Lobstein, Johann Friedrich - Klippen auf dem Heilsweg - VI. Die falsche Demut.

Lobstein, Johann Friedrich - Klippen auf dem Heilsweg - VI. Die falsche Demut.

Evang. Johannis 13,1-16.
Vor dem Fest aber der Ostern, da Jesus erkannte, dass seine Zeit gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. Und nach dem Abendessen, da schon der Teufel hatte dem Juda Simonis Ischarioth ins Herz gegeben, dass er ihn verriete, wusste Jesus, dass ihm der Vater hatte Alles in seine Hände gegeben, und dass er von Gott gekommen war, und zu Gott ging; stand er vom Abendmahl auf, legte seine Kleider ab, und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, hob an den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, damit er umgürtet war. Da kam er zu Simon Petro; und derselbige sprach zu ihm: Herr, solltest du mir meine Füße waschen? Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Was ich tue, das weißt du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen. Jesus antwortete ihm: Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir. Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt. Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, der darf nicht, denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht Alle. Denn er wusste seinen Verräter wohl; darum sprach er: Ihr seid nicht Alle rein. Da er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder, und sprach abermals zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr heißt mich Meister und Herr, und sagt recht daran, denn ich bin es auch. So nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr auch euch unter einander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer, denn sein Herr, noch der Apostel größer, denn der ihn gesandt hat.

Wenn die Könige der Erde in ihrer Größe erscheinen, so besteigen sie einen Thron; wenn Christus in der seinigen sich zeigt, so setzt er sich uns zu Füßen. Seine Erhöhung liegt in seiner Erniedrigung. Er hat sich selbst erniedrigt, das ist seine Größe, er hat uns rein gewaschen von unsern Sünden durch sein Blut, das ist seine Herrlichkeit. Dieses Abendmahl, von dem er aufsteht, dieser Schurz, den er nimmt und womit er sich umgürtet, dieses Wasser, das er in ein Becken gießt, und diese Füße, die er wäscht und abtrocknet, ist dies Alles nicht eine ewige Handlung, welche er für uns Alle vollbracht hat?

Da Er wohl hätte mögen Freude haben in dem Hause des Vaters, nahm Er dennoch Knechtsgestalt an, und ward gleich wie ein anderer Mensch. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz. Die Erde benetzte Er mit seinem Blute, um uns rein zu waschen von unserer Ungerechtigkeit, um alle unsere Gebrechen zu heilen und um uns zu krönen mit Gnade und Barmherzigkeit. Er trocknete unsere Tränen, da Er Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen für uns opferte. Indem er uns auf diese Weise sich selbst zum Vorbild gibt, hat er das Recht, von uns dieselbe Erniedrigung zu begehren. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: der Knecht ist nicht größer, denn sein Herr, noch der Apostel größer, denn der ihn gesandt hat. So ihr Solches wisst, selig seid ihr, so ihr's tut. Welch ein Spiegel ist für uns Christus, der die Füße seiner Jünger wascht! Welch eine Unterweisung in der Demut! Müssen wir uns da nicht fragen: Habe ich mich selbst erniedrigt? Befinde ich mich in Wahrheit zu den Füßen meines Heilandes und zu den Füßen meiner Brüder?

Von allen christlichen Tugenden ist die Demut die erste; aber es gibt auch keine, die so vielfach verfälscht wird! Der von Herzen Demütige entwaffnet Federmann; aber an der Stelle der Herzensdemut macht sich in der Welt gar manche Scheindemut geltend. Wir wollen die eine und die andere Art derselben betrachten und hierauf sehen, ob wir die wahre Demut kennen. Diese findet sich in dem Herzen Christi und sie ist es, die auch unsern Seelen Ruhe gibt.

Betreten wir zuerst das Gebiet der Welt; von ihr gehen wir über auf dasjenige des christlichen Lebens.

Es gibt eine scheinbare Demut, welche bloß Sache des Temperaments und nicht eine christliche Tugend ist. Ich meine die Schüchternheit. Oft gelten uns für demütig Personen, welche bloß schüchtern sind. Es gibt Menschen, welche nicht gerne sich hervortun, sie sind befangen, nicht demütig. Sie überlassen gern einem Andern den Vortritt, es zieht sie aus der Verlegenheit. Sie reden wenig von sich selbst, sie reden überhaupt wenig; sie fühlen nicht in sich die Gabe, eine Unterhaltung durchzuführen. Gerne wollen sie im Schatten bleiben, um Ruhe zu haben. Oft sind dieses liebenswürdige Charaktere, aber zu den Füßen Christi haben sie nicht gelernt. Man kann schüchtern sein mit verschlossenem Gewissen. Oft entbrennt auch der schüchternste Mensch, wenn er an der empfindlichen Seite berührt wird. Da ist er dann wie verwandelt und was im Grund des Herzens verborgen war, kommt zum Vorschein, nämlich Bitterkeit, Grimm, Zorn, Geschrei, Lästerung, samt aller Bosheit. Solch eine Demut hört auf, wo die Leidenschaften anfangen. Es gibt eine andere Demut, welche im Benehmen sich äußert, wie die erste in der Gemütsart. Das ist die Herablassung eines Höhergestellten zum Untergeordneten. Diese Demut besteht in einem ansprechenden Benehmen, das wenig Mühe kostet. Es wird einem Großen leicht, herabzusteigen zu einem Geringeren oder Ärmeren. Er gewinnt mehr dabei, indem er sich erniedrigt, als wenn er Huldigungen begehrt, welche ihm übrigens nicht abgehen. Wenn man gewöhnlich befiehlt, so kann man wohl auf einen Augenblick seine Rechte vergessen; dadurch, dass man sich zu erniedrigen weiß, gewinnt man nur ein neues Recht auf Huldigungen. Aber ist dies Demut?

Oft ist es nicht ein Schattenbild derselben. Das Haupt der katholischen Welt wascht zwar auch einigen Armen die Füße, aber die Demut beruht nicht in einer vereinzelten Handlung, sie beruht in der Selbsterniedrigung; man will sich lieber irgend einem Werk unterziehen, als gesinnt zu sein, wie Jesus Christus auch war.

Die Demut Christi liegt in der ganzen Richtung des Herzens; die Herablassung eines Höheren zu einem Geringeren ist nur ein äußerliches Verfahren, und gewöhnlich nur die Sache eines Augenblicks.

Es gibt eine dritte Art von Demut; aber sie liegt nur in Worten: es ist die Höflichkeit. Wie leicht ist es hier, Einer des Andern Diener zu sein; mit Beteuerungen ist Alles abgetan. Solch eine Demut aus Konvenienz ist Modesache. Man beugt sich vor einem Andern, weil der Andere hierauf mit gleicher Verbeugung antwortet. Allein die höflichsten Menschen sind oft die empfindlichsten und am schnellsten bereit, uns den Rücken zu kehren. Eine Kleinigkeit ist zwischen zwei so höflichen Menschen hinreichend, um sich zu entlarven. Sonst erniedrigte sich Einer vor dem Andern; nun grüßen sie sich nicht mehr, sie sehen sich nicht mehr an, sie sind auf immer getrennt. Es gibt noch eine Form von Demut, welche eher ein Gebrechen als eine Tugend ist: das ist Charakterschwäche. Es gibt Menschen, die sich zu Allem hergeben; zuerst meint man, es wäre aus Demut, allein sie geben sich zum Schlechten wie zum Guten her. Wie ein weiches Wachs, das alle Gestalten annimmt, so lassen sich solche schwache und bewegliche Charaktere durch ein Lied beherrschen. Man kann solchen Leuten das Härteste sagen, sie zürnen nicht, der Grund ihrer Seele ist vollkommene Gefühllosigkeit. Man kann sie wie Sklaven behandeln, sie gehorchen mechanisch. Aber die Demut ist weit entfernt, Schwäche zu sein; sie ist eine Kraft der Seele, die größte von allen. Der Demütige hat sich selbst verleugnet und seinen Willen zu Christi Füßen gelegt; nicht er lebt mehr, sondern Christus lebt in ihm. Ein schwacher Mensch weiß nicht, was er mit seinem Willen anfangen soll; er gibt ihn dem Ersten Besten hin, gleichviel wozu. Ist das Demut? Auch hält man manchmal die natürliche Gutmütigkeit für Demut, wenn sie uns unter der besonderen Gestalt der Gefälligkeit entgegen kommt. Es gibt dienstfertige Herzen, die Jedermann zu Hilfe kommen; so oft du solche Personen ansprichst, erhältst du Beweise von Teilnahme und Güte. Allein blickst du näher, so siehst du dieselben Leute oft ohne die geringste religiöse Überzeugung. Ihr Gott ist das Vergnügen, Dienste zu leisten, und auf diesem Vergnügen schlummern sie ruhig weiter. Solche natürlich gutherzige Charaktere haben selten das Gefühl ihres Elends gehabt; ihre Dienstfertigkeiten und das gute Zeugnis der Welt ersehen bei ihnen das zerschlagene Herz; und ein Mensch, der nie die Sünde recht erkannte, wird sich nicht leicht zu den Füßen Christi setzen, um von Ihm die Herzensdemut zu lernen.

Bisher haben wir uns mit den Weltkindern beschäftigt, befassen wir uns nun mit dem christlichen Leben. Auch da stoßen wir auf mancherlei Arten falscher Demut. Betrachten wir uns die Hauptarten. Ein Mensch demütigt sich vor Gott in einer Bedrängnis, wo er Gottes bedarf. Ein Kranker, der in seinen gesunden Tagen nie an seine Bekehrung gedacht, beugt sich vor Gott, aber er will nur geheilt werden. Könnte derselbe Mensch anderswo als bei Gott seine Heilung finden, er ginge anderswohin; nicht Gott sucht er, sondern seine Befreiung. Sei es eine Krankheit oder sonst ein Unfall, immer bleibt es derselbe Beweggrund, der zu Gott treibt. Vielleicht nimmt man in einem solchen Falle die bestaubte Bibel wieder vor, und der Name Jesus wird wieder als der einzige Name in den Mund genommen, in dem Heil ist; allein man errät leicht, was geschieht. Ist die Gefahr vorüber, so ist die flüchtige Demut auch davon. Eine eigennützige Frömmigkeit ist keine Frömmigkeit; hat ein solcher Mensch erlangt, was er wollte, so fällt er gleich wieder zurück in denselben Hochmut, in dieselbe Härte, und wendet sich wiederum zu den alten Gewohnheiten.

Dasselbe ist der Fall, wenn sich Einer vor dem Andern demütigt. Es kommt hart an, zu Jemanden zu gehen und ihm zu sagen: ich habe mich an dir verschuldet; ich bereue es, verzeihe mir! Solche Besuche empfangen wir lieber, als dass wir sie machen. Allein wenn man sich dadurch aus einer Verlegenheit ziehen kann, so zaudert man oft nicht. Man erstickt in seinem Herzen den Unwillen, sich so zu erniedrigen; man nimmt die Demut in den Mund, und anstatt der Sache, gibt man den Schein. Wie mancher Friede, wie manche Aussöhnung hat so das Interesse, und nicht das Bedürfnis sich zu demütigen, gestiftet!

Eine falsche Demut hat auch der Formalist. Du siehst eine gute Anzahl von Christen, welche am Vorabend eines Buß- oder Abendmahl-Tages eine bußfertige Miene annehmen und sich, mit oder ohne Erfolg, zur Demütigung vor Gott zwingen. Sie wollen sich mit Gott ins Klare bringen und doch dabei in ihrer früheren Weise fortfahren. Ihre ganze Gesinnung bleibt wie immer im Widerspruch mit diesen erzwungenen Andachtsübungen. Im Gewissen geht nichts vor, im Herzen wird kein dauerndes Bedürfnis wach. Zu solchen spricht der Herr: Ich bin euern Feiertagen gram und verachte sie und mag nicht riechen in euere Versammlung. Wascht, reinigt euch, tut euer böses Wesen von meinen' Augen, lasset ab vom Bösen, lernet Gutes tun, trachtet nach Recht; denn was heißt ihr mich Herr Herr, und tut nicht, was ich euch sage. Es gibt einen ernsteren Fall. Es kann Gott plötzlich ein Gewissen berühren. Gestern war derselbe Mensch noch ruhig, heute ist er es nicht mehr. Seine Sünden treten vor ihn und fallen über ihn wie Berge. Sein ganzes Leben klagt ihn an und vor sich sieht er den Richterstuhl Gottes und die Ewigkeit. Er bebt, aber damit ist er noch nicht gedemütigt. Es mag ihn die Furcht vor seiner Zukunft ergriffen haben. Aber in dieser Furcht liegt nicht immer eine wahre Rückkehr zu Gött. Könnte man den zukünftigen Qualen entgehen, ohne sich Gott hinzugeben, so ließe man Ihn bei Seite; nur an sich denkt man, nicht an die geschmähte Herrlichkeit Gottes. Wenn Judas die dreißig Silberlinge vor die Füße der Priester wirft, so tut er's aus gepeinigtem Gewissen. Wenn Ahab die Wunder des lebendigen Gottes sieht, so hüllt er sich in Sack und Asche. Waren dies Bekehrungen? In solchen Fällen herrscht nur Schrecken und Verzweiflung im Gewissen. Es ist nicht die Bußfertigkeit des verlorenen Sohnes, welcher beim Andenken an das Vaterhaus Tränen vergießt. Es gibt solche dürre Demütigungen, es sind Wolken ohne Wasser. Das Herz ist nicht erweicht, der Gnade ist nicht die wahre Türe geöffnet, solch eine Demut wird sich nicht Christo übergeben.

Endlich gibt es eine hochmütige Demut, von der wir ein Beispiel vor uns haben. Simon Petrus will nicht, dass ihm sein Meister die Füße wasche. Er will Christo diese Mühe nicht machen. Viele Christen gleichen hierin dem Simon Petrus. Sie glauben nach und nach auf eine Stufe christlichen Lebens zu gelangen, wo sie Christo weniger Mühe als sonst verursachen würden, und wo sein Beistand ihnen nicht mehr so notwendig wäre. Dann würden sie Seine Gerechtigkeit durch die ihrige ergänzen und einen Teil ihres Heils selbst bewirken. So kann man mitten in dem christlichen Leben in die Selbstgerechtigkeit zurückfallen. Man gründet sich nicht mehr wie früher auf tote Werke, aber man stützt sich auf das, was man einen Fortschritt nennt. Der köstliche Eckstein ist nicht mehr Christus allein, man teilt mit Ihm; man wird selig teils durch Ihn, teils durch sich selbst. Muss da nicht Christus sagen: Werde ich dich nicht waschen, so hast du keinen Teil an mir? Muss nicht unser ganzes Leben durch das Seinige gewaschen und erneuert werden? Hat Er unser weltliches Leben zugedeckt, muss Er nicht auch noch unser christliches Leben zudecken? Je mehr wir vorschreiten, desto mehr Tiefen sehen wir in uns; sehen wir sie nicht, so ist's, weil wir nicht voranschreiten. Allein Petrus fällt sogleich in das andere Extrem. Nicht nur die Füße, den ganzen Leib soll ihm Christus waschen. Aber Christus antwortet: Wer gewaschen ist, der darf nicht denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Daraus ersehen wir, dass Christus uns auf zwei Arten wäscht, oder dass Er zwei Arten von Vergebung für uns in Händen hat. Zuerst die für unser ganzes vergangenes Leben, welche Er uns bei unserer ersten Erweckung zukommen lässt. Aber jeden Tag beflecken wir uns aufs Neue in unserem Wandel. Nach der allgemeinen Erweckung muss noch eine tägliche Buße eintreten. Haben wir aber die Reinigung von unsern vergangenen Sünden erlangt, so ist es eine Beleidigung Christi, wenn wir noch über jene Sünden lange Klage führen. Begehren wir, dass Er uns den Leib wasche, wenn er nur noch die Füße zu waschen hat, so zweifeln wir an der Kraft seines Blutes und fallen in den Unglauben zurück.

Hiernach gibt es eine zweifache hochmütige Demut. Die erste, wenn man Christo nicht mehr so viele Arbeit geben will, weil man selbst zu wirken beginnt; die zweite, wenn man eine freie Vergebung nicht annimmt, ohne als Ergänzung noch seine Tränen und Sühnungen beizufügen; solcher Art ist die falsche Demut. Wir haben gesehen, wie sie in der Welt auftritt, und sodann, wie sie auch im christlichen Leben sich hervortut. Nachdem wir das Falsche gesehen, wollen wir nicht auch das Wahre betrachten und die Demut in ihrer Quelle anschauen? Wenden wir uns zu Christo, in Ihm ist Alles lauter, besonders die Demut. Sein ist die Herzensdemut; sie fließt nicht aus der Gemütsart, besteht nicht im Benehmen, in Worten, noch in einer Charakterschwäche. Sie ist auch nicht in vereinzelten Handlungen; die ganze Erscheinung Christi ist eine Erscheinung in Demut. Er ist gekommen, nicht seinen Willen zu tun, sondern den Willen des Vaters, der Ihn gesandt hat. Er ist demütig, nicht gegen einige nur aus Vorliebe; Er setzt sich zu den Füßen seines Verräters, wie zu den Füßen des Jüngers, den Er lieb hatte. Was Ihn zu solcher Erniedrigung treibt, ist der Anblick, das Gefühl unserer Leiden, unserer Wunden, die Er Allen heilen konnte. Er wird der Letzte, der Verachtetste unter den Menschen, um den Letzten, den Verachtetsten zu Hilfe zu kommen. Er trocknet mit dem Schurze, womit Er sich umgürtet hat, alle unsere Tränen und alle unsere wunden Striemen ab. Wir sehen Ihn vor uns, wie er den Unreinsten noch bittet und anfleht: gib mir dein Gebrechen und nimm mein Lösegeld an. Er will von uns nichts als das, was uns befleckt, was uns krank macht. Haben wir Ihm gegeben, was unser ist, so kann er uns geben, was Sein ist; und damit wir es glauben, gibt Er vorerst uns sich selbst. Und was wir von seiner Demut sehen, ist nichts im Vergleich zu dem, was wir später sehen würden. Wann sein Herz sich uns ganz eröffnen wird, wann wir erkennen werden, wie wir erkannt sind, dann erst werden wir sehen, wie Er uns reingewaschen und bis ans Ende geliebt hat. Wenn Er uns die Stätten zeigen wird, wo Er für uns sich selbst entäußert hat, die Nächte, welche Er für uns durchwacht, die Ängsten, die wir Ihm auferlegt, die Mühe und Arbeit, welche wir Ihm durch unsere Sünden und Ungerechtigkeiten verursacht haben; dann werden wir erst anbeten und bis auf den Grund dieses Liebesgeheimnisses sehen. Aber unterdessen ist, der uns gewaschen hat, in unserer Mitte. Er verbirgt sich im Letzten unserer Brüder. Das Glas kalten Wassers, das wir einem dieser Geringsten im Namen des Herrn geben, wir geben es Ihm. Jeder Augenblick von Erniedrigung bringt uns Jesu näher; jeder Arme, den wir höher achten können als uns, stellt uns Christum dar, dem wir die Füße waschen. Was wir für Ihn tun, wird uns nicht schwer fallen, und wir tun es für Ihn, wann wir es für die Seinen tun. Erniedrigen wir uns für Ihn, so werden wir erhöht; erhöhen wir uns, so werden wir erniedrigt. Das große Heilmittel für unsern Stolz ist Christus, wie Er uns die Füße wäscht. Bei diesem Anblick mögen wir immer wieder fragen: bin ich zu den Füßen meines Heilandes, wie Er zu meinen Füßen ist? Bin ich eine gedemütigte, eine demütige Seele? Und bin ich es in diesem Augenblick? Werde ich es morgen noch sein? Bin ich von den weltlichen Höhen herabgestiegen? Sind wir demütig von Herzen, so finden wir, wie Jesus sagt, Ruhe für unsere Seele. Nur die Demut macht glücklich. Wir werden die Stunden nicht bedauern, da unser Herz zuletzt weich wurde; wohl aber werden wir jene beklagen, wo wir uns nicht vor dem gebeugt, der sich selbst für uns gegeben hat. Zeigen wir Ihm unser kaltes Herz, Er schlage an diesen Felsen, auf dass Wasser davon fließe. Anstatt unserer trügerischen Demut lasst uns die Seinige annehmen, und jedes Joch wird sanft, jede Last leicht für uns sein. Die Demut Jesu wird uns heilen, uns in seiner Nähe festhalten und im letzten unserer Brüder uns das Bild des Heilandes und Gelegenheit darbieten, Ihm Liebe für Liebe und Demut für Demut zu erweisen.

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