Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Raphidim).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Raphidim).

Fünfzehnte Predigt.

Raphidim.
Fortsetzung.

4. B. Mos. 33,14. u. 2. B. Mos. 17,4-6.

Es ist eine liebliche Verheißung, wenn es Hosea 14,6 heißt: ich will Israel wie ein Tau sein, dass er soll blühen wie eine Rose.

Der Tau ist etwas köstliches in der Natur und ein Segen für die Pflanzenwelt, ja es liegt auch eine heilsame Kraft für den menschlichen Körper und namentlich für kranke Augen d’rinnen. Es ist ein liebliches Bild, wenn hier Gott verheißt, er selbst wolle seinem Volke ein heilsamer Tau sein. Wie wird es alsdann erquickt. Ja, wie kann es alsdann prangen! Denn wie schön wird die Natur geschmückt, wenn sich die aufgehende Sonne in dem Tau spiegelt, wo es sich ja nicht anders ansieht, als wäre alles mit funkelnden Rubinen und Edelsteinen besäet. So schön schmückt der Herr von Zeit zu Zeit seine Kirche. –

Dieser schöne Zustand wird in den Worten ausgedrückt: wird blühen wie eine Rose. Eigentlich heißt es wohl: wie eine Lilie, doch macht dies weiter keinen sonderlichen Unterschied. Betrachten wir eine blühende Lilie oder Rose, so stehen sie freilich da in einer bewundernswürdigen Pracht. Wollen wir sie aber in ihrer Herrlichkeit sehen, so müssen wir uns nicht zur Winterszeit ihnen nahen. Alsdann sieht’s um die Lilie noch jämmerlicher aus, wie um den Rosenstock. Dieser steht denn doch noch da in seinem Wesen, wenn gleich aller Zierde beraubt. Die Lilie aber ist ganz unsichtbar geworden und hat sich ganz in den Schoos der Erde zurückgezogen, so dass man auch ihre Stätte nicht wahrnimmt.

Soll nun Israel blühen, so bedarf’s dazu des Taus, muss sich aber anschicken, zu blühen, wie eine Lilie oder Rose.

Den zu Raphidim entstandenen Mangel haben wir betrachtet. Er war dringend und groß. Er ließ sich durch nichts anderes ersetzen, sondern sie mussten die Sache selbst haben, woran es ihnen mangelte. Es mangelte ihnen aber an Wasser. Hier wird uns nun die Hilfe gemeldet, und die Art und Weise derselben.

Mit Recht wandten sich die Kinder Israel an Mosen, den Mittler des alten Bundes, durch dessen Hand ihnen, nach göttlicher Haushaltung, alle Hilfe geschah, wie uns durch den Mittler des neuen Bundes, Jesum Christum. Sie wandten sich aber in ungebührlicher Weise an ihn, mit Trotz und Murren, und versündigten sich dermaßen: dass Gott auch schwur in seinem Zorn, sie sollten zu seiner Ruhe nicht kommen.

Doch half der Herr und zwar folgendermaßen. Es war zu Raphidim ein Fels, Namens Horeb, auf Deutsch: Dürre. Diesen dürren Felsen bezeichnete Gott dem Moses als das Mittel, dem Wassermangel abzuhelfen. Es gehörte nicht wenig Glauben dazu, von solchem Mittel eine solche Wirkung zu hoffen, welche der Name und die Beschaffenheit des Mittels gar nicht hoffen ließen. Zwei Stücke aber konnten seinen Glauben stärken. Erstlich, das Stehen des Herrn auf demselben. Ich will daselbst vor dir stehen auf einem Felsen in Horeb; dadurch wurde derselbe vor allen anderen daselbst befindlichen Felsen ausgezeichnet. Dadurch setzte sich der Herr selbst in Verbindung mit diesem Felsen, und so ließen sich freilich Wunder von demselben erwarten, wozu er sonst nicht getaugt hätte. Das andere Stärkungsmittel war der Stab, womit er das Meer geteilt hatte, welchen er in die Hand nehmen sollte. Dieser Stab war ja sehr geeignet, ihn an die Macht Gottes zu erinnern, der kein Ding unmöglich ist. Übrigens musste er freilich seine Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nehmen, musste mit Abraham hoffen, wo nichts zu hoffen war, und auf Den vertrauen, der dem, das nicht, gebieten kann, dass es sei. Wie soll Wasser aus dürrem Felsen quillen! – Einige Älteste mussten Mosen begleiten, um Zeugen dessen zu sein, was geschehen sollte. Er schlug sodann den Felsen mit seinem Stabe und es floss Wasser in Menge daraus. Er öffnete den Felsen – heißt es in Psalm 105 – da floss Wasser heraus, dass Bäche liefen in der dürren Wüste. So wurde Israels Durst durch ein großes Wunder gestillt. – Reisende bezeugen, dass die Dürre in diesem Tal sehr groß sei. Die Spuren des Wunders, von welchem wir reden, sind noch vorhanden. In der Mitte des Tals ist ein ungeheurer Klumpen von rotem Granit. Seine Höhe und Breite sind 12, sein ganzer Umfang 50 Fuß. Nach dem Berg Horeb hin ist er breit, sonst rund. An demselben bemerkt man 24 Öffnungen, jede 1 Fuß tief und 1 Zoll breit. 12 dieser Öffnungen sind nah dem Berg Horeb, die übrigen auf der entgegengesetzten Seite. An denselben bemerkt man noch Moos, als ein Zeichen, dass ehemals Wasser herausfloss. – Dies Wasser war ohne Zweifel die Ursache, dass man heut zu Tage in diesem Tal angenehme Gärten und Fruchtbäume antrifft, wie wir neulich bemerkten.

Der Apostel Paulus redet 1. Kor. 10,4 auf eine sehr merkwürdige Weise von dieser Begebenheit, wenn er sagt: sie haben alle einerlei geistlichen Trunk getrunken. Sie tranken aber von dem geistlichen Fels, welcher mitfolgte, welches war Christus. Sie tranken doch offenbar natürliches, elementarisches Wasser, wie sie denn auch einen natürlichen, leiblichen Durst hatten. Doch nennt’s Paulus einen geistlichen Trank. Es war, wie noch heut zu Tage der Augenschein lehrt, ein natürlicher Felsen, ein ungeheurer roter Granitblock. Paulus nennt ihn aber einen geistlichen Felsen, und wenn er hinzusetzt: welcher mitfolgte, so sollte man ja daraus schließen, der Fels habe nicht fest an Einem Ort gestanden, sondern sich mit dem Heere fortbewegt, da wir doch aus den Psalmen sehen, dass nicht der Fels selber, sondern das aus demselben quillende Wasser sie überall hinbegleitete, wo sie sonst kein Wasser hatten.

Gott tat hier ein großes Wunder, worin sich seine Macht und Güte gegen so undankbare Menschen verherrlichte. Die Bemerkung des Apostels aber leitet uns auf ein Geheimnis, das hier verborgen liegt. Es war allerdings ein natürlicher Fels, aber derselbe bildete Christum, als den geistlichen Felsen ab, und wenn der Apostel sagt: der Fels war – so ist das so viel, als wenn er gesagt hätte: bedeutet Christum. Es war ein natürlicher Trank. Paulus nennt ihn aber geistlich, weil er eine Abbildung der Güter und Verdienste Jesu Christi war. – Dass das Volk überhaupt noch mehr gesehen haben sollte, als einen natürlichen Felsen und natürliches Wasser, ist nicht glaublich, denn Moses sagte noch 39 Jahre hernach: bis auf den heutigen Tag hat dir der Herr noch nicht gegeben ein Herz, das verständig wäre, Augen, die da sehen, und Ohren, die da hörten. Wie sollten sie denn das, hinter dem Felsen liegende Geheimnis erkannt haben, sie, die so wenig oder auch gar keine Gottesfurcht bewiesen, und als Leute erschienen, die weder geistliches Leben noch Bedürfnis haben, und das Buch der Weisheit hat Recht, wenn es sagt: die Weisheit komme nicht in eine unreine Seele. – Was aber Mosen und andere Gläubige des Alten Testaments anbetrifft, so wage ich freilich nicht, zu bestimmen, ob und in wie fern sie hier das Geheimnis entdeckt, was der Adlerauge Pauli drin fand. Dies kann uns freilich auch gleichgültig sein. Die Auslegung des Apostels aber dient auch im Ganzen zu einem deutlichen Beweise, dass hinter der Reise der Kinder Israel ein Geheimnis liege. Möchten wir im Stande sein, es recht zu fassen.

Christus war allerdings schon damals, wie früher, der Fels, worauf sich alles gründete, woraus das Leben floss, wenn er gleich damals nur noch auf eine dunkle Weise erkannt wurde, der alttestamentlichen Dunkelheit gemäß. Auch Moses zeugte von Christo. Lasst uns ihn denn in dem hier aufgestellten Bilde eines geschlagenen, Wasser strömenden Felsen, mitten in dürrer Wüste Leben und Erquickung gebend, betrachten.

Schon von Alters her ward ein Fels als ein Sinnbild der Gottheit betrachtet. Ein Fels ist Er, singt Moses 5,32. Ein Fels ist ein Bild der Ewigkeit. Sie sind da, ihren Anfang weiß Niemand. Sie sind ein Bild der Beständigkeit und Unveränderlichkeit, dieser Eigenschaften, welche zum Wesen Gottes gehören. Es heißt derhalben wohl: Berge sollen weichen und Hügel hinfallen – nicht aber, Felsen sollen hinfallen. Wie unbeweglich steh’n sie da! Mögen sie sich auch mitten im Meere erheben, und dasselbe den ganzen Zorn seiner wütenden Wellen über sie ergehen lassen, sie auch von Zeit zu Zeit ganz überdecken – sie steh’n doch unbeweglich da und zittern nicht einmal. Das Meer aber muss sich von selbst wieder zu ihren Füßen sammeln und senken. Wäre es nicht ein so flüssiges Element, so würde es sich um so gewaltiger zerschmettern, mit je größerem Ungestüm es sich dagegen anschleudert. Lauter Bilder, die sich sehr leicht auf das göttliche Wesen und dessen Eigenschaften anwenden lassen, insbesondere aber auf Christum. –

Felsen sind bequem zur Sicherung, Wohnung, Fundament und kühlenden Schatten. Sehet, wie dies alles geistlicher Weise in der Vollkommenheit in Christo angetroffen wird. Bedarf und begehrt jemand Sicherheit gegen den, mit seinen Sünden verdienten Zorn Gottes und den ebenso schrecklichen Fluch des Gesetzes – Sicherung gegen die listigen Anläufe des Satans oder dessen feurige Pfeile; Sicherung gegen die bedenklichen Versuchungen des schlimmen Feindes, unseres eigenen Herzens; Sicherung gegen die namen- und zahllosen Gefahren, die uns von allen Seiten bedrohen – dieser Fels bietet sie im vollkommensten Maße dar. Daher nennt David Gott seine Burg und seinen Felsen. Möchten die Zeitereignisse auch so Zagen erregend sein, dass die Menschen verschmachteten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden, dass des Himmels Kräfte sich bewegen und die Wasserwogen brausen: so gebeut doch Christus den Seinigen, ihre Häupter emporzuheben, weil sich ihre Erlösung nahe und versichert sie, kein Haar von ihrem Haupte solle umkommen. Er spricht: Siehe: ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe – ohne etwas für sie zu fürchten. Er darf keins verlieren von denen, die ihm der Vater gegeben hat, soll’s auferwecken am jüngsten Tage. So ist’s des Vaters Wille und so tut er’s auch. Daher war Paulus des auch in guter Zuversicht, dass, der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollführen, bis an den Tag Jesu Christi; deswegen fragt er so mutig: was will uns scheiden? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert? Wie geschrieben stehet: um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie die Schlachtschafe. Aber in dem allen überwinden wir weit, um deswillen, der uns geliebt hat – und macht den Beschluss: ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine and’re Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn. Außer diesem Felsen gibt’s aber auch keine Sicherung, keine Zuverlässigkeit. Die irdischen Dinge wollen wir gar nicht nennen, welche das Gepräge ihres Unbestandes ja nur allzu deutlich an ihrer Stirne tragen. Wo wollen wir aber die Sicherung vor wirklichen Übeln, die Sicherung unseres Seelenheils finden und gründen? In unserer Klugheit? aber, für je klüger wir uns halten, desto mehr sind wir das Gegenteil. In unserer Kraft? womit wir kein Haar schwarz oder weiß machen können; - in unseren guten Vorsätzen? aber ist nicht der ein Narr, der sich auf sein Herz verlässt? In unserer Vorsichtigkeit? Aber gehen nicht die argen Gedanken von Innen heraus und können uns übertölpeln, ehe wir’s uns nur vermuten? Können uns nicht unsere Einsichten verdunkelt werden, uns unsere gemachten Erfahrungen ratlos, unsere genossenen Erquickungen trostlos lassen? – Wir müssen uns aber doch auf irgendwas verlassen. So verlasst euch denn auf den Herrn, unseren Gott. Er ist ein Fels ewiglich. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Glaubet an Gott und glaubt an mich, sagt Christus. lernt aber auch eure Unsicherheit außer Christo gründlich erkennen, damit ihr eure Sicherung bei diesem Felsen suchen mögt. –

Felsen dienen, mit denen oft darin befindlichen Höhlen, wohl zur Wohnung, nicht nur für wilde Tiere, sondern auch, wie das Hohelied sagt, für Tauben und Bienen. Und musste nicht David, auf seiner Flucht vor Saul, mehrenteils seine Wohnung in Felsenhöhlen suchen? Paulus aber will in Christo erfunden sein. Dieser Fels hat bequeme Höhlen und Öffnungen zur Wohnung für solche, die auch vor den Nachstellungen irgendeines feindseligen Sauls flüchten, der ihr Leben zu Boden treten will. An jenem Granit in Raphidim zählt man, wie gesagt, 24 Öffnungen, für jeden der 12 Stämme also zwei. An dem geistlichen Felsen sind Wundenhöhlen, wodurch Verwundete heil werden, in genugsamer Anzahl, um für alle Stämme hinzureichen. Der Dichter des 108ten Liedes nennt die Liebe Gottes gar schön: mein Haus, darin ich wohne. Sein Haus kennt man, da hält man sich am meisten auf; von da geht man aus, dahin kehrt man immer wieder zurück – daselbst hat man seine Habseligkeit, das hat man lieb. Wohl der Seele, welche Jesum, als ihr wohl eingerichtetes, wohl versorgtes Haus, gefunden, sich durch die enge Tür, welche hineinführt, mit D’rangebung alles dessen, was am Durchgang hindert, mit gehörigem Schweigen und Bücken, Wegwerfen und Abhauen, durchgezwängt und durchgerungen hat, und im Hause aufgenommen ist, wäre es auch nur um der Tür zu hüten und zu dienen. Ja, ringet darnach, dass ihr durch die enge Pforte eingehet. Seid ihr erst im Hause, so werdet ihr, nachdem ihr mit Brosamen vorlieb genommen, auch wenigstens zuweilen zur Tafel gezogen werden und des Königs Angesicht sehen, der sich zuweilen als wunderbar oder selbst als wunderlich, doch auch als Friedefürst und Ewig-Vater zeigt.

Was taugt mehr zu einem Fundament, auch der größten Paläste, als ein Fels? Einen anderen Grund aber kann Niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christ. Ein gewöhnliches Fundament teilt dem, was darauf gehörig gebaut und damit verbunden wird, weiter nichts als seine Festigkeit mit. Aber der Fels, welcher Christus heißt, teilt der Seele, die darauf erbauet, deren früheres Gebäu zusammengerissen, die durch wahren Glauben, durch den Geist Jesu Christi mit ihm vereinigt ist, nicht nur Beharrlichkeit, sondern noch viel mehreres mit. Dies Fundament heißt Weisheit, weil es weise, und Gerechtigkeit, weil es gerecht, und Heiligung, weil es heilig macht, und Erlösung, weil es von allen Übeln befreit und alles Gute schenkt. Wie nun ein Gebäu sich mit seiner ganzen Wucht auf sein Fundament stützt, so die gläubige Seele mit all’ ihrem Bedarf, mit ihrem ganzen Hoffen und Trauen auf Christum. Auf Dich bin ich geworfen, an Dich mit allem meinem Anliegen verwiesen, auf Dich traue ich und muss auf Dich hoffen, auch wenn Du mich töten wolltest. Außer Dir ist kein Heiland, ich weiß ja keinen. Und ach! wie bald, wie bald verschwindet, was sich nicht auf Jesum gründet. Seid erbauet und gewurzelt in Ihm, sagt Paulus. Und mag etwas scheinen, wie schön es will – hat es seine Wurzel nicht in Christo, so hat’s keinen Bestand, keinen Erfolg – es heiße Wissenschaft, Tugend, Friede, Christentum, Erweckung oder Bekehrung. Sehe derhalben ein Jeglicher zu, wie er darauf baut, und ob er in der Wirklichkeit und Wahrheit auf Christum gegründet sei. Ist das, so hat’s keine Gefahr, sondern alles wird durch des Herrn Hand glücklich fortgehen.

Felsen gewähren auch eine erquickende Kühlung und Schatten, die bei drückender Hitze so angenehm sind. Es gibt eine Hitze der Leiden, es gibt ein Feuer der Versuchung, es gibt einen Brand des Gewissens. Aber der Name des Herrn ist wie ein kühlender Schatten.

Dieser Fels stand in der dürren Wüste. Wovon hätte man weniger Hilfe erwarten sollen, als von demselben? und doch gab er sie so reichlich. Christus wird auch einer Wurzel verglichen, welche in dürrem Erdreich hervorgrünet. Er stand da in der Mitte einer geistlichen Wüste, die durch ihn eine ganz andere Gestalt, Fruchtbarkeit und Leben gewinnen sollte. Von ihm sollte alles Heil ausgehen und geht aus ihm hervor. Aber hieß es nicht bei seinem Auftreten: wie soll uns Dieser weisen, was gut ist? und wird diese Sprache nicht noch von vielen fortgesetzt, die ihr Heil ihm nicht verdanken mögen? Und wird nicht mancher verlegen, wenn er glauben soll – dieser Fels werde gütig genug sein, eine solche Wüste zu befruchten, wie er in seinem eigenen Herzen erblickt. Wird nicht aber auch mancher ganz bestürzt und beschämt, wenn er an sich selbst die Kraft dieses Felsen erfährt, und in sich selbst gewahrt, welche Wunder er schafft. Genug aber, Er steht der Einzige da. In keinem anderen ist Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.

Jener Fels war rötlich von Farbe. Und rühmt nicht die Braut im Hohenlied ihren Seelenbräutigam als weiß und rot. Beim Jesajas wird gefragt: wer der sei, der von Edom kommt, so in rötlichen Kleidern von Bozra. Schon Jakob sagt: er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Weinbeerblut. Dem jüdischen Volke ward er in einem roten Purpurmantel zur Schau ausgestellt, und Johannes sieht ihn in der Offenbarung in einem mit Blut bespritzten Kleide. Die rote Farbe ist teils die Farbe des Zorns, den er auch endlich an allen seinen Feinden erweisen wird. Küsset derhalben den Sohn, dass er nicht zürne und ihr umkommet auf dem Wege. Er wird einem Löwen verglichen. Und sein heiliger Zorn ist furchtbarer als Alles, so dass jene Gottlosen die Berge anrufen, dass sie über sie herfallen und die Hügel, dass sie sie bedecken mögen, wenn der Tag des Zorns des Lammes hereinbricht. Hier zu Raphidim zürnte er auch über das ungehorsame, ungläubige Volk, dass er in seinem Zorne schwur, sie sollten zu seiner Ruhe nicht kommen, so dass sie auch fast alle starben in der Wüste. Welchen – so fragt der Apostel Hebr. 4. – welchen schwur er aber, dass sie zu seiner Ruhe nicht kommen sollten, denn den Ungläubigen? Und wir sehen, dass sie nicht haben können hineinkommen, um ihres Unglaubens willen. So lasst uns nun fürchten, setzt er hinzu, dass wir die Verheißung, einzukommen zu seiner Ruhe, nicht versäumen, und dass unser keiner dahinten bleiben. Sehet zu, dass nicht jemand ein arges, ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem lebendigen Gott, sondern ermahnet euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt, damit nicht jemand unter euch verstocket werde, durch Betrug der Sünde. – Erschrecklicher Zorn! Furchtbarer Schwur! der nichts als den ewigen Untergang nach sich zieht! Davor sollte man sich ja entsetzen, dass einem die Haut schauert und sich fürchten vor seinen gewaltigen Rechten, und eilen, damit man einer von denen sei, die da glauben und ihre Seele retten. – Solche, die das beabsichtigen, mögen sich auch erinnern und vorhalten, dass Rot die Farbe der Versöhnung ist, und mit David schreien: entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde, wasche mich, dass ich schneeweiß werde. Das rote Blut Christi, der sich selbst ohne Wandel Gott durch den ewigen Geist geopfert hat, ist geschickt, unser Gewissen zu reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott. Flüchtet euch bußfertig und gläubig von jenem Scharlach des Zorns zu diesem Purpur des Bluts, welches bessere Dinge redet, als das des Abels. –

Jener Fels zu Raphidim, dies Bild Christi, ist von Granit, eine harte und kostbare Steinart. Wie hart machte er sich in seinen Leiden, da er sein Angesicht machte wie einen Kieselstein, nach Jesajas 50, und es nicht verbarg vor Schmach und Speichel. Wie sauer es ihm auch wurde, also dass er mit dem Tode rang, so betete er doch stets: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Lasst uns aber nicht den Marmor an Härte gleichen, sondern vielmehr müssen unsere Herzen vor Ihm wie Wachs zerfließen. – Von seiner Kostbarkeit wollen wir nicht reden, denn welche Worte können die erreichen! Kostbar müsse er uns werden, durch das Gefühl unseres Elendes außer ihm, und durch Erfahrung all’ des Guten, was wir an ihm haben. Dann werden wir auch sagen können:

Süßer Jesu, Perl der Seelen,
O! wie köstlich bist du mir!
Dich will ich zum Schatz erwählen:
Was ich wünsch’, ist ganz in dir,
Gnade, Kraft und Heiligkeit,
Leben, Ruh’ und Seligkeit;
Dieser Name, dieser neue,
Ewig meine Seel’ erfreue.

Sollte aber dieser Fels Wasser geben, und eben dadurch den verschmachtenden Kindern Israel Erquickung, Errettung vom Tode und Leben bringen: so musste er von Mose geschlagen werden. – Und musste er nicht zerschlagen werden um unserer Sünden, und verwundet werden um unserer Missetat willen? Auf Ihm lag die Strafe, auf dass wir Friede hätten. Geschlagen wurde er von denen, die aus Mosis Stuhl saßen, im Beisein, nicht etlicher Ältesten, sondern des ganzen hohen Rates, mit nicht mehr Schonung, als ob er ein Fels ohne Gefühl gewesen wäre, und ein Sünder ohne gleichen, doch alles nach Gottes Rat. –

Der Herr stand auf dem Felsen und bezeichnete so, welchen er meinte. Christus ist von Gott zu unserem Hohenpriestern und Mittler verordnet. Er ist uns von Gott gemacht. Es ist das Wohlgefallen gewesen, dass in ihm alle Fülle wohnen, dass in ihm alles Heil sein, dass Niemand zum Vater kommen sollte, als nur durch ihn. Ihm hat er alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben. Ganz und mit allen unseren Angelegenheiten sind wir an ihn und an ihn allein verwiesen, weil der Vater ihm alles übergeben hat. Darum heißt es: glaubt an ihn, so werdet ihr selig. Auf ihn weist alles hin, das alte wie das Neue Testament, Gesetz und Evangelium, selbst das Manna und dieser Fels. Wendet euch deswegen zu mir, und werdet selig aller Welt Ende! Sprechet einmütig: wir wollen zum Herrn, und nehmt diese Worte mit: vergib uns unsere Sünde und tue uns wohl, so wollen wir dir opfern die Farren unserer Lippen. Assur soll uns nicht helfen, auf Rossen wollen wir nicht reiten, noch zu den Werken unserer Hände sagen: ihr seid unser Gott, sondern lass’ die Waisen bei dir Gnade finden. Hos. 14. Der Herr stand auf dem Felsen, und Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber.

Durch das Schlagen des Felsen wurde bewirkt, dass sich aus demselben das Wasser in Strömen ergoss, aus welchen Menschen und Vieh sich erquickten, und die dürre Einöde sich in einen Lustgarten umwandelte. Ein Bild der herrlichen Früchte des versöhnenden Leidens und Sterbens Jesu Christi. Dort und hier floss ein kristallhelles, reines und reinigendes Waser; denn das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde. Durch dasselbe wird ein Friede gegeben, welcher höher ist, denn alle Vernunft. War die Not so groß, dass sie nicht größer werden konnte; war kein menschliches Mittel vorhanden, sie nur zu mildern, geschweige denn ihr abzuhelfen: so ist dies ein treffendes Bild nicht nur unseres Elends, unseres Jammers, unsrer gänzlichen Hilflosigkeit, worein die Sünde uns versenkt hat, sondern auch ein Bild davon, wie sie in der Buße und nachher in den Anfechtungen, von der einzelnen Seele wirklich, und auf eine nicht weniger beklemmende Art empfunden wird, wie die Kinder Israel den Wassermangel in dieser dürren Einöde empfunden, nichts als den Untergang vor sich sahen und dadurch in die äußerste Not, bis an die Grenzen der Verzweiflung getrieben wurden. Mochte denn aber das Elend noch so groß sein – wie vollkommen ward demselben doch durch einen Schlag an den Felsen abgeholfen. Schöpfet nun, hieß es da. Was wird es hoffentlich in dem Lager für ein Wehklagen über ihr Murren, über ihren Unglauben, über ihr trotziges Fragen: ist der Herr mit uns, oder nicht? herbeigeführt haben; was für Loblieder werden sich da haben hören lassen, was für feurige Entschließungen mögen da gefasst worden sein, fortan, auch in den drückendsten Umständen, gänzlich auf den Herrn zu vertrauen, nie wieder den Mut aufzugeben, mit Geduld sich allen seinen Führungen zu unterwerfen, und dergleichen mehr. So war’s wenigstens ihre Pflicht und zugleich ihre Seligkeit. Wie süß musste ihnen das Wasser schmecken, wenn sie’s mit den Tränen ihres Dankes und ihrer Reue vermengten. So geschieht’s wenigstens alsdann, wenn einer bekümmerten und bedrängten Seele von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst gegeben wird, wenn an ihr die Verheißung erfüllt wird: ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen. Das bringt Frieden ins Gewissen und Freude ins Herz, das bringt die liebliche Frucht des Geistes hervor, das öffnet den Mund zum Lobe Gottes. Dann geht’s, wie es bei dem Propheten Hosea, Cap. 14. heißt: ich will Israel wie ein Tau sein, dass es soll blühen, wie eine Rose. Seine Zweige sollen sich ausbreiten, dass er sei schön wie ein Ölbaum, und lieblich rieche wie der Libanon. Ich will dir sein wie eine grünende Tanne, und an mir soll man deine Frucht finden. Wie David loben und danken Alle, die mit ihm aus ähnlichen Nöten errettet, der Vergebung der Sünden und göttliche Gnade versichert werden; und seine Tröstungen genießen. Es wird an und in ihnen offenbar, in welch’ einen lieblichen Lustgarten der strömende Fels das dürre Raphidim verwandelt. –

Dieser Fels war der einzige Quell, der Wasser gab, er gab’s aber in genugsamer Menge. Doch strömt jetzt kein Wasser mehr aus ihm, und mit Bedauern sieht der schmachtende Wanderer nur die 24 Öffnungen, als so viel Denkmäler seiner ehemaligen Wohltaten, die jetzt versiegt ist. Das findet keine Anwendung auf Christum, der heute derselbe ist, wie gestern. Nein, wer da dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst. Wohlan, alle die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser. Es strömt aus so vielen Öffnungen, und auch so genugsam, um deinen Durst zu stillen, um dich zu reinigen – und zu beleben. Und wie wird dir’s werden, durstende Seele, wenn’s auch zu dir heißt: schöpfe nun. – Die Bäche ergossen sich hin und wieder durch die Wüste – und sie strömen bis zu uns herab: Der Fels folgt mit.

O! so verstocket denn eure Herzen nicht, wie zu Massa und Meriba, wo Gott schwur in seinem Zorn, sie sollten zu seiner Ruhe nicht kommen; sondern heute hört seine Gnadenstimme. Erkennet die Gabe Gottes, und wer der ist, von welchem wir reden und bittet ihn, so wird Er euch Wasser zu trinken geben, dass euch nie mehr dürstet, ja, das in Euch ein Quell des Wassers wird, der ins ewige Leben gießt. Amen.

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