Murray, Andrew - Nach Jesu Bild - denn wir bleiben in ihm

Murray, Andrew - Nach Jesu Bild - denn wir bleiben in ihm

Wer da sagt, dass er in Ihm bleibe, der soll auch also wandeln, gleichwie Er gewandelt hat.“ 1 Joh. 2,6.

In Jesu bleiben und wie Jesus wandeln: Diese zwei Segnungen des neuen Lebens werden uns hier in ihrer wesentlichen Zusammengehörigkeit vor die Seele geführt. Die Frucht eines Lebens in Jesu, ist ein Wandel wie Jesus.

Der erste dieser beiden Ausdrücke, das Bleiben in Jesu, ist uns kein fremder. Das wunderbare Gleichnis des Weinstocks und der Reben, mit dem damit verbundenen Befehl: „Bleibt in mir und ich in euch,“ ist uns schon oft eine Quelle reicher Belehrung und Trostes geworden. Und ob wir es uns gleich bewusst sind, dass wir das Bleiben in Ihm noch nicht vollkommen gelernt haben, so kennen wir doch schon aus Erfahrung etwas von der Freude der Seele, die da sagen kann: „HErr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich in dir bleibe.“ Er weiß aber wohl, wie oft noch immer die dringende Bitte zu Ihm empor steigt: „Lieber HErr, verleihe mir doch ein vollkommenes, ununterbrochenes Bleiben in dir!“

Der zweite Ausdruck, der Wandel wie Jesus, ist nicht weniger bedeutungsvoll als der erste. Darin ist die Verheißung der wunderbaren Kraft enthalten, welche das Bleiben in Jesu ausüben wird. Als Frucht unserer Übergabe an Ihn, um nun gänzlich in Ihm zu leben, wirkt sein Leben so mächtiglich in uns, dass unser Wandel, dieser äußere Zeuge unsres inneren Lebens, dem seinen ähnlich wird. Unzertrennlich sind diese beiden Dinge; das Bleiben in Jesu geht stets dem Wandel mit Ihm voraus, und wiederum wird das Streben, Jesu ähnlich zu wandeln, ein noch völligeres Bleiben bezwecken. Nur wenn dies unser Ziel ist, wird uns die Notwendigkeit einer inneren Verbindung mit Jesu völlig bewusst, nur dann kann der himmlische Geber die Fülle seiner Gnade über uns ausgießen, weil Er sieht, dass wir sie dazu benützen wollen, wozu er sie bestimmt hat. Mancher wird entdecken, dass hierin der Grund liegt, warum das Bleiben in Jesu ihm nicht gelungen ist; es war nicht im Blick auf einen, Jesu ähnlichen Wandel, dass er danach trachtete. Die Worte des Apostels Johannes fordern uns auf, diese beiden Wahrheiten in ihrer wesentlichen Verbindung und in ihrer Abhängigkeit von einander, genauer anzuschauen.

Das erste, was wir aus denselben zu lernen haben, ist dies: Wer danach verlangt, in Jesu zu bleiben, muss also wandeln, gleichwie Er gewandelt hat. Wir kennen alle die naturgemäße Tatsache, dass ein Rebe die ganz gleiche Frucht trägt, wie der Weinstock, zu welchem sie gehört. Das Leben des Weinstocks und der Rebe ist nur ein Leben, deshalb muss es sich auch auf dieselbe Weise äußern. Als der Herr Jesus uns mit seinem Blut erkaufte und uns dem Vater darstellte in seiner Gerechtigkeit, da überließ Er uns nicht unserer alten Natur, um darinnen Gott zu dienen, so gut wir es vermöchten. O nein; in Ihm wohnte das ewige Leben, das heilige göttliche Leben des Himmels und ein jeder, der in Ihm ist, empfängt von Ihm dasselbe ewige Leben und dessen heilige, himmlische Kraft. Darum ist auch die Erwartung eine ganz berechtigte und natürliche, dass wer da in Ihm bleibt und beständig Leben von Ihm empfängt, auch also wandle, gleichwie Er gewandelt hat.

Das mächtige Leben Gottes in der Seele wirkt jedoch nicht wie eine zwingende Gewalt, so dass wir unwillkürlich genötigt würden, wie Jesus zu handeln. Im Gegenteil, es muss die Folge unsres freien Entschlusses, unsres starken Verlangens, unsres ganzen Willens sein, dass wir wandeln, wie Jesus wandelte. Um dies zu bezwecken, zeigt uns der himmlische Vater an dem Erdenleben Jesu, wie das Leben des Himmels sich gestalte, wenn es sich zu den Umständen und Verhältnissen unsres menschlichen Lebens herablässt. Und wenn wir von Jesu das neue Leben empfangen, wenn Er uns zuruft, in Ihm zu bleiben, um dieses Lebens noch völliger teilhaftig zu werden, so weist Er uns hin auf sein irdisches Leben und sagt uns, dazu habe Er uns das neue Leben mitgeteilt, auf dass wir wandeln, gleichwie Er gewandelt habe. „Gleichwie ich, also auch ihr“: Dieses Wort unsres Meisters umfasst sein ganzes Leben auf Erden und macht dasselbe ganz einfach zur Regel und zum Leitstern unsres Wandels. Wenn wir in Jesu bleiben, so dürfen wir nicht anders handeln als Er. „Gleichwie Jesus;“ in diesem kurzen, alles umfassenden Wort ist das selige Gesetz des Christenlebens enthalten. Wie Jesus dachte, redete, handelte, so sollen wir denken, reden und handeln; wie Jesus war, also sollen auch wir sein.

Die zweite Aufgabe, die wir aus unseren Textesworten zu lernen haben, ist die Ergänzung der ersten: Wer danach trachtet zu wandeln wie Jesus, der muss in Ihm bleiben.

Es ist doppelt wichtig, dass wir dieses recht zu Herzen nehmen. Bei Einigen ist das ernste Verlangen und das Streben vorhanden, dem Beispiel Jesu nachzufolgen, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, wie unmöglich dies ihnen ist, es sei denn, dass sie in der Tat bleiben in Jesu. Es gelingt ihnen nicht, weil sie den hohen Befehl, zu wandeln wie Jesus wandelte, ausführen wollen, ohne die allein hierzu befähigende Kraft ohne in Christo zu leben. Andere sind im entgegengesetzten Irrtum befangen: sie kennen ihre eigene Schwachheit und halten das Wandeln wie Jesus für eine Unmöglichkeit. Beide, diejenigen, welche danach trachten und erliegen und diejenigen, welche gar nicht danach trachten, weil sie erwarten zu erliegen, bedürfen der Ermahnung, die wir hier nachdrücklich betonen. Um zu wandeln, wie Jesus, muss man in Ihm bleiben; wer da in Ihm bleibt, der hat die Kraft zu wandeln wie Er; freilich liegt sie nicht in ihm selbst, in seinen eigenen Anstrengungen, sondern in Jesu, dessen Kraft in den Schwachen mächtig ist. Gerade, wenn ich mich meiner gänzlichen Ohnmacht am tiefsten bewusst bin, und Jesum in seiner wunderbaren Vereinigung mit mir, als mein Leben ergreife, dann wirkt seine Kraft in mir, und ich bin imstande, ein Leben zu führen, das gänzlich über dem Bereich meiner eigenen Kraft liegt. Auf diese Weise erkenne ich es, dass das Bleiben in Jesu nicht nur für gewisse Zeiten und Anlässe gilt, sondern dass es mein ganzes Leben durchdringen muss, und zwar durch seine bewahrende Gnade, ohne Unterbrechung, so dass daraus all mein Tun und Lassen fließt. Hierdurch gewinne ich den Mut, Ihn wirklich in allen Dingen zu meinem Vorbild zu nehmen, weil ich dessen gewiss bin, dass die verborgene, innere Vereinigung und Ähnlichkeit, sich auch im Handeln und Wandeln zu einer sichtbaren Ähnlichkeit gestalten muss.

Lieber Leser, wenn Gott uns Gnade gibt, im Lauf unserer Betrachtungen in die tiefe Bedeutung dieser seiner Worte einzudringen und das, was sie uns über ein Leben der Umgestaltung nach Jesu Bild lehren, zu erfassen, so werden wir mehr als einmal vor solche Höhen und Tiefen gestellt werden, dass wir werden ausrufen müssen: „Wie soll das zugehen?“ Wenn der Heilige Geist uns die himmlische Vollkommenheit offenbart, die sich in der Menschheit des HErrn, als des Ebenbildes des unsichtbaren Gottes zeigte und dann zu uns spricht: „Also sollt auch ihr wandeln,“ so wird die erste Wirkung, die wir empfinden, diese sein, dass wir gewahr werden, wie entsetzlich weit wir von Ihm entfernt sind. Wir werden geneigt sein, die Hoffnung aufzugeben und wie die vielen zu sagen: Es lohnt sich nicht danach zu ringen, ich werde nie wandeln können, wie Jesus. In solchen Augenblicken werden wir in dieser Botschaft Trost finden: „Wer da bleibt in Ihm, der soll, der kann auch also wandeln, gleichwie Er gewandelt hat. Das Wort des Meisters: „Wer in mir bleibt, der bringt viele Frucht,“ wird uns alsdann zur Verheißung, dass Er uns die genügende Kraft mitteilen werde.

Darum, mein Bruder, bleibe in Ihm! Jeder Gläubige ist in Christo; aber nicht jeder bleibt in Ihm in der bewussten, freudigen und zuversichtlichen Hingabe seines ganzen Wesens. Du weißt, was es heißt, in Ihm zu bleiben. Es besteht darin, dass wir mit ganzer Seele darein willigen, dass Er fortan unser Leben sei, darin, dass wir es Ihm zutrauen, Er werde uns in allem, was zu unserem täglichen Leben gehört, durch seinen Geist leiten, und endlich darin, dass wir uns Ihm völlig und rückhaltlos zur Verfügung stellen, damit Er in uns herrschen und wirken könne. Daraus entspringt dann die Ruhe der völligen Gewissheit, dass Er jeden Augenblick das in uns zustande bringen werde, was wir sein sollen, und uns in der völligen Hingabe an Ihn erhalten werde, wobei Er ungehindert in uns wirken kann.

Möchten doch alle, welche sich danach sehnen, zu wandeln, gleichwie Jesus wandelte, aus dem Anschauen dessen, was Er ist und als was Er sich auch in ihnen, so fern sie Ihm vertrauen, erweisen wird, neuen Mut schöpfen. Er ist der rechte Weinstock; kein Weinstock hat für seine Reben das tun können, was Er für uns tun will. Wir müssen nur da einwilligen, seine Reben zu sein. Ehrt Ihn durch die freudige Zuversicht, dass Er, der rechte Weinstock, euch durch seine allmächtige Kraft halten und euch aus seiner unendlichen Fülle alles mitteilen wird, wessen ihr bedürft. Wenn ihr in solchem Glauben auf Ihn schaut, so wird statt des Seufzens und des Unterliegens die Stimme der Lobpreisung gehört werden, die da einstimmt in die Worte des Glaubens: „Gelobt sei Gott! Wer da bleibt in Ihm, der wandelt auch, gleichwie Er gewandelt hat. Gelobt sei Gott! Ich bleibe in Ihm und ich wandle, wie Er gewandelt hat. Ja, gelobt sei Gott! in dem seligen Leben der Erlösten ist das Bleiben in Jesu unzertrennlich verbunden mit dem Wandeln wie Jesus.“

Treuer Heiland! Du weißt, wie oft ich dir schon gesagt habe: HErr, ich bleibe in Dir!“ Und doch empfinde ich es zuweilen, dass die volle Freude und Lebenskraft noch fehlt. Dein Wort hat mich heute daran gemahnt, worin der Grund meiner Niederlage zu suchen sein möchte. Ich habe mehr um meines eigenen inneren Friedens und Wachstums, als um deiner Ehre willen, gesucht in dir zu bleiben. Ich hatte es noch nicht völlig erfasst, dass die verborgene Vereinigung mit dir die völlige Umgestaltung in dein Bild bezweckt, und dass nur dann, wenn ich mich völlig hingebe, um dem Vater zu dienen und zu gehorchen, so völlig wie du es tatest, ich alles das empfangen kann, was deine himmlische Liebe mir mitteilen will. Jetzt erkenne ich etwas hievon: Die völlige Hingabe, so zu leben und zu handeln, wie du lebtest und handeltest, muss der vollen Erfahrung der wunderbaren Kraft deines Lebens vorangehen.

HErr, ich danke dir für dieses neue Licht. Von ganzem Herzen will ich deinem Rufe folgen und mich dargeben in allen Dingen, so zu wandeln, gleichwie du gewandelt hast. Dein treuer Nachfolger in allem, was du in deinem Leben auf Erden warst und tatest, zu werden, dies sei das eine Verlangen meines Herzens.

Jesu, wer sich in der Tat hingibt, zu wandeln, wie du wandeltest, der wird die Gnade erlangen, völlig zu bleiben in dir. O mein HErr, hier bin ich. Zu wandeln, wie Jesus wandelte, hierzu weihe ich mich dir; zu bleiben in Jesu, hierzu verlasse ich mich auf dich, in der völligen Zuversicht des Glaubens. Vollende du dein Werk in mir.

O mein HErr, so oft ich darüber nachdenke, was das heißen will: wandeln, wie Jesus wandelte, so hilf mir durch deinen Heiligen Geist diese selige Wahrheit festzuhalten: als einer, der da bleibt in Jesu, habe ich die Kraft, zu wandeln wie Jesus. Amen.

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