Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Dritte Betrachtung.

Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Dritte Betrachtung.

Wessen Christen sich rühmen, und nach welchem Ruhme sie trachten sollen.

Über Jak. 1,9-12.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.

Jak. 1, 9-12:
Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe, und der da reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit; denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen. Die Sonne geht auf mit der Hitze, und das Gras verwelkt, und die Blume fällt ab, und seine schöne Gestalt verdirbt. Also wird der Mensch in seiner Habe verwelken. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben!

An sein: „Freude zuvor!“ und an seine Ermunterung zum Gebet schließt Jakobus eine Aufforderung an seine Leser, sich zu rühmen. Aber wie, meine Lieben? Ist nicht der Mensch von Natur schon allzu geneigt, sich selbst zu rühmen, die eigenen Vorzüge ruhmredig an das Licht zu stellen, und, was er tut, so zu tun, dass es von den Leuten gesehen, und rühmend gepriesen werde? Will denn Jakobus dieser Untugend noch Vorschub leisten, und der eitlen Ruhmsucht und Ruhmredigkeit das Wort reden? Das sei ferne! Er will vielmehr gerade dieser Ruhmsucht und Ruhmredigkeit der Welt gegenüber hervorheben,

Wessen Christen sich rühmen, und nach welchem Ruhm sie trachten sollen.

Lasst uns denn seinen Worten mit ernstem Nachdenken folgen! Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi aber walte dazu über uns mit seinem Geiste und mit seinem Segen!

1.

Schon unser Heiland selbst fand in den Tagen seines Wandels auf Erden für die Predigt des Evangeliums vom Reiche Gottes vorzugsweise bei den Niedrigen und Geringen in seinem Volke offene Ohren und Herzen. Fischer und geringe Leute fielen ihm zu, während seine Feinde sprachen: „Glaubt auch irgend ein Oberster und Pharisäer an ihn?“ (Joh. 7,48) und er selbst ausrief: „Wie schwerlich werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!“ (Mark. 10,23.) So blieb es auch, als die Jünger des Herrn die Welt mit ihrer Predigt vom Reiche Gottes erfüllten. „Nicht viel Weise nach dem Fleische“, schreibt Paulus, „nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern, was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass er zu Schanden mache, was stark ist, und das Unedle vor der Welt, und das Verachtete hat Gott erwählt, und das da Nichts ist, dass er zu Nichte mache, das Etwas ist, auf dass sich vor ihm kein Fleisch rühme!“ (1 Kor. 1,26-29.) An solche vor der Welt Törichte und Schwache und Unedle und Verachtete unter seinen an den Herrn Jesum gläubig gewordenen Brüdern, welche an Stand, Reichtum und Bildung hinter Anderen zurückstanden, und darum wenig galten bei den Leuten, ja die, weil die erste Liebe bereits in den Gemeinden erkaltete, von ihren reicheren und höhergestellten Brüdern selbst mit Geringschätzung behandelt wurden, wendet sich Jakobus mit diesen Worten: „Ein Bruder, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe!“ Vergesst es nicht, liebe Brüder, meint er, vergesst es nicht, ihr Christenleute, was das sagen will, dass ihr Christen seid! Vergesst es nicht, wenn ihr unter dem Druck eurer Armut und Niedrigkeit und der Geringachtung vor den Menschen zu leiden habt, was für hochgestellte Leute ihr vor Gott seid, der euch nach dem Reichtum seiner göttlichen Barmherzigkeit aus dem Staube der Sünde erhoben, und euch in Christo zu seinen Kindern und zu Erben des ewigen Lebens berufen hat, und dass kein Adel und keine noch so hohe Würde und äußere Stellung eines Menschen an diesen Christenadel und diese Christenwürde hinanreichen! Was will es denn sagen, ob ich an irdischen Gütern arm, und niedrig gestellt und gering geachtet bin unter den Menschen, und im finstern Tal der Trübsal wandern muss, wenn ich nur also reich in Gott und vor ihm geehrt bin? „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil!“ (Ps. 73,25.26.) Das ist der Christenadel und die Christenwürde, die Höhe, deren wir uns rühmen sollen in unserer Niedrigkeit, „als die Armen, aber die doch Viele reich machen, als die Nichts inne haben, und doch Alles haben!“ (2 Kor. 6,10.) Glücklich der Mensch, der in aller Niedrigkeit von einer solchen Höhe weiß, zu welcher ihn Gottes Gnade erhoben hat, und der nun in aller Demut sich dessen rühmen darf, dass der Herr an ihm Großes getan hat! Das macht unabhängig vom Urteil und von der Gunst der Menschen, und still und geduldig vor Gott. Das bewahrt uns vor dem neidischen Seitenblick auf den vor der Welt höher geachteten, reicheren Bruder; das schützt uns vor diesem Murren wider Gott und Menschen im Blick auf die oft so grellen Unterschiede in der Stellung und in der Führung der Menschenkinder auf Erden. Da seht das allein wirksame Gegengift wider diese giftigen und vergiftenden Einflüsse und Einflüsterungen des Zeitgeistes und einer hohlen Tagesweisheit, welche der Selbstsucht und den hoffärtigen, eigenwilligen Gelüsten unserer ärmeren und niedriger gestellten Brüder schmeichelt, und ihnen einen Himmel auf Erden verheißt, wenn erst den Reichen ihr Reichtum abgenommen, und Alles, was menschlich hoch ist, in den Staub herabgezogen und erniedrigt wird!

Einen Himmel auf Erden! Als ob wir den überall gewinnen könnten in dieser Welt der Sünde und des Todes, vollends durch Vorzüge der äußeren Lage und Stellung? Seht nur hinein in die Paläste der Reichen und Hohen auf Erden; ach, wie Viele, die bei allem Glanz und äußeren Glück vielmehr eine Hölle auf Erden haben! Aber sei es, ein Himmel auf Erden; was nützt er mir, wenn ich seiner Dauer und seines Bestandes auch nicht eine Stunde gewiss bin! Oder wo ist die Macht der Erde, die den Menschen vor den durch keinen Fortschritt menschlicher Bildung, Kunst und Geschicklichkeit zu überwindenden Feinden alles irdischen Glücks, vor dem Wechsel der Geschicke, vor Krankheit und Tod auch nur eine Stunde sicher stellte? Wie oft, dass dem Reichen, dem Glücklichen der stolze Bau seines Glücks vor seinen Augen zusammenbricht, und er erkennt auf den Trümmern seiner Habe, über dem Grabe seiner Lieben, die Nichtigkeit und Flüchtigkeit seines Reichtums, wie alles irdischen Glücks! Und ob, woran er hier sein Herz gehängt, und worin er das Glück seines Lebens gefunden hat, ewig bliebe, er selbst kann es doch nicht ewig behalten; er muss hinweg von dem Allem, und „wie er nackt von seiner Mutter Leibe gekommen ist, so fährt er wieder hin, wie er gekommen ist, und nimmt Nichts mit sich von seiner Arbeit in seiner Hand, wenn er hinfährt“. (Pred. 5,14.) Was hilft ihm dann sein Himmel, welchen er auf Erden gehabt hat, wenn er keinen Himmel im Himmel hat? Oder wie mag der Mensch sich dieser eitlen Herrlichkeit rühmen, und der vergänglichen Schätze, die er gesammelt hat, wenn er nicht weißt von dem Schatz, welchen Rost und Motten nicht fressen, und nach welchem die Diebe nicht graben? Darum sammelt euch einen Schatz im Himmel, zu dessen Besitz nichts führt, als die demütige Selbsterniedrigung und Einfalt eines geistlich armen, nach der Gerechtigkeit hungernden und dürstenden Herzens, das sich der Gnade Gottes in einfältigem Glauben getröstet! „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr! - Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden! - Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden!“ (Matth. 5,3.4.6.) Das ist die Niedrigkeit, von welcher Jakobus redet, deren die Reichen sich rühmen sollen; an sie denkt er, wenn er zu den Worten: „Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe!“ hinzufügt: „Und der da reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit, denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen. Die Sonne geht auf mit der Hitze, und das Gras verwelkt, und die Blume fällt ab, und seine schöne Gestalt verdirbt. Also wird der Reiche in seiner Habe verwelken.“

Darum wohl dem Reichen, der auf der Höhe seines Glücks sich solcher Niedrigkeit zu rühmen weiß! „Durch Gottes Gnade bin ich, das ich bin!“ (1 Kor. 15,10.) Durch Gottes Gnade, der die Gewaltigen vom Stuhle stößt, und die Elenden erhebt, der die Hungrigen mit Gütern füllt, und lässt die Reichen leer! Er hat sich auch meiner in Gnaden angenommen, und seine Kraft ist in dem Schwachen mächtig. Darum will ich mich am Allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne!“ (2 Kor. 12,9.) Spricht doch der Herr schon in den Tagen des alten Bundes durch den Mund des Propheten: „Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit; ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke; ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums; sondern wer sich rühmen will, der rühme sich des, dass er mich wisse und kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übet auf Erden; denn Solches gefällt mir, spricht der Herr“. (Jer. 9,23.24.)

So wisst ihr nun, wessen Christen sich rühmen sollen. Ach, dass doch solches Rühmens viel unter uns wäre! Es würde dann des Hasses und der Bitterkeit, des Haderns und Murrens der Armen und Geringen, wie der hochmütigen Selbstüberhebung und lieblosen Gesinnung der Reichen und Hohen weniger unter uns sein, und wir könnten der Zukunft unseres Volks, wie des ganzen Geschlechts unserer Tage, vertrauensvoller entgegenblicken! Gott der Gnade helfe uns, den Geist der hoffärtigen Selbstsucht und des Eigenwillens in uns zu überwinden! Er reinige unsere Herzen von allem eitlen Selbstruhme, und regiere uns mit seinem heiligen Geiste, dass wir uns allein dessen rühmen, was er aus Gnaden an uns getan hat, und was wir durch seine Gnade geworden sind. Dann werden wir auch, von allem Jagen nach eitlem Ruhme frei, mit ganzem Ernst und heiligem Eifer dem Ruhme nachjagen, nach welchem allein Christen trachten sollen, dass wir in Zeit und Ewigkeit werden und gewinnen, was wir durch die Gnade Gottes in Christo zu werden und zu gewinnen berufen sind.

2.

„Selig ist der Mann“, so schreibt dieser Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi, „der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben!“

Was sind die Lorbeerkränze und Ehrenkronen, welche die Welt ihren Helden und den Männern des Ruhms darbietet, gegen die himmlische Ehrenkrone, die Krone des ewigen Lebens, der ewigen, seligen Gemeinschaft mit ihm, welche Gott denen verheißen hat, die ihn lieb haben! Besser, hier in Schanden leben, und dort Ruhm ernten, als hier Ruhm ernten, und dort in Schanden leben!

„Aber so Jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht“. (2 Tim. 2, 5.) Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet! - Erdulden, die Anfechtung erdulden! was heißt denn das? Doch nicht bloß dulden, was man dulden muss, über sich ergehen lassen, was nicht zu ändern ist. Erdulden, die Anfechtung erdulden heißt: Mit stiller Geduld und in demütiger Ergebung unter Gottes Willen tragen, was er uns auflegt, sich sagen lassen, was er in der Schule der Anfechtung uns sagen will, und sich von ihm weisen lassen, wohin er uns weisen will. Erdulden, die Anfechtung erdulden heißt: Durch keine Dauer der Prüfung, durch keine Hitze der Anfechtung ermüdet, sich immer aufs Neue zu demütigen unter die gewaltige Hand Gottes, dass er uns erhöhe zu seiner Zeit, immer wieder alle Sorge auf ihn zu werfen, der für uns sorgt, mit den Waffen des Worts und des Gebets dem Versucher zu widerstehen, und dem Werke Gottes das Herz aufzutun, dass er es je länger, je völliger reinige von allen Schlacken der Selbstsucht und Hoffart, von aller Lust und Sorge der Welt, auf dass wir vollbereitet werden zu Gefäßen seiner Ehre, und der lautere Gehalt unseres Glaubens, unserer Geduld und christlichen Standhaftigkeit, unserer aufrichtigen Demut und opferwilligen Liebe immer herrlicher offenbar werde. Die also die Anfechtung erdulden, und, als die Gott lieben, in ihr bewährt werden, die sind es, denen die Krone des Lebens verheißen ist, und denen das Wort des Jakobus gilt: „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben!“ (Kap. 5,11.)

Nach dem Ruhm solcher Dulder trachtet, nach der unvergänglichen Ehrenkrone jagt aus, und habt des heißen Kampfes und des rinnenden Bluts nicht Acht, noch der Dornenkronen, welche die Welt für den Streiter Christi bereit hat! Hier schreiben sie die Jahrbücher menschlicher Geschichte, in welchen die Welt den Ruhm der Männer und Helden lobpreisend verkündet, welche große und ruhmwürdige Taten getan haben auf Erden. Dort wird ein Buch aufgeschlagen werden, in welchem die Namen von Männern und Helden geschrieben stehen, welche die Welt nicht kannte, und deren Taten kein menschlicher Ruhm pries, die aber Gott gesehen hat, und welche der ewige Ruhm nennen wird; Taten der Geduld und der demütigen Treue, Taten des weltüberwindenden Glaubens und der selbstlosen, opferwilligen Liebe. Selig, deren Namen an jenem Tage im Buche des Lebens, in den Jahrbüchern der Reichsgeschichte unseres himmlischen Königs, geschrieben stehen! Denn wahrlich, dieser Zeit Freude und Herrlichkeit ist der Schmach und des Leidens nicht wert, die dort an Allen geoffenbart werden sollen, welche die Ehre dieser Welt der Schmach Christi vorzogen! Aber auch dieser Zeit Leiden ist der Herrlichkeit nicht wert, die an denen geoffenbart werden soll, welche die Anfechtung erduldeten, und nachdem sie bewährt sind, die Krone des Lebens empfangen, welche Gott denen verheißen hat, die ihn lieb haben!“ Amen.

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autoren/l/luger/luger_der_brief_des_jakobus_3._betrachtung.txt · Zuletzt geändert: von aj
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