Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - Vorwort.

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - Vorwort.

Wer wäre es, den nicht die prophetischen Klänge des wunderbaren Liedes „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“ mehr als einmal der Zeitlichkeit entrückt und bis an die Tore der seligen Ewigkeit gebracht hätten! Wenn je ein Lied im höhern Chor gesungen worden ist, so ist es dies. Und wer wäre nicht begierig, dem Mund, der zu solchem Lied sich auftun konnte, weiter zu lauschen, wenn er sich öffnet, um der Herrlichkeit der ewigen Stadt ein neues und reicheres Zeugnis zu geben! Das tut vorliegendes Buch, welches wir hiermit unsern teuren Mitverbundenen, den verehrten Mitgliedern des christlichen Vereins, als neue und, wie wir hoffen, willkommene Gabe darreichen.

Der hocherleuchtete Sänger jenes Liedes ist bekanntlich D. Johann Matthäus Mayfart, und derselbe ist auch der Verfasser der hier aufs neue abgedruckten zwei Bücher von dem himmlischen Jerusalem. Er war Direktor und Professor des Casimirianischen Gymnasiums zu Coburg und lebte zu den Zeiten des dreißigjährigen Krieges. Über die Entstehung dieses Buches lässt er sich in der Vorrede zu demselben eines Weitern aus und sagt im Wesentlichen: „im April des Jahres 1626, als er sich neben seiner geringen Hauskirche zu dem heiligen Abendmahl eingestellt, habe er einen schlechten Sermon von der Freude des ewigen Lebens gehalten, der hierauf von guten Freunden begehrt sei; er habe dann auf ihr Verlangen über denselben Gegenstand vier Predigten bei dem fürstlichen Gymnasium gehalten und dem Druck übergeben. Weil ihren Wünschen aber damit noch kein Genüge geschehen, habe er sich zu einer ausführlichen Erklärung dieser Materie verstanden,“ „zumal weil bei diesen sehr betrübten Läuften1) solche Betrachtung manchen mit Kreuz bedrängten Christen sehr tröstlich sein könne, und jener Kirchenlehrer recht gesagt: der übersteht leichtlich das Elend der Zeitlichkeit, wer in seiner Andacht sieht auf die Glorie der Ewigkeit.“ Das Buch hat dann auch eine so günstige Aufnahme gefunden, dass es hat bald wieder aufgelegt werden müssen, und die Ausgabe, welche der nachstehenden Bearbeitung zum Grunde liegt, ist 1674 bei Wolfgang Endtern in Nürnberg erschienen und hat wörtlich den Titel: „Das erste Buch von dem himmlischen Jerusalem. Auf historische Weise, ohne alle Streitsachen, aus den holdseligsten und fröhlichsten Contemplationen, sowohl alter als neuer, doch gelehrter Väter und Männer beschrieben: und bei diesen betrübten Läuften allen frommen Christen zu einem Trost, nebst anmutigen Praecationibus, jaculatoriis oder Seufzerlein in Druck verfertiget durch Johannem Matthaeum Mayfartum. D. Direktorem und Professorem des Casimirianischen Gymnasti zu Coburg.“ worauf das zweite Buch mit gleichem Titel folgt. Wir wurden durch einen bekannten hochverehrten Gottesgelehrten auf das Buch mit dem Bedeuten aufmerksam gemacht, es sei ein Kleinod der älteren asketischen Literatur, und wenn die Bearbeitung desselben gelänge, so sei Großes gelungen. Es lag freilich auf der Hand, dass das Buch ganz ohne alle Veränderung den Lesern unserer Zeit nicht konnte dargeboten werden; denn wenn heut zu Tage die Verehrung des Alten zuweilen so weit getrieben wird, dass man von den alten Erbauungsschriften auch nicht einen Buchstaben missen will, selbst nicht die lateinischen, griechischen und hebräischen Zierraten, mit denen sich dieselben gern schmücken, so stehen wir nicht auf dieser Seite. Die Aufgabe aber war, so zu ändern, dass weder an dem Inhalt noch an der Form etwas Wesentliches eingebüßt, und doch die auffallendsten Anstöße hinweggeräumt, das Unnötige beseitigt, und das Ganze dem christlichen Leser genießbar und annehmlich gemacht würde. Die Lösung dieser Aufgabe war aber gerade bei diesem Buch ungemein schwierig, indem seine eigentümliche Kraft vorwiegend in der gehobenen rednerischen Sprache beruht. Wir können aber die Versicherung geben, dass wir es an Mühe und Fleiß nicht haben fehlen lassen, und müssen der ausdauernden Hilfe des Herrn Pastor Bötticher in Wahlhausen noch unsere besondere Anerkennung aussprechen. Wir versehen uns freilich, dass das Buch, auch wie es vorliegt, sehr verschiedenen Urteilen anheim fallen wird. Es ist einem großen Teile unserer Zeitgenossen der Glaube an die zukünftigen Dinge ganz abhanden gekommen. Der Wahlspruch: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!“ ist ein sehr allgemeiner geworden, nicht bloß unter dem rohen Gott entfremdeten Haufen, sondern auch unter den Gebildeten, die sich nur dadurch von jenem unterscheiden, dass sie ihren Unglauben fein auszuschmücken und zuzustutzen wissen. Im Gegensatz gegen diese Denkungsart stellt das vorliegende Buch diese zukünftigen Dinge auf Grund göttlichen Worts mit einer solchen Zuversicht des Glaubens, in so lebendiger Anschauung, in einer so greifbaren Gestalt vor, dass es den Ungläubigen als eitel Torheit, den Schwachgläubigen zum wenigsten als eine große Kühnheit und Sonderbarkeit erscheinen muss. Uns dünkt aber, dass unsere Zeit gerade eine so markige Darstellung dieser Lehre der heiligen Schrift als Gegengift gegen den offenbaren Unglauben und gegen die unbestimmten und zerfließenden Begriffe, die man von dem zukünftigen Leben ziemlich allgemein hegt, sehr notwendig und heilsam sei. Und das um so mehr, da wir in Zeiten gekommen sind, welche denen immer ähnlicher werden, aus denen das Buch hervorgegangen ist, und für welche die großen Hoffnungen, von welchen es Zeugnis gibt, ein Balsam sein sollten. Die Gerichte des Herrn haben bereits ihren Anfang genommen, und wem bangte nicht, dass wir am Vorabend von kriegerischen Auftritten stehen, welche denen des dreißigjährigen Krieges nicht nachstehen und sie sogar noch überbieten können! Da wird das Wort des von Mayfart angeführten Kirchenlehrers wieder gelten: „Der übersteht leichtlich das Elend der Zeitlichkeit, wer in seiner Andacht sieht auf die Glorie der Ewigkeit.“ Ach wie not tut es nun, dass wir unsern Anker tief senken in den allein festen Grund der Ewigkeit, dass unser Schifflein von den wilden Wogen der Trübsal dieser Zeit nicht überflutet und verderbt werde! wie not tut es, dass wir bei dem Untergang aller irdischen Hoffnungen einen freien, offnen, festen Blick auf „Jerusalem, die hochgebaute Stadt“ uns verschaffen und bewahren, damit, wenn alles um uns her verschmachtet vor Furcht und vor Warten der Dinge, die da kommen sollen auf Erden, wir fröhlich unsere Häupter erheben können, darum dass sich unsere Erlösung naht! Gott, der Herr, sei uns gnädig, und segne das Zeugnis des seligen Beschauers und Sängers von der Herrlichkeit dieser ewigen Stadt an allen Herzen, die herzunahen, um dasselbe in gläubiger Einfalt zu vernehmen. Geschrieben den 10. Januar 1855.

Der Herausgeber.

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