Lang, Heinrich - 7. Nacht und Morgen.

Lang, Heinrich - 7. Nacht und Morgen.

Jesaia 21,11.12:
„Man ruft zu mir aus Sair: Hüter, ist die Nacht schier hin? Hüter, ist die Nacht schier hin? Der Hüter aber sprach: Wenn der Morgen schon kommt, so wird es doch Nacht sein. Wenn ihr schon fraget, so werdet ihr doch wieder kommen und wieder fragen.“

„Hüter, ist die Nacht schier hin?“ so hören wir's aus dem Herzen eines geknechteten und unglücklichen Volkes seufzen zur Zeit des Propheten Jesaia. Wie oft klingt uns dieser Ruf aus der Geschichte des israelitischen Volkes entgegen. Damals, als sie Mann für Mann fortgeführt wurden aus dem Lande der Väter und die Kinder Edoms frohlockend riefen: „Rein ab, rein ab bis auf ihren Boden“ (Ps. 137,7), als sie an den Wassern Babels weinend saßen und ihre Harfen an den Weiden hingen, und sie sehnsüchtig die Blicke schweifen ließen nach der Heimath und Zions gedachten, das war ein Angstruf: Hüter, ist die Nacht schier hin? Hüter, ist die Nacht schier hin? Zwar es kam ein Morgen. Als der Herr die Gefangenen von Zion erlöste, da war es ihnen wie Träumenden; die Mauern Jerusalems erhoben sich wieder, der Tempel erstand in erneuter Pracht, der Gottesdienst wurde wieder glänzend eingerichtet, die messianischen Hoffnungen lebten auf; aber - wenn der Morgen schon kommt, wird es doch Nacht sein; wenn ihr schon fraget, so werdet ihr doch wieder kommen und wieder fragen. Als der Tempel zum zweiten Male zerstört, die Stadt mit ihren glänzenden Palästen in einen Schutthaufen verwandelt wurde und kein Stein mehr auf dem andern blieb, da kamen sie wieder und fragten von Neuem: Hüter, ist die Nacht schier hin? und jetzt noch nach 1800 Jahren, zerstreut unter die Völker und heimathlos, rufen sie angstvoll zum ewigen Wächter der Zeiten: Hüter, ist die Nacht schier hin?

Aber ist dieser Klageruf nur aus der Mitte des israelitischen Volkes vernommen worden? und ist die noch kläglichere und trostlosere Antwort nur ihm gegeben worden? O nein! vielmehr, wenn wir die Geschichte der Menschheit von ihrem Anfang bis auf den heutigen Tag durchwandern, so werden wir es gestehen müssen: Frage sowohl, als Antwort paßt auf alle bisherigen Zeiten.

Die Frage: Hüter, ist die Nacht schier hin? und die Antwort: Wenn der Morgen schon kommt, wird es doch Nacht sein, ist auf die ganze bisherige Menschheit anwendbar.

„Hüter, ist die Nacht schier hin?“ dies, meine christlichen Freunde, ist der Ruf, der uns schon aus den vorchristlichen Zeiten in tausendfachen Stimmen vernehmlich genug entgegenkommt. Zwar sind auch in die Nacht der Völker, die vor Christus waren, schon manche Lichtblicke hineingefallen, und herrliche Blüthen haben sich da und dort am Baume der Menschheit gezeigt; aber wie vereinzelt und zerstreut! und wie schnell sind sie von dem sausenden Sturmwind der Zeiten geschüttelt und abgerissen worden! „Finsterniß bedecket den Erdkreis und Dunkel die Völker,“ das ist die kurze, aber unläugbar wahre Schilderung des Zustandes, in welchem sich vor Christi Erscheinung die damals bekannten Völker befanden. Niedergetreten in den Staub durch Roms eisernen Scepter, ausgesogen von der Habsucht der Reichen und Vornehmen, verarmt bis auf's Blut, eine ungeheure Sklavenheerde - das ist das finstere Bild jener Zeiten, wenn wir den leiblichen Zustand der Völker betrachten; in sinnlosem Götzendienst der Würde der Menschheit und des göttlichen Ebenbildes verlustig, Unglaube und Sinnlichkeit in den oberen Klassen, Aberglaube und Unsittlichkeit unter dem Volke, das vergeblich bei Zeichendeutern, Wahrsagern, in geheimnißvollen Gottesdiensten den Trost seines inneren Lebens suchte: ist es da zu verwundern, daß eine dunkle Sehnsucht nach Erlösung, eine bange Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, sich allerorten der Gemüther bemächtigte, daß die unter den Juden verbreitete Hoffnung auf den Messias auch unter den Heiden so vielen Anklang fand. Da hieß es also wieder: „Hüter, ist die Nacht schier hin? Hüter, ist die Nacht schier hin?“

Der Morgen kam; als über den gesegneten Fluren Bethlehems in jener geweihten Nacht die himmlischen Heerschaaren Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen verkündigten, da war ein schöner, vielverheißender Morgen angebrochen, wie die Welt noch keinen gesehen hatte, und auch, als die Finsterniß wieder den Sieg davon zu tragen schien in dem gewaltsamen Tode des Lebensfürsten, war ja nur das Samenkorn in die Erde gelegt und erstorben, damit es lebendig werden und wachsen könne zum Baume, unter dem die Menschheit im Schatten ruhen könne. Wie herrlich waren die ersten Früchte, die er trug, wie prangten sie im Glanze des jungen Morgens! Ja, als die ersten Gläubigen Ein Herz und Eine Seele waren und Keiner von seinen Gütern sagte, daß sie feine wären, als sie sich Alle unter einander betrachteten als Brüder und Jesum Christum als Erstgebornen unter denselben, als Glieder Eines Leibes, an dem Christus das Haupt war, wo Keines in Selbstsucht sich von dem Anderen abschließe, sondern Jedes dem Andern Handreichung thun müsse mit der Gabe, die es von Gott erhalten, als sie mit Todesfreudigkeit das Haupt unter das Beil legten und für das unsichtbare Reich des Geistes die Güter der Erde hinwarfen, fröhlich, daß sie würdig gefunden wurden, um Christi willen Schmach zu leiden; als sie ihre Mörder segneten und für ihre Peiniger flehten: da brannte das Feuer, das Christus gekommen war, auf Erden anzuzünden, da war ein Sauerteig in die Menschheit gelegt, der kräftig war, ihre ganze Masse umzuwandeln und das alte Jammerthal der Erde zu verwandeln in ein Himmelreich. Buße d. h. Lossagung von allem ungöttlichen Wesen und Verlangen nach einem heiligen Geiste; Glaube d. h. Hingebung an Gott und an das in Christus erschienene ewige Leben; Wiedergeburt d. h. geistige Erneuerung des Menschen aus dem göttlichen Geiste; Heiligung d. h. stete Nahrung des Herzens mit diesem Geiste; Liebe gegen alle Menschen als Mitgenossen des Himmelreichs und Brüder ohne Unterschied des Standes, der Religion, der Meinungen; Aufopferungsfähigkeit und Leidensmuth: das waren die ewigen Kräfte, die Christus in die Menschheit gelegt hat, mit denen Er und die Seinen die Welt überwunden haben. Also ganz unläugbar: mit Christus kam ein Morgen. Aber wie lautet unsere Antwort? Wenn der Morgen schon kommt, wird es doch Nachtsein; wenn ihr schon fraget, werdet ihr doch wieder kommen und wieder fragen. Wie ist doch das in Erfüllung gegangen in den Zeiten des Mittelalters bis zur Reformation! Da lag eine mehr als 1000jährige Nacht auf den Völkern, die doch schon die Strahlen des Morgens eingesogen hatten, eine solche Nacht, daß eines dieser Jahrhunderte sich in den Büchern der Weltgeschichte den wenig beneidenswerthen Namen „des finstern Jahrhunderts“ erworben hat. Welch eine Nacht, wenn wir aus das Geistige sehen! Alle freie Bewegung des denkenden Geistes eingeschlossen in den engen Schranken eines von der Geistlichkeit auf eine nicht immer ganz ehrliche Weise festgestellten, zum Voraus fertigen, daher todten Buchstabens; Folter, Scheiterhaufen, Schwert - die einzigen Waffen, deren sich die Religion der Liebe gegen Abweichende oder Irrende zu bedienen pflegte. Daher Versumpfung des Geistes, Verfall der Bildung, die vorher bei den heidnischen Völkern so schön geblüht, Untergang der Wissenschaft, eine an's Unglaubliche grenzende Unwissenheit in allen Gebieten des Geistes, weßwegen ein Kaiser sich genöthigt sah, von den Geistlichen wenigstens so viel zu verlangen, daß ein Jeder das Unser Vater und die Worte der Messe verstehen sollte. Wenn es bei der Geistlichkeit so stand, wie groß mag erst die Unwissenheit des Volkes gewesen sein! Wenn das Auge, des Leibes Licht, finster ist, wie finster wird der Leib selber sein! Und welche großartige Verirrungen des religiösen Lebens! Soll ich euch vor das Auge führen jene Menge von trostlosen Gestalten in härenen Gewanden, durch schwärmerische Kasteiungen zu kraftlosen Schatten entstellt, verdüstert durch Kniebeugungen und Gebete, wovon Herz und Gedanken nichts wissen, vergeblich abgemüht in einem engen Kreise von tobten Werken, ohne daß doch in ihnen der alte Mensch ertödtet, und ein freudiges Leben aufgezogen wäre. Soll ich euch vorführen das ganze, unabsehbare Netz von Ceremonien und todten Gebräuchen, in welchem alle freie Regung des gesunden, religiösen Lebens erstorben war? O könnte ich von dem Allem reden als von etwas Vergangenem, von dem die jetzige Menschheit nichts mehr weiß! - Und was sollen wir unter solchen Umständen erwarten von den Früchten der Religion, von dem sittlichen Leben? Wo der Verstand unfrei ist, da kann auch der Wille nicht frei werden. In der katholischen Kirche des Mittelalters wurde der Mensch und die Welt nicht verklärt und geheiligt durch die Religion, nicht zu einem Tempel des heiligen Geistes gemacht und konnte es auch nicht; denn es war die Ansicht dieser Kirche, daß Gott und Welt, Himmel und Erde in einem unversöhnlichen Gegensatz zu einander stehen, daß deßwegen die Zurückziehung von der Welt, ihren Geschäften, Sorgen und Freuden ein hohes, ja verdienstliches Zeichen der Gottseligkeit sei, daß daher die treue Arbeit im irdischen Berufe weit zurückstehe hinter dem beschaulichen Mönchs- und Klosterleben, die Ehe hinter dem Gelübde einer lebenslänglichen Keuschheit, der Staat hinter der Kirche; daher war man zufrieden, durch die Gebräuche der Religion, durch Fasten und Kasteiungen die Nichtigkeit und Sündhaftigkeit des natürlichen Menschen und der Welt auszusprechen, aber zu einer Wiedergeburt aus dem Geiste, zu einer Heiligung aller Lebensverhältnisse konnte es da nicht kommen. Ja die unterdrückte Natur rächte sich durch um so gröbere Ausbrüche; daher das unglaubliche Sittenverderbniß an Haupt und Gliedern, das besonders in den letzten Jahrhunderten vor der Reformation die Nothwendigkeit einer Umgestaltung der Kirche fast allgemein empfinden ließ.

Das war die Nacht des Mittelalters in geistigen Dingen. Aber auch, wenn wir auf die irdischen Bedürfnisse der Menschen sehen, welche Nacht, welcher Jammer! Päpste, Bischöfe. Aebte, Fürsten, Grafen, Ritter hatten das Land unter sich getheilt, der Bürger und Bauer, also die Masse des Volkes, war dienstbar und seufzte unter dem Druck der Lehensherrschaft und Leibeigenschaft; der Boden, den sie bearbeiteten, war nicht ihr Eigenthum, von dem Schweiße ihrer Arbeit nährten sich die Herren. Statt der Freiheit galt Willkür, statt des Rechtes die Faust, statt des Gesetzes das Recht des Stärkeren, und von ihren Burgen herab machten die Ritter das Land unsicher und gefährdeten die Geschäfte des Friedens. Die Weltgeschichte zeigt bis jetzt keine Zeit, in der die Noth des Lebens und die Armuth größer und drückender gewesen wäre, als gegen das Ende des Mittelalters. „Hüter, ist die Nacht schier hin?“ ruft es daher tausendstimmig aus allen Enden der Christenheit. Hüter, ist die Nacht schier hin? seufzt das Häuflein der Gläubigen, deren religiöses Leben in dem Werkdienst der bestehenden Kirche nicht befriedigt wurde. Ist die Nacht schier hin? ruft's aus dem Herzen des geknechteten und ausgesogenen Volkes, aus der Hütte der Wittwen und Waisen, die kein Recht fanden vor der Habsucht der Großen; ja schon verwandelt sich der Anfangs noch ängstliche Ruf da und dort in ein dumpfes Grollen der Gemüther, das einer Revolution vorauszugehen pflegt. „Hüter, ist die Nacht schier hin? Hüter, ist die Nacht schier hin?“

Horch, horch! der Hahn kräht; an dem nächtlichen Himmel zeigen sich bedeutsame Streifen, die den Morgen ankündigen - Wiklef, Huß, Hieronymus, Savonarola. Der Morgen kam: ein deutscher Mönch, der sich lange unter dem Stabe Mosis geplagt hatte und bei dem Anblick des allgemeinen Verderbens in den innersten Tiefen seines Gemüthes zusammengeschaudert war, hatte den Muth, den Leuchter des Evangeliums wieder auf den Altar der Christenheit zu stellen und die Funken des himmlischen Feuers, das Christus angezündet hatte, wieder in die Herzen des Christenvolkes hinauszustreuen. Die gewaltigen Kraftgedanken, die von da aus in die Welt hinausgesandt wurden, erschütterten die ganze bisherige Weltanschauung in ihren Grundfesten. Die Reformation stellte dem äußerlichen Werk-Wesen der bisherigen Kirche den Glauben entgegen, d. h. die Hingebung des Herzens an Gott und an das in Christus erschienene göttliche Leben; so war die Religion wieder dahin zurückgeführt, woher sie kam, nämlich in die Tiefen des menschlichen Gemüthes, um von innen heraus, aus dem Geiste, die ganze Welt wiederzugebären und zu verklären. Daher betrachtete man jetzt Gott und Welt, Kirche und Staat, Beten und Arbeiten nicht mehr als verschiedene, einander feindselige Gebiete, wovon jedes seine besonderen Stunden und Zeiten habe, sondern das ganze Leben des Menschen sollte ein fortlaufender Gottesdienst in dem Sinne sein, daß alle seine Geschäfte, Arbeiten und Freuden auf dem Gebiete des häuslichen, staatlichen und Berufslebens vom göttlichen Geiste durchdrungen und geheiligt werden sollten. Die Reformation hat daher an die Stelle des Klosterlebens und der Mönchsträgheit die Arbeit im Schweiße seines Angesichts, die Thätigkeit im irdischen Berufe, an die Stelle des faulen Gebetehersagens und Fastens die sittliche Arbeit an sich selbst, an die Stelle der Zurückziehung von Welt und Natur die sittliche Befriedigung des Menschen im häuslichen und staatlichen Leben gesetzt.

War damit nicht in Wahrheit ein neuer Morgen für die Menschheit angebrochen? War nicht der Boden jetzt gefunden, auf welchem der Tempel der Menschheit erstehen konnte, an welchem Christus der Eckstein ist und Alle eingefügt werden sollen als lebendige Steine? Mußten nicht, wenn in diesem Geiste der Bau des Gottesreiches rüstig begonnen wurde, auch die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen umgestaltet und verschönert werden? Also wiederum unläugbar: mit der Reformation war ein Morgen angebrochen nach langer Nacht.

Aber wie lautet denn die Antwort unseres Textes? „Wenn der Morgen schon kommt, wird es doch Nacht sein; wenn ihr schon fraget, werdet ihr doch wieder kommen und wieder fragen.“ Und das traf denn auch wirklich wieder ein. Der eine Theil der Christenheit, obwohl der Morgen angebrochen war, dachte: „noch ein wenig Händeringen, noch ein wenig Schlaf,“ und legte sich wieder nieder; der andere Theil, der so freudig dem jungen Morgen zugejauchzt hatte und der Sache der Reformation Herz und Mund weihte, ach, auch er legte bald die Hände wieder in den Schoß; anstatt in brüderlicher Liebe das begonnene Reformationswerk fortzuführen und mit dem frischen Athem des neuen religiösen Lebens alle irdischen Verhältnisse zu durchwehen, wußte man nichts Eiligeres zu thun, als ein neues Lehrgebäude hinzustellen, bestimmte Formeln festzusetzen, an die Jeder fix und fertig glauben mußte, wenn er nicht verdammt sein wollte, und den alten Glaubenshaß, die alte Verdammungs- und Verketzerungssucht wieder einzuführen, mit einem Wort: an die Stelle des todten Werkwesens der katholischen Kirche trat jetzt ein eben so todtes Wortwesen, ein todter Glaube. Die Religion war wieder in den Verstand getreten, und das religiöse Leben erstarrte. Was Wunders, daß nun, da die Hüter des göttlichen Weinberges wieder ansingen zu schlafen, die Füchse zahlreich in den Weinberg des Herrn einbrachen und denselben verderbten, daß ein Evangelium des Fleisches offen und laut gepredigt und noch viel mehr geübt wurde? Daß die Kirche sich jetzt beklagt über den weitverbreiteten Unglauben, den sie doch selbst groß gezogen?

Und im Irdischen? Ist da etwa die Nacht und der Jammer verschwunden in diesen 300 Jahren seit der Reformation? Wir wollen nicht ungerecht sein: es ist um Vieles besser geworden in Beziehung auf Glück und Wohlstand der Völker und der Einzelnen, aus den staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen ist vieles Rohe, Unvernünftige und Ungerechte verschwunden, und doch - wie schreckenerregend, wie das Gefühl empörend ist die Noth und Armuth in unseren Tagen; wie entsetzlich die geistige und leibliche Verwahrlosung ganzer Klassen des Volkes; wie wenig menschenähnlich und menschenwürdig die Lage von Millionen in der Christenheit! Wie sind die Stände eines und desselben Volkes durch Selbstsucht, Neid und Haß zerrissen! Welches Göhren, welche bange Ungewißheit Dessen, was da kommen soll, in unseren Tagen! Lauter und eindringlicher, als jemals, ertönt in unseren Tagen wieder der Ruf: Hüter, ist die Nacht schier hin? will denn nicht einmal enden der Bann, der auf der Menschheit zu liegen scheint? wird der Fluch nicht einmal weggenommen, der die bisherigen Geschlechter der Menschheit drückte? will der längst verheißene neue Himmel und die neue Erde nicht endlich einmal kommen? will die Nacht nicht einmal schwinden?

Welche Antwort wird die Zukunft auf diese Fragen geben? wird es wieder und in alle Ewigkeit heißen: „Wenn der Morgen schon kommt, wird es doch Nacht sein?“ Ja, meine christlichen Freunde, es wird immer so lauten, so lange wir nicht ernstlich Anstalten machen, den Geist des Christenthums bei uns einzuführen, ihn walten zu lassen in unsern Herzen, in unsern Familien, in unsern Gemeinden und Staaten; so lange wir uns begnügen mit dem Schein des Christenthums, anstatt es zur Wahrheit zu machen, mit seinen Formeln und Worten, statt seinen Geist zu begreifen.

Wohlan denn! vor Allem das heranwachsende Geschlecht genährt mit diesem Geiste des Christenthums, der den Verstand erleuchtet, die Gefühle heiligt und den Willen kräftigt! Wohlan, Mann für Mann zusammengestanden für Recht, Freiheit und Sittlichkeit, und ernsthaft ein Jeder in seinem Kreise gearbeitet für das Reich Gottes auf Erden! Dann wird es nicht mehr heißen: „Wenn der Morgen schon kommt, wird es doch Nacht sein,“ sondern glücklichere Geschlechter werden einander brüderlich die Hände reichen und aufmunternd eines dem andern zurufen: „Licht, Licht! die Erde muß ein Himmelreich werden.“ Das gebe Gott!

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