutterleibe gezogen: so ziehe auch meine Seele zur rechten Stunde aus dem Leibe und aus dieser Welt, welche ihr allzu eng werden wollen, heraus, und versetze sie in eine bessere Welt, ja in das Haus deines Vaters, wo du selbst bist, daß sie deine Herrlichkeit sehe. Laß den Tag meines Todes besser seyn als den Tag meiner Geburt, und das Ende meiner Wallfahrt besser als den Anfang derselben. Durch deinen Todeskampf und blutigen Schweiß, durch dein Kreuz und Tod, durch dein heiliges Auferstehen und Himmelfahrt in meiner letzten Noth, am jüngsten Gericht hilf mir lieber HErre GOtt! Amen.

Christ.
1. Ich bin ein Pilgrim auf der Erde,
Der seine Heimath droben hat.
Des Leidens tägliche Beschwerde
Macht meinen Leib und Seele matt.
Auch meine gut gemeinte Müh',
Wo kommt sie hin? Was nützet sie?

2. Es ist genug, nun neigt mein Wille
Sich vom Gedränge, von der Last,
Von dem Getümmel zu der Stille,
Zum Licht, zur Freiheit, zu der Rast.
Vom Leiden gieng ich heute gern
In jene Freude meines HErrn.

Christus.
3. Ich war ein Pilgrim auf der Erde,
Wo mich des Vaters Huld erquickt:
Des Leidens tägliche Beschwerde
Hat aber mich dabei gedrückt.
Ich diente vielen, und auch dir:
Wer lohnte mir? Wer dankte mir?

4. Doch sagte meiner Menschheit Wille
Nicht vor der Zeit: es ist genug.
Ich horchte immer in der Stille
Bis meine rechte Stunde schlug.
Ich war ein armer Pilgrim, bis
Mein Vater selbst mich kommen hieß.

Christ.
5. Ach HErr, ich muß es heut' bekennen:
Du warst und bist allein gerecht.
Mein Bestes muß ich unrein nennen,
Mich aber einen faulen Knecht.
Dir geb' ich meinen Willen hin,
Weil ich dazu gestärket bin.

6. Dein bin ich, dein sind meine Werke,
Mein Leiden, meine Zeit ist dein.
Dir diene ich durch deine Stärke,
Dein werd' ich als ein Todter seyn.
Zur rechten Stunde sprich dann du:
Knecht, gehe ein zu deiner Ruh'.

Christus.
7. Ja, ja, und du wirst selbst bekennen:
Dein Warten habe nichts versäumt.
Dich werd' ich ganz mein eigen nennen,
Wenn ich dein Eig'nes abgeschäumt.
Denn auf den kleinen Punkt der Zeit
Folgt eine lange Ewigkeit.

8. Indessen thu' ich meine Werke
Durch dich und in dir immer fort.
Dein Leben ruht auf meiner Stärke,
Dein Ruh'platz ist an jenem Ort,
Wo ich, dein Heiland, sichtbar bin:
So richte denn den Lauf dahin.

Christ.
9. Ja lieber Heiland, zu dir zu kommen
Ist alles, was ich wünschen kann.
Da treff' ich die verklärten Frommen,
Und deiner Engel Heere an.
Da seh' ich dich, da seh' ich sie,
Und diene dir ohn' alle Müh'.

10. Indessen mache mich noch kleiner,
Noch größer in dem Glaubensmuth,
Noch sanfter, beugsamer und reiner:
Wasch' meine Seele durch dein Blut.
Dein Kreuz, dein Thron, dein Priesterthum
Sei ganz allein mein Glaubensruhm.

Christus.
11. Du sollest wahrlich zu mir kommen:
Ja so gewiß ich für dich starb.
Denn dieß ist's, was ich allen Frommen
Durch meinen Kreuzestod erwarb.
Ich bin das A, ich bin das O.
Gedulde dich und glaub' es so.

12. Steig' auf, so wird die Welt dir kleiner,
Sei nichts, so wirst du etwas seyn.
Sei still: so macht mein Blut dich reiner,
Ergreife mich, denn ich bin dein.
Ich ruhe nicht, mein lieber Christ,
Bis du von mir vollendet bist.

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