Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Hosea 11, Vers 8 und 9

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Hosea 11, Vers 8 und 9

Gesungen wurde vor der Predigt:

Psalm 39, Vers 4-6: Dem Schattenbild, dem Schemen folgen wir, Nichts als Geräusch und Tand ist hier. Wie Mancher sucht Glückseligkeit, und spricht: Ich suchte sie, doch fand sie nicht! Er häuft sein Gut, und bleibt doch kummervoll, Er weiß nicht, wer's genießen soll.

Nun, was erwart ich dann, ich Sterblicher? Ich hoff' allein auf dich, o Herr, Vergib, vergib mir alle meine Schuld, Errett und trag mich mit Geduld! O, setze mich den Toren nicht zum Spott, Ich hoff' auf dich, mein Herr und Gott!

Ich schweige dir, nie öffn' ich meinen Mund, Dein Weg machet dich den Heil'gen kund. Ach, wende deine Plage bald von mir! Sieh, ich vergehe sonst vor dir! Ich fühle, dass mir alle Kraft entfährt, Wenn deine Strenge länger währt.

Zwischen der Predigt wurde gesungen:

Psalm 43, Vers 3: Bestrahle mich mit deinem Lichte, Damit ich deine Wahrheit seh', Dass sie, vor deinem Angesichte, Bald alle meine Tritte richte, Bis ich zu deiner Wohnung geh, und deinen Ruhm erhöh.

Durch des Herrn große und wunderbare Barmherzigkeit sind wir, trotz dem, dass die Seuche noch mehr um sich gegriffen, Alle verschont geblieben. Für diese Gemeine hat Gott gnädiglich unsere Gebete erhört; für die ganze Stadt aber noch nicht. Warum nicht? Gott weiß es. Wird er weiter unserer Gemeine verschonen? Es steht in seiner Hand; es hängt lediglich ab von seiner Barmherzigkeit. Ich sage von seiner Barmherzigkeit. Und es liegt mir am Herzen, dass Ihr auf dieses Wort: Barmherzigkeit Acht habt. Das wir bis dahin bewahrt wurden, hat des Lammes Blut getan, und das Wort hat Euch erhoben und gesetzt zwischen den Herrn und die Plage, auf dass die Plage nicht wäre zwischen dem Herrn und Euch. Aber haben wir darum Etwas vor Anderen voraus? Ich sage gerade aus von mir und von Vielen: Nein; wir haben nichts voraus. Und wie verhält es sich mit der Barmherzigkeit? Ist sie schlaff? lässt sie den Menschen in seinem verkehrten Wesen stecken, oder hilft sie ihm da heraus, oder macht sie Einen zerknirscht? lässt sie den Menschen in seinem Wahn, dass er einen guten Glauben habe, wenn doch das Herz nicht geneigt ist zu Gottes Gesetz, und die Werke, die man tut, nicht in Gott getan sind; oder geht der Offenbarung der Barmherzigkeit Etwas vorab, notwendig vorab, dass der Mensch aufgeschreckt werde aus aller Verkehrtheit, dass er vor Gott einkomme mit aller seiner Schuld, und er seine Götzen von sich werfe? Wenn das Regte, wie Ihr Alle mir solches werdet eingestehen, so habe ich in dieser Morgenstunde ein Wort an Euch, meine Geliebten! ein Wort, das allererst Solchen von Euch, die bei allem Ruhm vom Glauben und Bekehrung nicht würdig dem Evangelio wandeln, ein Wort sei der gründlichen Demütigung vor Gott; und sodann Solchen, die wegsinken vor Gottes Wort und Gericht, von neuem ein Unker der Hoffnung für ihre Seele sei, welchen sie gegen alle Not und Gefahr und wo die Wasserfluten kommen hineinwerfen in das innerste Heiligtum, auf dass ihr Schiff durch keinen Sturm verschleudert werde von dem guten Grund ewiger Errettung. Ich weiß, dass unter Allen, die aus Ägypten zogen, kein Schwacher war; weiß aber, welche endlich fielen in der Wüste. Darum gebe der Herr Euch gnädiglich Ohren, dass ihr sowohl seinen Ernst, als seine Barmherzigkeit, und sowohl seine Barmherzigkeit, als seinen Ernst zu Herzen nehmt und Beides glaubt.

Text: Hosea 11, v. 8, 9.
Was soll ich aus dir machen, Ephraim? Soll ich dich schützen, Israel? Soll ich nicht billig ein Adama aus dir machen, und dich wie Zeboim zurichten? Aber mein Herz ist anderes Sinnes, meine Barmherzigkeit ist zu brünstig. Dass ich nicht tun will nach meinem grimmigen Zorn, noch mich kehren Ephraim gar zu verderben; denn Ich bin Gott und nicht ein Mensch, und bin der Heilige unter dir; ich will aber in die Stadt nicht kommen.

Gott der Herr legt uns hier eine dreifache Frage vor, auf dass er unsere Herzen zerbreche, dass wir uns selbst anklagen und Gott Recht geben.

Gott der Herr antwortet selbst auf seine dreifache Frage; aber ganz anders, als wir es erwarten, auf dass wir in seiner Barmherzigkeit geborgen seien.

Gott der Herr gibt die Ursache an, warum er nicht tut nach seinem Zorn und nicht mit uns handelt nach unserem Verdienen, auf dass wir sehen, woher seine Güte kommt. Gott der Herr lässt es uns indes wissen, dass er mit unserem verkehrten Wesen keine gemeine Sache machen will, auf dass wir lernen - Ihn fürchten.

I. Was soll ich aus dir machen, Ephraim?

Eine ernste Frage Gottes an sein Volk, welches Ephraim heißt, weil ihm die Verheißung des Segens und des Sich-Mehrens gegeben ist. Dieses Ephraim sieht nicht aus nach seinem Namen. Der Herr schaut gleichsam vom Himmel herab auf Ephraim, hat Ephraim vor sich, ist in seiner Mitte. Was sieht er? Dieses Ephraim, welches ein herrliches, kräftiges Volk sein konnte, wovon Einer Tausend hätte jagen mögen, welches er groß gemacht hat mit seinem Gesetz und herrlich gemacht hat in seiner Herrlichkeit, welches er geschaffen hat in Christo Jesu zu guten Werken, dem er allerlei köstliche Verheißungen hat gegeben, auf dass es der Welt entflohen, ihm diente in heiligem Schmuck liegt da vor ihm als ein ganz verkommenes Volk. Es hat nicht Acht gehabt auf seine Gebote, ist in seinen Worten, in seiner Liebe nicht geblieben; es hat den Teufeln nachgehurt, sich den Teufeln ergeben und nicht dem Herrn. Da liegt es nun zur Erden als ein zerbrochenes Gefäß, durch die Sünde ganz entstellt und unkenntlich geworden. Es ist nichts mehr daraus zu machen. Und dennoch will Ephraim die Lehre, dennoch will es die Predigt. Gott soll aus ihm ein herrliches, ein seliges, ein Heiliges Volk machen. Gott will es auch wohl; aber Ephraim ist Gott im Wege mit seinem Unglauben, mit seinem trotzigen Herzen.

Ephraim will Gottes Volk sein, Ephraim will Gnade; aber um einen Freipass zu haben zum Sündigen. Ephraim klagt über Sünden; aber von den Sünden, welche auf der Hand liegen, und wovon es sich am allerersten bekehren sollte, will es sich nicht bekehren. Dennoch schreit es zu Gott: Mache aus mir solch Einen, wie du willst, dass ich sein soll. Darauf antwortet nun Gott, verdrießlich und halb desperat: Was soll ich aus dir machen? Als wollte Gott sagen: Habe ich nicht alle Ursache, dass ich dich liegen lasse in deinem Verderben? Kann ich aus dir noch ein Gefäß zu meiner Ehre machen, da du mir selbst im Wege bist mit allen deinen mutwilligen Sünden? Hättest du mir nicht gehorchen sollen? Nun hast du dich selbst verdorben, und liegst ganz verdorben da. So sehe in dir nichts Gutes mehr, wobei ich noch anfangen könnte, dich wieder herzustellen. Was soll ich aus dir machen, Ephraim? Bleibt mir noch etwas übrig, als dich ganz fahren zu lassen?

„Soll ich dich schützen, Israel? Welchen fürstlichen Namen habe ich dir gegeben, da du vormals mit mir rangst; da du noch jung warst, in deinem Blute, und in der Hölle lagst; da du bei mir nicht aufhörtest, bis ich dir meinen Segen gab, und du den feierlichen Bund machtest, mir treulich und unverrückt und nicht mehr der Sünde zu dienen! Du hast nicht Acht gehabt auf meine liebliche freundliche Ermahnungen, auf meine Bescheidene Warnungen; du hast „ja“ gesagt, „Alles was du befiehlst, das will ich tun;“ du hieltest dich für Einen, der in meinen Geboten wandelte; aber dein Herz hat dich verführt, du hast gegeizt und gebuhlt an allen Ecken und Enden; dazu hast du in deinem gewähnten Glauben - aber es war lauter Eigengerechtigkeit - den kleinen und Hilflosen aufs Haupt geschlagen, und vergeudet hast du alles das Gute, woran ich es dir nicht habe fehlen lassen. Nunmehr ist die Stunde der Heimsuchung da! Nunmehr hat dich deine Ungerechtigkeit gefunden! Nunmehr liegst du in deiner Strafe; fragt sich das Gewissen laut genug, dass du meine Gebote verachtet hast. Nunmehr liegst du in der Not und in der Gefahr des Umkommens. Stricke und Bande des Todes halten dich gefesselt, du bist in die Welt verstrickt, die Hölle hat ihren Rachen wieder aufgetan, und droht dich zu verschlingen. Soll ich dich schützen, Israel? Habe ich nicht Recht, wenn ich jetzt zu dir sage, lass Diejenigen dich schützen, bei welchen du die liebe Lust gesucht, da du meinen Schutz dran gabst?

Soll ich nicht billig ein Adama aus dir machen und dich wie Zeboim zurichten! Habe ich Adama und Zeboim, Sodom und Gomorra ihrer Sünden wegen nicht strafen müssen, so dass ich sie habe vertilgt von der Erden? - Was war ihre Sünde? Hoffart und alles vollauf und guter Friede. Sie waren stolz und taten Gräuel vor mir. Darum habe ich sie gestraft mit Untergang. Und du hast mich gereizt mit deinen Sünden. Muss ich dir alles dein Tun nicht auf den Kopf legen? Hast du nicht Adama und Zeboim gleichsam fromm gemacht gegen deine Gräuel, die du getan hast? Nun deine Ungerechtigkeit gefunden wird, und deine Stunde gekommen ist, möchtest du Gnade haben! Was würden Adama und Zeboim dazu sagen im Gericht, wenn ich dir Gnade erwiese, da du mehr gesündigt hast, als jene? Meinst du, ich könnte mit dir eine Ausnahme machen? Billig lass ich dich jetzt stecken in deiner Not. Billig lass ich dich umkommen in deinem Verderben. Billig verzehrt sich mein Eifer und Zornesglut, wie sie dereinst Adama und Zeboim verzehrt haben.

So muss Gott der Herr mit seinem Volke zanken, so sie richten, so gegen sie zürnen. Das ist Gottes, des heiligen und gerechten Gottes Wort und Stimme zu uns, auf dass wir uns doch ja demütigen vor ihm, und es mit zerbrochenem Herzen bekennen, dass wir Alle Nichts bei ihm verdient haben, denn lauter Zorn und Ungnade, denn dass wir ewig verstoßen werden von seinem heiligen Angesichte, und dass er uns in die Hölle werfe, nachdem er uns heimgesucht mit allen seinen Plagen. Denn unser Gott ist nicht ein solcher guter Vater, der Etwas durch die Finger sieht, was da mit unzerbrochenem Herzen gegen sein heiliges Gebot gesündigt wird durch uns, sondern er muss es genau suchen; das gebietet ihm sein eigenes heiliges Wesen, seine Gerechtigkeit, sein Gesetz, sein ganzer Rat, nach welchem es heißt: Seid Heilig, denn ich bin heilig!

II.

Wohl dem, der mit geängstetem Gemüt also zu Gott spricht: „Gegen dich, dich allein habe ich gesündigt und getan, was übel ist vor dir, auf dass du Recht behältst in deinen Worten und rein bleibst, wenn du gerichtet wirst.“ Wo dieses Bekenntnis ausgesprochen wird, da wird man wegsinken vor solchem Wort und gewaltiger Frage: Was soll ich aus dir machen, Ephraim? Die dreifache gewaltige Frage wird doch dazu getan, auf dass wir zerschlagen vor Gott liegen, und demütigen vor ihm im Staub und Asche, uns selbst verklagen und Gott Recht geben. Sie sollen uns dazu aufschrecken aus unsern Sünden, dass wir ein rechtes reumütiges Gefühl davon haben, wie wir mit unsern Sünden den heiligen und gerechten Gott beleidigen und zum Zorne reizen. Wo wir uns demütigen unter solcher Frage, da halten wir Gericht über uns selbst, und liegen vor dem Thron der Gnade als Solche, die gar keinen Anspruch mehr Haben auf Erbarmen. Da liegt die Antwort im Herzen: „Ja billig machst du aus mir ein Adama und richtest mich zu wie Zeboim.“ Und wo es so liegt, wo wir dieses Gericht über uns selbst fällen: „Du bleibst in deinem Recht, wenn du mich verstößt und auf ewig verwirfst von deinem Angesicht;“ da mögen wir von Gott selbst diese unerwartete Antwort vernehmen: Mein Herz ist anderes Sinnes, meine Barmherzigkeit ist zu brünstig. O welch ein Herz ist das Herz unseres Gottes! Mit einem Mal ist es in ihm umgekehrt. Einen Augenblick spricht er von Verderben, und in demselben Augenblick heißt es: Mein Herz ist anderes Sinnes. So spricht er davon, dass er sein Volk will umbringen, und so wiederum, dass er ihm gnädig sein will. So nimmt er sein Volk unter die Rute und spricht: Ich will dich zurichten wie Zeboim, und so wirft er die Rute wieder weg. Der eine Schlag, den er seinem Volk zugebracht, ist ihm schon leid - und es heißt: ich kann es nicht schlagen, meine Barmherzigkeit ist zu brünstig, dass ich nicht tun will nach meinem grimmigen Zorn, und mich kehren Ephraim gar zu verderben. Ist Gott so wetterwendisch? Ja, warum nicht? Wohl uns, dass er so wetterwendisch ist! Nunmehr bleibt es dabei, was Jesaias spricht: Wenn uns der Herr Zebaoth nicht ein Weniges ließe überbleiben, so wären wir wie Sodom und gleichwie Gomorra! Dennoch ist Gott der Herr nicht wetterwendisch; nur rostet alte Liebe nicht. Und wenn die Augen des zürnenden und strafenden Vaters den Augen des Kindes begegnen, und sehen, wie sie halbgebrochen Schuld bekennen und um Erbarmung flehen, da sind mit einem Mal zwei Herzen gebrochen: das Herz des Vaters, um nicht zu strafen, und das Herz des Kindes, dem Vater um den Hals zu fallen. Es ist nur nicht alles „Volk“, was „Volk“ heißt; aber das rechte Volk versteht Gottes Drohungen, beugt sich, demütigt sich in Wahrheit unter die Strafe, und wo nun der Herr die Rute erhebt, da schaut er diesem Volke ins Angesicht, und das Volk ihm, und findet er alsbald eine solche Zerknirschung, ein solches flehentlich Schauen nach Erbarmen, dass alsbald der Herr anderes Sinnes wird, dass seine Barmherzigkeit so brünstig wird, dass er seinem Volk Barmherzigkeit muss wiederfahren lassen in dem selben Nu, in welchem er davon sprach, es in die Hölle zu werfen.

O Israel! Gott will nicht tun nach seinem grimmigen Zorn. O Ephraim! Gott will sich nicht kehren, uns gar zu verderben. Nimm es zu Herzen, du Volk, das da wegsinkt vor seinem Gericht, das über diese Stadt gekommen ist, und lass dir sonst nichts weismachen vom Teufel, Tob und dem anklagenden Gewissen, sondern komm vor ihm ein mit aller deiner Sünde, mit allen deinen Gebrechen; du Volk, das sich nicht wert fühlt, Gottes Volk zu heißen, du vernimmst es, was in Ungnaden ist und vor seinen Drohungen dahin schwindet, will er in Gnaden leben lassen; er will sich nicht kehren, es zu verderben.

Aber, nimm es zu Herzen, du Volk, das in seinem Herzen denkt: das sind tröstliche Worte; aber du beugst dich nicht unter dies Wort: „Was soll ich aus dir machen, Ephraim;“ aber du schlägst seinen grimmigen Zorn nicht an. Du übertrittst Gottes Gebote, rechtfertigst dich dennoch; du sprichst von Gnade und weidest dich bei der Kanne; du sprichst von Heiligung und hast keine Reue über deine Lustseuche; du betest: vergib uns unsere Schulden, und hast kein Acht auf des Herrn Jesu Wort: Wenn ihr nicht ein Jeglicher seinen Schuldnern vergebt, so wird euer himmlischer Vater euch auch die Schulden nicht vergeben. Du meinst, Gott müsse Wort halten: „Ich will mich nicht kehren, Ephraim gar zu verderben,“ und wenn du deinen Bruder siehst, so kehrst du dich von ihm, weil du Etwas gegen ihn hast, weil du von ihm gestraft bist. Du sprichst von Christo und seiner Gerechtigkeit, und du hast seine Worte in den Wind geschlagen: „Dass Niemand zu weit greife, noch übervorteile seinen Bruder im Handel, denn der Herr ist der Rächer über das Alles!“ O Ephraim! o Israel! meine nicht, dass es dir gilt: „Ich bin anderes Sinnes, wenn du nicht hinschwindest vor den Worten des heiligen Gottes: „Was soll ich aus dir machen?“ Und schwindest du vor solchen Worten hin, gewiss, du wirst bezahlen, was du geraubt hast; gewiss, du wirst nicht von Gerechtigkeit sprechen, sondern Gerechtigkeit tun, und als ein Gottloser vor Gott kommen und Gott rechtfertigen, wenn er dich verdammt - und so wird die Rute von dir absein und über dich kommen: Gottes brünstige Barmherzigkeit.

III.

Aber du Volk! dem das Herz schlägt bei jeglicher Missetat, das auf keiner Ungerechtigkeit sitzen bleiben kann, das sich sehnt nach Erlösung von jeglicher Sünde; du Volk, das so manchmal, ach, so wiederholt mitten in den Schlamme liegt, und ruft aus der Tiefe, und mit zerschlagenem Herzen danach fragt: Ist noch Erbarmung da für einen Sünder, wie ich einer bin! - du Volk, in dessen Herz die Selbstverurteilung liegt, dass keine Faser in dir ist, welche noch geschickt wäre, dass der Herr dich dabei ergriffe, um Etwas aus dir zu machen; - du Volk, das sich auch des geringsten Schutzes Gottes unwert kennt, und mit seiner Hand die Gerechtigkeit der Strafe will unterschreiben, wenn Gott dich zurichtete wie Zeboim und aus dir ein Adama machte; du Volk, welches, wenn du auf dich selbst siehst, es fast für unmöglich hältst, dass Gott seinen grimmigen Zorn auf sich nicht endlich wollte kommen lassen! hast du des Herrn Worte vernommen in deinem Versinken: „Mein Herz ist anderes Sinnes; meine Barmherzigkeit ist zu brünstig?“ schreist tu deshalb: Züchtige mich mit Maßen, aber lass mich leben, dass ich dich lobe und deinen Ruhm erzähle; jauchzt du in deinem Herzen über solche Worte des Herrn: „Gott ist gnädig, Gott ist gnädig“! so vernimmt die Ursache einer solchen Barmherzigkeit!

So spricht der Herr: Ich bin Gott und nicht ein Mensch, und bin der Heilige unter dir.

Ich bin Gott, spricht der Herr. Wir denken so: weil Gott Gott ist, so sei mit ihm nichts anzufangen, so sei er nicht zu erbitten, so sei er derartig unveränderlich in seinen Aussagen, dass, wenn er vom grimmigen Zorn geredet, so bleibt es dabei; wenn er gesprochen von Verdammnis, so sei an keine Gnade mehr zu denken; wenn er gesagt: „Was will ich aus dir machen? soll ich dich zernichten wie Zeboim?“ dann ist auch keine Errettung mehr zu hoffen. Denn wo ein zerschlagenes Gemüt von Zorn vernommen hat, da fällt es ihm nicht ein, dass noch Gnade bei Gott ist, sondern denkt an eitel Zorn und Umkommen, billigt auch ein solches Gericht und versteht es nicht, kann es auch nicht fassen, dass Gott Gott ist; kennt ihn nicht anders, denn als ein verzehrendes Feuer, und kann es nicht glauben, dass Gott noch Gott würde bleiben können, wenn er einen solchen Ungerechten zu sich ließe. Da sagt aber Gott: dass er gar ein anderer Gott ist, als der Verlorene ihn sich vorstellt; dass er Gott ist, das ist ein solcher Gott, der nicht allein seine Gerechtigkeit und Heiligkeit weiß zu behaupten, sondern auch seine Gnade, Sünderliebe und Barmherzigkeit weiß zu verherrlichen. Gott sagt, dass er nicht ein Mensch ist, denn ein Mensch ist Denen freundlich und gut, die ihm freundlich und gut sind, und die ihm Nichts in den Weg legen; hat ein Mensch aber mit Verkehrten zu tun, alsbald steigen bei dem Menschen Gedanken auf, solchen weit von sich zu stoßen, zu verderben und auszurotten, und will, wie Juda, schnell die Thamar verbrennen, obgleich er selbst gehurt hat. Der Mensch eifert für Sitte, Recht und Gesetz, während dem er es selbst übertritt, ist schnell in seinem Richten, barmherzig, wo er nicht barmherzig sein soll, und unbarmherzig, wo er barmherzig sein soll. Es ist dem Menschen unmöglich, sich mit seinen Feinden zu versöhnen, und er kann aus sich selbst den Armen und Umkommenden nie gut sein aus lauter Güte, nie ohne Selbstgesuch, und seine wetterwendische Gunst beschränkt sich immerdar zu Denen, von welchen er Etwas hat oder Etwas für sich hofft. Nie fällt es dem Menschen aus sich selbst ein, für einen Andern wiederherzustellen, was ein Anderer verdorben hat; nie, einen Auswurf zu locken, dass der Auswurf von dem Verderben errettet werde. Darin ist der Mensch vollgerecht, dass er unglücklich macht, das ihn beleidigt hat, und das er beschlossen hat unglücklich zu machen. Kein Mensch wird aus sich Leben und Ehre drangeben für seinen Feind, seinen Feind zu erretten durch seinen Tod. So ist Gott nicht. Gott eifert zwar schrecklich für sein heiliges Gesetz und für Gerechtigkeit, und straft mit ewiger Verdammung jede Übertretung des heiligen Gebots; das tut er aber nicht, weil er sich selbst sucht, sondern weil Solches mit der Heiligkeit seines Wesens übereinkommt, dass er die Sünde nicht ungestraft kann lassen hingehen. Er eifert aber so für sein Gesetz, dass er seine Feinde selbst mit sich versöhnt, und das Verlorene wieder zurechtbringt, das Verdorbene wieder herstellt. Er hat sich seiner Gerechtigkeit durch den Tod seines eignen lieben Sohnes Genugtuung gebracht; er hat das Gesetz durch vollkommenen Gehorsam Christi erfüllen lassen; er hat Strafe, Sünde, Schuld und Fluch auf sein eigenes heiliges Kind kommen lassen und uns einen Geist der Heiligung erwerben lassen, der uns in Zucht zu nehmen weiß. Das ist es, was geschrieben steht: Es stellt aber Gott seine Liebe zu uns dar, dass, da wir noch dazu Sünder waren, Christus für uns gestorben ist; wie vielmehr also werden wir, nachdem wir jetzt für gerecht erklärt worden in seinem Blute, gerettet werden durch ihn vor dem Zorn. Gott ist Gott und nicht ein Mensch; er weiß, was Gemächte wir sind und ist eingedenk, dass wir Staub sind! Der Mensch will seine Ehre verherrlichen um seine eigne Ehre; Gott aber verherrlicht seinen ganzen Namen, welcher ausgedrückt ist in dem Namen Jesus.

Das ist also der erste Grund, dass Gott nach seinem Zorn nicht mit uns tut, weil er Gott ist, der uns errettet und selig macht aus ewiger treuer Liebe, so selig macht, dass er dabei alle seine Tugenden und Vollkommenheiten verherrlicht, und seine Gerechtigkeit dem Glauben zurechnet - und das ist der zweite Grund, dass er ist wie er sich nennt: der Heilige in dir. Wie er denn der Heilige in dir ist, o Volk, das da hinschwindet vor seinem Worte und sich beugt unter seine Gerechtigkeit; so kann und wird er nicht mit uns tun nach seinem grimmigen Zorn. Unreine und Unheilige sind wir. Ist er der Heilige aber in uns, was tut er denn andere in uns, als dass er uns heiligt durch seine Heiligkeit und gnädige Gegenwart in uns. Ich habe mich besonnen, spricht Gott, ich wollte und musste dieses Volk umbringen, wie ich Sodom und Gomorra habe umgebracht; aber ich will lieber meine große Barmherzigkeit bei ihnen verherrlichen. Sie sollen nicht umkommen unter meinem Zorn, ich will ihnen vielmehr gnädig sein; ich kann meinen Bund mit ihnen nicht zunichte machen; ich will ihnen in ihrer Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit zurechnen, in welcher sie dem Gesetze gemäß sein werden, mich loben, mich lieben und sich vor mir freuen werden. Ich selbst will in ihnen wohnen und bleiben, in ihrer Ungerechtigkeit sie bedecken mit meiner Heiligkeit, und sie in dieser Heiligkeit reinigen von allem Unflat.

So lautet der Trost des Wortes des lebendigen Gottes einen Jeglichen von Euch, o Volk, in dessen Herzen eine Billigung ist des Gerichtes Gottes, und die Ihr Euch beugt unter seinen Drohungen; aber Ihr, die Ihr die Worte nicht mit Anwendung auf Euch selbst, nicht mit Beben und Zittern vernehmt „Was soll ich ans Euch machen, Ephraim?“ - vernehmt auch dieses Wort: Ich will aber in die Stadt nicht kommen. Das ist: ich will mit euern bösen Stücken keine Gemeinschaft haben. Da die Kinder Israel das goldene Kalb gemacht hatten, welches Aaron gemacht hatte, wollte Moses nicht in das Lager kommen, sondern er trat in das Tor des Lagers, und sprach: Her zu mir, wer dem Herrn angehört. Und nachdem vom Volke drei Tausend Mann gefallen waren, Moses wiederum für das Volk bei Gott eingetreten war, und die Kinder Israel ihren Schmuck abgelegt hatten, da wollte Moses wiederum in das Lager nicht kommen: sondern er nahm die Hütte und schlug sie auf, außen ferne von dem Lager, und hieß sie eine Hütte des Stifts. Und wer den Herrn fragen wollte, musste heraus gehen zur Hütte des Stifts vor das Lager. Christus und Belial stimmen nicht überein, und Gott hat keine Gemeinschaft mit den Götzen. Darum werfe ein Jeder von Euch die Ungerechtigkeit von sich, welche er in der Hand hat; es sinke doch ein jeglicher weg vor den Drohungen des Heiligen Gottes, auf dass er bei dem Israel angeschrieben sei, zu welchem Gott gesagt: „Meine Barmherzigkeit ist zu brünstig.“ Amen.

Zum Schlusse sangen wir:

Psalm 39, Vers 8. Hör mein Gebet, o Herr, vernimm mein Schrein! Ach, schweig nicht, da ich vor dir wein! Ich bin ein Gast, ein Pilgrim ja bei dir, Wie vormals meine Väter hier. Lass ab von mir, dass ich mich noch erquick, Eh ich zum Staube kehr zurück.

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