Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Elftes Kapitel.

Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Elftes Kapitel.

Wie ein Christ unter dem Leiden in der Heiligung fortfahren soll.

Paulus sagt 2 Cor. 7,1.: „Weil wir solche Verheißung haben, meine Liebsten, so lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen, und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht GOttes.“ Es ist also nicht genug, einen guten Anfang in dem Christentum machen, sondern man muß auch mit der Heiligung fortfahren, und diejenigen, die von groben Lastern frei und wiedergeboren sind, müssen sich noch weiter von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes reinigen. Sie sollen, wie 2 Petr. 3,18. gesagt wird, in der Gnade und Erkenntniß unsers HErrn und Heilands Jesu Christi wachsen und völliger werden, 1 Thess. 4,1.10. Sind sie Reben an Christo dem Weinstock, so will der himmlische Vater sie reinigen, daß sie mehr Frucht bringen, Joh. 15, 2. Hat GOtt das gute Werk der Heiligung in ihnen angefangen, so will er's auch vollführen, bis an den Tag Jesu Christi, Phil. 1, 6. Und so lehrt die heil. Schrift durchaus, daß in dem Christenthum kein Stillstand seyn dürfe, bis eine gewisse Vollkommenheit oder Vollendung erreicht sei, welche im höchsten Verstand nicht bälder als am Tag Jesu Christi, das ist am jüngsten Tag, statt hat, wiewohl GOtt schon vorher große Dinge in den Seelen wirken will und kann. Von diesem Wachsthum nun, oder von dem Fortfahren in der Heiligung merke man folgenden Bericht. Eine menschliche Seele ist wie ein tiefer Abgrund; weßwegen der HErr Jer. 17, 9.10. sagt: „es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann's ergründen? Ich der HErr kann das Herz ergründen, und die Nieren (oder Begierden) prüfen: und gebe einem jeglichen nach seinem Thun, nach den Früchten seiner Werke.“ Ob also gleich ein Mensch wiedergeboren und gerechtfertiget ist, und es mit GOtt und seinem Nächsten redlich meint, so muß er doch glauben, daß noch viele Unreinigkeit in ihm sei und in sein Thun einfließe, die der HErr erkennet, wenn auch die menschliche Seele nichts davon weiß. Insonderheit ist die Eigenliebe ein verborgenes und tiefes Uebel, das tief in dem Menschen liegt. Findet diese Eigenliebe ihre Nahrung oder Weide in einem Ding, so ist das Herz trotzig; wird ihr aber dasjenige, woran sie sich ergötzt, entzogen, so ist das Herz verzagt. Zwischen diesen zwei Klippen wird der Mensch oft lang genug herumgeworfen, ohne daß er die Ursache weiß, wobei er doch vom HErrn, der sein Werk in ihm angefangen hat, gehalten wird, daß er nicht Schiffbruch leidet, oder ganz von ihm abgerissen wird. Es ist aber doch ein köstliches Ding, daß das Herz fest werde, welches durch Gnade geschieht, Hebr. 13, 9. Und es ist nöthig, daß es von der Befleckung des Fleisches und des Geistes noch weiter gereiniget, und also heiliger werde, damit es des Gnadenstandes besser froh, und zur Erlangung des himmlischen Erbes tüchtiger werde. Soll aber dieses geschehen, so muß die Eigenliebe, als die eigentliche Befleckung des Geistes, nebst der daraus fließenden Befleckung des Fleisches, welche in der Wollust besteht, aufgedeckt, bestraft, aber auch getödtet werden, damit das heilige und reine Leben des auferstandenen Jesu, welches lauter Demuth, Sanftmuth, Keuschheit und Liebe GOttes und des Nächsten ist, dagegen eintrete. Und dieses ist's, was die Apostel gemeint haben, wenn sie schrieben, daß man mit Christo gekreuzigt sei, mit ihm sterbe, und mit ihm lebendig gemacht, auferweckt und ins himmlische Wesen versetzt werde. Durch den Glauben an den gekreuzigten JEsum dringt nemlich die Kraft seines Todes zur Tödtung der Sünde in die Seele ein, damit der Mittheilung seines Lebens Raum gemacht werde. Je völliger eine Seele solches erfahrt, desto weniger lebt sie mehr selber, sondern Christus lebt in ihr. Sie wird immer reiner, und ihre Werke werden auch reiner, ob sie schon vielleicht äusserlich kein so großes Ansehen mehr haben als vorher. Ihre Ruhe, ihr Friede, ihre Kraft wird völliger, und sie reifet zur seligen Ewigkeit. Hierzu ist aber freilich Wachen und Beten nöthig; denn wer gern ausschweift, und zum Beten trag ist, in dem kann der Tod Jesu nicht wirken, und in den kann sein Leben sich nicht ergießen. Es ist aber dazu auch das mannigfaltige Leiden, das GOtt den Seinigen zuschickt, sehr dienlich; weßwegen Petrus 1 Petr. 1,6.7. zu den Gläubigen sagt: „Ihr seid jetzt traurig in mancherlei Anfechtungen, auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird.“ Darauf deutet auch Paulus, indem er Rom 5,3.4. 5. schreibt: „Trübsal bringt Geduld, Geduld bringt Bewährung, Bewährung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werden.“ Die Anfechtungen oder Trübsale sind also einem Feuer gleich: der Glaube eines Anfängers im Christenthum aber ist einem Gold gleich, das noch viele Schlacken oder viel Unreines an sich hat. Gleichwie nun das vergängliche oder natürliche Gold durchs Feuer bewähret, das ist geläutert wird, so daß man es hernach mit guter Zuversicht für ein köstliches und achtes Gold halten kann, also wird der Glaube eines schwachen Christen durch Anfechtungen und Trübsale bewährt oder geläutert, daß er hernach köstlich, und viel köstlicher als ein bewährtes vergängliches Gold erscheint, und eine Hoffnung der himmlischen Herrlichkeit, welche nicht zu Schanden werden läßt, nach sich zieht. Eben dieses hat Petrus 1 Petr. 5,10.11. auch mit andern Worten angezeigt, da er an die Gläubigen schrieb: „Der GOtt aller Gnaden, der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbe wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen und gründen; demselben sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Die leidenden Christen will also der GOtt aller Gnaden vollbereiten, daß sie ganze oder völlige Christen werden. Er will sie stärken oder befestigen, daß sie nicht mehr wie ein Rohr seien, das der Wind hin und her weht. Er will sie kräftigen, daß sie allen Widerstand überwinden, und seinen Willen getrost thun können. Er will sie gründen, das ist auf den Grund oder die Lehre der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein oder die Hauptsache ist, immer mehr erbauen, damit sie immer besser wissen, was und an wen sie glauben, und was sie hoffen, und bei diesem Glauben und bei dieser Hoffnung standhaft verbleiben können. Und dieses alles will und kann er thun, weil er der GOtt aller Gnade ist, und weil er die Gläubigen zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu berufen hat, und deßwegen auch tüchtig machen will, und weil die Herrlichkeit, die er ihnen geben will, und die Kraft, wodurch er alles Mangelhafte vollbereiten, alles Wankende stärken, alles Schwache kräftigen, und alles Ungewisse gründen kann, ewiglich und ohne Maße sein ist. Wir können hieraus lernen, wie nöthig und heilsam die Leiden seien, welche der gute himmlische Vater seinen Kindern, die er lieb hat, zuschickt. Er läßt sie geschmäht, verachtet und hintangesetzt werden; er läßt ihr menschliches Vornehmen oft mißlingen; er läßt sie Undank und Widerspruch erfahren, damit sie ihren Stolz, ihre Eigenliebe, und das Vertrauen, das sie noch auf sich selbst setzen, erkennen lernen, und davon los werden. Er läßt sie Schmerzen oder Schwachheit am Leibe leiden, damit die Wollust gedämpft werde; er läßt sie an ihren zeitlichen Guter n Schaden leiden, damit sie einsehen lernen, wie sehr sie noch mit ihrem Herzen daran hangen, und alsdann davon los werden. Und überhaupt weckt er sie durch das Leiden auf, und treibt sie an, auf sein Wort besser Achtung zu geben, im Gebet ernstlicher zu ihm zu nahen, und ihn mit dem Verlangen ihrer Seele zu suchen. Viele suchen GOtt allein durch äusserliche Werke, und finden ihn nicht. Wer ihn aber mit einer anhaltenden Begierde der Seele sucht, findet ihn. So hat ihn David gesucht, und deßwegen gesagt: „Meine Seele dürftet nach GOtt, nach dir, HErr, verlanget mich“ u.s.w. und ist seines Suchens froh worden. Er hat GOtt gefunden in seinem Wort, welches er deßwegen als ein köstliches, süßes, erleuchtendes, erquickendes und stärkendes Wort rühmt. Er hat geschmeckt und gesehen, wie freundlich der HErr sei. Er hat Trost und Hülfe von ihm erlangt. Sein Gebet ist erhöret worden. Was hat ihn aber angetrieben, GOtt so ernstlich zu suchen und anzurufen? Ohne Zweifel seine vielen innerlichen und äusserlichen Leiden, wie der Psalter anzeigt. Ohne dieselben wäre er ein träger, leichtsinniger und eitler Mensch geblieben; wie er denn selber Ps. 119,67. sagt: „Ehe ich gedemüthiget war, irrte ich: nun aber halte ich dein Wort.“ Kinder GOttes sollen also nicht unwillig, sondern dankbar seyn, wenn GOtt sie väterlich züchtiget und in den Schmelztiegel des Leidens wirft. Sie sollen denken, daß alsdann der Heiland sitze, und sie reinigen und läutern wolle, wie Gold und Silber Mal. 3, 3.), und diesen Zweck an sich erreichen lassen. Ein jedes Leiden hat seinen besondern Segen. Man wird dabei dem Vorbild des leidenden Heilands innerlich und äusserlich ähnlich und zugleich tüchtig gemacht, ihm auch in der Herrlichkeit ähnlich zu werden. Hat man vorher viele vom Reich GOttes nur dem Schein nach gehabt, so daß man nur davon geredet, gelesen, gehört, und sich davon kraftlose Vorstellungen in dem Gemüth gemacht, ja allerhand fürwitzige Fragen aufgeworfen, so wird man nun durch die Noth gedrungen, ernstlich nach dem Wesen der geistlichen Dinge zu streben. Die Seele sehnt sich nemlich, weil sie sonst nicht bestehen und ruhen kann, dasjenige wahrhaftig und wesentlich zu haben und zu erfahren, wovon sie vorher nur die Worte gehört, gelesen und geredet, und wovon sie sich leere Vorstellungen zu ihrer Belustigung in ihrem Gemüth gemacht hatte. Sie sehnt sich also darnach, daß das Wort GOttes in ihr erfüllet werde, oder daß sie durch die Worte der Schrift auch die Sachen empfange, wovon die Worte handeln, und wenn sie sich unter vielem Gebet und Flehen darnach sehnt, so erlangt sie es; denn GOtt ist noch williger zum Geben, als wir zum Empfangen. Er ist reich über alle, die ihn anrufen; und hier gilt der Spruch Ps. 20, 5.: „Er gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alle deine Anschläge.“

Nur muß man hiebet sein geistliches Wachsthum, oder seinen geistlichen Reichthum nicht von Tag zu Tag wissen, und gleichsam messen und zahlen wollen, sondern sich dem HErrn einfältig hingeben, daß er gebe und wirke, und hinwiederum wegnehme und tödte, was ihm gefällig ist. Er thut es auch nach seiner Treue, und wenn wir ins Leiden gleichsam verschlossen sind: so sind wir seiner Einwirkung insgemein fähiger, als wenn wir sehr geschäftig und wirksam sind. Ja es ist kein Zweifel, daß der HErr in einer Seele, auch wenn sie sich's gar nicht bewußt ist, etwas Gutes wirken könne, wie das Beispiel der kleinen Kinder, die getauft werden, beweist. Auch muß man sich bei dem Wachsthum in der Heiligung kein Vorbild nach einem menschlichen Gutdünken machen: denn die Gläubigen sind von GOtt dem Vater verordnet, daß sie dem Ebenbild seines Sohnes gleich seyn (Rom. 8, 39.) und in sein Bild von einer Klarheit zu der andern verklärt werden sollen (2 Cor. 3,18.). Alles Gute also, das ein Christ an dem andern sieht, ist ein Stück des Ebenbilds des Sohnes GOttes, nach welchem alle Christen gestaltet werden müssen, und zwar ein jeder nach seiner Maße: da hingegen Christus alles Gute unermeßlich in sich hat. Welch eine Herrlichkeit wird es seyn, wenn einmal alle gerechtfertigten und geheiligten Christen vor dem Thron GOttes und des Lammes versammelt, und alle Christo ähnlich seyn werden, und sich doch seine Herrlichkeit in einem jeden anders als in den übrigen allen spiegeln wird! Wer sollte sich nicht gern vom HErrn berufen, rechtfertigen und heiligen, eine kurze Zeit durch's Feuer der Trübsal läutern, und endlich vollenden lassen, um zu dieser seligen Versammlung zu gelangen.

Hat es aber nun diese Bewandtniß mit frommen und redlichen Christen, daß sie in ihrem Christenlauf nicht stille stehen dürfen, sondern unter dem Leiden in der Heiligung fortfahren sollen: wie unglückselig sind diejenigen, welche mit einer unsinnigen Frechheit sagen: sie wollen bleiben, wer sie seien, und niemand soll sie anders machen. Solche Leute geben zu verstehen, daß sie weder vom Wort GOttes, noch vom heil. Abendmahl, noch vom Gebet einen Nutzen zu haben begehren; denn der Nutzen wäre dieser, daß sie dadurch eine selige Aenderung und Erneuerung, nach dem Ebenbild Christi, erlangten. Diesen Nutzen aber suchen verständige Leute, und wer etwas davon erfahren hat, sehnt sich, denselben unter dem Leiden noch völliger zu erfahren.

Zugabe.

Gottfried Arnolds göttliche Liebesfunken. Anhang des ersten Theils von den Stufen der Christen. S. l85 u. ff.

Nachdem JEsus die Seele durch seinen süßen Umgang freundlich gelabt, und wirklich stark und wachsend gemacht: so fängt er an, sie mit sich hinaus zu führen vor das Lager, daß sie seine Schmach tragen lerne. Und ob sie wohl durchgehends des Leidens Christi viel gehabt, so muß sie doch erstlich recht völlig mit ihm an den Oelberg unter die Pharisäer und Schriftgelehrten, wie auch unter die Verräther und Mörder, vor Pilatum an's Kreuz, in den Tod und in's Grab gehen. Eben wie er selbst zwar die ganze Zeit über in den Tagen seines Fleisches lauter Leiden, Mühe und Schmerzen erduldet, aber dennoch zuletzt erst in die allertiefste Erniedrigung und Verlassung GOttes gesetzt worden. Hier bringt nun die Seele zu solchem Weg nichts anders als die Liebe Jesu Christi. Diese dringt sie, und bindet ihr gleichsam als einem andern Isaak Hände und Füße, um sich führen zu lassen, wohin der HErr will. Ohne Kampf geht es freilich nicht ab, wo das Fleisch in seiner Schwachheit den Tod vor sich sieht. Aber wenn der Seele die Augen aufgehen, so erkennt sie gar wohl, wie oft sie bisher den Willen des Vaters hierinnen gehindert, und ihre Vollendung auch dießfalls aufgehalten habe. So ist sie desto eifriger daran, je mehr sie die Tücke des alten Adams und seine Ausflüchte erkennt, dadurch er sich des Kreuzes erwehren wollen. Darum entsteht in ihr ein sehnliches und ungeheucheltes Aufopfern ihrer selbst in den Willen des Vaters, in welcher Uebergebung sie zwar immer den eigenen Willen noch fühlen muß, gleichwohl aber vor dem HErrn ernstlich dawider protestirt, und mit ihrem leidenden Heiland von ganzem Herzen spricht: nicht wie ich will, sondern wie du willst. Dabei geht ein großer Kampf des Geistes und des Fleisches vor, da jener willig, dieses schwach ist, aber doch seinen Tod nicht wehren kann. Er sieht gleichsam schon seine Henker vor sich, welche ihm das Leben des eigenen Willens, Ehren, Lust, Bequemlichkeit und andere Vorteile, ja das Lob der Frömmigkeit selber nehmen sollen. Hingegen empfindet der Geist eine verborgene Freude und Hoffnung, daß diese Zurüstung auf seine Erlösung und Vollendung ziele, und ein neues Leben bedeute. Darum geht er so gern mit Sterbens - Gedanken um, nicht wegen des zeitlichen allein, sondern wegen des geistlichen Sterbens mit Christo in der Gemeinschaft seiner Leiden. In dessen Blut und Leidenskraft senket sich der Glaube auf's tiefste, und sucht den Grund des Herzens Jesu, damit er den Ausfluß und die wirkliche Mittheilung seiner Langmuth, Geduld und Stille bei allem Leiden genießen möge.

A. H. Franke, heiliger und sicherer Glaubensweg eines evangelischen Christen.

Nachdem mich GOtt in seine Gnade aufgenommen durch den Glauben an sein Kind JEsum, bin ich nicht zu einer Zeit gerechtfertigt, und zur andern nicht, sondern ich bin allezeit und beständig in der Gnade Gottes, und trage das Zeugniß der Kindschaft GOttes in meinem Herzen, den heiligen Geist, welcher in mir wohnet und wirket. In dem Glauben an JEsum ist mein Anfang, Mittel und Ende. Indem ich alles Selbstwirken verlasse, und erkenne, daß ich von mir selbst nichts als sündigen, und durch mich selbst nicht näher zu GOtt und seinem Licht kommen kann, mich aber an die lautere Gnade GOttes halte, und auf das Lamm GOttes sehe, das meine Sünde trägt, und in seinem Blut mich zum Vater nahe, so wird eine neue Kraft in meinem Herzen geboren, daß ich den Glauben als ein himmlisches Licht und Feuer in meinem Herzen fühle, die Liebe Christi schmecke, und der neue Mensch als ein guter Baum in seinen Blüthen ausschlägt, die ihren lieblichen Geruch von sich geben, und GOtt und Menschen wohlgefällige Früchte bringen. Es ist nicht ein anderer Weg, dadurch ich gerecht worden bin, und wiederum ein anderer, dadurch ich suche geheiliget zu werden, sondern es ist ein einziger Weg, nemlich Christus, welcher ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Gleichwie ich wich an nichts halte, als an Christum, wenn ich um Vergebung der Sünden bitte, also halte ich mich auch allein zu ihm, und kehre mich nur lauterlich zu seiner Gnade und Kraft, wenn ich im Glauben, Liebe und Hoffnung stärker zu werden trachte. So lange der Mensch sein Nichts erkennet, und doch Alles in Christo findet, so wallet das Herz im himmlischen Frieden, und wird von GOtt erquickt und gestärkt: sobald sich das Herz erhebt, und nicht sein Heil pur lauter in der Vergebung der Sünden sucht und findet, so tritt man auf einen falschen Weg, der voll Unruhe ist. Doch hat auch GOtt seine Stunden der Anfechtung und Demüthigung. Und damit dem Menschen das Innerste seines Herzens offenbar werde, muß er Durch viele Prüfungen gehen, ob er gleich nicht abtritt von dem rechten und richtigen Weg. Selig ist der, der sich das Ziel nicht verrücken läßt, welches leicht geschehen kann, wenn man nicht auf Christum allein sieht, sondern auf anderer Menschen Beispiel, und wenn man hoch fliegen, und vor der Zeit am neuen Menschen groß seyn will. Niemand kann seiner Länge eine Elle zusetzen, ob er gleich darum sorgt. Dieß findet seine Gleichheit auch am inwendigen Menschen. Die Natur will gern ihren Weg gehen, und sieht kein anderes Mittel vollkommen zu werden, als daß man suche Etwas zu werden: GOttes Weg aber gehet gar anders, denn er macht zu nicht was etwas ist, damit er Alles in Allem werde. Und dieses Alles ist in dem Einigen verfaßt: wer an den Sohn GOttes glaubt, der hat das ewige Leben, Joh. 3, 36. HErr Jesu, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.

F. C. Steinhofer's Erklärung des ersten Briefs Johannis S. 504 u. f. bei 1. Joh. 4, 17.

Die Liebe GOttes ist zwar völlig in Christo Jesu geoffenbaret und geschenkt, sie kann nicht höher steigen und völliger werden, als sie in Christo bestimmt und gegeben ist. Es bleibt bei dem Geschenk. Aber das kann seyn, daß wir noch wenig von dieser völligen Liebe schmecken und genießen, daß das Herz noch mit mancher Finsterniß verdunkelt und bedrängt ist. Johannes aber meint es auf einen völligen Genuß dieser Liebe, daß sie an uns zu dem Zweck gekommen, worauf es GOtt in Christo mit des Sünders Herzen meint, und sie nun sein Herz besitze. Da ist nun die Liebe völlig in dem Menschen, wenn ihm in seinem Herzen und Gewissen nichts übrig bleibt, als zu denken: Mein GOtt ist Liebe. Und davon gibt Johannes das Kennzeichen: wer sich noch fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe. Wenn also das ganze Herz und Gewissen von der Versicherung dieser Liebe im Genuß so durchdrungen und eingenommen ist, daß ich in meinem Innersten keine andere schreckende Stimme mehr dagegen höre, sondern nur lauter Friede und Freimüthigkeit entgegen antwortet, so ist's völlige Liebe.

Gebet.

O GOtt! der du dein gutes Werk in den Seelen der Menschen nicht nur anfangest, sondern auch vollführest bis auf den Tag Jesu Christi: erweise diese Barmherzigkeit auch an mir, der ich noch schwach und weit zurück bin, und mir selber nicht forthelfen kann. Du hast das Werk der Schöpfung so weit fortgesetzt, bis es vollendet war. Auch hat dein lieber Sohn JEsus Christus das Werk der Erlösung am Kreuz vollbracht. So führe denn durch deinen Geist auch das Werk der Heiligung und Erneuerung in mir fort, und bringe es dereinst zum Ende, weil du doch sonst deine völlige Ehre an mir und durch mich nicht erlangtest, und ich auch zur vollkommenen Ruhe nicht käme. Durch meine Vernunft und Kraft wird hierin freilich nichts ausgerichtet: aber was du thust, das steht da; und was du thun willst, das muß werden; denn du trachtest und jagest ihm nach (Pred. Sal. 3,15.). So übergebe ich mich denn dir, und opfere dir meinen Verstand und Willen, ja meinen Leib und meine Seele auf, daß du mit deiner göttlichen Weisheit, Güte und Kraft darin wirkest, und mich immer mehr zu deinem Bilde erneuerst. Zerstöre in mir die sündliche Eigenliebe, und alle fleischliche Lust, und mache mich los von allen Geschöpfen, damit ich dir immer völliger anhange. Bewahre mich, daß ich nie der eiteln Welt, oder mir selbst, in so fern ich ein eitler Mensch bin, zu gefallen suche: hingegen reinige und bilde du mich so, daß ich dir gefallen könne, und du am jüngsten Tag, der alles klar machen wird, Ehre von mir habest. Segne mein Leiden dazu, daß es für mich ein Schmelztiegel sei, worin ich reiner werde. Ach, daß es mir nicht gehe, wie Salomo sagt: wenn man den Narren im Mörser mit dem Stampfer zerstieße wie Grüze, so ließe doch seine Narrheit nicht von ihm. Spr. Sal. 27,22.) Vor dieser Halsstarrigkeit bewahre du mich, und gleichwie du mich äusserlich züchtigest, also züchtige mich auch innerlich. Gleichwie du mir irdische Gaben nimmst: also nimm auch den irdischen Sinn aus meinem Herzen weg. Ja, gleichwie mein Alter täglich zunimmt, und ich dem Ziel meines Lebens täglich näher komme: also verschaffe, daß ich auch in der Heiligung zunehme, und der Vollkommenheit näher komme. Laß mich endlich schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, und satt werden, wenn ich erwache nach deinem Bilde. (Ps. 17, 15.) Amen.

1. Ihr, die ihr durch der Gnade Macht
Dem Wust der Welt entronnen,
Und den, der euch zu GOtt gebracht,
Von Herzen lieb gewonnen.
Hört, was das neue Liebesband
Und euer hoher Christenstand
Noch weiter von euch fordert.

2. Ihr seid vorlängst zu GOttes Ruhm
In Christo auserkohren.
Er hat euch ihm zum Eigenthum
Im Glauben neugeboren,
Dem wahren Weinstock einverleibt,
Der euch zu guten Früchten treibt,
Durch Zufluß seiner Kräfte.

3. Nun ist der Anfang zwar gemacht.
Das danket seiner Gnade,
Doch habt nur auf den Fortgang acht,
Lauft munter und gerade
Nach seiner Richtschnur in dem Wort,
In Jesu Sinn und Laufbahn fort,
Die Heil'gung zu erlangen.

4. Die Heiligung ist euer Ziel,
Nun gilt's ihr nachzujagen.
Wer einen Stillstand machen will,
Der fragt nach Menschen-Tagen,
Und wird bei'm besten Anfang doch
Durch Faulheit unversehens noch
Sein schönes Loos verscherzen.

5. Des Herzens Abgrund ist so tief,
Nur GOtt kann ihn ergründen.
Die Sünde, die oft ruhig schlief,
Kann schnell dich überwinden.
Drum pflüge tief, und laß nicht nach,
Bis Christi Gnade allgemach
Von Grund aus dich erneuert.

6. Bald steigt das Herz in Hoffart hoch,
Und trotzt in guten Tagen.
Bald sinkt es unter'm Leidensjoch
In's Murren und Verzagen.
O wilde Triebe der Natur!
Wie lang, wie kräftig muß die Kur
Zu eurer Heilung wirken.

7. Nur frisch an Jesu Kreuz gehängt,
Was sich Vom Eig'nen reget!
Da dann sein Leben in uns dringt,
Und Seel' und Leib beweget.
Wer so nach Scheidung von sich strebt,
Daß nicht mehr Er, nur Christus lebt,
Der reift zur sel'gen Ruhe.

8. Allein hier braucht man Heldenmuth;
Denn täglich muß man kämpfen,
Und weiß die wilde Schlangenbrut
Oft nicht genug zu dämpfen:
Drum kommt GOtt dem gepreßten Geist,
Der nirgends durchzudringen weißt.
Durch Leiden selbst zu Hülfe.

9. Er dämpft durch Kreuz und Ungemach
Des Fleisches wilde Triebe:
Den eitlen Stolz durch Spott und Schmach:
Durch Krankheit Wollustsliebe:
Den Geiz durch Schaden und Verlust.
Was jedem fehlt, ist ihm bewußt,
Und auch wie Er's soll heilen.

10. Entzeuch dich nicht, ob die Natur
Vor'm Leiden will erschrecken.
Der Tiegel nimmt die Schlacken nur,
Die sonst den Geist beflecken.
Gereinigt durch des Leidens Glut
Wird bald, drum habe guten Muth,
Das Gold des Glaubens glänzen.

11. Da wird das Herz zum Beten wach,
Und fleht vor GOttes Pforten.
Man fühlt sich arm, entblöst und schwach,
Und lechzt nach seinen Worten.
Da wird die eig'ne Kraft verzehrt;
Daß GOtt, dem aller Ruhm gehört,
Allein uns Alles werde.

12. So wächst man auf der Leidensbahn
Im Glauben, Hoffen, Lieben.
In Demuth, die oft sorgen kann,
Ob man auch treu geblieben.
Das schönste Gold ist oft versteckt,
Und selbst den Heiligen verdeckt,
Daß sie sich nicht erheben.

13. Genug, wenn Christi Geist sein Bild
Den Herzen eingedrücket.
Genug, wenn wir mit ihm erfüllt
Zum Hochzeittag geschmücket
Dereinst in seinem Schmucke steh'n
Und alle Christo ähnlich seh'n,
Dem Erstgebornen Bruder.

14. Die Königin, des Lammes Braut,
Die vor die Sonn' verbrannte,
Wie herrlich wird sie da geschaut,
Nach ihrer Kreuzesschande,
O wie verlohnt sich's doch so gut,
Wenn man Glück, Ehre, Gut und Blut
Für JEsum aufgeopfert.

15. Zurück, wer ein Verächter bleibt,
Und Christi Leiden fliehet,
Wen noch die Lust des Fleisches treibt.
Noch Welt und Satan ziehet,
Wer lieber bleibet, wie er ist,
Und sich dabei noch gar vermißt,
Den Himmel weg zu stehlen.

16. Wie wird doch wohl der Staub und Thon
Am Tag des Zorns bestehen,
Wenn er wird auf dem weißen Thron
Den heil'gen Richter sehen?
Fürwahr, was unrein und gemein,
Geht nicht zu Salems Thoren ein;
Denn draußen sind die Hunde. (Offenb. Joh. 2l, 25. 22, 15.)

17. HErr Jesu, der du selbst dein Licht
In mir hast angezündet,
Ach fahre fort und ruhe nicht,
Bis du mich ganz vollendet.
Brauch alle Mittel. Ich bin dein.
Und sollten's tausend Leiden seyn,
Nur daß ich GOtt einst schaue.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/roos/kreuzschule/kapitel11.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain