Melanchthon, Philipp - Am fünften Sonntage nach Trinitatis.

Melanchthon, Philipp - Am fünften Sonntage nach Trinitatis.

Evangelium Luk. 5, 1 - 11.

Der See Genezareth, der auch das Meer von Tiberias und das galiläische Meer heißt, ist ein großer Landsee, dessen Länge fast drei Meilen, die Breite etwas mehr als eine deutsche Meile beträgt. - Er enthielt klares, trinkbares, süßes, mäßig kühles Wasser, war darum sehr fischreich, und an seinen Ufern hielten sich viele Fischer auf, welche hier einen einträglichen Erwerb hatten, weil sie die Fische nicht nur frisch verkauften, sondern sie auch eingesalzen verschickten. Der Jordan fließt in diesen See, geht mitten durch, bis er wieder heraustritt und ins tobte Meer sich ergießt. - Der Name Genezareth scheint mir von dem Worte Nazareth gebildet zu sein, welches einen Sprößling, „ein schönes Zweiglein“ bezeichnet. Denn es war daselbst die reizendste Küste Galiläa's, die viele Arten der edelsten Gewächse hervorbrachte, z. B. die Balsamstaude, die außerdem nirgends auf der ganzen Erde wuchs; deßgleichen waren auch die Dattelpalmen daselbst vorzüglicher als irgendwo. Christus hielt sich sehr gern in dieser Gegend auf. - Das galiläische Meer wurde jener See genannt, weil er jene ganze Küste von Galiläa bewässerte. Galiläa ist aber so viel als ein Grenzland, eine Mark, weil diese Landschaft das äußerste Ende des Landes Kanaan nach Phönizien und Sidon hin war. Er hieß endlich das Meer von Tiberias, von einer Stadt dieses Namens, welche am Ufer dieses Sees lag; und daß man einen See auch Meer nennt, kommt öfters vor. Nach der Angabe des Josephus hatte der See Genezareth in die Länge 100, in die Breite 40 Stadien 1).

Zwei Hauptpunkte vornehmlich enthält die vorliegende Erzählung. Der erste:

Von der Berufsverwaltung,

wird sehr reizend im Fischzuge abgebildet, wie ja einzelne Handlungen und Begebenheiten stets Gemälde von wichtigen Dingen sind. Ja auch in der sichtbaren Natur hat Gott vieles Wichtige vorgemalt, nach dem Ausspruche: „Die Weisheit Gottes spielet auf Seinem Erdboden.“ (Spr. Salom. 8,31.) Sehen wir doch täglich, welche Gemälde, oder gleichsam Spiele der göttlichen Weisheit die Pflanzen und Blumen uns vor die Augen stellen. Es sind diese nur geringe Gegenstande, und doch 'an Farben, Wirkungen und andern Eigenschaften so verschieden, daß sie Abbildungen von den wichtigsten Dingen enthalten, welche, auf die rechte Weise benutzt, mit wundersamer Gewalt das Gemüth zur Betrachtung der Spuren der göttlichen Weisheit anregen.

So spielt gleichsam auch hier Christus, und stellt uns einen hochwichtigen Gegenstand im Bilde vor, wenn Er das Schiff auf die Höhe zu führen, und die Netze auszuwerfen befiehlt, worauf eine so große Menge Fische gefangen wird, daß das Netz zerreißt, und die von dem andern Schiffe herzugerufen werden müssen, um den Zug einbringen zu helfen. Petrus hatte zuvor geklagt, daß er die ganze vergangene Nacht gearbeitet habe, daß aber seine Arbeit umsonst gewesen. Aber auf das Geheiß Christi spricht er: „Auf Dein Wort will ich das Netz auswerfen.“ In diesem ganzen Bilde wird ausgedrückt, daß jedes öffentliche Amt, jede Berufsweise in der Kirche, im Staate und im Hause, nur dann gesegnet ist, wenn Gott dieselbe fördert „wenn Er Hilfe und Glück dazu gibt, so geht's von Statten“. Wenn Gott unsere Pläne und Absichten, unsere Unternehmungen und Mühen leitet und segnet, nur dann begleiten erwünschte Erfolge dieselben. Er unterstützt und fördert aber die, so mit Gebet ihren Beruf treiben. Ich habe dieß in folgenden Versen zusammengefaßt:

„Nimmer ist glücklich dein Werk, und gedeihlich nie dein Beginnen,
Wenn der Allmächtige nicht Rath und Gelingen verleiht.
Dann nur hilft Er jedoch, wenn, kräftig im guten Bewußtsein
Des befohlnen Berufs Pflichten du treulich erfüllst,
Wenn von Christus zugleich, dem hilfreich nahen Erlöser,
Hilfe du forderst, von Ihm gläubig vertrauend sie hoffst.
So wird dir und dem Wolke dein Werk zum Segen gedeihen,
Und ein günstiger Wind leiten die fernere Fahrt.
Keine Gewalt wird hemmen des Herrn unbesiegliche Rechte;
Alles bezwinget und beugt Gottes unendliche Macht!“

Das ist die allgemeine Lehre der Kirche, welche durch die ganze Schrift sich mannichfach wiederholt. So heißt es im Johannes: „Ein Mensch kann Nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel (Joh. 3, 27.); und Christus spricht: „Ohne Mich könnet ihr Nichts thun. Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben; wer in Mir bleibet, der bringet viel Frucht.“ (Joh. 15, 5. 6.) Und so gibt es noch viele ähnliche Aussprüche, welche lehren, daß Berufsgeschäfte nur dann, und nur so lange glücklich von Statten gehen, als Gott dabei ist, und uns bei unserer Arbeit unterstützt. Laßt uns darum lernen, daß die Menschen nicht durch menschliche Klugheit ihre Lebensbahn und ihren Beruf leiten können. Alle Menschen, welche in einem, wenn auch noch so unbedeutenden Beruf gestanden haben, oder noch stehen, erfahren große Schwierigkeiten und mannichfaltige Hindernisse. Ja unser ganzes Leben überhaupt wird gar oft von Geschäften durchkreuzt, welche durch menschliche Kraft und Klugheit nicht zu entwirren sind. Selbst ein kleines Haus mag man nicht ohne manche Schwierigkeiten, Widerwärtigkeiten und Plagen verwalten. Weit schwieriger sind politische Geschäfte, am schwierigsten jedoch ist die Verwaltung der Kirche. Soll man nun etwa deßwegen seinen Beruf verlassen? Das sei ferne! Vielmehr muß man nur beharrlicher denselben verfolgen, und, treu der Gesellschaft dienend, den Trost festhalten, daß Gott denen, welche ihre Berufsgeschäfte unter Gebet und Flehen treu erfüllen, beistehen wolle, wie der Psalm spricht: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe aus Ihn; Er wird's wohl machen.“ (Ps. 37, 5.) Es werden auch wohl weise Menschen von solchen Gedanken angefochten. Sie meinen, durch eigne Anstrengung und Klugheit ihre Berufsgeschäfte leiten und die Gefahren abwenden zu können. Aber gerade diese Weisen finden sehr oft Anstoß, und thun einen schaudervollen Fall. Treten nun störende Widerwärtigkeiten ein, die sie nicht vorher gesehen, nicht berechnet hatten, dann fällt solchen Weisen der Muth, daß sie ihren Beruf verlassen wollen; denn es ist mit dem Vertrauen auf die eigne Weisheit gemeinlich die Ungeduld verbunden, zumal wenn die Erfolge nicht der Berechnung des Herzens entsprechen. -

Kindisch ist's, wenn Manche behaupten, man dürfe keinen bestimmten Beruf suchen oder übernehmen, indem es unmöglich sei, irgend einen ganz zu erfüllen. Freilich was uns anlangt, so ist's unmöglich, wohl aber wird es durch die Hilfe Gottes möglich. Man muß nothwendig einem Berufe folgen, muß Hausvater werden, in der bürgerlichen wie in der kirchlichen Verwaltung Lasten übernehmen; es müssen Männer da sein, um Staatsgeschäfte zu führen, Andere, um in den Schulen und Kirchen zu lehren, weil Gott in diesem Leben mittels des evangelischen Lehramtes Sich die Kirche sammeln, den geselligen Verein des menschlichen Geschlechts durch die Obrigkeit pflegen und schützen, und die Menschen durch mancherlei Aemter, Geschäfte und Pflichten unter einander vereinigt wissen will, damit die Menschheit fortwährend in einem bestimmten gegenseitigen Verbande bestehe. Es würde uns jedoch unmöglich sein, ohne Gott, auf unsre eigne Kraft und Weisheit beschränkt, unsere besondern Verhältnisse zu leiten, oder die öffentlichen Angelegenheiten des Staats, der Kirche zu verwalten, zumal bei der gegenwärtigen furchtbaren Feindschaft und Bosheit des Teufels, der ohn' Unterlaß schaudervolle Verwirrungen im ganzen menschlichen Geschlechte anrichtet. Deßhalb ruft Jeremias (10, 23.) aus: „Ich weiß, Herr, daß des Menschen Thun stehet nicht in seiner Gewalt, und stehet in Niemandes Macht, wie er wandele, oder seinen Gang richte;“ als wollt' er sagen: Ich erkenne und erfahre es wohl, daß die Schwachheit der menschlichen Kraft so groß, so gewaltig der Grimm des Teufels ist, daß der Mensch, allein und auf sich geworfen, seinem Beruf nicht vorstehen kann, daß nur, wenn Gott ihm beisteht, sein Beruf glücklich und gesegnet ist. Das sollen wir recht erkennen, und uns antreiben, zu flehen, daß Gott uns regieren, und in unsern Berufsgeschäften uns beistehen, unsere Arbeit segnen, günstige Erfolge uns verleihen, daß Er der Wuth des Teufels Einhalt thun, und in den so traurigen Zerrüttungen, die wir in unsern Tagen überhand nehmen sehen, eine kleine Schar Sich retten und erhalten wolle, wie auch Jesaias (1, 9.) spricht: „Wenn uns der Herr Zebaoth nicht ein Weniges ließe übrig bleiben, so wären wir wie Sodom.“ Diese so heilsame, und für alle Menschen in jedem Lebensverhältniß so nothwendige Lehre ist vorzüglich schön, und in den lichtvollsten, anschaulichsten Bildern im 127. Psalm ausgedrückt, dessen Hauptinhalt ist: Menschliche Anschläge und Arbeiten sind nicht glücklich noch heilsam, wenn Gott nicht hilft. -

Er spricht, indem er von der Verwaltung des Hauses und des Staats je besonders redet, in Bezug auf jene: „Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst die daran bauen.“ Und in Ansehung der Staatsangelegenheiten sagt er: „Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst.“ Hieraufgibt er in wenigen Umrissen das Bild des bekümmerten, sorgenvollen Hausvaters und Staatsmannes, wenn Er spricht: „Es ist euch umsonst, daß ihr frühe aufstehet und hernach lange sitzet!2); d. h., auch angestrengte, rastlose Arbeit, alle Sorgen und Bekümmernisse der Menschen, die vor Tages Anbruch aufstehen und „ihr Brot mit Sorgen essen,“ sind durchaus vergeblich, wofern sie nicht Gottes Hilfe und Beistand erfahren. Als Gegensatz wird hinzu gefügt: „Seinen“ Freunden gibt Er's schlafend.“ Er nennt Gottes Freunde die, so Ihn fürchten und anrufen, und meint: Gott gibt, welchen Er will, und gibt so, daß Er ihnen bei wunderbaren Veranlassungen und wunderbarer Weise seine Segnungen bietet. Er macht ihnen die Arbeit selbst angenehm, und verleiht ihnen zugleich Selenruhe. - Es folgt nun im Psalm eine Erweiterung jener Behauptung - durch ein Beispiel: „Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn, und Leibesfrucht ist ein Geschenk,“ - Diesen Vers verstehe ich nicht bloß von Kindern und einer gesegneten Nachkommenschaft, sondern allgemeiner aufgefaßt, von ausgezeichnet begabten Menschen überhaupt; denn auch ein ausgezeichneter Krieger, oder Rathsherr, oder Künstler, in irgend welchem Fache, ferner wackere Lehrer, wohlhabende Bürger sind Geschenke Gottes; und wie durch Seinen Beistand ihre Geschäfte gelingen, so sind auch sie hinwiederum heilsame Werkzeuge im menschlichen Geschlecht. Dieß drückt der Psalm in einem treffenden Gleichnisse aus: „Wie , die Pfeile in der Hand eines Starken, also gerathen die jungen Knaben.“ - Knaben, eine rüstige, wackere, kräftige Jugend, d. h. die hochgesinnten wackern Männer, welche Gott besonders erweckt, verfolgen rasch und kräftig, gleich als Pfeile, ihr Ziel, und bemächtigen sich, durch alle Schwierigkeiten und Hindernisse hindurch dringend, unaufhaltsam der glücklichsten Erfolge. - -

Zuletzt folgt noch der Zuruf: „Wohl dem, der seinen Köcher derselben voll hat;“ d. h., glücklich der Staat, in dem es solche Männer gibt; wo solche hochgesinnte Männer als öffentliche Beamte, Räthe und Krieger eine Herrschaft schmücken, da ist ein glückliches Regiment, da werden leicht die Feinde abgeschlagen. - Denn es wird sogleich hinzu gesetzt: „der wird nicht zu Schanden, wenn er mit seinen Feinden handelt im Thor.“ Die Thore waren vor Alters befestigte Thürme und zugleich Versammlungsörter der Räthe; - der Sinn ist demnach dieser: eine solche Regierung unterliegt nicht, wird von den Feinden weder durch kluge Anschlage, noch durch Gewalt besiegt. Kehren wir jedoch wieder zu unserer evangelischen Erzählung zurück, welche uns in ihrem reichen Gemälde auch noch andere liebliche Züge vorhält. Denn daß bei dem glücklichen Fischzuge das Netz zerreißt, bedeutet, daß auch glückliche Erfolge mit manchen Gefahren, Beschwerlichkeiten und Hindernissen verknüpft sind, und daß Nichts von allen Seiten günstig ist. Unsere Unternehmungen gewinnen, auch wenn sie glücklich von Statten gehen, einen viel andern Ausgang, als unsere Berechnung war. Thukydides sagt in Beziehung auf den Krieg: „In keiner Sache entspricht der Ausgang unsern Absichten weniger, als in den Kriegen.“ Dasselbe gilt auch von andern Angelegenheiten, welche gemeinlich weit gegen unsere Berechnungen und Wünsche sich entscheiden. Ferner ist in jenem Gemälde auch das ein wohl zu beachtender Zug: Das Netz zerreißt wegen einer so großen Menge von Fischen. So ward zur Zeit Christi und der Apostel die Kirche aus dem Volke der Juden gesammelt. Darauf gingen die Fugen der mosaischen Verfassung aus einander. Ferner, es. werden zwei Schiffe mit Fischen angefüllt; gleichermaßen, ist die Kirche aus Juden und Heiden gesammelt worden.

Hieran schließt sich der andere Hauptpunkt:

2. Von der Gewissensangst und dein Troste des Gewissens.

Denn als Petrus dieses Wunder sieht, beginnt er zu erschrecken, wie denn der Mensch bei gar verschiedenen Veranlassungen, der Eine so, der Andere anders, zur innern Zerknirschung gebracht wird. Zachäus befindet sich auf einem Baume, als ihn Christus ruft, und nimmt Ihn gastfreundlich auf, als Er ihm zu erkennen gibt, Er wolle bei ihm einkehren. Da erwachen im Zachäus nie empfundene Regungen der Gewissensangst, und darauf des Trosts. Er sieht auf seine Unwürdigkeit, und erbietet sich zur Wiedererstattung, wenn er fremdes Gut an sich gerissen. Als jene Sünderin von Christus hört, geht sie hin zu Ihm, bringt ihre Schmerzen vor Ihn, deren Aufrichtigkeit sie mit ihren Thränen bezeugt, und vernimmt Seinen Trost. So sind die Veranlassungen zur Buße gar mannichfach, am gewöhnlichsten aber die, wenn der Mensch in irgend eine große Noth geräth; dann fallen ihm seine Sünden ein, mit welchen er diese Strafen verdient, und er beginnt in Schrecken und Angst zu gerathen; und aus diesem Grunde eben schickt Gott Strafen, damit die Menschen sollen zur Buße gerufen werden, wie Paulus sagt: „Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht samt der Welt verdammt werden.“ (1. Kor. 11, 32.) So wird Manasse, jener grausame Tyrann und scheußliche Götzendiener, der die Propheten erwürgt und seine Söhne den Götzen geschlachtet hatte, in die Gefangenschaft weggeführt, und in dieser bekehrt er sich zu Gott, weil ihn nämlich diese Strafe an seine Sünden mahnt, und er nun in schmerzlicher Reue erkennt, durch dieselben das Mißfallen Gottes über sich gebracht zu haben. Bei einer andern Veranlassung aber geräth Petrus in Gewissensangst, nämlich bei dem Anblick des Wunders, indem er die Größe des gegenwärtigen Segens betrachtet, und mit demselben seine Unwürdigkeit vergleicht. Denn Gott ist durch dieses Wunder zugleich in ihm selbst wirksam, daß er erkennt, er, ein so großer Sünder, sei nicht würdig, daß ihm von diesem Herrn ein solches Geschenk zu Theil werde. Derselbe Petrus wird bei einer andern Gelegenheit während des Leidens zur Buße erweckt, da wo Christus ihn nach der Verläugnung anblickt. Da empfindet er auf Einmal die peinlichsten Schmerzen der Gewissensangst, so daß er hinaus gehet und bitterlich weinet; welche Thränen jedoch zugleich bezeugen, daß in ihm noch ein Fünklein des Glaubens glimmt, wie denn der Herr auch früher ihn getröstet hatte: „Ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.“ (Luk. 22, 32.) So findet auch hier eine Mischung der Gefühle Statt. Es zeigt sich im Petrus eine ungeheure Angst und Bestürzung, verbunden mit Furcht und Schmerz bei dem Bewußtsein seiner Unwürdigkeit, wenn er dieselbe mit diesem großen Wunder vergleicht. Darum ruft er aus: „Herr, gehe von mir hinaus; ich bin ein sündiger Mensch!“ Er, überlegt nicht ganz, was er sagt, wie wir denn im Schmerz oft uns nicht bewußt sind, was wir reden. Es drückt jedoch diese ängstliche Bestürzung zugleich seine vor Gott fliehende Gewissensangst aus. Denn weil er selbst nicht aus dem Schiffe entfliehen kann, fordert er Christum auf, Sich von ihm zu entfernen. Es sind demnach Worte des zitternden und fliehenden Gewissens, und eben so sind die Schmerzen der Gewissensangst beschaffen; so lange wir nämlich in derselben ohne Glauben sind, suchet das Herz Gott nicht, sondern fliehet Ihn, und findet doch nicht, wo es sich vor dem Anblick des zürnenden Richters verbergen möge. Diese mit ernster Buße verbundenen Gefühle werden in verschiedenen Stellen der Psalme geschildert; so wenn es heißt: „Wo soll ich hingehen vor Deinem Geist; und wo soll ich hinfliehen vor Deinem Angesicht? - Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor Deinem Dräuen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde“ (Ps. 139, 7. 38,4.); und Hiskias ruft aus: „Er zerbrach mir alle meine Gebeine, wie ein Löwe.“ (Jesaias 38, 13.) Christus tröstet aber den bebenden Petrus, wenn Er spricht: „Fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen sahen.“ Mit diesem Trostworte richtet Er ihn auf, heißt ihn alle Furcht und alles Sagen ablegen, und glauben, daß ihm seine Sünden vergeben werden. 'Auch erwählt Er ihn zum Apostelamt, und verheißt ihm, daß er in diesem Berufe ähnlichen Erfolg haben werde, wie er gegen seine Hoffnung und Erwartung bei diesem Fischzuge gehabt, so daß ihm dieser Fischfang als Zeichen und Unterpfand seiner künftigen Erfolge im apostolischen Berufe dienen solle.

Obwohl nun Christus diesen Trost dem Petrus insbesondre ertheilt, der denn auch durch die Ergreifung desselben aus der Niedergeschlagenheit seines zagenden Gewissens aufgerichtet wird, so haben wir doch aus diesem Beispiele im Allgemeinen zu. lernen, daß zu solchen innern Schmerzen Trost sich gesellen muß; wir sollen daher wissen, daß auch uns das Wort gilt: „Fürchte dich nicht,“ und eingedenk sein, daß das göttliche Gebot ein ewiges, unabänderliches, unwandelbares ist, auf daß wir an die Verheißung glauben, und in solchem Glauben Gewißheit haben sollen, daß wir wegen des Sohnes Gottes Gnade finden, und daß durch Ihn und um desselben willen uns Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und die Erbschaft des ewigen Lebens geschenkt wird, nach dem Ausspruche: „Von Diesem zeugen alle Propheten, daß durch Seinen Namen Alle, die an Ihn glauben,. Vergebung der Sünden empfangen sollen.“ (Apostelg. 10, 43.) Sodann wollen wir jenes Wort Christi auch auf die Beruhigung derer anwenden, welchen die Verwaltung eines Amtes und. Berufs obliegt. Christus spricht zu Petrus: „Fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen sahen,“ als wollt' Er sagen: Du, Petrus, wirst die Kirche verwalten; und es wird das Netz zerreißen; gewaltige Unruhen, furchtbare Gefahren werden eintreten. Du wirst gänzliche Auflösung, allgemeinen Untergang und Verwüstung, Vereitelung aller Mühen und Unternehmungen in deinem Berufe besorgen. Aber „fürchte dich nicht,“ wisse, daß auch dann Ich mit dir sein, und die Kirche, trotz des Widerstrebens und Gegenkampfes der höllischen Mächte, erhalten werde. „Denn,“ sagt Er ein ander Mal: „Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matth. 23, 20.) „Niemand wird Meine Schafe aus Meiner Hand reißen“ (Joh. 10, 28.); und: „Ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es thun; Ich will heben und tragen und erretten.“ (Jes. 46,4.) Diese süßen Trostworte muß man bei den gegenwärtigen und drohenden Zerrüttungen und Erschütterungen der ihrem Untergang zueilenden Welt festhalten und gewiß sein, Gott werde einige Reste der Kirche erhalten, und zwar werde Er nicht nur einzelne fromme Familien, sondern auch öffentliche Vereine in Seinen Schutz nehmen, damit die Verwüstung und Zerrüttung nicht allgemein werde. Wende nun Jeder solchen Trost auf sich besonders an. Wie durch Christi Beistand der Fischzug des Petrus glücklich und gesegnet war, so wird auch deine Mühe und Arbeit in deinem Berufe nicht umsonst sein, sondern gewiß mit einigem Erfolg dir lohnen, sollte auch derselbe erst dann sichtbar werden, wenn die Gefahr vorüber gegangen, und die Noth abgestellt oder gelindert sein wird, welche dich jetzt mit Sorge und Kummer erfüllt. ,' Zu Ende unsers Textes heißt es: „Sie verließen Alles und folgten Ihm nach;“ und Petrus spricht einmal: „Siehe, wir haben Alles verlassen, und sind Dir nachgefolget!“ (Luk. 18, 28.) Diese Worte darf man nicht in abergläubischem Wahne von gänzlicher Verachtung und Wegwerfung des Eigenthums verstehen; denn Christus war nach diesem Vorfall bei Petrus, in dessen Hause, als Gast, wo Er auch die Schwiegermutter desselben vom Fieber heilte; und nach der Auferstehung Christi kehrten die Jünger zu ihrem Fischergewerbe zurück; sie besaßen mithin noch Schiffe, Netze und andere Werkzeuge als Eigenthum. Wir haben 'jene Worte vielmehr also zu verstehen: Sie verließen Alles, und folgten Ihm nach, in soweit nämlich ihr Beruf es gestattete; vorzugsweise gaben sie sich dem Apostelberufe hin; waren sie aber zu Hause, und nahm sie das Lehrgeschäft nicht in Anspruch, dann besorgten sie auch, so viel ihnen möglich, ihre häuslichen Angelegenheiten. Gleicherweise zieht auch der Krieger, oder auch ein Bürger, der Kriegsdienst zu thun sich genöthigt sieht, ins Feld, und folgt dem Heere, und läßt .Habe und Eigenthum zurück; jedoch geht er dadurch des, Seinen daheim weder verlustig, noch sagt er sich davon los; sondern er behauptet das Eigenthumsrecht und den Besitz, ungeachtet er nicht dafür Sorge tragen kann, weßhalb er auch seinen Sold erhält. Auf diese Art also zogen die Apostel den ihnen gewordenen Beruf, ihrer äußern Habe vor. Von ganz anderer Art ist die Verachtung und Ablehnung des Eigenthums, welche die Mönche und die Wiedertäuferischen zur Schau tragen; diese ist durchweg abergläubisch. Gott hat das Menschenleben also geordnet, daß Jeder seinen eigenen Herd und seinen besondern Hausstand haben soll. Außerdem würden die Menschen nicht für das Wohl ihres Körpers sorgen, das Leben der Ihrigen nicht unterhalten können.

So haben wir denn aus der Erzählung in unserm Texte zu unserer Belehrung hauptsächlich zu merken, erstlich die Erinnerungen in Ansehung der Berufsverwaltung, daß wir uns nicht auf unsere Weisheit, Einsicht und Kräfte verlassen, aber hinwiederum durch vorkommende Schwierigkeiten und Hindernisse uns nicht entmuthigen lassen sollen. So wollen wir denn das in unserm Berufe uns befohlene Werk getreulich und mit Anrufung Gottes thun, gewiß, daß mit Seiner Hilfe , unsere Arbeit und unser Tagewerk nicht vergeblich, sondern erfolgreich und gesegnet sein werde. Ferner laßt uns auch jenen andern Trost wahrnehmen; bei jeder Gelegenheit, welche in Bestürzung und Niedergeschlagenheit uns versetzt, wollen wir durch die tröstende Stimme des Evangelium uns aufrichten, auf dieselbe uns stützen, und nicht dem Schmerze uns überlassen, weil Schmerz ohne Glaube Flucht vor Gott ist, und das Herz, wenn es den Trost nicht ergreift, zuletzt Gott sich entfremden muß. Ist es aber durch den Glauben wieder aufgerichtet, dann muß auch neuer Gehorsam, den göttlichen Geboten gemäß, folgen; denn das sind ja die wesentlichen Stücke der wahren Buße, wie ich immer von Neuem bemerklich mache: Schmerz und Trauer, Glaube, der bei dem Sohne Gottes Zuflucht sucht, und neuer Gehorsam. So wird auch hier von Petrus und den übrigen Jüngern gesagt: „Sie verließen Alles und folgten Ihm nach.“ -

1)
Stadium ein Längenmaß von 600 Fuß; man rechnet nach der Verschiedenheit des Maßstabes eine verschiedene Sahl Stadien, gewöhnlich 40 bis 60 auf die geographische Meile.
2)
Nach dem Grundtext! „und spät zur Ruhe kommt.“
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