Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Viertes Kapitel.

Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Viertes Kapitel.

Von der Armuth.

Auch die Armuth ist eine von den gewöhnlichen Trübsalen des menschlichen Lebens. Viele Leute sind von ihrer Geburt an arm: andere werden durch Unglückfälle, als da sind: Brand, Raub, anhaltender Mißwachs, anhaltende Krankheiten, arm. Wenn eine Theurung entsteht, dergleichen eine zur Zeit der Apostel entstanden ist (Apg. 11,28.), so fühlen auch solche Leute die Armuth, welche sonst ein gutes Auskommen gehabt hätten. Eine sündliche und schmähliche Ursache der Armuth ist der Leichtsinn und Muthwille, womit mancher sein Vermögen verschwendet, oder seine Haushaltung vernachläßigt, wovon Salomo redet, indem er Spr. Sal. 23, 20. 21. sagt: „sei nicht unter den Säuffern und Schlemmern (oder Fressern); denn die Säuffer und Schlemmer verarmen, und ein Schläfer (das ist ein fauler Mensch) muß zerrissene Kleider tragen.“ Ingleichem Sirach, der Kap. 18,30-33. u. Kap. 19,1. schreibt: „folge nicht deinen bösen Lüsten, sondern brich deinen Willen: denn wo du deinen bösen Lüsten folgest, so wirst du dich deinen Feinden selbst zu Spott machen. Sei nicht ein Prasser und gewöhne dich nicht zum Schlemmen (Fressen); auf daß du nicht zum Bettler werdest, und wenn du nimmer Geld im Seckel hast, auf Wucher nehmen müssest. Ein Arbeiter, der sich gern voll sauft, der wird nicht reich, und wer ein Geringes nicht zu arm hält, der nimmt für und für ab.“ Hievon kann man weiter nachlesen Spr. Sal. 5, 1-11., Kap. 6, 6-11., Kap. 10,4.5., Kap. 20,13., Kap. 24, 30-34., Kap. 28,19. Wer sich selbst auf diese Weise arm macht, ist ein ungetreuer Haushalter über die Gaben, die ihm GOtt anvertraut hat, macht den Bauch zum Gott, und versündiget sich sehr an seinen Kindern und Nachkommen, welche seinetwegen in kümmerlichen Umstanden leben müssen. Wer auf eine solche Weise an seiner eigenen Armuth ganz oder zum Theil schuldig worden ist, soll seine schwere Sündenschuld erkennen, Gnade suchen, sich bessern, und in Ansehung der Wirkungen und Gaben des heiligen Geistes desto mehr Treue beweisen, die Armuth aber, die er sich selbst zugezogen hat, geduldig ertragen.

Uebrigens wird es auch, so lange noch die Welt steht, gehen, wie Hanna, die Mutter Samuels, 1 Sam. 2, 7., gesagt hat: „der HErr machet arm und machet reich: er erniedriget und erhöhet“, und wie Salomo Spruch. 22, 2. sagt: „Reiche und Arme müssen untereinander seyn: der HErr hat sie alle gemacht.“

Das höchste Beispiel der Armuth ist unser HErr JEsus Christus, von welchem Paulus 2 Cor. 8, 9. schreibt: „ihr wisset die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, daß, ob er wohl reich war, ward er doch arm um euretwillen, auf daß ihr durch seine Armuth reich würdet.“ Auch kann man aus den vier Evangelisten abnehmen, daß der HErr JEsus, so lange er sichtbarlich auf der Erde gelebt hat, immer arm gewesen; wiewohl er dabei nie gebettelt, sondern erstlich als ein Zimmermann zu Nazareth gearbeitet, hernach aber von frommen Weibern freiwillige Beisteuern bekommen hat, s. Luc. 8,2. Ob er aber gleich so arm war: so ist er doch von dem Judas Ischarioth auch noch bestohlen worden, Joh. 12, 6. Am Kreuz ist seine Armuth aufs höchste gestiegen, da ihm auch seine Kleider genommen waren, und er auch ein Labsal bei seinem großen Durst von den römischen Soldaten, die ihn gekreuziget hatten, begehren mußte. Auch ist er nach seinem Tod auf fremde Kosten begraben worden, wie es armen Leuten zu wiederfahren Pflegt, die nicht so viel Eigenes hinterlassen, daß man sie davon begraben könnte.

Ist nun JEsus Christus, der HErr der Herrlichkeit, arm gewesen: so darf sich niemand der rechtmäßigen Armuth schämen, oder bei derselben verzagt seyn; denn der Knecht ist nicht größer denn sein HErr, und dieser HErr wollte arm werden, auf daß er auch mit der Schwachheit der Armen könnte Mitleiden haben; und worin er gelitten hat und versucht ist, darin kann er helfen denen, die versucht werden, Hebr. 4,15. 2,18. Man liest auch in der heil. Schrift, daß Jacob, Hiob, Mose, Naemi, Ruth, David, Eliasund andere wenigstens eine Zeitlang arm gewesen. Auch waren Joseph und Maria, die Eltern Jesu, arm, und Paulus sagt von sich und den übrigen Aposteln 2 Cor. 6,10.: sie leben als arme Leute, und machen doch viele durch's Evangelium geistlich reich. Auch sind die ersten Christen im jüdischen Lande bald in eine große Armuth versunken; weßwegen Paulus bei den bekehrten Heiden, die vermöglicher waren, Beisteuern für sie gesammelt hat. Ueberdieß, obschon die Armuth niemand selig macht, und viele gottlose arme Leute täglich in die Verdammniß hinfahren, so hat doch der Heiland nicht gesagt: wie schwerlich werden die Armen ins Reich GOttes kommen, sondern er hat Marc. 10, 23. gesagt: „wie schwerlich werden die Reichen in das Reich GOttes kommen“; und Paulus 1 Tim. 6, 9.: „Die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke, und viel thörichter und schädlicher Lüste, welche versenken die Menschen ins Verderben und Verdammniß“; und Salomo Spr. Sal. 28, 22.: „ein treuer Mann wird viel gesegnet, wer aber eilet reich zu werden, wird nicht unschuldig bleiben.“ Obschon also der Reichthum an sich niemand verdammt, und ein Reicher durch den Reichthum der Gnade und Kraft GOttes auch selig werden kann: so ist doch bei dem Reichthum mehr Seelengefahr als bei der Armuth, und deswegen haben die Arme desto weniger Entschuldigung, wenn sie gottlos sind, und die Seligkeit verscherzen. Auch ist's ein anders, durch den Segen GOttes gleichsam zufälligerweise reich seyn oder werden, wiewohl auch dieser Zustand nicht ohne Gefahr ist, ein anders reich werden wollen, oder eilen reich zu werden, welches nicht ohne Schaden der Seele geschehen kann, und ein Zeichen des Geizes ist, welchen Paulus 1 Tim. 6, 10. „eine Wurzel alles Nebels“ nennet.

Ein Armer soll also nicht neidisch über die Reichen seyn, und auch nicht aus Geiz wünschen und eilen reich zu werden, sondern gottselig seyn und sich begnügen lassen, welches Paulus 1 Tim. 6, 6. einen großen Gewinn nennet. Zu dieser Vergnügsamkeit trägt es vieles bei, wenn man bedenkt, daß wir nichts in die Welt gebracht haben, und deßwegen auch nichts hinaus bringen werden, und daß also die zeitlichen Güter fremde, hinfällige und vergängliche Güter seien, die man in die zukünftige Welt nicht mitnehmen kann. Wenn nur also Nahrung und Kleider als eine Wegzehrung und Ausrüstung auf die kurze Wallfahrt dieses Lebens haben, so lasset uns begnügen. Ein Armer soll sich's für eine Ehre halten, daß er dem armen HErrn Jesu auch nach seinem äusserlichen Stand ähnlich seyn darf, und nicht aus ungeduldiger Lüsternheit aus diesem Stand auszugehen begehren; wie dann solches gemeiniglich auch nicht in des Menschen Macht steht, und er sich nur umsonst mit seinem eitlen Wünschen quälet. Wenn ein Armer sich von Herzen zu GOtt bekehret und in seine Gemeinschaft eindringt, so kann er bald mit David, der auf der Flucht vor dem König Saul auch arm gewesen, sagen: „Du, o GOtt, erfreuest mein Herz, ob jene gleich viel Wein und Korn haben“, Ps. 4, 8., und mit Assaph Ps. 73, 23 u. ff.: „Dennoch bleib ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rath, und nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch GOtt allezeit meines Herzens Trost und mein Theil. Denn siehe, die von dir weichen, werden umkommen. Du bringest um alle, die wider dich huren (d.i. die ihren Trost ausser dir suchen). Aber das ist meine Freude, daß ich mich zu GOtt halte, und meine Zuversicht setze auf den HErrn HErrn, daß ich verkündige all dein Thun.“ Wenn ein Armer das Zeugniß von Christo bekommt, welches der Engel oder Bischof der Gemeine zu Smyrna bekommen hat (Offenb. Joh. 3,9.): „ich weiß deine Werke, und deine Trübsal, und deine Armuth, du bist aber reich“ (an geistlichen Gaben), so ist er glückselig und kann sich wohl begnügen lassen.

Hier wird aber mancher Arme sagen: wenn nur der Sorgenstein nicht wäre, der mein Gemüth drückt! Wenn mir nur nicht oft der Gedanke einfiele: was werden wir essen, was werden wir trinken? Und fürwahr, der liebe GOtt läßt oft den Mangel groß werden, so daß der arme Christ nicht einsieht, wo er Brod, Kleider und anderes Nothwendige hernehme, und wie er sich und die Seinigen durchbringe. In diesen Fällen muß man aber wissen, daß GOtt demselben eine wichtige Glaubensprobe vorlege, und sich, wenn er sich dabei recht verhält, an ihm verherrlichen wolle. Der Glaube des armen Christen soll sich hier neben den Sprüchen, welche von der Rechtfertigung und Heiligung handeln, auch an diejenigen halten, worin GOtt den Seinigen auch die leibliche Versorgung versprochen hat. Dergleichen sind diese 1 Mos. 3, 19.: „Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brod essen“, das ist: bei der Arbeit deine Nahrung bekommen. Ps. 37, 125.: „Ich bin jung gewesen und alt worden, und habe noch nie gesehen, den Gerechten verlassen, oder seinen Samen nach Brod gehen.“ Ps. 132,15.: „Ich will ihre Speise segnen, und ihren Armen Brods genug geben.“ Hebr. 13,5.: „Der Wandel sei ohne Geiz, und lasset euch begnügen an dem, das da ist; denn er hat gesagt: ich will dich nicht verlassen, noch versäumen.“ Auch darf man sich hiebet der vierten Bitte des Vater Unser: „gib uns heut unser tägliches Brod“, getrösten: denn weil der HErr JEsus befohlen hat, sie zu bitten: so ist man gewiß, daß man nach seinem Willen bittet, wenn man sie bittet. Nun sagt Johannes 1 Joh. 5,14.: „Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, daß, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so höret er uns. Und so wir wissen, daß er uns höret, was wir bitten: so wissen wir, daß wir die Bitte haben, die wir von ihm gebeten haben.“ Wer also die vierte Bitte des Vater Unser gläubig bittet, den höret GOtt, weil sie mit seinem Willen übereinkommt, und wer weiß, daß ihn GOtt erhöret, der weiß in seinem Herzen, daß er die Bitte habe, obschon die gebetene Sache noch nicht da ist. Er hat aber doch die Bitte, insofern sie schon erhört ist, ob er schon auf die Gabe, um die er gebeten hat, noch eine Zeitlang warten muß. Ueberdieß hat der HErr den Armen zu gut in seinem Wort Gebote gegeben, welche, wo nicht von allen Menschen, doch von einigen zu ihrem Besten beobachtet werden. So sagt der HErr Ps. 83, 3. zu den Obrigkeiten: „Schaffet Recht den Armen und den Waisen, und helfet den Elenden und Dürftigen zum Recht“, so auch Spr. Sal. 22,16.32. Auch sagt er zu allen, die dieser Welt Güter haben, Spr. Sal. 19,17.: „Wer sich des Armen erbarmet, der leihet dem HErrn, der wird ihm wieder Gutes vergelten“, s. auch Spr. Sal. 14, 31., Kap. 19,17., Zach. 7,10. Er hat Luc. 6, 36. 38. ferner gesagt: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist. Gebet, so wird euch gegeben.“ Und 1. Joh. 3,17.18.: „Wenn jemand dieser Welt Güter hat, und sicher seinen Bruder darben, und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibet die Liebe GOttes bei ihm. Meine Kinder, lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der That und Wahrheit.“ Nun haben zwar die Heiligen abgenommen, und der Glaubigen ist wenig unter den Menschenkindern, doch aber gibt es noch immer Leute, welche durch die herzlenkende Kraft GOttes oder durch den innerlichen Trieb des heiligen Geistes diese Gebote GOttes den Armen zum Besten beobachten.

Wenn nun ein Armer dieses alles zu Herzen nimmt und glaubt, so ist er reich bei seiner Armuth: da hingegen die Geizigen und ungläubigen Reichen arm sind bei großem Gut, Spr. Sal. 13,7. Ein Armer, der gläubig ist, arbeitet gern, und danket GOtt, wenn er ihm dadurch ein Stücklein Brod bescheret. Und ob er wohl in der Noth auch jemand um etwas bittet, oder wenn er von seiner Wohnung vertrieben würde, zu andern Christen seine Zuflucht nehmen dürfte, die ihn aufzunehmen verbunden sind: so schämet er sich doch des eigentlichen Bettelns, wobei man von einer Thüre zur andern geht, fremdes Brod im Müßiggang ißt, und an der Seele großen Schaden leidet. Die armen Christen in Judäa, deren oben Meldung gethan worden, liefen nicht zu den begüterten Mitbrüdern unter den Heiden hinaus, um bei ihnen zu betteln, sondern blieben daheim, und arbeiteten ohne Zweifel; da dann jene Mitbrüder ihnen durch den Paulus eine Beisteuer sandten. Gleichwie also nach GOttes Willen immer Arme im Lande seyn sollen, so sollte dagegen kein Bettler seyn, 5 Mos. 15, 4., und wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, 2 Thess. 3,10. Noch weniger aber läßt sich ein gläubiger Christ durch die Armuth zum Stehlen verleiten, ob er auch durch dieselbe dazu versucht würde, Spr. Sal. 30, 9., denn durch das Stehlen würde er sich den Fluch zuziehen, und alles göttlichen Segens, ja der ewigen Seligkeit verlustig werden.

Endlich sieht ein gläubiger Armer auf die selige Ewigkeit hinaus, wo er, wie der arme Lazarus, getröstet, ja, wo er unermeßlich reich werden und mit allem Guten gesättiget werden soll. Alsdann wird er die Wahrheit der Worte Pauli völlig erfahren: „Christus ward arm um unsertwillen, auf daß wir durch seine Armuth reich würden“, 2 Cor. 8, 9.

Zugabe.

A. H. Francke, Sonn-, Fest- und Aposteltags-Predigten. 1734. In der Predigt am Sonntag Reminiscere S. 505 u. f.

Wie manchmal prüfet GOtt den Menschen durch Armuth, und läßt es ihm am Zeitlichen fehlen, damit er ihm Gelegenheit gibt, daß er sich im Gebet soll zu ihm als zu seinem Schöpfer und Vater wenden: aber der Mensch ist hierinnen nicht treu. Er wendet diese Prüfung nicht zu seinem heil an, sondern denket wohl auf verbotene Wege und Mittel, und suchet seiner Armuth zu entgehen. Da hingegen, wo er dieses als ein Leiden von GOtt zugeschickt wollte ansehen und in den rechten Wegen GOttes darin beharren und aushalten, so würde GOtt seine Verheißung an ihm erfüllen, da er gesagt: ich will dich nicht verlassen noch versäumen, und würde er also die göttliche Hülfe zur Stärkung seines Glaubens erfahren. Aber so will man, wenn Noth da ist, nicht glauben, daß GOtt werde helfen, sondern man stellet sich als sei GOtt gestorben, und sei nicht mehr derjenige, der er von Alters her gewesen ist, der GOtt, der ehemals Wunder gethan hat. Daher kommt es denn, weil man die Anfechtung nicht will über sich nehmen, noch in derselben treu seyn, daß man auch nicht erfähret, wie GOtt den Glauben darinnen stärke. Also sehet nun zu, wie ihr kämpfet, wie ihr euch gegen die Noth rüstet und stärket, daß euer Glaube möge bewahrt werden. Es liegt alles daran, so einmal der Glaube in euch geboren ist, daß ihr nicht darauf sehet, wie sich etwa GOtt und Menschen gegen euch stellen, sondern daß ihr nur einfältig an dem Wort GOttes .haltet, und demselben von Herzensgrund glaubet, es lasse sich in dem Aeußerlichen an, wie es wolle. Demnach bleibet nur im Gebet und Flehen vor GOtt, haltet ihm seine Verheißungen vor, und sprechet mit David: „mein Herz hält dir vor dein Wort: ihr sollt mein Antlitz suchen, darum suche ich auch, HErr, dein Antlitz.“ Ps. 27, 8. Sonderlich aber dringet nun in eine rechte tiefe Erniedrigung, und sprechet nicht mit der Welt: ei womit habe ich wohl dieses verschuldet, daß ich von GOtt also heimgesucht werde? sondern gebet euch vielmehr in allen Dingen vor GOtt schuldig, und denket, ihr habet noch tausendmal mehr verdient. Es dient ja alles zu mehrerer Reinigung und Läuterung, und zur Befestigung des Glaubens: sintemal, wenn GOtt die Noth am größten werden läßt, und uns ganz bis zur Hölle hinunter geworfen hat, so kommt seine Hülfe. Da erfahren wir, daß es eintrifft, was wir Pf. 50, 15. gelernt haben: „rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.“

GOtt, und nicht auf das zeitliche Gut setzest. Bist du arm, so mußt du auch von der Begierde reich zu werden frei und ledig seyn. -^ Es dürfen auch die äußerlich Armen und Elenden nicht denken, daß sie um deswillen in's Reich GOttes kommen werden, weil sie äußerlich arm und elend sind: denn GOtt ist nicht ein Mensch, der auf's Aeußerliche stehet, sondern er stehet an „das Herz der Elenden, und die zerbrochenen Geistes sind, und die sich fürchten vor seinem Wort.“ Jes. 66, 2. Es sei der Mensch reich oder arm, gelehrt oder ungelehrt, geehrt oder verachtet, stark und gewaltig oder schwach und niedrig: so muß er sich doch erst innerlich und am Geist als einen Armen, Krüppel, Lahmen und Blinden vor GOtt darstellen, so er anders unter denen seyn will, die zum Abendmahl des Lammes eingeführt werden. Arm muß der Mensch seyn am Innerlichen: denn Christus spricht Matth. 5, 3.: „selig sind die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr.“ Und Matth. 1l, 5.: „den Armen wird das Evangelium geprediget“, welche auch sind die „Mühseligen und Beladenen“, die er zu sich ruft, sie zu erquicken. V. 28. - Arm, arm mußt du werden in deinem Herzen, und als ein armer elender Bettler GOtt deinen himmlischen Vater um das Oel des Geistes mit Bitten, Suchen und Klopfen anflehen und anrufen.

Ebendaselbst stehen in der Predigt über das Evangelium am 11. Sonntag nach Trinitatis diese Worte: Es ist ja gewiß, daß, je höher, glückseliger, reicher und herrlicher ein Mensch in dieser Welt ist, je mehr Hinderniß hat er in das Reich GOttes zu gelangen: wie unser Heiland ausdrücklich lehret von den Reichen dieser Welt Matth. 19, 23. Hingegen lehret uns die Erfahrung, daß Noth und Elend den Menschen am allermeisten zu GOtt treiben. In Betrachtung dessen dürfen wir uns nicht wundern, daß auch äußerlich noch allezeit mehr arme, elende und vor der Welt verachtete Leute das Wort GOttes annehmen, als diejenige, so vor der Welt reich, geehrt, gelehrt, groß und gewaltig sind. „Sehet an“, spricht Paulus 1 Cor. 1, 26. 27. 28., „lieben Brüder, euren Beruf: nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern was thöricht ist vor der Welt, das hat GOtt erwählet, daß er die Weisen zu schanden mache, und was schwach ist vor der Welt, das hat GOtt erwählet, daß er zu schanden mache, was stark ist, und das Unedle vor der Welt, und das Verachtete hat GOtt erwählet, und das da nichts ist, daß er zu schanden mache, was etwas ist.“ Das ist eine harte Lection für die Welt, deren größte Klugheit ist nach hohen Dingen zu streben; aber weil es eine göttliche Wahrheit ist: so mag es wohl ein jeder, der vor der Welt hoch ist, oder hoch zu seyn begehret, zu einer scharfen Prüfung annehmen, ob er auch sei von denen, die von den Edlen berufen sind. - Bist du reich am zeitlichen Gut, so muß dein Herz von der Liebe des bezüglichen Reichthums so abgeschieden seyn, als ob du nichts hättest; damit du dein Vertrauen allein auf den lebendigen Gott setztest

Ebendaselbst steht in der Predigt über das Evangelium am 5. Sonntag nach Trinitatis Folgendes: Bedenket es recht, ob ihr auch wohl eure äußerliche Handthierung und Berufsarbeit mit GOtt und mit Christo anfanget. Mancher, ehe er etwas anfangt, spricht ja wohl: im Namen GOttes, das sind aber vielmals nur Worte, wobei das Herz nicht zu dem HErrn Christo bekehrt ist. Darum ist vor allen Dingen nöthig, daß du ja dem HErrn Christo deine ganze Berufungsarbeit, deinen ganzen Stand, darinnen du bist, dein ganzes Amt, das du hast, und alles, was du verrichtest, übergebest. Gleichwie ein Schiff dem Steuermann übergeben wird, daß er's regiere: also mußt du dein ganzes Gewerbe und Werk, dein ganzes Amt und Stand dem HErrn Jesu überlasten, und ihn also in dein Schiff nehmen. Das muß nun nicht äußerlich mit dem Mund geschehen, sondern auch mit dem Herzen, also, daß du dir gefallen lassest, ob und wie viel er durch deiner Hände Arbeit von seinem leiblichen Segen dir zufallen lassen wolle oder nicht. Merket's doch alle wohl, und lernet es recht, wie ihr Christum suchen, und ihn in euer Schiff, das ist, in euer Herz, und in euren Beruf nehmen sollet. Seufzet darnach mit der Begierde des Herzens und sprechet: Du lieber Heiland, dir sei ganz ergeben mein Stand, darinnen ich lebe; ich habe bisher zwar sehr emsig gearbeitet, es hat aber nirgends fortgewollt, und ich habe nicht können zurecht kommen, und wenn ich gleich noch so viel erspart habe, so hat mir's doch eitel Sorge, Mühe und Jammer gemacht, und habe keine Ruhe des Herzens dabei gehabt. Nun übergebe ich dir's ganz und gar, und befehle es dir: du wirst's wohl machen.

Gebet.

Himmlischer Vater! du weißt, daß ich für mich und die Meinigen neben den geistlichen Gaben auch die leibliche Nahrung nöthig habe, hast mir aber verboten, Nahrungssorgen zu quälen: das Beten aber befohlen. Siehe, ich erscheine vor dir, ich klage dir meinen Mangel, ich bekenne dir meine Dürftigkeit: ich werfe alle meine Sorgen auf dich, und verlasse mich auf dein Wort, worin du gesagt hast: du wollest für mich sorgen: du wollest mich nicht verlassen, noch versäumen.

Lasse es mich denn erfahren, daß du diese Verheißungen auch an mir erfüllest, und, gleichwie du die Vögel unter dem Himmel ernährest, und die Feldblumen kleidest, also schenke auch mir und den Meinigen Nahrung und Kleider, ja gib uns heute unser tägliches Brod, um welches dein lieber Sohn uns hat beten heißen. HErr JEsus Christus, der du selbst im Stande der Erniedrigung arm gewesen, und nun zur Rechten deines himmlischen Vaters sitzest, siehe auf uns Arme, erbarme dich unser, hilf uns. Stärke unsern Glauben, mehre unsere Liebe, befestige unsere Hoffnung, und lasse uns auch in den äusserlichen und leiblichen Umständen deine gnädige Vorsorge spüren. Segne unsere Arbeit, und lenke die Herzen der Menschen, mit denen wir zu thun haben, zur Gütigkeit und Freundlichkeit gegen uns. Bewahre uns aber auch vor Lügen, Diebstahl, Betrug und Grimm, lasse uns ja die Armuth nicht dazu verleiten; lasse nicht den Unglauben bei uns überhand nehmen und herrschen, sondern Pflanze deine Furcht in unsere Herzen, damit an uns die Verheißung erfüllt werde (Ps. 128,1.2.): Wohl dem, der den HErrn fürchtet, und auf seinen Wegen gehet! du wirst dich nähren deiner Hände Arbeit: wohl dir, du hast es gut. Hilf uns durch deine Gnade und Vorsorge vollends wohl durch die Wüste dieser Welt hindurch, und lasse mich und die Meinigen am Ende unseres Laufs das Glück des armen Lazarus erlangen, dessen Seele von den Engeln in Abrahams Schooß getragen, und in jener Welt reichlich getröstet worden. Ja schenke uns allen das unvergängliche, unbefleckte und unverwelkliche Erbe, welches im Himmel behalten, und allen aus Gnaden gegeben wird. Amen.

1. Ihr Arme, die der HErr gemacht,
Kommt, höret meine Lehre.
Vom Himmel ist sie hergebracht
Zu eurer Freud und Ehre:
Daß sie der Armuth Vortheil euch
Und was sie Guts beschere,
Und wie ihr könnet werden reich
Bei eurer Armuth lehre.

2. Merkt doch, wie es, so lang die Welt
Von GOtt geschaffen, stehet,
Wie es mit Ehre, Gut und Geld
So wunderbarlich gehet.
Es waren da, nehmt's wohl in acht,
Stets Reiche und auch Arme.
Ein reicher Herr hat sie gemacht,
Daß er sich ihr' erbarme.

3. Der reiche HErr, was meint ihr wohl?
Ist der im Himmel droben.
Der Arme und der Reiche soll
Den, der ihn machte, loben.
Der Augenschein lehrt's jedermann:
Der so viel gute Gaben
Den Aermsten gab und geben kann,
Der soll den Dank auch haben.

4. Der reiche Herr, das seht ihr wohl,
Könnt' allen, die da leben,
Von Gut und Geld die Häuser voll
Und allen gleichviel geben.
Das thut er nicht. Nein! hört nur was
Er thut, er theilt die Gaben
Gar ungleich, der soll dieß, der das,
Der viel, der wenig haben.

5. Der bücket sich, und der spricht Recht,
Der hat groß Gut, der wenig.
Der ist ein Herr, der ist ein Knecht,
Der Bürger und der König,
Der Reich' und Arm' erleichtern sich
Nun wechselsweis die Plagen,
Wenn's nicht so: ach du würdest dich
Noch mehr als jetzt beklagen.

6. Denn denk' einmal, hält' jedermann
Die Güter dieser Erden
In reichem Maaß: wer wollte dann
Des andern Diener werden!
Wer suchte durch Geschäftigkeit
Sich wohl noch zu ernähren?
Wer würde eine Obrigkeit
Noch mit Gehorsam ehren?

7. Und würde morgen oder heut
Ein Starker dich bestehlen:
Wer hülf' dir, wenn die Obrigkeit
Nicht hätte zu befehlen:
Ja denke nach: wer dächte gern
Noch an die bessern Gaben,
Die wir von unserm guten Herrn
Auch zu gewarten haben.

8. Sieh diese Welt noch weiter an,
Wenn dir's noch jetzt mißfallet,
Daß GOtt der HErr den armen Mann
Zum Reichen hingestellet.
Da siehst du manchen Reichen, der
Beladen ist mit Gaben,
Und trachtet dennoch täglich mehr
Aus blindem Geiz zu haben.

9. Ihn flieht die Ruhe und der Schlaf.
Er kennt nicht wahre Freude,
Und GOttes Gab' wird ihm zur Straf
Und nicht zur Seelenweide.
Du siehst auch manchen, den sein Geld
Zum stolzen Sinn verleitet,
Und zu dem Fall in dieser Welt,
Und noch mehr dort bereitet.

10. Und manchen andern, dem die Lust
Und jeden guten Bissen
Vergällt der Wurm in seiner Brust,
Das nagende Gewissen.
Auch siehst du, daß oft oben drauf
Der Reichthum und die Ehre
Sich in dem wunderbaren Lauf
Der Dinge schnell verzehre.

11. Daß einer steigt, der andre fällt,
Der hinsinkt, und der stehet,
Und daß die Eitelkeit der Welt
Bald stürzet, bald erhöhet.
Daß nach dem Sprichwort Glück und Glas
Gar wohl zusammen taugen.
Wie bald bricht dieß! wie bald bricht das!
Dieß sehen deine Augen.

12. Du armer Mensch ertrage dann
Geduldig deine Leiden,
Und höre auf, den reichen Mann
Aus Unmuth zu beneiden;
Weil Ehre, Pracht und Geld und Gut
Und alle eitle Sachen
Bei weitem nicht den frohen Muth,
Das Glück der Seele machen.

13. Ach halte dieses alles nicht
Für GOttes beste Gabe;
Nein, merke dir's, und zweifle nicht,
Daß er was bessers habe;
Das suche dann ohn' Unterlaß
Am Abend und am Morgen:
Und hast du es, so überlaß
Den andern Glück und Sorgen.

14. Sei nur getrost, es wird dir seyn
Mehr als die Glückes-Gaben,
Und du wirst steten Sonnenschein
In deiner Seele haben.
Doch such' es recht: du find'st dieß Licht
Bei Reichen und bei Armen
Durch's Wollen und durch's Laufen nicht,
Nur durch des HErrn Erbarmen.

15. Drum schließ dich in dein Kämmerlein
Und flehe GOtt um Gnade,
Und laß Sein Wort die Leuchte seyn
Auf deinem dunkeln Pfade.
Ich bin wohl arm, dieß sei dein Spruch: (Tob. 14, 22.)
Doch werd' ich Gutes haben,
Und forsche dann in GOttes Buch
Nach GOttes besten Gaben.

16. Da liesest du, nach dieser Zeit
Sei noch ein anders Leben,
Das währe fort in Ewigkeit,
Dir wolle GOtt es geben.
Ihn sollst du eine kurze Zeit
Noch ohne Schauen lieben,
Und auf dem Weg zur Ewigkeit
Dich in dem Glauben üben.

17. Dann sollest du ein herrlich's Reich,
Und zwar nach deinem Sterben,
(Stirbst du im Armenhause gleich),
Von GOtt im Himmel erben,
Das dir, du frommer, armer Mann
Pracht, Reichthum, Ruhe, Ehre,
Und was man sonst noch wünschen kann,
Im Ueberfluß gewähre.

18. Bei dieser Hoffnung sollst du hier
Als Kind und Erbe leben,
Und GOtt will seinen Frieden dir
In deine Seele geben.
Und kommt dir dann der Zweifel ein:
Wie komm ich arme Made,
Ich Staub und Wurm, ich Sünderlein
Zu dieser großen Gnade?

19. So höre, was die Bibel sagt,
Faß auf, was ich erzähle,
Und bete d'rüber, bis es tagt
In deiner finstern Seele.
Ein Würmlein bist du, wie du sagst:
Du darfst dich nicht erheben.
Ein Sünder bist du, wie du klagst,
Dieß zeugt dein Herz und Leben.

20. Und also liefst du böser Knecht
Gerad in dein Verderben,
Und hättest von dir selbst kein Recht
Das Himmelreich zu erben:
Hätt' GOtt aus Liebe nicht für dich,
Noch ehe du geboren,
Gesorget, und zum Erben dich
In Christo auserkoren.

21. Er sandte selbst den lieben Sohn,
Den erstgebornen Erben,
Und ließ ihn unter Spott und Hohn
Für dich den Sünder sterben.
Für dich, für dich! Nun bist du frei
Von aller Sündenstrafe.
Auf! glaube, daß dem also sei,
Steh auf vom Sündenschlafe.

22. GOtt will, wenn das Gesetz dir flucht,
Die Sünden gern vergeben:
Und der Vergebung süße Frucht
Ist Seligkeit und Leben,
Nicht ist's genug, daß du es weißst,
Du sollst auch glauben lernen:
Drum hast du GOttes Wort und Geist,
Die Zweifel zu entfernen.

23. Und glaubst du's recht, so wirst du Ihn
Den treuen Vater lieben,
Und dich mit treuem Kindersinn
Auch im Gehorsam üben.
Dazu bekommst du GOttes Geist
In dich, der will dich führen,
Und lehren, was du noch nicht weißst,
Und deinen Sinn regieren.

24. GOtt ist dein Vater, der dich liebt:
Du bist des Sohns Erlöster,
Und wenn dich je noch was betrübt,
So ist der Geist dein Tröster,
Dein Salböl, Siegel, Angeld, Ring,
Ein Wasser, dich zu laben.
Sag: ist denn dieses Gut gering?
Sind dieß nicht hohe Gaben?

25. Was außer dir ist, ist wie Glas:
Es bricht, man kann dir's rauben.
Wer aber, bitt ich, kann dir das,
Was in dir ist, den Glauben,
Die Klugheit, die in GOtt sich schickt,
Die Einfalt frommer Tauben,
Kurz deine Seele ausgeschmückt
Mit Christi Bildniß rauben?

26. Wer raubt dir ein durch Christi Blut
Gereinigtes Gewissen?
Das dir bei einem frohen Muth
Das Leben kann versüßen?
Der Tod wird dir ein solches Gut
Auch endlich lassen müssen.
Die Gnade Jesu Christi ist
Dein Schatz noch an dem Grabe:
Wer aber kennt und zählt und mißt
Im Himmel deine Gabe?

27. Drum seht einmal und freuet euch
Ihr, die man Arme nennet,
Seht nur, wie ihr in GOtt so reich
Und selig werden könnet,
Und seid mit dem, was GOttes Hand
Euch auf der Welt beschieden,
Mit eurem Hüttlein, Rock und Stand
Und mit GOtt selbst zufrieden.

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