Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XI. Von der unaussprechlichen Schönheit des himmlischen Jerusalems

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XI. Von der unaussprechlichen Schönheit des himmlischen Jerusalems

Die Welt mag wüten und toben, mit Zungen schänden und lästern, mit Waffen und Wehren drohen, mit Gebärden schnauben und ergrimmen: das alles ist nicht zu rechnen gegen die zukünftige Herrlichkeit. Ich überlege und wäge dieses, was ich sehe, mit dem, was ich hoffe; und obgleich ich fühle, was ich leide und nicht sehe, was ich hoffe; so ist doch das, was ich hoffe, weit überschwänglicher als das, was ich fühle und leide. (Augustinus.)

Die Auserwählten haben hier keine bleibende Statt (Hebr. 13,14.); sie müssen in lehmernen Häusern wohnen, welche auf Erden gegründet sind und von Würmern gefressen werden (Hiob. 4,19.). - Denn was sind die festen Schlösser und prächtigen Paläste hier anders, als künstlich gearbeitete und geglättete Erde? Sagst du, sie seien aus Ägyptens Marmor erbaut und aus den Zedern des Libanon; der Weise antwortet: aus Erde. Sagst du, sie seien überzogen mit Silber und Gold; er antwortet: mit Erde. Sagst du, sie seien bemalet mit köstlichen Farben; er antwortet wieder: mit Erde. Sagst du sie seien geschmückt mit allerlei Bilderwerk; er antwortet wieder: mit allerlei und mancherlei Erde. Sagst du, die Werkmeister hätten große Kunst erwiesen in der Bearbeitung der köstlichsten Stoffe; er antwortet: ja in der Bearbeitung der vor menschlichen Augen und in menschlicher Meinung für köstlich geachteten Erde.

Wann aber diese irdische Hütte zerbrochen wird, so gelangen die Auserwählten in ein Haus, das weder aus Erde noch mit Menschenhänden gemacht, und doch aufs herrlichste und schönste zubereitet ist. Es ist die Stätte, welche Gott gebaut, um seine höchste Glorie zu erweisen, die Stätte, welche er zugerichtet, um zu offenbaren seine höchste Allmacht, Weisheit und Güte; darum muss sie die schönste der ganzen Welt sein. Die auserwählte Seele muss sich verwundern über den unaussprechlichen Schmuck des Freudensaales. Der Bau der Mauern ist von Jaspis, die Stadt von lauterem Golde gleich dem reinen Glase, und die Gründe der Mauern und der Stadt sind geschmückt mit allerlei Edelgestein und die Tore von Perlen (Offenb. 21.). Wie herrlich ist schon diese Welt von ihrem Schöpfer erbaut! Sie wird beleuchtet von der Sonne, die jener Weltweise nennt eine Wollust des Tages, eine Zierde des Himmels, eine Fürstin der Planeten, eine Regentin aller Zeit. Sie wird beschattet von Felsen und Wäldern, bestreut mit Gewächsen und Blumen, umlaufen von Meeren und Gewässern, umlüftet von den Winden, überdecket von der Menge funkelnder Sterne, belebt von dem Gesang der Vögel und mit vielen andern Dingen geschmückt. Und ist doch gegen das Paradies nichts anders, als eine Wüste der Vertriebenen, ein Tal der Zähren, ein Behältnis der Tiere. Wie viel tausend Mal tausend schöner muss also der Garten des Paradieses sein!

Als der heilige Fulgentius aus Afrika nach Italien kam und sah zu Rom die Majestät des hohen Rates, die Menge des Volkes, die Pracht der Ehrensäulen, die Herrlichkeit der alten Denkmäler, den Stolz der Paläste und an allen Orten die überschwänglichen Reichtümer; konnte er sich nicht enthalten, sondern musste ausrufen: wie herrlich muss das himmlische Jerusalem sein, da dies irdische Rom so prangt! Erweist man in dieser Welt den Kindern der Eitelkeit solche Ehre, was für Glorie wird man jenseits den Kindern der Wahrheit erweisen!

In alten Tagen war weit und breit berühmt die Burg des Perserkönigs Cyrus. Dichter und Geschichtsschreiber haben sich bemüht, ihre Schönheit zu preisen, wie sie von Elfenbein geschimmert, von Silber geglänzt, von Gold geleuchtet, von Brillanten gestrahlt habe; wie die Türme und Paläste so sinnig angelegt und prächtig aufgebaut, die Vorhöfe und Säulengänge so fein geordnet und reich verziert, die Gemächer und Säle so künstlich verbunden und sinnreich geschmückt; wie die eisernen Tore mit starken Riegeln verwahrt und mit tapferen Helden bewacht; wie alle Ecken und Winkel, alle Kammern und Zellen mit unsäglichen und unschätzbaren Reichtümern erfüllt, also dass die ganze Burg mehr einem Hoflager der Götter als einer Wohnung der Menschen glich. Aber was ist all solche Pracht gegen das himmlische Jerusalem! Lasst uns hören, was der heilige Johannes davon verkündigt (Offenb. 21.). „Ich Johannes sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne und hörte eine große Stimme vom Stuhl, die sprach: Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen und sie werden Sein Volk sein und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.“ Und weiter redet der hocherleuchtete Evangelist: „Einer der sieben Engel führte mich im Geiste auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, herniederfahren aus dem Himmel von Gott; und hatte die Herrlichkeit Gottes, und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis, und hatte große und hohe Mauern und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel, und Namen geschrieben, welche sind die zwölf Geschlechter der Kinder Israel, vom Morgen drei Tore, von Mitternacht drei Tore, von Mittag drei Tore, von Abend drei Tore. Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Gründe und in denselben die Namen der zwölf Apostel des Lammes.“

„Und der mit mir redete, hatte ein golden Rohr, dass er die Stadt messen sollte und die Tore und Mauern. Und die Stadt liegt viereckig und ihre Länge ist so groß, als die Breite. Und er maß die Stadt mit dem Rohr auf zwölf tausend Feldweges. Die Länge und Breite und Höhe der Stadt sind gleich. Und er maß ihre Mauern 144 Ellen, nach dem Maß eines Menschen, das der Engel hat. Und der Bau ihrer Mauern war von Jaspis und die Stadt von lauterem Golde gleich dem reinen Glase. Und die Gründe der Mauern und der Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelsteinen. Der erste Grund war ein Jaspis, der andere ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sarder, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen und ein jegliches Tor war von Einer Perle; und die Gassen der Stadt waren lauter Gold, als ein durchscheinend Glas.“

„Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott ist ihr Tempel und das Lamm. Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Heiden, die da selig werden, wandeln in demselben Licht. Und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in dieselbige bringen. Und ihre Tore werden nicht verschlossen des Tages; denn da wird keine Nacht sein. Und man wird die Herrlichkeit und Ehre der Heiden in sie bringen. Und wird nicht hineingehen irgend ein Gemeines und das da Gräuel tut und Lügen; sondern die geschrieben sind in dem lebendigen Buche des Lammes.“

Das sind die Worte des hocherleuchteten Evangelisten. Augustinus begehrte einst neben andern auch die Stadt Rom in ihrer Blüte zu sehen. Ein andächtiger Christ dürfte darüber lächeln, da auch Rom in seiner Blüte der Nichtigkeit unterworfen war. Vielmehr dürfte einer wünschen und sagen: Ach dass auch ich im Geiste auf den großen und hohen Berg geführt und mir das heilige Jerusalem gezeigt würde!

Wo sind die köstlichen Gebäude dieser Welt? Wo ist des Cyrus Burg? wo des Salomo Haus? wo des Ahasverus Schloss? wo des Salomos Stadt? Was sind also alle Prachtgebäude gegen das himmlische Jerusalem? Ein Traum gegen die Wahrheit! denn sie können alle von Würmern zerfressen, vom Feuer verbrannt, von Menschenhänden zerrissen, und werden endlich gewiss von der Zeit zerstört werden. Da aber steht das heilige Jerusalem, hat nicht des Cyrus, nicht des Ahasverus, nicht des Salomo, sondern des allmächtigen Gottes Herrlichkeit. Ihr Licht ist gleichwie ein edler Jaspis in einen hellen Kristall gefasst. Unbeweglich ist der Grund, darauf sie steht; gewaltig die Mauern, womit sie befestigt; trefflich die Tore, mit denen sie verwahrt; herrlich die Form, darein sie gebracht ist; überaus groß der Umfang, den sie einnimmt. Dazu beschaut, o Menschenkinder, die unüberwindliche Besatzung der Engel, die edle Bürgerschaft der gläubigen Israeliten, die denkwürdigen Ehrensäulen der Apostel, die vortreffliche Freiheit der Bewohner, wie sie im güldenen Frieden sitzen und kein Tor schließen, wie sie im ewigen Lichte leben und keine Nacht fürchten.

Indes ist des Evangelisten Meinung nicht, als ob das himmlische Jerusalem eine Stadt nach irdischer Art sei. Mit solchem Bilde sucht er unsern Augen und Ohren und unserer Vernunft, welche himmlische Dinge weder schauen noch vernehmen, noch begreifen können, die unaussprechliche Herrlichkeit nur etwas abzuschatten.

Durch die Mauern zeigt er uns an die Stärke, durch den Grund die Unbeweglichkeit, durch die Tore und Gebäude die Ordnung, durch das Gold, Edelgestein und Perlen die Köstlichkeit, durch den Jaspis insbesondere die selige Sicherheit der heiligen Stadt, weil sein Glanz und hoher Wert furchtsamen Leuten in Widerwärtigkeit und Unglück ein unverzagt Gemüt macht. Die edelsten und wertvollsten Dinge dieser Welt nennt er, um damit die unaussprechliche Schönheit und den unnennbaren Wert der himmlischen Dinge anzudeuten. Denn was Gold gegen Kot, ein Jaspis gegen einen Kieselstein, Perlen gegen faules Holz sind, das ist das himmlische Jerusalem gegen Gold, Edelsteine und Perlen, und noch viel tausend Mal tausend Mal besser und schöner.

Ich kann es nicht unterlassen, sondern werde von hoher Freude gezwungen, das schöne Jerusalem noch ein Mal anzuschauen. Wie ist doch die heilige Stadt mit ihren Ringmauern so fest umschlossen, mit den zwölf Toren so herrlich gebaut, mit den zwölf Heerscharen so sicher bewacht! Auf köstliche Steine ist sie gegründet, von lauterem Jaspis sind die Mauern zusammengefügt, von lauterem Golde die Straßen gepflastert, mit lauteren Smaragden die Tore bekleidet.

Wenn ich diese edle Stadt mit meinen Gedanken in- und auswendig besehe, so scheint es mir, als wäre sie nichts anders, denn eine Gestalt des Himmels; und ist es auch.

Was für eine überschwängliche Augenlust müsste es sein, wenn aus allen Landen alle schrecklichen Wüsten und unfruchtbaren Steppen, alle rauen Gebirge und unwirtbaren Moräste entfernt und der ganze Erdkreis eine Stadt wäre und den Pilgrimmen nichts anders zeigte, als unzählbare heilige Tempel und prächtige Paläste, unzählbare feste Schlösser und reiche Häuser, unzählbare weite Marktplätze und schöngeschmückte Gassen, unzählbare fließende Brunnen und herrliche Triumphsäulen, unzählbare kunstreiche Lustgebäude und hohe Türme, unzählbare arbeitsvolle Werkstätten und herrliche Gärten, unzählbare reiche Kaufhallen, majestätische Rathäuser, reichgefüllte Zeughäuser, wohlversorgte Vorratshäuser, Kunsthallen voller Schätze, schöne Tore, treffliche Mauern und dergleichen mehr! Wenn nun die gläubige Seele in solch eine Stadt einziehen sollte, wie würde sie sich freuen, wie würde sie sich wundern! Was für eine Freude aber und was für eine Verwunderung muss dann die gläubige Seele ankommen, wann sie in eine noch weit schönere, noch weit edlere Stadt eingeführt wird!

Wunderbar hat sich Gott erzeigt in dem Werke der Schöpfung, als Er die Elemente geordnet, den Winden die Flügel gegeben, des Meeres Wellen mit Gestaden umzäunt, die Felsen erhöht, die Täler erniedrigt, den Bäumen die Wurzeln, der Sonne das Licht, den Bergen das Erz, den Tieren das Leben gegeben und alles aus nichts gemacht. Wunderbar hat Er sich erzeigt in dem Werke der Erlösung, als die unendliche Liebe, o Mensch! aus Liebe zu dir vom hohen Himmel kam und in den Leib der jungfräulichen Mutter einging, um mit deiner Liebe vereinigt dich ewig selig zu machen. Wunderbar hat Er sich erzeigt in dem Werke der Heiligung, da er den Menschen durch das Bad der Wiedergeburt gereinigt, den Engeln zur Luft und Freude, Ihm selbst zum Tempel zubereitet. - Aber alle Propheten und Apostel werden einmütig bezeugen, dass Er sich viel wunderbarer offenbart in dem Werke der ewigen Beseligung.

Herr Jesu! ich will auch aufstehen von meinem Tische, die Bücher zuschließen, die Feder niederlegen, das Schreibzeug wegtun, mein Haupt entblößen, die Knie beugen und sagen, dass meine Kräfte viel zu schwach, meine Zunge viel zu kindisch und mein Verstand viel zu töricht sei, die Schönheit des himmlischen Jerusalems zu beschreiben. Jerusalem hat keine Feinde, darum bedarf sie keiner steinernen Mauern. Jerusalem hat keine Belagerer, darum bedarf sie keiner hohen Türme. Jerusalem hat keinen Mangel, darum bedarf sie auch keiner zeitlichen Güter. Herr Jesu, der Du mir aus lauter Barmherzigkeit nur einen Schatten von dem himmlischen Jerusalem in Deinem Worte gezeigt hast, hilf, dass ich dessen Bildnis recht sehe. Und da Du mir hier die Verheißung gegeben hast, so hilf, dass ich die ewige Wohnung durch Dich erlange. Amen!

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