Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Jath-Batha.)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Jath-Batha.)

Fünfundvierzigste Predigt.

Neunundzwanzigste Lagerstätte: Jath-Batha

Text: 4. Buch Mose 33, 33.

Zwar ist es nur ein einziges Wörtlein, doch gewiss ein Wörtlein von großer Bedeutung, das Wort dennoch, womit Assaph den 23. Vers des 73. Psalms beginnt. So eben taucht er aus einer schweren Anfechtung empor, in die er durch Vergleichung seiner elenden, mit anderer Leute herrlichen Umstände geraten war: kaum aber schöpft er etwas Luft, so ruft er aus: dennoch! - Er gleicht einer geschlagenen Armee, welche bald nach erlittenem großen Verlust wieder mutig auf dem Schlachtfelde erscheint, sich aufs Neue mit dem prahlenden Feinde zu messen. Es ist ein Wort des Mutes. Es ist ein Wort der Geduld. Mögen die Leiden noch so empfindlich, mögen sie noch so langwierig sein, ja zunehmen: dennoch! Es ist ein Wort der Beharrlichkeit. Mag's mir bei Dir gehen, wie es kann und mag, dennoch wird nichts im Stande sein, mich freiwillig von Dir, o, mein Gott! zu scheiden; ich halte aus. Es ist ein Wort der Selbstverleugnung, dennoch mache ich keine Vorschriften und Bedingungen; wie du es machst, so soll es gelten. Es ist ein Wort des Widerstandes gegen die Vernunft, was die auch dreinreden gegen den Unglauben, was für Zweifel er auch aufbringen gegen das eigne Herz, wie es sich auch sperren mag. - Es ist ein Wort des Bekenntnisses, es sei Alles gut, was der Herr mit seinen Kindern tat, denen es immer der Wirklichkeit, oft auch dem Genuss nach wohl geht, wovon auch unsre diesmal zu betrachtende Lagerstätte zeugt.

Diese 29ste Lagerstätte lag etwa 6 Meilen von der vorigen, mit derselben in der nämlichen Richtung aufs rote Meer zu, Kanaan im Rücken. Sie hat auch einen angenehmen Namen, jedoch mit einem bittern Zusatz. Sie heißt nämlich: Gutstadt. Batha heißt aber auch Wüste, und beides ist so ineinander verflochten, dass es gute Wüste heißen möchte. Jedoch heißt Ta, ein wenig anders geschrieben, wie hier, ein Gemach, ein Zimmer. Lauter gute Vorbedeutungen. Haben die Kinder Israel diesen Namen vorhergewusst, so wurden sie munter darauf zu ziehen; gaben sie der Lagerstätte nachher diesen Namen, so war es ein Beweis, wie gut es ihnen daselbst gegangen war. Es lag indessen noch ein anderes Jathba in Kanaan selber, das ohne Zweifel ungleich besser war.

Dass dieser Name etwas recht Angenehmes bedeute, beweisen mehrere Stellen, wo er sonst vorkommt, deren wir einige anführen wollen. So bat Abram 1. Mose 12,13 in einem Anfall von schwachem Glauben und von Furcht, trotz der göttlichen Verheißung, ihn zu einem großen Volke zu machen und in ihm alle Geschlechter auf Erden zu segnen, zu segnen die ihn segneten und zu verfluchen, die ihn verfluchten, dennoch ermordet zu werden sein Weib Sarai, um deren Schönheit willen er eben erschlagen zu werden besorgte, sie möchte sich für seine Schwester ausgeben, damit es mir desto baßgehe1) - wo er eben unser Wort braucht. Das tut auch sein Urenkel Joseph 40,14., wenn er den Mundschenk, dem er seinen Traum ausgelegt hatte, bittet, seiner zu gedenken, wenn's ihm wohlgehe. Davids Diener bedienen sich 1. Sam. 24. des nämlichen Worts, wenn sie in der Höhle zu Engeddi, in welche auch sein Feind, der König Saul kam, ohne zu wissen, dass auch David darin sei, zu bereden suchten, ihn zu ermorden, und zu dem Ende lügenhafter Weise vorgaben, Gott habe ja verheißen, seinen Feind in seine Hände zu geben, dass du mit ihm tust, was dir gefällt, wodurch sie David in eine schwere Versuchung brachten, die er aber glücklich überwand. Nehemia braucht dieses Wort 2,4. auch, wo es heißt: gefällt es dem Könige. Der bemerkenswerte Zusammenhang ist dieser: Er war einer von den Juden in der babylonischen Gefangenschaft, bekleidete bei dem König von Persien die hohe Würde eines Mundschenk, und wohnte mit ihm auf dem Schlosse Susan. Er trug aber leid wegen der Zerstörung Jerusalems, und noch mehr wegen der Sünden, womit sie sich dieses entsetzliche Gericht zugezogen hatten, indem er zugleich sagt: Ich und meines Vaters Haus haben auch gesündigt. Er bekennt sie in einem demütigen Gebet vor dem Herrn, hält ihm aber auch seine Verheißung vor, worin er den sich Bekehrenden seine Gnade zusichert, und bittet aufs Dringendste : Ach, Herr, lass dein Ohr aufmerken auf das Gebet deiner Knechte, die da begehren deinen Namen zu fürchten. In dieser seiner Gemütsstimmung musste er also sein Mundschenkenamt verwalten, seines Herzens Kummer malte sich aber auf seinem Gesichte ab. Der König bemerkte es und sagte zu ihm: Warum siehst du so übel? Du bist doch nicht krank? Das ist es nicht, sondern du bist schwermütig. Nehemia erschrak sehr über diese Frage, gestand auch, dass er schwermütig, und dass die Zerstörung Jerusalems die Ursache seines Kummers sei. Was forderst du denn? fragte gnädiglich der König. Da bat ich den Herrn vom Himmel und sprach zum Könige: Gefällt es dem König, dass du mich sendest zu der Stadt des Begräbnisses meiner Väter, dass ich sie baue? So geschickt war Nehemia im Beten, dass er zu gleicher Zeit mit dem König sprechen und zu Gott beten konnte. Lasst uns das auch lernen, Gebet und Arbeit zu verknüpfen.

Lasst uns aber noch ein paar Stellen vernehmen, wo das Wort unsrer Lagerstätte vorkommt. Es tut's 5. Mose 8,16., wo es heißt: Der Herr führte dich 40 Jahr in dieser großen und grausamen Wüste, auf dass er dich demütigte und dir hernach wohltäte, du möchtest sonst sagen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir dies Vermögen ausgerichtet. Besonders lieblich aber kommt es Jer. 32,40.41. vor, wo der Herr versichert: Ich will einen ewigen Bund mit ihnen machen, dass ich nicht will ablassen, ihnen Gutes zu tun, und will ihnen meine Furcht ins Herz geben, dass sie nicht von mir weichen, und soll meine Lust sein, dass ich ihnen Gutes tun soll.

Alle diese Stellen beweisen, dass der Name Jathba eine sehr angenehme Bedeutung habe, von Wohlgehen, Gefallen, Wohltun. Lasst uns denn Einiges von dem Gut wahrer Christen erwägen, wie sie dasselbe teils in der Wüste dieses Lebens genießen, teils künftig zu erwarten haben.

Jathbatha, Gutstadt, lag in der Wüste. Ein anderes lag in Kanaan selber. Das Gut, was wahre Christen in der Wüste dieses Lebens haben, dürfen sie nicht sehen in irdische Dinge, auch nicht im Genuss, sondern im Besitz geistlicher Güter durch den Glauben.

Zunächst müssen wir die Personen kennen lernen, denen es gilt. Es sind wahre Christen. Wahre, sagen wir, zum Unterschied von Namen, Heuchel- und Maulchristen. Ein Namenschrist führt nur den Namen, ein Heuchelchrist hat den Schein, ein Maulchrist die Worte, nicht das Wesen, nicht das, was eigentlich einen Menschen zum Christen macht. Wer ist denn ein wahrer Christ? Der Katechismus sagt sehr wahr: Wer durch den Glauben ein Glied Christi und also seiner Salbung teilhaftig ist. Christ heißt seiner eigentlichen Bedeutung nach ein Gesalbter. Ein Christ ist noch nicht gleich derjenige, der keine groben Laster, Betrug u. dergl. begeht, und keine in die Augen fallenden bösen Eigenschaften an sich hat. Jemand ist darum noch nicht ein wahrer Christ, der allerlei löbliche und gemeinnützige Werke vollbringt, treu und redlich ist, ehrlich und fleißig in seinem Beruf, zuverlässig in seinen Versprechungen und Aussagen, artig in seinem Betragen, dienstfertig, zuvorkommend, mitleidig, anspruchslos, kurz, der einen guten Charakter hat. Es ist auch Jemand darum noch nicht im eigentlichen Sinne ein Christ, weil er eine gute Religionserkenntnis besitzt, und seine Pflicht ziemlich kennt, der nicht nur viel auf Pflichterfüllung bei Andern hält und sie ihnen empfiehlt, sondern sie sich auch selbst angelegen sein lässt, und also die Religionsübungen eben so wenig versäumt, als die sonstigen täglichen Lebenspflichten. Kurz, es kann Jemand ein kirchlicher, ehrlicher, braver und rechtschaffener Mann sein, ohne doch noch ein wahrer Christ zu sein. Was fehlt ihm denn noch? Eins. Und was ist dies Eine? Der heilige Geist.

Ein wahrer Christ ist auch derjenige noch nicht gleich zu nennen, der Rührung und Erweckung hat, gute Vorsätze fasst und sie auszuführen strebt. Es kann Jemand ein fleißiger und aufmerksamer Zuhörer der Predigt des Evangeliums, und damit ziemlich einverstanden sein, er kann sich manchmal getroffen fühlen, er kann zu Tränen gerührt, er kann beunruhigt, und ihm angst und bange werden, er kann eine Einsicht von der Glückseligkeit wahrer Christen bekommen, und mit dem Agrippa ausrufen: Du beredest mich beinahe, dass ich ein Christ werde! es können ihm unerwartet merkwürdige Sprüche einfallen und ihm einen Schrecken einjagen oder Freude verursachen, und es doch von ihm heißen: Er hat nicht Wurzel. Wenn alle diese sich für Christen halten, wie sie denn tun, so betrügen sie sich selbst und haben kein Gold, das durchs Feuer bewährt ist, und kein Werk, das die Probe aushält. Ja, eben sie stehen ungemein gefährlich, sprechen: ich bins, und wissen nicht, dass sie elend und jämmerlich, arm blind und bloß. Vielleicht übertreffen sie, dem Anschein nach, manche wahre Christen in manchen Stücken, und sind weit stärker wie sie. Sie können beten, wann und wie sie wollen, sie spüren keinen Mangel an Vertrauen, und das Glauben wird ihnen nie schwer; sie wissen sich über ihre Gebrechen bald zu trösten, man hört sie über ihren Seelenzustand, wenn ja davon gesprochen werden soll, nie klagen, sondern sie haben vielmehr vollauf. Sie sind nicht klein, sondern groß, nicht arm, sondern reich, nicht fündig, sondern brav, und gedenken durch ihr Bestreben immer weiter zu kommen. Aber was hilft ein schönes Gepräge, wenn die Münze falsch ist, und was nützt ihre Größe und Schwere, wenn sie den gehörigen Gehalt nicht hat? Hüte sich daher ein Jeglicher, dass er nicht, den törichten Jungfrauen gleich, wohl eine Lampe habe, woran nichts zu tadeln ist, am Ende aber doch des Öls ermangele, worauf Alles ankommt.

Aber es kann auch auf der andern Seite Jemand ein Christ im echten Sinne sein, der eher einem glimmenden Tocht, als einem brennenden Licht gleicht. Um seine Lampe kann es kümmerlich aussehen, und er doch Öl besitzen. Es kann z. B. Jemand ein wahrer Christ sein, und es ihm sowohl an einer ausgebreiteten Religionserkenntnis, als an der Gabe mangeln, sich über christliche Gegenstände auszusprechen und sich mitzuteilen; er kann ein ungünstiges Temperament haben und ihm sein alter Mensch ungemeine Hindernisse in den Weg legen. Es kann sein, dass er das nicht erfahren hat, was man eine schwere Buße zu nennen pflegt, und worunter man große Angst und Schrecken wegen der Sünde und ihren Folgen versteht. So mag ihm auch ein solcher ausnehmender Trost unbekannt sein, womit Andere begnadigt worden sind.

Ein wahrer Christ aber ist nur derjenige, welcher den heiligen Geist empfangen hat und kein anderer; denn wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein, und nur die sind Gottes Kinder, welche der Geist Gottes treibt. Wer aber hat den heiligen Geist? das lässt sich nur aus den Wirkungen erkennen, die jedoch bei dem Einen deutlicher ans Licht treten, wie beim Andern. Der Herr aber kennt die Seinen. Wo aber der Geist des Herrn ist, da schafft und wirkt er auch. Er hat dem vorher sorglosen, eigengerechten Menschen sein Sündenelend und Verlorensein aufgedeckt und fährt damit fort, wie Christus sagt: Er wird die Welt überzeugen von der Sünde. Er fängt das Heilen mit dem Verwunden an und das Gesundmachen damit, dass er den Menschen krank macht oder vielmehr sein Kranksein fühlen und merken lässt. Der Geist, der ein heiliger ist, flößt ferner dem bisher mit der Sünde befreundeten Menschen einen ernstlichen Hass wider alle Sünden ein, die er aus allen Kräften flieht. Er weiß kein größeres Elend, als die Sünde, und kennt kein größeres Unglück, als von ihr beherrscht zu werden und Sünde zu tun. Er strengt sich an, sie von sich zu werfen und sich ein neues Herz und einen neuen Geist zu machen, aber über diesen gesetzlichen Bemühungen wird erst die Sünde überaus sündig durchs Gebot, sie betrügt ihn durch dasselbe, und die Tiefe seines Elends, sowie die Größe seiner Ohnmacht wird ihm recht offenbar; so wird er gründlich gewahr, dass dieser Leviathan mit andern Waffen als bloß natürlichen Kräften bestritten werden müssen. Er begehrt denn nun seine Erlösung von dem Leibe dieses Todes aufs herzlichste. Er betrachtet sie mit Recht als das vortrefflichste Gut, das ihm zu Teil werden könne, und das mit keinem andern zu vergleichen ist, und gönnt Jedem alles Gut und alle Lust der Welt, wenn er nur dieses erlangt, sollte es ihm auch sonst gar elend gehen. Er ringt, er betet, er fleht. Der heilige Geist zeigt ihm nun auch weiter Jesum Christum als den Weg und den einigen und vollkommenen Heiland der in sich selbst verlorenen Sünder, der eben um ihretwegen in diese Welt gekommen ist. Er treibt ihn an, zu ihm seine Zuflucht zu nehmen und zu flehen: Mach mich auch selig! Er hungert und durstet nach seiner Gnade; es wird ihm auch wohl verliehen, sich Christum mit aller Zuversicht und Freudigkeit zuzueignen, selbst seines Heils in ihm ganz gewiss zu sein und so zu glauben, dass er nicht zweifelt, und das heißt denn freilich recht in Jath Batha, in Gutstadt, gelagert sein. Und nun setzt der heilige Geist das Geschäft der Erleuchtung, Demütigung, Züchtigung, das Geschäft des Tröstens, der Heiligung, der Erneuerung fort und macht die Seele tüchtig zu dem Erbteil der Heiligen im Lichte, wo er zu seiner Zeit auch aufgenommen wird. Und dies sind Geisteswirkungen, wodurch aus einem Menschen ein Christ wird, die deswegen Feder erfahren muss und erfährt, der selig werden soll.

Dies sind also die Personen, welche in Jath Batha gelagert sind. Sie haben es gut; jedoch besteht ihr Gut nicht im Irdischen, nicht in zeitlichen Gütern und Freuden. Diese schätzen die beschriebenen Personen gering, wenigstens nicht über Gebühr, mögen sie sich auch etwa mit Agur Armut verbitten und begehren, ihr bescheiden Teil hinzunehmen, so lässt ihnen doch der Geist, der in ihnen ist, nicht zu, ihre Begierden im Zeitlichen weit auszudehnen. Ja, sie fürchten es als einen Feind, gegen welchen sie auf ihrer Hut zu sein alle Ursache haben; denn Gott und der Mammon sind zwei allzu ungleichartige Herren, als dass Jemand ihnen zugleich dienen könnte, und die Liebe des Vaters bleibt nicht in dem, welcher die Welt lieb hat. Die da reich werden wollen, fallen in Versuchung und Stricke. Paulus beklagt es mit Recht sehr, wenn ein Demas die Welt wieder lieb gewinnt, und Petrus stellt es als etwas sehr Jämmerliches vor, wenn diejenigen, welche ein wenig entronnen waren, wieder in den Unflat der Welt verflochten werden. Christus aber sagt nicht ohne Ursache: Hütet euch, und Paulus: Trachtet nicht nach dem, was auf Erden, sondern nach dem, das im Himmel ist. Damit stimmt auch der in sie gepflanzte geistliche und himmlische Sinn überein. Er stammt vom Himmel und sehnt sich nach den geistlichen Segnungen in himmlischen Gütern; des Herrn Tröstungen sind besser und lieber als das Leben. Teilen sich dieselben der Seele mit, so kann sie alles Andere leichtlich entbehren; mangelt es daran, ziehen sie sich zurück, so kann nichts sie ersehen. Wer die Kräfte und Süßigkeit der zukünftigen Welt geschmeckt hat, der ist gleichsam verwöhnt und kann den irdischen Dingen keinen Geschmack mehr abgewinnen, und wehe ihm auch, wenn es geschähe; denn so sie abfallen, ist es unmöglich, dass sie wieder sollten erneuert werden zur Buße. Irdisches Gut ist ihnen auch, besonders unter dem Neuen Testament, nirgends versprochen; vielmehr werden sie angewiesen, dem Exempel Christi zu folgen, und so in der Welt zu sein, wie er darin war: arm und geplagt. Christen haben keinen Grund, warum sie erwarten dürften, es werde ihnen, eben weil sie Gläubige sind, im Zeitlichen gelingen oder sie irgend einen Vorzug genießen; hier hätten sie sich auf das Gegenteil gefasst zu halten und darauf zu denken, dass sie auch im Zeitlichen im Aufsehen auf den Herrn werden geübt werden, während Andere bloß ihre natürlichen Kräfte brauchen. Ja, sie haben es im Irdischen oft nicht gut. Manche unter den wahren Christen sind krank und dürftig, und könnten wohl mit Jakob sagen: Es geht Alles über mich. Wenig und böse ist die Zeit meiner Wallfahrt.

Besteht das Gut der Christen nicht in zeitlichen Dingen, so besteht es um so mehr in geistlichen Gütern. Ihnen geht's überhaupt gut, und sie sind nicht etwa nur dann und wann, sondern beständig und stets auch schon in dieser Welt in Jathbatha gelagert. Ihre Namen sind im Himmel angeschrieben, der dreieinige Gott hat sie lieb und ist ihnen gnädig. Alle ihre Sünden sind ihnen vergeben, und ihre sündliche Art, mit welcher sie ihr Lebenlang zu streiten haben, ist mit dem Leiden und Sterben Christi bedeckt, bis sie endlich gar hinweggenommen werden. Sie haben einen Fürsprecher bei dem Vater. Sie werden aus Gottes Macht beständig bewahret zur Seligkeit. Sie werden erlöset aus allen ihren Sünden. Sie haben mit einem Wort Teil an Christo und allen seinen Schätzen und Gaben, welche ein unausforschlicher Reichtum sind. Wie könnte es ihnen auch anders als stets und unter allen Umständen wohl gehen, da sie angenehm gemacht sind in dem Geliebten und da ihnen Alles zu ihrer Seligkeit mitwirken muss? Dieses Wohlergehen haben sie wohl im Besitz, aber nicht in beständigem, erquicklichem Genuss. Ihr Erbe wird ihnen im Himmel behalten und sie erwarten von dannen ihres Leibes Erlösung. Christus ist ihr Reichtum und mit ihm ihr Schatz im Himmel. Sie haben zwar Alles inne und haben doch nichts und Alles. Sie sind reich und arm zu gleicher Zeit. Sie gleichen den Kindern, welche, obschon sie Herren sind aller Güter, doch noch unter den Vormündern und Pflegern stehen, so dass zwischen ihnen und den Knechten kein Unterschied ist, ja sie diesen wohl untergeordnet sind. Sie gleichen oft denjenigen reichen Leuten, welche grade keinen Pfennig bei sich haben, und immer denen, die nicht ihre ganze Habe in den Händen tragen. Sie sind möchte man sagenreich an Wechseln, die aber noch nicht zahlbar sind; an Obligationen, aber nicht an barem Gelde. Sie besitzen Alles, sie sind vollendet, sie sind gestorben, begraben, auferstanden und sogar in das himmlische Wesen versetzt, haben es aber doch noch nicht ergriffen, sondern jagen ihm nach, ob sie's ergreifen mögen, nachdem sie von Christo Jesu ergriffen sind. Ihr Besitztum ist gewiss. Es sind gewisse Gnaden Davids. Es ist ein Salzbund. Die Pforten der Hölle können sie nicht überwältigen. Alle Verheißungen sind in Christo Ja und sind Amen in ihm. Es kommt Alles und fehlt an Keinem, weder Kleinem noch Großem. Jedoch haben sie's auch zuweilen oder oft und fortwährend zum süßen Genuss. Der Geist gibt auf eine nachdrückliche Weise Zeugnis ihrem Geist, dass sie Gottes Kinder sind. Die Liebe Gottes wird durch den heiligen Geist ausgegossen in ihr Herz. Sie sind überschwänglich in Freuden. Sie sind sich ihres Gnadenstandes mit Zuversicht bewusst. Es bestrahlt sie das helle Licht des Evangeliums, dass sie bekennen können, wir sind vollkommen in Ihm. Sie feiern einen lustigen Sabbat, wo sie auf eine höchst erquickliche Weise ruhen von aller Arbeit und sagen können: Dein Geist tut's, was ich tu'. Mein Beten ist Genießen. Mit einem Wort: es geht ihnen ungemein wohl. Der Herr tut, was sie begehren, ja antwortet, ehe sie rufen. Er geht mit ihnen nach Nazareth und ist ihnen untertan. Nichts wird ihnen schwer, sondern Alles kommt wie von selbst. Das heißt dann auf eine fühlbare Weise in Jathbatha gelagert sein.

Aber, wie gesagt, das Wörtlein bata heißt auch Wüste. Sie dürfen nicht darauf rechnen, dass das so an einem fort währe. Es kann es allerdings und wird's auch bei denjenigen, zu welchen der Herr nach Ezech. 39,29. sagt: Ich will mein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen. Durchgängig aber grenzt das Jath und bata, das Gut und die Wüste, sehr nahe aneinander, wie wir's schon bei Hor Gidgad bemerkt haben, wo das Wörtlein Hor, edel, unerwartet eine ganz andere Bedeutung bekommt und sich in ein Loch umgestaltet. Sollte das Weib, das Johannes Offenb. 12. sah, mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von 12 Sternen, in diesem ihrem Staat in die Wüste geflohen oder nicht ihre Herrlichkeit erblich sein? Kann nicht Jemand wiedergeboren sein, ohne es selbst zu wissen, ein Kind Gottes sein und gefragt werden müssen: Kennst du dich selber nicht? Kann ein wahrer Christ nicht traurig sein in mancherlei Anfechtungen? Rührt der 88ste Psalm nicht eben sowohl von einem wahren Gläubigen her, als der 103te? und sollte das Ächzen jenes dem Herrn nicht eben so angenehm gewesen sein, als das Halleluja dieses Dichters? Weib, was weinst du? so kann auch eine Magdalena gefragt werden müssen, und ein Schwert durch die Seele Marias, der Mutter Jesu, dringen.

Wir sind wohl selig, sagt der Apostel, jedoch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung mehr, sondern Genuss. So ist's auch hier. Wir haben schon bemerkt, dass es zwei Jathbathas gab, das eine hier in der Wüste, das andere in Kanaan selber, dessen 2. Könige 21,19. gedacht wird, mit Weglassung einer Silbe, womit zugleich die Erinnerung an eine Wüste aufhört. Hat die Kirche jetzt schon ein Jathba, so steht ihr doch das eigentliche und beste noch bevor; daran wird der Zusatz desjenigen hienieden fehlen, nämlich die Unvollkommenheit.

Dies bessere Jathba steht der Kirche hienieden noch bevor, denn sie wartet auf herrlichere Zeiten, als sie bisher noch erlebt hat. Bessere Zeiten im Irdischen, wo der Fluch wieder von der Erde weggenommen sein wird und sie sich ungefähr wieder also gestaltet, wie sie ursprünglich vor dem Sündenfall war im Geistlichen, so dass des Mondes Glanz sein wird, wie der Sonnen Glanz, und der Sonnenglanz wird siebenmal heller sein. Alsdann wird die Erde voll sein von Erkenntnis des Herrn, wie das Meer von Wasser. Alle Heiden werden hinzukommen und ganz Israel selig werden. Kein Krieg wird mehr sein und sonst kein Unglück, und die Stadt wird heißen: Jehovah Schamma, der Herr ist daselbst. Und dies wird keine vergängliche Herrlichkeit sein, sondern sich mit der Ewigkeit verbinden, und die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne. Dann wird's heißen: Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Er selbst Gott mit ihnen wird ihr Gott sein, und dann wird's heißen: Es ist geschehen!

Eilt denn nach Jathbatha, indem ihr wahre Christen werdet, denn wer kein wahrer Christ ist, der ist ein unseliger Mensch, und wäre er ein König. Wer ein wahrer Christ wird, der wird ein glückseliger Mensch. Wer ein wahrer Christ ist, der ist ein glückseliger und würde er lebendig verbrannt. Wer weise ist, lässt sich daher nichts so sehr angelegen sein, als ein wahrer Christ zu werden, zu sein und zu bleiben. Nur Gott macht aus einem Menschen einen wahren Christen. So aber ihr, die ihr arg seid, könnet euren Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten? Amen.

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wohlgehe
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