Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Mithka).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Mithka).

Vierzigste Predigt. Vierundzwanzigste Lagerstätte: Mithka.

4. Buch Mosis 33,28.

Dies ist die 24ste Lagerstätte. Auch sie hat einen empfehlenden Namen, von der Süßigkeit. Sie waren gelagert in Süßhofen, in der Süßigkeit. Angenehme Lagerstätte fürwahr! Lasst uns denn Einiges betrachten von den Süßigkeiten des Reiches Gottes, ihren Quellen und ihrer Beschaffenheit.

Die Welt meint, sie sei im Besitz derjenigen Dinge, welche einem Menschen Vergnügen und Freude geben können, und betrachtet die Gottseligkeit als eine freudenleere, der Freude beraubende Sache. Aber das geben wir durchaus nicht zu, sondern behaupten im Gegenteil, dass Gottseligkeit die notwendige Bedingung aller wahren Freude, und diese ohne jene unstatthaft, unzulänglich und unmöglich sei. Das ahnte schon der Heide Seneka, welcher an einen seiner Freunde schreibt: glaube mir, es ist um die wahre Freude eine sehr wichtige Sache, - und er irrte in diesem Stücke nicht.

Die Welt redet viel von erlaubten sinnlichen Vergnügen. Wir geben sie zu, müssen aber erklären, dass sie dies erlaubt sein sollen, weit über die Gebühr und über die Schranken des göttlichen Wortes ausdehnt. Und das können und dürfen wir nicht zugeben. Flieht, heißt es überhaupt, flieht die vergängliche Lust der Welt. Was kann deutlicher, was kann bestimmter und entscheidender sein, als das? Habt nicht lieb die Welt, und was in der Welt ist, Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen. Wer die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Was für Ausflüchte wird man dagegen mit Grund machen können? Ferner wollen wir niemand was weiß machen, und also allerdings gestehen und bekennen, dass die wahre Gottseligkeit durchgängig mit Betrübnis beginnt, auch auf mancherlei Weise unter derselben fortgesetzt wird. Christus kündigt denen, welche ihm nachfolgen wollen, ohne Umstände zu machen, ein tägliches Kreuz an, das sie auf sich nehmen müssen. Dies Kreuz macht die Weltlust ersterben. Es wird den Lachern befohlen zu weinen, und den Lustigen elend zu werden und Leide zu tragen. Ihre Freude soll sich in Traurigkeit, und ihr Lachen in Weinen umwandeln. Und was für eine Freude ist hier gemeint? doch gewiss die Freude im heiligen Geist nicht, welche ein Bestandteil des Reiches Gottes ist - folglich solche Freuden, welche dahin nicht gerechnet werden können.

Wir haben schon manche schlimme Lagerstätte gehabt. und werden dergleichen noch bekommen; mitunter gibt's aber auch sehr liebliche, wie denn diese 24ste von der Süßigkeit den Namen hat. So wechselt Eine mit der Andern ab. Wir wollen denn jetzt von den Süßigkeiten des Reiches Gottes reden, wie sie schon auf Erden genossen werden…

Salomo sagt in seinen Sprüchen (9,17) von den verstohlenen Wassern: sie seien süß und bezeichnet damit eine Freude, welche aus und über sündliche Dinge entsteht. Paulus sagt 1. Kor. 13 von der Liebe, sie freue sich nicht der Ungerechtigkeit; das muss also möglich sein, wie gottlos es auch ist. Röm. 1 spricht er von Leuten, welche die Gerechtigkeit Gottes kennen, dass, die solches tun, des Todes würdig sind, und es dennoch nicht nur tun, sondern auch Gefallen an denen haben, die es ebenfalls tun, was ja sehr böse ist. Es gibt ja auch Schadenfreude; die Rache wird süß genannt u. dgl. Manche finden ihre Freude daran, Andere anzuführen, und freuen sich nicht nur über den verursachten Schaden, sondern auch über ihren Verdruss. Und sonst suchen sich die Menschen nur Freude zu machen, wenn es auch nicht anders als auf die sündlichste Weise geschehen kann. Dass dergleichen mit der Gottseligkeit nicht bestehen könne, spricht von selbst.

Die Quelle gottseliger Freuden liegt auch nicht in irdischen Dingen geradezu. Wo wahre Gottseligkeit stattfindet, da haben irdische Dinge sehr viel von ihrem Wert verloren, und verlieren ihn immer mehr, werden unbedeutender, gleichgültiger. Es wird mehr und mehr Herzenssprache:

Ach, sagt mir nicht von Gold und Schätzen,
Von Pracht und Schönheit dieser Welt;
Es kann mich ja kein Ding ergötzen,
Was mir die Welt vor Augen stellt.

Recht in Christo gewurzelt und gegründet, recht stark geworden zu sein durch seinen Geist am inwendigen Menschen, und ihn durch den Glauben wohnend zu haben im Herzen, das ist und wird das Ziel, wonach sich das Herz mehr und mehr ausstreckt. - Jedoch ist das mit keineswegs gesagt, als ob ein wahrhaft gottseliger Mensch alles Irdische mit finsteren Blicken ansähe und angrinste, und sich also verhalten müsste! O! nein. Wie er es nicht zu hoch anschlägt, so taxiert er es auch nicht unter die Gebühr. Besitzt er zeitliche Vorzüge, als da ist: Wohlhabenheit, sein reichliches Auskommen, Gesundheit, ist er glücklich in seinen Geschäften, erlebt er Freude an den Seinigen: sollte er das nicht mit herzlicher Freude erkennen? das wäre Undank. Hat er im Zeitlichen Vorzüge vor andern her, allerlei Bequemlichkeiten, die andere entbehren, erlauben es ihm seine Verhältnisse, sich zierlich zu kleiden, eine gute Tafel zu führen, schön zu wohnen: warum sollte er sich nicht auch des herzlich freuen, wiewohl ihn seine Gottseligkeit ebenso tüchtig als bereit machen wird, dies alles, so es des Herrn Wille ist, zu verleugnen and fahren zu lassen, auch noch ehe er den Weg alles Fleisches gehen muss. Sollte er seine Augen vor den Schönheiten der Natur und Kunst verschließen? Gar nicht. Sollte er Errettung aus zeitlichen, körperlichen Drangsalen, samt zeitlichen Vorteilen für Nichts achten? Das sei ferne. Im Gegenteil seht die wahre Gottseligkeit eben die Menschen in den Stand, auch aller dieser Dinge recht von Herzen froh zu werden, und sich auf eine Weise darüber zu ergötzen, wie ungöttliche Menschen es gar nicht können, noch verstehen. Eine Blume, ein Gräslein kann sie mit unbeschreiblicher Freude erfüllen, und eine göttliche Freude durch die Sinne ihr Herz hüpfen machen. Sie schmecken und sehen Gott selbst in seinen Kreaturen, wie freundlich er ist, und je nachdem sie stehen, zeigt sich das Angesicht ihres lieben Vaters an allen Ecken und Enden. Sie haben auch ein irdisches Vergnügen: in Gott, freilich muss man aber selbst gottselig sein, um zu verstehen, wie sehr sich dies Vergnügen von dem irdischen und fleischlichen Gesinntsein über die nämlichen Gegenstände unterscheidet. Ja, wie nur gottselige Menschen sich recht freuen können, so dürfen sie's auch nur allein, sie haben das ausschließliche Recht dazu. Zu ihnen, und keinen andern heißt es: freut euch allewege. Ihr Andern dürft und sollt euch gar nicht freuen; keinen vergnügten Augenblick dürft, könnt und sollt ihr haben. Wie könntet ihr's, da ihr keinen gnädigen, sondern einen erzürnten Gott, da ihr keine Vergebung der Sünde, keine Hoffnung des ewigen Lebens habt, da ihr unter dem Fluche liegt, da ihr dem ewigen Untergang entgegeneilt? Wie dürftet ihr fröhlich sein, da ihr unablässig Gott beleidigt, an seinen Sohn nicht glaubt, seine Gebote nicht haltet, sondern übertretet. Ihr sollt es auch nicht, sondern was sollt ihr? Buße tun sollt ihr, eure Sünden erkennen, bereuen, betrauern; einsehen, wie hochbedürftig ihr seid der Vergebung der Sünden durch das Blut Jesu Christi, der Erneuerung des Herzens durch den heiligen Geist, wie hochbedürftig überhaupt der Begnadigung. Sie sollt ihr mit allem Fleiß und Eifer suchen, bis ihr sie erlangt; und wenn ihr so glücklich seid, so wird sich dann von selbst eure Traurigkeit in Freude umwandeln, und euer Weinen in Lachen. Diesen Weg geht, so werdet ihr euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude.

Die Quellen der Süßigkeiten des Reiches Gottes hier auf Erden liegen aber

1.

im Worte Gottes, von welchem der 119. Psalm mit Recht sagt: wenn es offenbar wird, so erfreut es. Im 19. sagt David, es sei ihm süßer, als Honig und Honigseim. Jeremias betet: erhalte uns dein Wort, denn es ist unsers Herzens Freude, und wenn wir es fanden, haben wir es gegessen wie eine köstliche Speise. Bekennt nicht David: wenn dein Wort nicht wäre mein Trost gewesen, so wäre ich vergangen in meinem Elend. Und gewiss, woher wissen wir's denn, dass bei Gott viel Vergebung ist, dass er Gnade beweist vielen Tausenden, dass es je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort ist, dass Jesus Christus gekommen ist in die Welt, Sünder selig zu machen; dass die Armen am Geiste, die Leidtragenden, die da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, selig sind; dass er den nicht hinausstoßen will, der zu ihm kommt. woher wissen wir diese und die übrigen Heilswahrheiten, auf welchen der gesamte Trost der sündigen Menschen beruht, als eben aus dem Wort Gottes? O! welch eine köstliche Mahlzeit findet nicht manchmal ein heilsbegieriges Gemüt in dem Worte bereitet, und mit welcher Zustimmung sagt es mit David: es sei ihm köstlicher als viel Gold,

Welch ein Festmahl wird nicht manchmal durch eine Predigt, ja schon durch ein Paar Wörtlein in derselben zugerichtet, dass eine Seele alles Kummers los, und des göttlichen Friedens voll wird. Welche liebliche Wunder hat nicht schon manchmal ein Liedervers gewirkt. So lange es aber noch eine Bibel auf Erden gibt, so lange hat das Volk Gottes auch ein Mithka, eine Quelle der Süßigkeit, die alles Leid versüßt. Sie braucht nur zu fließen, dies Wort braucht nur offenbar zu werden: so heitert sich der ganze Himmel des Gemüts auf. Und wie häufig geht's noch so, wie es Apostelgesch. 15,31 heißt: da sie das lasen, wurden sie des Trostes froh.

2.

Eine andere Süßigkeit liegt in der Gemeinschaft der Heiligen, in dem Umgang der Christen mit einander, mag auch die Welt noch so sauer dazu sehen. Von diesem Umgang braucht David im 55. Ps. Vers 15 das Wort süß, wenn er sagt: wir waren süß freundlich mit einander und wandelten zusammen im Hause Gottes; wiewohl er sich in der Person schrecklich irrte, denn er sagt dies von Ahitophel. Christen haben hienieden schon zuweilen einen Vorschmack ihres ewigen himmlischen Beisammenseins, und einen erfahrungsmäßen Beweis der Zusage des Herrn: wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Es waltet oft ein unaussprechlicher Segen auf der gemeinschaftlichen Unterredung, und dem gemeinsamen Gebete der Gläubigen, dass sie mit Jakob sagen können: der Herr war gewiss an diesem Orte; und oft ist ihr Schweigen nicht weniger gesalbt, als ihr Reden. Und was wird es sein, wenn sie sich selbst völliger getötet, dem Herrn völliger leben. Diese Süßigkeit wird besonders an Orten genossen, wo Christen wegen ihrer geringen Anzahl sich seltener begegnen. Gott gebe uns viel Liebe!

3.

Süß sind den wahren Christen drittens: erfreuliche Nachrichten aus dem Reiche Gottes sowohl im allgemeinen, als von einzelnen Personen. Als Paulus und Barnabas nach Ap. Gesch. 15 nach Jerusalem kamen, und der Gemeinde daselbst erzählten, wie viel Gott mit ihnen getan, und wie er den Heiden die Tür des Glaubens aufgetan, und den Wandel der Heiden meldeten, machten sie nach Vers 3 allen Brüdern große Freude. Und geht es uns nicht auch so, wenn wir auf eine glaubwürdige Weise gute, die Gottseligkeit und die Ausbreitung des Reiches Gottes betreffende Nachrichten aus andern Gegenden bekommen, sei es das Vaters, sei es das Ausland, sei es diesseits oder jenseits des Meeres: wenn wir vernehmen, wie sich hier unter den Namenchristen ein neues Wehen des Geistes zeigt, dorten unter den Heiden ein Fragen nach dem Herrn vernommen wird? Aber wenn ein einzelner Sünder Buße tut, so ist nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden Freude, wozu ja auch der Vater des verlornen Sohnes seinen andern Sohn auffordert, da er zu ihm sagte: du solltest fröhlich und gutes Mutes sein, denn dein Bruder, der tot war, ist lebendig worden, und der verloren war, ist wiedergefunden, Luk. 15,32. Es kann geschehen, dass man, wenn die Gnade Personen plötzlich umwandelt, von denen man es nicht hätte erwarten mögen, wegen ihrer Engherzigkeit, denen Christen zu Jerusalem ähnlich wird, welche, statt sich zu freuen, sich entsetzten, als sie vernahmen, dass Saulus, ihr bisheriger Verfolger, bekehrt sei, und als er persönlich zu ihnen kam, sich fürchteten und nicht glaubten, dass er ein Jünger sei, Ap. Gesch. 9,26. Sonst aber ist es doch ungemein erfreulich zu vernehmen, dass dieser und jener wieder in Zion geboren, oder von seinem Abweichen wieder geheilt, oder getröstet worden sei. Der Herr mache uns oft diese Freude!

4.

Eine vierte Süßigkeit quillt den Kindern Gottes hienieden oft aus den Erinnerungen. Ich gedenke der vorigen Zeit, sagt David, und Ps. 119 spricht er: wenn ich gedenke, wie du von der Welt her gerichtet hast, so werde ich getröstet. Jakob nannte jene Stätte: Pniel, Angesicht Gottes, wo sich der Herr ihm sonderlich offenbart hatte, und eine andere, ihm nicht weniger denkwürdige Stätte, nannte er: Bethel, Gottes-Haus, und errichtete einen Stein als Denkmal. Paulus erinnert die Galater auch an die Vorzeit, an den damals genossenen Frieden und die empfundene Liebe. Wie wart ihr dazumal so selig, sagt er, eure Augen hättet ihr verschenkt. Die meisten Gläubigen haben dergleichen merkwürdige Punkte in ihrer Lebensbahn, deren Andenken ihnen Freude machen kann. Dies ist sowohl ihr Zug zu dem Herrn überhaupt als auch einzelne Rettungen und Tröstungen insbesondere. Wie Hiskia sich vor der erfahrnen Betrübnis seiner Seele selbst scheuen wollte sein Lebenlang: so blieb es ihm auch unvergesslich, wie herzlich der Herr sich seiner Seele angenommen, und alle seine Sünde hinter sein Angesicht zurückgeworfen hatte. Wenn David sagt; da vergabst du mir die Schuld meiner Übertretung; so blieb ihm dies lebenslänglich ein merkwürdiges und seiner Rückerinnerung süßes da, welches Ort und Zeit bezeichnet. Unvergesslich, und auf eine angenehme Weise unvergesslich bleibt ihnen jene Schriftstelle, welche ihnen mit besonderer Kraft ins Gemüt geprägt wurde, sei es der Spruch: es ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass: Jesus Christus gekommen ist, Sünder selig zu machen; oder die Stelle: die Sünde wird nicht über euch herrschen können, denn ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade; oder eine andere. Auf eine süße Weise unvergesslich bleibt es ihnen, wie es ihnen zum ersten und andern Mal verliehen wurde, Christum mit voller Zuversicht des Glaubens anzunehmen und sich zuzueignen, und Paulo durch den heiligen Geist das große Wort nachzusagen: „ich bin gewiss,“ darum sagt auch David: vergiss nicht, o meine Seele! was der Herr dir Gutes getan hat; und Gott selbst versichert: ich denke daran, was ich ihm geredet habe, darum bricht mir mein Herz gegen ihn, dass ich mich seiner erbarmen muss, Jer. 31,20.

5.

Die Sakramente sind eine 5te süße Quelle. Zwar scheint's, dass man den Glaubensgrund zu wenig beachte, welchen uns fortwährend unsere Taufe gewährt. In derselben hat es der dreieinige Gott an unserm Leibe versiegeln lassen, dass er unser Gott sei, und dass alle drei glorwürdige Personen der hochgelobten Dreieinigkeit das Ihre gnadenvoll zu unserm Heil beitragen wollen; dass Gott unser Vater sei und uns mit aller Notdurft Leibes und der Seele versorgen wolle; dass alles, was der Sohn Gottes getan und gelitten, uns angehören solle; dass der Heilige Geist unser Lehrer, Tröster und Erneuerer sein wolle. Wie sollte also unser Heil nicht zu Stande kommen, da drei solcher Personen die Bewirkung desselben auf sich genommen haben? Und was für eine süße Friedensquelle verstopfen wir uns selbst, wenn wir unsre Taufe, dieses Sakrament des Anfangs nicht genugsam beachten, und zur Belebung unseres ohnehin so schwachen Glaubens benutzen, was doch wohl ein ziemlich allgemeiner Fehler sein mag. - Von dem heiligen Abendmahl heißt es Ap. Gesch. 2,40: sie brachen das Brot hin und wieder in den Häusern, nahmen die Speise und lobten Gott mit Freuden; - und gewiss ist es noch oftmals den Gläubigen ein süßes Brot, ein erquickender Kelch. Indem sie die sichtbaren Zeichen und Siegel empfangen, genießen sie das Lebensbrot, Christum selbst, auch oft in reichem Maße, dass sie rühmen können: aus Edens Strom bin ich getränkt, und dass sie im Voraus einen Hunger nach dem Abendmahl empfinden, als andere ich weiß nicht wonach. Ist's gleich nicht allezeit, so ist's doch oft.

6.

Eine 6te namhafte Quelle der Süßigkeit fließt den Gläubigen hienieden in dem Gebet. O! welche süße Stunden sind das, wo sie mit David sagen können: dein Knecht, o Herr! hat sein Herz funden, dass er dies Gebet zu dir täte. Wie süß, o! wie süß ist es nicht, sich auf eine kindliche, vertrauliche Weise mit Gott als seinem gnädigen Vater in Christo unterreden zu mögen, vor ihm seine Klagen, seine Wünsche, sein Anliegen gläubig ausschütten zu können, gewiss, dass der Herr über unser Bitten und Verstehen tun werde. Das versüßt alles Leid, und in solchem seelenvollen Gebet möchte man stundenlang verharren.

7.

Welche Süßigkeit ist es, wenn der Odem des Heiligen Geistes sich auslässt, und die Gestalt der Erde des Herzens erneuert, wenn in seinem belebenden Hauch die ganze Geistesfrucht lieblich aufblüht, als da ist Liebe, Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Ist in der Natur der Frühling etwas entzückendes, dies im Reich der Gnade noch weit mehr. Alsdann spiegelt sich in uns des Herrn Herrlichkeit, und wir werden vergestaltet in dasselbe Bild, von einer Klarheit zur andern, als vom Herrn, der der Geist ist. Alsdann darf und kann sich der alte Mensch kaum regen, und der neue führt das Regiment. Das heißt dann recht, nicht in Mara, Bitterkeit, sondern in Mithka, Süßigkeit, gelagert sein.

8.

Doch all dies Freudenöl, dieser süße Honig, fließt aus dem Felsen, der mitfolgt, Christo. Von ihm sagt die Braut im Hohenliede, in dem sie das nämliche Wort braucht, wovon diese Lagerstätte den Namen hat: seine Frucht ist meiner Kehle süße. Jesus kann sich unseren Seelen mitteilen und zu genießen geben. Dies ist das Wasser, wovon er dort der Samariterin redete, und und um welches er sie zu bitten anspornte. Wer ihn hat, wer ihn genießt, hat, genießt das Leben selbst. Man kann sein Fleisch auf eine geistliche Weise essen, man kann ihn trinken, schmecken, sehen! Das, das ist eben der Himmel, und der Himmel im Himmel. Deshalb fragt Assaph: wen habe ich neben dir im Himmel? Neben dir gelüstet mir auch nichts auf Erden, und über dem Genuss des Herrn will er's nicht achten, wenn ihm auch Leib und Seele verschmachten.

Es kann kein Leiden sein so schwer,
Dein süßer Nam' erfreut viel mehr.

O! wüssten wir das recht, und glaubten es, dass alle Süßigkeit, Freude und Vergnügen in Christo allein und unverfälscht gefunden wird wie würden wir nach ihm hungern, und um seinetwillen alles verleugnen.

Wer ihn genießt, ist gewiss mitten in der Wüste zu Mithka gelagert.

Dies sind einige Quellen der Lieblichkeiten, welche die Kinder Gottes schon hienieden genießen. Von der Beschaffenheit derselben haben wir folgende Anmerkungen zu machen.

Diese Lieblichkeiten sind nicht sinnlicher, sondern geistiger Art. Die Sinne werden nicht dabei angetan, sondern das Gemüt. Es werden keine Stimmen dabei gehört, keine Gestalten oder Lichter dabei gesehen, oder wenn es geschieht, so ist's etwas unwesentliches, ja bedenkliches und verdächtiges. Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden, sondern ist inwendig in euch. Wir kennen Christum nicht nach dem Fleisch, 2. Kor. 5. Doch sie sind nicht bloß geistig, denn das ist auch das Vergnügen, was jemand aus einer Wissenschaft, aus dem Lesen eines schönen Buches, aus dem Anhören einer meisterhaften Rede, aus einem witzigen Einfall, aus der Betrachtung ausgezeichneter Werke oder Taten schöpft, das zwar von edlerer Art, aber doch von zweifelhaftem Wert ist.

Die Lieblichkeiten, von welchen wir hier reden, sind zugleich geistlicher Art, d. h. ihr Urheber ist der Geist Jesu Christi; sie setzen auch geistliche, d. i. wiedergeborne Menschen voraus, denn ohne Wiedergeburt kann niemand das Reich Gottes überhaupt sehen, noch auch den Teil desselben, den wir unter dem Namen dieser 24. Lagerstätte vorgestellt finden. Sind dir die Dinge, und namentlich die Lieblichkeiten des Reiches Gottes dunkel, kommt's dir unverständlich, verworren vor, so suche die Ursache davon da, wo sie wirklich liegt, nämlich in deiner eigenen Beschaffenheit, darin, dass du noch kein geistlicher, sondern nur noch ein natürlicher Mensch) bist, der vom Reiche Gottes nichts versteht, und bedenke, dass du von neuem geboren werden musst.

Diese Lieblichkeiten sind im Reiche Gottes nichts Ungewöhnliches und Seltenes. Nicht nur im Anfange bekommt man sie zu kosten, wie einen Willkomm und Handgeld, sondern auch im Fortgang erquicken sie das Herz und muntern es auf. Oft sind sie sehr groß, so dass mancher, die ihm aus der zukünftigen Welt zuströmende Freude kaum hat zu ertragen wissen; dass er, da der Herr über ihm erschien, rumorte, als vom Wein, und voll wurde als das Becken, und wie die Ecken des Altars, Spr. 9,15. Oft dauert sie lange, manchmal aber geht sie schnell vorüber, und wenn eine Maria Magdalena zu Jesu Füßen hinstürzt, und sich recht ergießen will, heißt es unerwartet: rühre mich nicht an. Meistens folgt sie auf empfundenes Herzeleid, und gewöhnlich weicht sie wieder diesem. Paulus wird bis in den dritten Himmel entzückt, bei seiner Rückkehr aus dieser Entzückung erwarten ihn die Faustschläge des Satans.

Diese Süßigkeit ist oft weit verbreitet; sie wird zur Lagerstätte, und alles wird süß, wie zu Mara alles bitter Wasser durch das hineingeworfene Holz. Mochte es eine gräuliche Wüste sein, wo es heult, es war doch eine Mithka. Süß werden da selbst körperliche Leiden und Schmerzen, Armut und Not, weil das Herz sich in dem Herrn freut. Es rühmt sich auch der Trübsale, weil es ihren Nutzen kennt. Es rühmt sich der Schwachheit, und zwar am allerliebsten, denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Ich bin gutes Mutes in Schwachheiten, im Schmachten1), in Nöten, in Verfolgungen, in Ängsten um Christi willen, 2. Kor. 12. Hier kann man es nach Jakobi Anweisung für eitel Freude achten, in Anfechtung zu fallen, und in der Überzeugung, dass alle Dinge denen, die Gott lieben, zum Besten dienen, auch alles über sich hergehen lassen. Alles wird leicht, auch was sonst schwer, ja unmöglich war, und man kann mit jenen Aposteln sagen: ja, Herr, wir können es wohl. Seine Gebote sind nicht schwer; seine Last ist leicht.

Aber in dieser Lagerstätte verrechnet man sich auch leicht. Die gleich auf diese folgende heißt: Hasmona, übereilte Rechnung, wo leicht etwas versehen wird, und darauf folgt; Moseroth, Zucht und Bande. Und so geht's auch. Im Genuss dieser Lieblichkeiten ist man, wie man glaubt, ein ganz anderer Mensch geworden, was wohl wahr, aber doch nicht ganz in dem Sinne wahr ist, wie mans meint. David sprach, da es ihm wohlging: nimmermehr werde ich darnieder liegen; das war eine übereilte Rechnung, denn der Herr verbarg nicht sobald sein Angesicht, so erschrak er auch. Wegen der tiefen Verderbnis des menschlichen Herzens geht man von Verzagtheit zum Trotz über. Über diesen Annehmlichkeiten werden die Seelen leichtlich aufgeblasen, vermessen, selbstsüchtig und eigenliebig, halten sich selbst für fromm, verachten andere, und fallen vor Christo und der Gnade auf sich selbst, und arbeiten sich so nach Moseroth, Zucht und Bande.

Endlich bemerken wir noch, dass diese Süßigkeiten nicht wesentlich zum echten Christentum gehören. Hören sie auf, so hört darum die Gnade nicht mit auf. Diese lieblichen Berge können weichen, diese angenehmen Hügel können hinfallen, aber darum soll doch meine Gnade nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. So lange ein Petrus jung ist, mag er sich selbst gürten und hingehen, wohin er will; wenn er aber älter geworden sein wird, wird ihn ein Anderer gürten und führen, wo er nicht hin will. Statt der Süßigkeiten können Bitterkeiten eintreten. Heman hatte nach dem 88sten Psalm nie etwas von diesen Süßigkeiten genossen, sondern rang von Jugend auf, wie mit dem Tode, V. 16. Wesentlich gehört zum Christentum, sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen, Jesu nachfolgen, nach Gerechtigkeit hungern und durften, an ihn glauben und in ihm bleiben. Wandelst du auf dieser Bahn, so wird dir von Zeit zu Zeit die erforderliche Süßigkeit dargereicht werden, und so du dich darin übst und beharrst, endlich der volle Übergang in das Königreich der Himmel, wo Freude die Fülle und liebliches Wesen ist zu seiner Rechten ewiglich. Amen.

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Schmähungen
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