Römheld, Carl Julius - Predigt am zweiten Sonntage des Advents.

Römheld, Carl Julius - Predigt am zweiten Sonntage des Advents.

O Herr, gib uns den Heiligen Geist, damit wir deine Erscheinung lieb haben und deinem großen und offenbarlichen Tage mit Freuden entgegensehen können! Amen.

Text: Ev. Luk. 21, 25-36.
Und es werden Zeichen geschehen an der Sonne und Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein, und werden zagen; und das Meer und die Wasserwogen werden brausen. Und die Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden, denn auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so seht auf und hebt eure Häupter auf, darum, dass sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht an den Feigenbaum und alle Bäume. Wenn sie jetzt ausschlagen, so seht ihr es an ihnen und merkt, dass jetzt der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wenn ihr dies alles seht angehen, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass es alles geschehe. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht. Aber hütet euch, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch; denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wacker allezeit und betet, dass ihr würdig werden mögt, zu entfliehen diesem allen, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn.

Geliebte in dem Herrn! Ein Wort, ein Wort, ein Mann ein Mann; das bleibt unsre Sitte. Wer nicht danach sich richten kann, der tret‘ aus unsrer Mitte! - Das ist ein altes deutsches, ein menschliches Sprichwort. Seid ihr mit dessen Inhalt einverstanden? Wort halten, auch wenn das Wort ohne Feierlichkeit, bloß im gewöhnlichen Verkehr gegeben wurde, immer Wort halten, auch wenn's uns Unannehmlichkeit und Schaden bringen sollte, dennoch Wort halten, zuverlässig und treu sein, das ist des Mannes Ehre. Aber es ist auch den Frauen eine Ehre. Wortbrüchigkeit aber, oder ein solches Verhalten, dass man etwas sagt und zusagt, und nachher gar nicht daran denkt, sein Wort zu halten, solche Wortbrüchigkeit und Unzuverlässigkeit ist eine hässliche und schimpfliche Sache. Wo Wortbrüchigkeit und Unzuverlässigkeit der Menschen überhand nimmt, da führt sie nach und nach zum sittlichen Bankrott, zur Auflösung der menschlichen Gesellschaft; denn da wird das Zusammenleben immer schwerer und selbst unerträglich.

Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann, das möchte ich auch ein göttliches Sprichwort nennen; jedenfalls ist's ein göttlicher Grundsatz. Denn Gott legt großen Nachdruck darauf, dass er sein Wort auch halte und erfülle. Und wenn das auch nicht immer so bald geschieht, wie die kurzsichtigen und ungeduldigen Menschen meinen, geschehen wird es gewiss. „Ich habe mein Wort, ich habe meine Verheißungen und Drohungen nicht vergessen“, spricht Gott; „wartet nur, nur Geduld! Ich ewiger Gott messe die Zeit anders, als ihr kurzlebigen Menschen; ich halte mein Wort, das sollt ihr sehen“ spricht Gott. Also: ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann, - das bleibt auch bei ihm Sitte.

Aber das Sprichwort geht noch weiter: Wer nicht danach sich richten kann, der tret' aus unsrer Mitte. Wer richtet sich denn nicht danach? Vor allen Dingen der, der sein Wort bricht. Wer sein Wort nicht hält, der soll aus der Gesellschaft und Gemeinschaft der Zuverlässigen und Treuen, die ihr Wort halten, austreten oder ausgestoßen werden. Aber wer stets sein Wort hält und nie wortbrüchig ist, was kann der auch verlangen? Der kann verlangen, dass ihm jedermann Glauben schenke, dass jedermann sein Wort für Wahrheit nehme. Wer ihm nicht glaubt, wer sein Wort und Versprechen in Zweifel zieht, der richtet sich nicht nach jener Regel von der Mannestreue, der macht einen wahrhaften und unbescholtenen Menschen zum Lügner. Wenn ich nie mein Wort gebrochen habe, so tut mir der, der mein Wort bemängelt und in Zweifel zieht, der mir Wortbrüchigkeit zutraut oder nachsagt, einen großen Schimpf, ein schweres Unrecht an, er richtet sich nicht nach jener Sitte. Und da heißt's wieder: Wer nicht danach sich richten kann, der tret' aus unsrer Mitte, der werde aus der Gesellschaft ausgestoßen!

Und auch dies ist ein göttlicher Grundsatz. Wer Gotte nicht glaubt, der macht ihn zum Lügner. Und wer sich nicht danach richten kann, dass Gott in allen Fällen sein Wort hält, von dem spricht auch Gott: Der tret' aus unsrer Mitte, der kann in der Gemeinschaft Gottes und seiner Kinder nicht bleiben, der wird gleicherweise von Gott und seiner Gemeinschaft ausgestoßen. Also das Sprichwort: Ein Wort ist ein Wort, ein Mann ist ein Mann; das bleibt unsre Sitte; wer sich danach nicht richten kann, wer selbst sein Wort bricht, oder wer dem, der nie sein Wort brach, Wortbrüchigkeit und Treulosigkeit zutraut und nachsagt, der tret' aus unsrer Mitte, dies menschliche Sprichwort ist auch ein göttlicher Grundsatz.

Nun lasst uns

Ein Wort und Versprechen des Herrn Jesu Christi

hören, das er halten wird, das wir glauben, und nach welchem wir uns richten müssen.

I. Das Wort und Versprechen selbst.

Es war ein König, der verließ eines Tages sein Königsschloss, er verließ seine Residenz und Hauptstadt, und ging ganz allein auf ein entferntes Dorf, das auch in seinem Reiche lag. Die Bewohner dieses Dorfes waren arm und waren in Gefahr, von einem fremden Tyrannen, der ihnen zwar Glück und herrliche Dinge versprach, der aber sein Wort nie hielt, ganz beherrscht und unterdrückt zu werden. In dieses von einem lügnerischen Tyrannen beherrschte und noch mehr bedrohte Dorf ging aber der König verkleidet, er ging unbekannt, nicht als König, sondern als ein gewöhnlicher und geringer Mann in jenes Dorf. Kein Mensch sah ihm den König an. Dort wollte er die Bewohner mit ihrer gefährlichen Lage bekannt machen und sie befreien.

In dem Dorfe erkannten ihn einige. Sie sahen seinem ganzen Wesen die königliche Hoheit und Art an, und sie liebten und ehrten ihn als König, gehorchten seinem Rat und Willen, und hingen ihm an. Vielen aber war grade seine königliche Art und Hoheit zuwider, sie wollten nichts von ihm wissen, sondern lieber in den Banden und Neben des Tyrannen bleiben. Sie wurden sogar nach und nach boshaft gegen den fremden Gast, misshandelten ihn, und stießen ihn zum Orte hinaus. Da ist denn der König wieder in seine Residenz und in sein Schloss zurückgekehrt. Ehe er aber ging, sagte er zu denen, die ihn liebten und ihm anhingen: Bleibt fest an mir hängen, lasst euch nicht von mir abwendig machen, leidet euch und seid standhaft und treu bis in den Tod. Und wenn ihr von der anderen Partei auch ganz unterdrückt werden solltet, - nur standhaft geblieben! Ich werde nach einer längeren Zeit wiederkommen, aber nicht verkleidet und in Niedrigkeit; sondern wenn ich wiederkomme, dann komme ich als König und Herr. Dann werde ich den Lügner und Tyrannen samt allen euren Feinden strafen und unschädlich machen. Die meine Güte nicht wollten, die sollen dann meine Macht und Gewalt erfahren. Euch aber werde ich Freiheit und Frieden bringen; mein Dorf werde ich dem Tyrannen für immer entreißen, und ihr werdet es unter meinem Zepter allein besitzen und bewohnen.

So sprach der König, ehe er ging. Und die ihm anhingen, dachten: Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann, das bleibt unsre Sitte; wer nicht danach sich richten kann, der tret' aus unsrer Mitte. Sie wussten: Unser König hat sein Wort gegeben, das wird er nicht brechen. Und geduldig ertrugen sie alles, was ihnen von der Gegenpartei widerfuhr. Ihr Trost war und blieb: Unser König wird wiederkommen und wird schon alles schlichten und in Ordnung bringen. Die aber sein Wort nicht glaubten und sich nicht danach richten konnten, die traten aus ihrer Mitte und schlugen sich zur Gegenpartei.

Ihr wisst, wer der König, was seine Residenz, was das Dorf ist. Der König ist der Sohn Gottes, der seinen Himmel verließ und als ein armer Mann auf die Erde kam. Er hat sein Wort gegeben: Ich will euch wieder sehen und euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Noch vom Himmel herunter hat er uns sagen lassen: Dieser Jesus wird wieder kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. Und: Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann! Jesus wird und muss sein Wort halten, und wir haben keinen Grund, ihm Wortbrüchigkeit zuzutrauen, sondern müssen ihm glauben.

Also das ist sein Wort und Versprechen, welches er in unserm Texte und sonst oft gegeben hat: Ich werde wieder kommen. Lasst uns sehen,

II. wie er sein Wort erfüllen wird.

Wenn der Herr wieder kommt, dann ist ein großer, großer Abschnitt des ganzen Weltlaufs zu Ende. Die ganze gegenwärtige Welt, namentlich die Reiche der Welt, sind dann zu Ende, denn der eigentliche Herr und König kommt nun. Also wird alles im Zusammenleben der Menschen umgestaltet. Und deshalb gibt es auch große Veränderungen in der Natur und an den Weltkörpern, welche zu der Erde gehören. An Sonne, Mond und Sternen werden außerordentliche Erscheinungen sichtbar werden, der Himmel Kräfte werden sich bewegen. Weltkörper, die bisher feststanden, Fixsterne, werden in Bewegung, und auch das ungeheure Meer und die Wasserwogen werden in großen Aufruhr kommen. Das sind dann Zeichen, dass der König bald kommen wird, es sind Zeichen, die seiner Wiederkunft vorangehen. Denn er ist nicht bloß der König über die Erde und die Menschen, sondern über die Welten und Weltkörper.

Wenn's dann diese majestätischen Veränderungen an Sonne, Mond und Sternen und am Meere gibt, dann werden die Menschen auf Erden zagen, sie wissen nicht, was das geben soll, dass Himmel und Erde beben und in Bewegung sind; nichts ist fest, alles droht unterzugehen. Da werden die Menschen vor Furcht nichts essen und trinken können, und viele werden verschmachten, vor Angst, was nun kommen werde. Dann wird ihnen einfallen, was sie einmal aus Gottes Wort vom jüngsten oder letzten Tage dieser gegenwärtigen Welt gehört hatten. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Denn er kommt dann als König Himmels und der Erde. Jedermann wird dann gleich sehen: Sein ist das Reich, sein ist die Kraft, er besitzt und beherrscht auch des Himmels Kräfte, und sein ist die Herrlichkeit.

Also auf diese Weise wird er sein Wort halten und erfüllen. Und damit wir ja nicht daran zweifeln, dass er sein Wort hält, setzt er hinzu: Dieses Geschlecht, das Volk der Juden, wird nicht vergehen, bis das alles geschehen wird. Und wirklich, während alle anderen Völker der damaligen und der früheren Zeit untergegangen sind, hat sich das Volk der Juden bis heute erhalten, obschon es kein Land, keine eigne Obrigkeit, keine Priester und keinen Versöhnungsdienst mehr besitzt. Und unter sein Wort drückt er noch das Siegel: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

Also, meine Lieben, stehen Jesu Worte fester, als die Erde, und fester, als der Himmel. Die Erde bebt und wird untergehen, der Himmel wird wanken, in Bewegung kommen und vergehen, aber Jesu Worte beben nicht und wanken nicht, sie werden geschehen und erfüllt werden. Und das glauben wir ihm; wir halten den Herrn Jesum nicht für einen Lügner, sondern für die Wahrheit selbst. Wenn er nun sein Wort hält,

III. wie sollen wir uns denn danach richten?

Vor allen Dingen müssen wir zu seinen Freunden, Jüngern und Kindern gehören, nicht aber zu seinen Widersachern und Feinden, dann gibt sich alles von selbst. Nicht zagen, wenn die Erde zu beben, der Himmel zu wanken anfängt, nicht den Kopf hängen lassen! Nicht voll Furcht und Angst sein! Nicht verschmachten vor Bangigkeit! Das wollen wir seinen Feinden überlassen. Sondern aufsehen und den Kopf in die Höhe heben voll kindlicher Zuversicht zu unserm König. Denn er ist ja nicht unser Feind, und wir sind nicht seine Feinde, sondern er ist unser König und Vater, und er kommt, uns zu erlösen von allem Kampfe, von allem Übel. Und ob auch Himmel und Erde beben, und ob auch seine Feinde verzweifeln, für uns, die wir sein sind und treu bis in den Tod an ihm hängen, bringt Jesus nicht Untergang, sondern ewige Errettung, „darum, dass sich eure Erlösung naht“. Auf seine Wiederkunft freuen wir uns darum, wie wir uns alle Jahre freuen, wenn die Bäume anfangen auszuschlagen und den nahen Frühling verkünden. Denn wenn unser Herr wieder kommt, dann geht der Unglücks- und Trübsalswinter auf dieser Erde für immer zu Grunde, und ein neuer, ewiger Frühling bricht an.

Nun fügt der Heiland aber noch eine Warnung hinzu: Der Tag wird plötzlich kommen, wenn's fast niemand glaubt, er wird kommen wie ein Fallstrick über alle, die auf Erden wohnen. Darum seid auf eurer Hut und wacht, lasst euch ja nicht in die Lustbarkeiten der Welt, in Essereien und Trinkgelage ein, und hütet euch vor Nahrungssorgen! Dagegen seid allezeit bereit, vor dem Menschensohn zu erscheinen und vor seinem Angesicht zu stehen!

Auf diese Weise richten wir uns nach seinem Worte.

Das ist nun, meine Lieben, ein herrliches Evangelium. Die Wiederkunft des Heilandes ist die Sehnsucht aller lebendigen Gotteskinder. Ja, Himmel und Erde harren diesem größten Weltereignis entgegen. Gott gebe uns seinen Geist, er gebe uns Öl auf unsre Lampen, dass wir diesem Tage auch mit Freuden entgegensehen können! Amen.

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autoren/r/roemheld/kirchenjahr/roemheld-kirchenjahr-2_advent.txt · Zuletzt geändert: von aj
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