Müller, Heinrich - Von den Wunderwegen Gottes.

Müller, Heinrich - Von den Wunderwegen Gottes.

O Tiefe! Wer kann dich ergründen! Röm. 11, 33.

Meine Gedanken, spricht Gott beim Jesaias, sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege. Sondern so viel der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch meine Wege höher, denn eure Wege, und meine Gedanken, denn eure Gedanken. Ist ja freilich so, Gottes Wege und Gedanken sind unendlich, unsere endlich; jene fest und unbeweglich, unsere flüchtig und veränderlich; jene stark und kräftig, unsere schwach und kraftlos; jene himmlisch, unsere irdisch; jene unbegreiflich, unsere begreiflich. Hier muß man sagen: O Tiefe! Wer kann dich ergründen? Wenn Menschen zum Ziel wollen, muß ein Weg da sein, zum Ende gelangen sie durch Mittel. Gott hilft oft ohne Mittel, denn seine Allmacht ist an keine Mittel gebunden; aus nichts Alles. Was ist da für ein Mittel? Traure nicht, liebstes Herz, wenn du nichts hast. Wo nichts ist, da schafft Gott Alles, und thut die größten Wunder. Menschen können keine Wege finden, wo sie Gott nicht weist; Gott kann Wege machen und Mittel schaffen, wo keine sind. Wer machte den Weg durchs Meer, daß Israel trocken hindurch ging? That ers nicht? Er gab Brod vom Himmel, Fleisch durch die Winde, Wasser aus dem Felsen. Seine Hand ist noch nicht verkürzt, darum verzage nicht; noch lebt der Gott, der aus Steinen Brod machen kann, und Mittel geben, wo keine sind. Menschen eilen zum Ziel durch bekannte Wege, und wenn sie durch ihre Arbeit etwas schaffen wollen, brauchen sie solche Mittel, die eine Verwandtniß haben mit dem Zweck ihres Absehens; Gott aber geht immer einen ungebahnten Weg, und braucht solcher Mittel in seinen Verrichtungen, die mit dem Ziel ganz und gar nicht einstimmen, ja ihm auch zuwider scheinen. Betrachte das Werk der Schöpfung! Hieß er nicht das Licht aus der Finsterniß hervorleuchten? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsterniß? Machte er nicht Himmel, Erde und Alles aus nichts? Beschaue das Werk der Erlösung! Muß nicht der Fluch auf Jesum fallen, daß sein Segen über uns komme? Muß er nicht dem Tod in den Rachen gehen, wenn er uns das Leben wieder bringen soll? Der Segen aus dem Fluch, das Leben aus dem Tod; denke, wie wunderlich! Nicht geringere Wunder erfährst du im Werk der Heiligung und der Regierung seiner Kirche. Soll Paulus erleuchtet, muß er zuvor mit Blindheit geschlagen werden; wer groß sein will, muß klein werden; wer gerecht, ein Sünder; durch Schmach zur Ehre; durch Armuth zum Reichthum; durchs Leid zur Freude; durch die Hölle zum Himmel. Heißt das nicht wunderlich? O Tiefe! wer kann dich ergründen? Schicke dich, liebe Seele, in Gottes Wunderweise. Es bleibt und muß bleiben beim Ausspruch Davids: Der Herr führt seine Heiligen wunderlich. Entweder kein Heiliger Gottes, oder wunderlich geführt. Gott wird dir keinen andern Weg machen, als alle seine Heiligen gehabt haben. Sind sie erhalten, du wirst nicht umkommen. Es ist eine Hand, die alle Heiligen führt. Der Gott, der sie geführt hat, führt dich auch. Laß ihn führen, folge du. Er verführt dich nicht, das trau ihm zu. Er ist dein Gott.

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