Krummacher, Gottfried Daniel - Jakobs Kampf und Sieg - 9. Betrachtung

Krummacher, Gottfried Daniel - Jakobs Kampf und Sieg - 9. Betrachtung

1. Mose 32,30

Und Jakob fragte ihn, und sprach: Sage mir, wie heißest du? Er aber sprach: Warum fragest du, wie ich heiße?

Der Herr hatte den Jakob um seinen Namen gefragt, nicht, als ob er denselben nicht gewußt hätte, sondern um ihm einen, seinem jetzigen Gnadenstande mehr angemessenen Namen zu geben. Jakob war indessen so vertraulich geworden, daß er seinen Gegner auch um seinen Namen fragte. Es kann sein, daß er gern wissen wollte, wie man den Herrn wohl eigentlich nennen sollte. Man nannte ihn gewöhnlich Elohim, den Hochwürdigen. Zu Abraham hatte Gott selbst gesagt: Ich bin der El Schadai, der allmächtige oder allgenugsame Gott. Auch wurde er schlechthin El, das ist der Starke, genannt. Aber alle diese Benennungen taten dem Gemüte des Erzvaters nach den Erfahrungen, die er nun gemacht hatte, kein Genüge mehr. Sie drückten alle etwas von der göttlichen Herrlichkeit aus, keiner aber alles. Es war wohl eine Inbrunst in seiner Seele, die sich gern in Lobeserhebungen ergossen hätte, wofür er aber keine Worte finden konnte. Wer will auch Gott nach Würden loben? So müßte man selbst Gott sein. Wenn der Sohn sagte: Ich preise dich, Vater, so ward er vollkommen gepriesen; aber alle Lobgesänge aller Geschaffenen werden ein Stillschweigen genannt, weil sie ihren unendlichen Gegenstand gar nicht erreichen. Es ist dem Lobe eines kleinen Kindes zu vergleichen, das jemand als weise oder reich rühmt, welches Lob niemand sonderlich achtet, weil ein kleines Kind noch wenig weiß, was reich oder weise sei. So steht's mit uns Gott gegenüber. Doch sind wir imstande, unserseits ein vollkommenes Lob Gottes aufzuweisen, was die Engeln nicht vermögen, indem der Gottmensch Jesus Christus uns zur Gerechtigkeit und Heiligung gemacht ist und wir in ihm Gerechtigkeit Gottes sind.

Es war aber dem Jakob ohne Zweifel nicht um einen bloßen Namen zu tun, wenn er fragte: wie heißest du? Ich denke, er hat damit sagen wollen: Herr, wie soll ich dich doch nennen? Ich weiß nicht, was ich denken, geschweige, was ich sagen soll. Eine solche Herablassung, wie du gegen mich armen Staub beweisest, ist mehr, als je mein Herz von fern geahnt hat. Ich weiß und bekenne es, daß du, Herr, wunderbar und gnädig bist! Ich weiß, wie du dich zu meinem Großvater Abraham herabgelassen und mit ihm geredet hast wie ein Freund mit dem andern. Ich weiß, daß du wunderbar bist, wie du damit zeigest, daß du meinen Vater Isaak zum Opfer verlangtest. Ich weiß aus eigner Erfahrung, wie gütig du bist. Mir selbst bist du einst im Traum erschienen. Du hast mir Verheißungen ins Herz gedrückt, daß ich nicht zweifeln konnte, sie rührten von dir her. Du hast mich im Äußeren gesegnet, daß ich ein reicher Mann geworden bin. Aber was hast du jetzt an mir getan! Du verkleidest dich in mein Fleisch und Blut und wirst wie unsereiner. Du stellst dich als mein Gegner, um mir wohlzutun! Du, du ringst mit mir! Du betrübst mich, um mich zu trösten! Du zerbrichst alle meine Kraft, um zu erklären, du seist in meiner Gewalt!

Du gibst mir einen neuen Namen, der mich als Sieger und dich als den Überwundenen, der also die Unmöglichkeit als wirklich darstellt. Du schämst dich nicht, zu erklären: Ich, ich Wurm habe mit Gott gekämpft und sei obgelegen, da doch aller Sieg in deinen Händen steht. Du bittest mich: Laß mich gehen, als ob ich dich zwingen könnte, zu bleiben und zu tun, was ich haben will. Du, du machst mich zu allem tüchtig und rühmst doch mich, als ob ich's aus mir selbst getan, ich armes, furchtsames Geschöpf. Du Heiliger, lässest dich von meinen unheiligen Armen umfassen, du Mächtiger, dich von mir Ohnmächtigen überwinden. Das ist zu viel, das ist mir zu wunderlich und zu hoch; ich kann es nicht begreifen. Sage doch, wie heißest du? Wie soll ich dich nennen? Was soll ich von dir sagen? Ich weiß es nicht. Ja freilich, wer sollte das auch wohl wissen, wie er den Herrn loben und erheben, rühmen und preisen soll, wenn er erfährt und inne wird, was er an seinen Kindern tut?

Wenn man jetzt dem von Gott erfüllten Jakob gesagt hätte: Dies, was der Herr dir jetzt getan, ist noch etwas ganz Gerings gegen dasjenige, was er noch für dich zu tun gesonnen ist. Hier hat er nur für eine kurze Zeit die Gestalt eines Menschen angenommen, aber in der Fülle der Zeit wird er wirklich von einem Weibe geboren werden und nicht nur etliche Stunden, sondern dreiunddreißig Jahre auf Erden zubringen, wird leiden, an Leib und Seele das Äußerste leiden, sterben wird er sogar für Israel, damit es leben möge. Und nicht wird das Volk ihm wie du weinend und betend begegnen, sondern mit großem Grimm und erbitterter Wut ihm alles erdenkliche Herzeleid antun, und er wird's aus Liebe dulden wie ein Lamm. Hätte man das dem Erzvater jetzt sagen können – es gehörte aber nicht für die damalige Zeit -, o, wie würde er durch Gottes Gnade ausgerufen haben: Ich kann es glauben, ich kann es glauben! Was sollte einem solchen zuviel sein? Hätte man ihm gesagt: Man wird ihn die Liebe nennen, ja, würde er ausgerufen haben: das ist sein wahrer Name. Und wer kann sagen, was für Einsichten Jakob während dieses Ereignissen bekommen hat, wovon er manches in seinem letzten Segen aussprach! Wenigstens sagte Jesus von Abraham: Er war froh, daß er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich.

Gewiß ist's auch, daß der Herr die Seinen, wenn sie eine Zeitlang in tiefen Anfechtungen und inneren Leiden zugebracht haben, oft auf eine ganz vorzügliche Weise zu erquicken pflegt. Je dunkler und angstvoller die vorhergehende Nacht war, desto erquickender, desto entzückender ist das darauffolgende Licht. Je tiefer die Klage, desto höher das Lob. Nie wird der Herr inniger gepriesen als von tief gedemütigten Seelen. Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht (Ps. 102). Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr tut dir Gutes. – Denn du hast meine Seele vom Tode gerissen, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den heilsamen Kelch nehmen und des Herrn Namen predigen. Du hast meine Bande zerrissen (Ps. 116). In den Demütigungswegen erblickt die Seele die besondere Treue und Güte des Herrn. Sie findet, daß sie zu lauter Segen führen, da sie lauter Unheil darin zu sehen glaubte, daß sie lauter Liebe sind, während sie wohl dachte, wenn der Herr sie einigermaßen lieb hätte, so würde er's ganz anders machen. Jetzt wird ihr's klar, und so denkt sie wohl, sie werde fortan nicht mehr zagen, und wenn's noch so wunderbar mit ihr ginge. Ob sie aber wird Wort halten können, ist eine andere Frage. gewiß ist es aber: Wenn Gott entzeucht das Seine, bleibt Sünd' und Schwachheit meine! Und dem zustimmen lernen, ist auch Weisheit und Gnade.

„Sage mir doch, wie du heißest?“ Offenbare dich näher an meiner Seele! Ein solches Verlangen ist sehr gut. Christus erklärt: Das ist das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Paulus fand in der Erkenntnis Jesu Christi so viel, daß er alles andere dagegen für Schaden und Kot hielt. Bei Mose äußerste sich auch einst ein so starkes Verlangen, daß er den Herrn bat: Habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so laß mich deine Herrlichkeit sehen! Und der Herr gewährte ihm seine Bitte wirklich, so weit es möglich war. Unter dem Alten Testament war überhaupt die Frage: Ist die Nacht schier hin? Die Propheten, welche von der ihnen noch zukünftigen Gnade weissagten, stellten viele Betrachtungen über ihre Vorherverkündigung an und sehnten sich nach der Zeit, wo die Erkenntnis der Ehre des Herrn groß werden würde. Erkenntnis all des Guten, das wir haben in Christus Jesus, macht den Glauben kräftig, wie Paulus dem Philemon schreibt, und es ist sehr wünschenswert, daß in dem dunkeln Orte unsers Herzens der helle Morgenstern aufgehe, ja der Tag anbreche, und so des Gerechten Pfad glänze wie ein Licht, das da fortgeht und leuchtet bis zum vollen Tag (Spr. 4,18).

Ich bin bekannt den Meinen, sagt Jesus. O, weine herrliche Bekanntschaft, in welcher alles anzutreffen ist, was uns stark, vergnügt, heiter und ruhig machen kann, eine Bekanntschaft, welche Jesus mit Recht für das ewige Leben erklärt; eine Bekanntschaft, gleich einer unerschöpflichen Fundgrube, aus welcher eine Gnade um die andere genommen wird; eine Bekanntschaft, außer welcher es keine Ruhe gibt für die Seele. Die alttestamentliche Kirche und mit ihr das Herz der Erweckten sehnt sich und schmachtet nach dem Licht, bis es zu den Städten Judas heißt: Sehr, da ist euer Gott! Wie könnte es auch anders möglich sein, als daß der eine innige Ruhe für seine Seele findet und aus der Mannigfaltigkeit in Eins gesammelt wird, der mit Jesus Christus recht vertraulich als demjenigen bekannt wird, welcher ihm von Gott gemacht ist zur Weisheit und Gerechtigkeit, zur Heiligung und Erlösung. Ein solcher kann ja nicht anders als selbst mitten in der Dürre und Armut ruhen, wohl zufrieden, daß er in Christus alles hat.

Wer sollte nicht nach einer solchen Bekanntschaft schmachten und bitten: sage doch, wie heißest du? laß leuchten dein Antlitz! Mach mich mit dir bekannt! – zumal da wir die Verheißung haben: Du wirst den Herrn erkennen. gewiß ist dies eine Perle, unsrer armseligen Habe wert, ein Schatz, um deswillen wir wohl alles verkaufen mögen, um ihn zu erlangen. Aber nur in deinem Licht sehen wir das Licht. Selig sind die Augen, die da sehen, daß ihr seht! Nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern der Vater im Himmel. So lange aber der Christ mit seinem Herrn und Haupte noch nicht recht bekannt geworden ist, geht's ihm auch wie Noahs Taube, die nicht fand, wo ihr Fuß ruhen konnte. Hat er einmal Ruhe, so wird sie bald wieder gestört. Meint er, etwas zu haben, es wird ihm bald wieder genommen, weil er's noch in sich selbst und nicht in Christus besitzen will. Kommt ein Gedränge, so findet sich die alte Verlegenheit auch wieder ein, denn man sieht noch auf sich selbst, weil Mose und Elia noch nicht verschwunden sind, daß Christus allein übrig bleibe.

Der Herr aber antwortete: Was fragst du, wie ich heiße?, und damit bricht er ab. Das ist ja verwunderlich. Als Manoah, Simsons Vater, ihn um seinen Namen ersuchte, machte er es beinahe ebenso, indem er antwortete: Warum fragst du nach meinem Namen, der doch wundersam ist (Richter 13,18)? Mose bat sich auch seinen Namen aus, um den Kindern Israel auf ihre etwaige Frage, wie der Name des Gottes sei, der ihn sende, antworten zu können; worauf der Herr wunderbarer Weise sagte: Ich werde sein, der ich sein werde. Also sollst du den Kindern Israel sagen: Ich werde es sein, der hat mich zu euch gesagt (2. Mose 3). Nachher hat sich Gott „Jehova“ genannt, ein Name, der die Begriffe: er ist, er war, und er wird sein, in sich faßt, und von dem Gott hernach sagte: Ich bin erschienen dem Abraham, Isaak und Jakob, daß ich ihr El Schadai sein wolle, aber mein Name Jehova ist ihnen nicht offenbart. So wollte er aber jetzt anerkannt und verehrt sein. Zur Zeit Moses war die erste Silbe dieses Namens: „er wird sein“ die wichtigste. Bisher hatte er sich nur einzelnen Personen näher geoffenbart, aber nun wollte er allen Ländern, besonders aber dem Volk Israel, durch eine Menge vieler und großer Wunder zeigen, was für ein Wesen er sei. Sie sollten stets in voller Erwartung der Dinge sein, die da kommen sollten, bis man endlich ausrufen konnte: Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, bis die Zeit erfüllt ward, daß er seinen Sohn sandte. Aber auch unter dem Neuen Testament hört der Name Jehova, ich werde sein, nicht auf. Deswegen kommt er in der Offenbarung Johannes zwar nicht wirklich, aber oft in der Übersetzung vor: „der da ist und der da war und der da kommt“, weil auch die neutestamentliche Kirche stets auf neue Offenbarungen der Herrlichkeit Gottes wartet: in den Herzen der Auserwählten, in Herbeiführung seines Reiches, bis es endlich nach vollendeter Ausführung aller göttlichen Ratschlüsse, und nachdem das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabgefahren ist, heißen wird: Es ist geschehen. Und was es dann noch alles geben wird, hat noch kein Auge gesehen, denn dieser Name Jehova fließt durch alle Ewigkeiten wie ein segnender Strom.

Er war ist die andre Silbe und zeigt, daß Mose den Kindern Israel nicht einen neuen, sondern den alten, unveränderlichen Gott verkündigte. Er ist stets derselbe in sich selbst, in seinem Bunde, in seinen Erweisungen, ein Gott von vollkommener Seligkeit. Außer ihm und seiner Gemeinschaft jedoch ist nichts als lauter Schein, Betrug und Unseligkeit. Aber warum beantwortet der Herr Jakobs Frage nicht, obschon er selbst sie in seinem Herzen erregte? Der Herr verfährt überhaupt manchmal seinem Namen „Wunderbar“ gemäß. Was war die Ursache, warum er zu Maria Magdelena sagte, als die durch seine Erscheinung in das fröhlichste Erstaunen versetzt worden war und ohne Zweifel vor ihm auf die Erde fiel, um seine Füße zu umfassen: Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater, da er doch gleich darauf den andern Weibern, denen er begegnete, zuließ, daß sie seine Füße berührten? Warum brach er bei ihr, wie bei Jakob, so unerwartet ab? Warum verschwand er in demselben Augenblick aus den Augen der Jünger in Emmaus, als er sich ihnen zu erkennen gab, als wolle er nicht, daß sie ihre Empfindungen gegen ihn äußerten? Der sonderbaren Antworten nicht zu gedenken, die er den Juden manchmal gab, z. B. da sie ihn fragen: aus was für Macht tust du das? Erwidert er: ich will euch auch etwas fragen; beantwortet mir das erst! Auf ihre Frage: Wer bist du denn? Gibt er ihnen zur Antwort: Der, der ich mit euch rede. Auf ihr dringendes Anhalten: Wie lange hältst du uns auf? Bis du Christus, so sage es, antwortet er: Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von Gott. Manchmal aber sagte er ihnen weit mehr, als sie wissen wollten, und ärgerten sich nur daran. Er heißt „Wunderbar“. Jakob, Maria, die Jünger in Emmaus mögen nachgehends die Weisheit des Benehmens Jesu gegen sie wohl eingesehen haben, wenn es ihnen auch auf der Stelle seltsam vorkam.

Wollte der Herr das Verlangen seiner Kinder, das er selbst in sie gelegt hat, völlig befriedigen, so müßte er sie des ganzen Segens teilhaftig machen, den er ihnen am Kreuz erworben hat. Das will er auch tun nach seinem Namen: Ich werde sein. Aber nicht hienieden, sondern im Paradiese. Deswegen muß man sich schicken lernen und mit dem täglichen Brot zufrieden sein. Man darf es sich nicht befremden lassen, wenn man in einer besonderen Gnadenmitteilung steht und nun auf einmal etwas dazwischen kommt, während man glaubte, es würde noch mehr dazu kommen. Wir wohnen hier noch in Mesech und sind noch nicht daheim bei dem Herrn, warten aber sein in Geduld. Und dies Warten oder Harren ist ein nötiger und wesentlicher Teil des Christentums, worin der Herr seine Kirche von Anfang an bis auf den heutigen Tag geübt hat. Der Herr tut alles fein zur rechten Zeit, im allgemeinen wie im Einzelnen. Er weiß auch allein, die rechte Weise, und wir müssen uns deswegen sagen lassen: Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Jakobs Frage ist auch völlig beantwortet worden. Jedoch ist die ganze Ewigkeit noch ferner dazu bestimmt. Israel meinte, ob er nicht jetzt schon das ganze Geheimnis der Erlösung wissen könnte; aber es mußten erst noch ein paar Jahrhunderte verfließen, ehe es zur völligen Kundmachung reif war. Israel mußte warten lernen, die Verheißungen von fern sehen und sich daran begnügen lassen. Er ließ sich auch begnügen und schwieg. Dies Warten ging fort, bis es hieß: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird – und sodann: Es ist vollbracht! Da ging das Warten wieder an, bis es hieß: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden. Nun fing man wieder an zu warten und zu fragen: Herr, wirst du jetzt wieder aufrichten das Reich Israel? Die Antwort aber lautete: Euch gebührt nicht zu wissen die Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht aufbehalten hat. Es ging den Jüngern also ungefähr wie ihrem Stammvater Jakob. Jesus fuhr gen Himmel und gleich wird die Kirche wieder aufs Warten angewiesen, wenn der Herr ihr aus dem Himmel sagen läßt: Dieser Jesus wird wiederkommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. Seitdem betet sie nun schon bald zweitausend Jahre: Dein Reich komme. Oft schon fragte sie: Herr, wirst du auf diese Zeit das Reich Israel aufrichten? Und meinte, es werde geschehen, mußte aber immer wieder hören. Euch gebührt nicht zu wissen Zeit oder Stunde. So wartet sie nun still fort, dessen gewiß, daß er es zu seiner Zeit eilends ausführen wird. daß sie in ihrer Freude sich schon mehrmals verrechnet und sich genötigt gesehen hat, sich aufs Neue zum Warten – was allerdings beschwerlich ist – anzuschicken, ist ihr nicht übelzunehmen, da die Sache auch gar nicht erwünscht ist, worauf sie hofft. Aber, ob er verzieht, so harre sein! Er wird gewißlich kommen und nicht verziehen. Ob man sich schon in Bestimmung der Zeit, nach dem Vorgang der Jünger schon tausendmal geirrt hätte, darum bleibt die Sache selbst doch Wahrheit, und wir fahren fort zu beten: Dein Reich komme, bis wir oder unsere Nachkommen sagen können: Dein ist das Reich!

So ist es auch mit dem einzelnen Christen. Er muß warten. Nicht bloß auf seine vollkommene Seligkeit und Herrlichkeit, sondern auch auf seine Tüchtigmachung zu derselben. Das ist oft sehr beschwerlich, wenn man zwar das Wollen des Guten hat, aber das Vollbringen fehlt, wenn man wohl erkennt, wie man es bei seinem Christentum weit seliger, lebendiger haben könnte, als man es hat, aber nicht dahin zu gelangen weiß, wohl einsieht, wie diejenigen es doch so vergnügt haben, die so vertraulich mit dem Herrn umgehen können, die so kindlich glauben, ohne Unterlaß beten, alle ihre Sorgen auf den Herrn werfen, sich allewege in ihm freuen und sich so unbekümmert seiner Leitung und Pflege anvertrauen können, wohl einsieht, daß dies nicht nur etwas sehr Seliges und sehr Heiliges, sondern auch möglich und durch Gottes Gnade erreichbar sei, aber dabei sagen muß: Ach, wer gibt mir Adlersflügel! Und bekennen muß, daß dies durch eigne Bemühung nicht zu erreichen sei und der Mensch nichts nehmen könne, es werde ihm denn gegeben vom Himmel. Aber wenn es jemand noch nicht gegeben ist, und ihm eine nähere Offenbarung des Herrn an seiner Seele noch verweigert wird, das ist ein schmerzhafterer Zustand, als diejenigen zu beurteilen vermögen, die schon satt geworden sind und herrschen ohne uns.

Nun, getreu ist ja, der euch ruft, der wird es auch tun. Wird es euch einmal gegeben, das: „Er wird es tun“ recht aufzufassen, zu glauben und zu verstehen, so wird euer Friede werden, wie ein Wasserstrom und eure Gerechtigkeit wie des Meeres Wellen. Ja, er wird es tun! O, lobt den Herrn! Amen.

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