Kierkegaard, Sören Aabye - Derhalben sage ich dir: Ihr sind viel Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet

Kierkegaard, Sören Aabye - Derhalben sage ich dir: Ihr sind viel Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet

Luc, VII, 47

Gebet

Herr Jesus Christus, damit wir recht Dich um Falles bitten können, bitten wir Dich zuerst um eines: hilf uns, daß wir Dich lieben, vermehre die Liebe, entstamme sie, läutere sie. O, diese Bitte wirst Du erhören, Du, der Du ja nicht, grausam, die Liebe so bist, daß du nur ihr Gegenstand bist, gleichgültig, ob einer Dich liebt oder nicht; Du, der Du ja nicht, im Zorn, die Liebe so bist, daß Du nur der Richter bist, eifernd, wer Dich liebt und wer nicht. Nein, so bist Du nicht, so flößtest Du auch nur Furcht und Angst ein, so wäre es furchtbar, „zu Dir zu kommen“, furchtbar, „in Dir zu bleiben“, so wärest Du ja nicht selbst die vollkommene Liebe, welche die Furcht austreibt. Nein, erbarmend, oder liebevoll, oder in Liebe bist Du die Liebe so, daß Du selber die Liebe erzeugst, die Dich liebt, sie empor liebst, daß sie Dich hoch liebe.

Mein Zuhörer, du weißt, von wem wir reden, von jenem Weib, dessen Name ist: die Sünderin. „Da die vernahm, daß er zu Tische saß in des Pharisäers Hause, brachte sie ein Glas mit Salbe und trat hinten zu seinen Füßen, und weinte und fing an, seine Füße zu netzen mit Tränen, und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küßte seine Füße, und salbte sie mit Salbe.“

Sie liebte viel. Denn es gibt Gegensätze, die gegeneinander stehen auf Leben und Tod, oder es ist doch für den einen von ihnen wie die furchtbarste Vernichtung, dem andern sich zu nähern. So, wenn man ein Sünder ist oder eine Sünderin - dem Heiligen sich zu nähern, offenbar zu werden vor Ihm, also im Lichte der Heiligkeit. Nicht flieht die Nacht erschreckter zurück vor dem Tag, der sie vernichten will, und wenn es Gespenster gibt, nicht schreckt ein Gespenst angstvoller zusammen, wenn der Tag graut, als der Sünder zurückschaudert vor dem Heiligen, der, wie der Tag, alles offenbar macht. So lange er kann, sticht der Sünder, entzieht sich, so lange er kann, diesem Gang zum Tode, dieser Begegnung mit dem Licht, schleicht weg, erfinderisch in Entschuldigung und Ausflucht und Betrug und Beschönigung. Aber sie liebte viel; und was ist der stärkste Ausdruck für solche Liebe? es ist, sich selbst hassen -: sie trat vor den Heiligen. Sie, eine Sünderin! Ach, ein Weib; im Weib ist doch die Macht der Scham die stärkste, stärker als das Leben, eher läßt sie das Leben, als daß sie die Scham ganz sich entgleiten läßt. Wohl wahr, diese Scham hätte sie ja abhalten können, sie verhindern sollen, zu sündigen; aber dann doch auch wahr: wenn ein Weib wieder zu sich selber kommt, so ist die Scham nur um so mächtiger, zermalmend, vernichtend. Vielleicht war es dies, was ihr den Gang leichter machte zur Vernichtung: daß sie vernichtet war. Und doch, menschlich gesprochen, könnte hier noch Schonung zugelassen werden; sogar ein Sünder, der in Wahrheit sich selber gestanden hat, oder doch es mit sich selbst weiß, daß er vernichtet ist, er schonte vielleicht doch seiner selbst, wenn er offenbar werden sollte von Angesicht zu Angesicht vor dem Heiligen; er schonte seiner selbst, das will sagen, so tief liebte er doch noch nicht sich selbst. Aber sie - ist hier keine Schonung, gar keine? nein, hier ist keine! - sie haßte sich selbst: sie liebte viel. - Sie trat vor den Heiligen in des Pharisäers Haus, wo die vielen Pharisäer versammelt waren, die sie verurteilen würden, auch so, daß es Eitelkeit sei, abscheuliche Eitelkeit, im besondern von einem Weib, sich vorzudrängen mit ihrer Sünde, sie, die sich vor den Augen aller Menschen verbergen sollte im entlegensten Winkel der Welt. Sie hätte die Welt rings durchwandern können und gewiß sein, nirgends ein so strenges Gericht zu finden, wie es hier sie erwartete in des Pharisäers Haus von den stolzen Pharisäern; auch gibt es vielleicht kein Leiden, so darauf berechnet, just ein Weib zu martern, wie die Grausamkeit des Spottes, der sie in des Pharisäers Haus erwartete von den stolzen Pharisäern. Doch sie - ist hier kein Mitleid, das diese Grausamkeit ihr erspare? nein, hier ist keines! - sie haßte sich selbst: sie liebte viel. - Sie trat vor den Heiligen in das Haus des Pharisäers, beim Gastmahl. Dir graut, ihr zu folgen; du bist versucht, zu vergessen, daß das Ganze bei einem Gastmahl vor sich geht, daß es nicht ein „Klagehaus“ ist, sondern ein „Trinkhaus“. Bei einem Gastmahl tritt ein Weib herein; sie bringt ein Glas mit Salbe mit - das paßt zum Gastmahl; sie setzt sich zu Füßen eines der Gäste - und weint: das paßt nicht zum Gastmahl. In Wahrheit, sie stört das Gastmahl, dieses Weib! Ja, doch das störte nicht sie, diese Sünderin, sie, die, gewiß nicht, ohne zu schaudern, nicht ohne zurückzuschaudern, dennoch eintrat zum Gastmahl - und zum Bekenntnis; sie haßte sich selbst: sie liebte viel. Schwer wie nichts anderes ruht das Geheimnis der Sünde auf einem Menschen; es gibt nur eines, das schwerer ist: zum Bekenntnis gehen zu sollen. Furchtbar, wie kein anderes Geheimnis ist das Geheimnis der Sünde; es gibt nur eines, das noch furchtbarer ist: das Geständnis. Deshalb hat menschliches Mitleid teilnehmend erfunden, was diese schwere Geburt lindern und unterstützen kann. Am heiligen Ort, wo alles stille, ernstvolle Feierlichkeit ist, und in einer verborgenen Einfriedigung darinnen, wo alles Schweigen ist, wie das des Grabes, und Schonung wie das Urteil über die Verstorbenen: dort wird dem Sünder Gelegenheit geboten, seine Sünden zu bekennen. Und menschliches Mitleid erfand Linderung, daß der, welcher das Bekenntnis entgegennimmt, verborgen sei, daß sein Anblick es nicht zu schwer mache - ja zu schwer für den Sünder, sein Gewissen leichter zu machen. Zuletzt erfand menschliches Mitleid, daß es nicht einmal eines solchen Bekenntnisses bedürfe, oder eines solchen verborgenen Hörers; vor Gott, im Verborgenen, der ja doch trotzdem alles weiß, sollte das Bekenntnis nur sein, und könnte so verborgen bleiben in eines Menschen Innerstem. Aber bei einem Gastmahl - und ein Weib! Es ist nicht ein verborgener, abgelegener Ort; auch ist die Beleuchtung nicht das Halbdunkel, noch die Stimmung, wie die zwischen den Gräbern, und die Hörenden sind weder stumm noch unsichtbar. Nein, wenn Heimlichkeit und Dämmerung und Abgelegenheit und alles, was dazu gehört, das Bekenntnis der Sünde leichter machen: ein Gastmahl wäre dann die grausamste Erfindung. Wer ist dieser Grausame, daß unsere Bitten ihn erweichen könnten, ihrer zu schonen? Keines, keines Grausamen Erfindung war so grausam, solches erfand nur sie, die Sünderin; sie - oh sonst ist doch der Grausame einer; der, welcher gepeinigt wird, ein anderer! - sie erfand selbst die Marter, war selbst der Grausame; sie haßte sich selbst: sie liebte viel. Sie liebte viel. Sie setzte sich zu Christi Füßen, netzte sie mit ihren Tränen, trocknete sie mit ihrem Haupthaar - sie drückt aus: ich vermag gar nichts,

Er vermag alles. Aber dies heißt ja viel lieben. Wenn man selbst meint, etwas zu vermögen, kann man wohl auch lieben, aber man liebt nicht tief; und im selben Grad, wie man meint, mehr zu vermögen, im selben Grad liebt man minder. Sie dagegen liebte viel. Sie macht nicht Worte, noch auch, daß sie versichere - oh, nur allzuoft trügerischer Ausdruck, der so leicht eine neue Versicherung nötig macht, daß es wirklich so sei, wie man versichert. Sie versichert nicht, sie handelt: sie weint, sie küßt Seine Füße. Sie ist nicht darauf bedacht, ihren Tränen Einhalt zu tun, nein, zu weinen ist ja ihre Tat. Sie weint; es sind nicht ihre Augen, sondern es sind Seine Füße, die mit den Haaren ihres Hauptes sie trocknet: sie vermag buchstäblich gar nichts, Er unbedingt alles - sie liebte viel. Oh, ewige Wahrheit, daß Er unbedingt alles vermag; oh unbeschreibliche Wahrheit in diesem Weib; oh unbeschreibliche Macht der Wahrheit in diesem Weib, die machtvoll die Ohnmacht ausdrückt, daß sie buchstäblich nichts vermag: sie liebte viel.

Sie liebte viel. Sie sitzt weinend zu Seinen Füßen: sie hat ganz sich selbst vergessen, vergessen jeden störenden Gedanken in ihrem eigenen Inneren, ist ganz stille, oder gestillt, wie das kranke Kind, das gestillt wird an der Mutter Brust, wo es ausweint und sich selbst vergißt; denn nicht glückt es, solche Gedanken zu vergessen und doch seiner selbst zu gedenken, soll es glücken, muß man sich selbst vergessen - darum weint sie, und wie sie weint, vergißt sie sich selbst. Selige Tränen! Oh, daß im Weinen auch dieser Segen ist: Vergessen ist! Sie hat sich selbst vergessen, vergessen die Umgebung mit all ihrem Störenden; denn unmöglich, eine solche Umgebung zu vergessen, wenn man nicht sich selbst vergißt, es war ja eine Umgebung wie darauf berechnet, furchtbar und qualvoll an sie selbst zu erinnern: aber sie weint, und wie sie weint, vergißt sie sich selbst. Selige Tränen der Selbstvergessenheit, wenn dies, daß sie weint, wenn nicht einmal dies sie mehr daran erinnert, worüber sie weint: so hat sie ganz sich selbst vergessen. Aber der wahre Ausdruck dafür: viel zu lieben ist ja just: ganz sich selbst zu vergessen. Wenn man seiner selbst gedenkt, kann man wohl lieben, aber nicht viel lieben; und im selben Grad, wie man mehr seiner selbst gedenkt, im selben Grad liebt man minder. Doch sie hat ganz sich selbst vergessen. Je größer im selben Augenblick der Antrieb ist, an sich selber zu denken - wenn man dennoch sich selbst vergißt und an den andern denkt: um so mehr liebt man. So ist es auch bei der Liebe zwischen Mensch und Mensch, wenn auch diese Verhältnisse nicht ganz dem entsprechen, wovon hier die Rede ist, während sie es doch beleuchten können. Der, welcher in dem Augenblick, da er selbst am meisten beschäftigt ist, in dem Augenblick, der ihm selbst der kostbarste ist, sich, selbst vergißt und an einen anderen denkt, er liebt viel; der, welcher selbst hungrig, sich selbst vergißt und dem anderen den geringen Vorrat gibt, der nur für einen genug ist, er liebt viel; der, welcher in Lebensgefahr, sich selbst vergißt und dem anderen das einzige Rettungsmittel überläßt, er liebt viel. So auch der, welcher in dem Augenblick, da alles in seinem eigenen Innern und alles rings um ihn nicht bloß ihn an ihn selbst erinnert, sondern ihn gegen seinen Willen zwingen will, seiner selbst zu gedenken - wenn er dennoch sich selbst vergißt: er liebt viel, wie sie tat. „Sie sitzt zu Seinen Füßen, salbt sie mit Salbe, trocknet sie mit den Haaren ihres Hauptes, küßt sie - und weint.“ Sie sagt nichts, ist also auch nicht, was sie sagt, aber sie ist, was sie nicht sagt, oder was sie nicht sagt, das ist sie: sie ist das Zeichen und die Bedeutung, wie ein Bild: sie hat die Stimme vergessen und die Sprache und der Gedanken Unruhe und was noch tiefere Unruhe ist, dieses Selbst vergessen, vergessen sich selbst, sie die Verlorene, die nun verloren ist in ihren Erlöser, in ihm verloren ruht zu Seinen Füßen - wie ein Bild. Und es ist fast, als betrachtete der Erlöser selbst einen Augenblick lang sie und die Sache so, als wäre sie nicht ein wirklicher Mensch, sondern ein Bild. Gewiß um die Anwendung für die Anwesenden noch eindringlicher zu machen, redet er nicht mit ihr, er sagt nicht „dir sind deine vielen Sünden vergeben, weil du viel liebtest“. Er redet von ihr, er sagt „ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel liebte“; wiewohl anwesend, ist es fast, als wäre sie eine Abwesende, es ist fast, als verwandelte er sie zu einem Bild, zu einer Parabel, als sagte er: „Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Es war ein Weib, sie war eine Sünderin. Da des Menschen Sohn an einem Tag zu Tische saß in eines Pharisäers Haus, trat auch sie herein. Die Pharisäer spotteten ihrer und richteten sie, daß sie eine Sünderin sei. Aber sie setzte sich zu seinen Füßen, salbte sie mit Salbe, trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes, küßte sie und weinte - Simon, wahrlich, ich sage dir: ihr wurden ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel liebte.“ Es ist fast wie eine Erzählung, eine heilige Erzählung, eine Parabel - und doch geht im selben Augenblick an der Stelle das Selbe in Wirklichkeit vor.

Aber „ihr wurden ja ihre vielen Sünden vergeben“ - und wie könnte dieses stärker ausgedrückt werden, wahrer, als dadurch, daß nun alles vergessen ist, sie die große Sünderin verwandelt zu einem Bild. Indem da gesagt wird: „Dir sind deine Sünden vergeben“, oh, wie leicht kommt die Erinnerung zurück in sie an sie selbst, wenn sie nicht zuerst gestärkt war durch dieses unendliche Vergessen: „Ihr wurden ihre vielen Sünden vergeben.“ „Sie liebte viel“, darum vergaß sie ganz sich selbst; sie vergaß ganz sich selbst, „darum wurden ihr ihre vielen Sünden vergeben“ - vergessen, ja sie wurden gleichsam ertränkt mit ihr im Vergessen, sie wird zu einem Bilde verwandelt, sie wird eine Erinnerung, doch nicht, daß diese sie an sie selbst erinnert, nein, wie sie alles vergaß, dadurch, daß sie sich selbst vergaß, hat die Erinnerung auch, nicht nach und nach, sondern stracks vergessen, wie sie heißt, ihr Name ist: die Sünderin, weder mehr noch weniger.

Und wollte nun einer sagen: es war doch auch Selbstliebe in der Liebe dieses Weibes; die Pharisäer hielten sich ja auch darüber auf, dass sie Christus sich näherte, und schlossen daraus Unvorteilhaftes über ihn, daß er kein Prophet sei - diesem setzte sie ihn also aus, sie mit ihrer Liebe, das heißt, mit ihrer Selbstliebe. Wollte einer sagen: da war doch auch Selbstliebe in der Liebe dieses Weibes, in der Bedrängnis liebte sie ja doch im Grunde sich selbst. Wollte einer so reden, da würde ich antworten: Gewiß - und dann hinzufügen: Gott bessere es, das ist nun einmal nicht anders - und noch hinzufügen: Gott verhüte es, daß ich je mich erdreistete, Gott oder meinen Erlöser anders lieben zu wollen; denn wäre nicht in diesem Sinne Selbstliebe in jener meiner Liebe, so bildete ich mir wohl ein, daß ich sie lieben könnte, ohne ihrer zu bedürfen - und vor solcher Vermessenheit bewahre mich Gott!

Mein Zuhörer, dieses Weib war eine Sünderin. Die Pharisäer richteten sie, sie richteten sogar Christus, daß er sich einlassen wollte mit ihr, sie urteilten - und just daraus -, daß er kein Prophet sei, geschweige der Welterlöser, während er just dadurch als der Erlöser der Welt sich erwies. Dieses Weib war eine Sünderin - doch ward sie und ist ein Vorbild; selig der, der ihr gleicht im vielen Lieben! Die Vergebung der Sünden, welche Christus anbot, während er lebte, wird ohne Unterlaß von Geschlecht zu Geschlecht allen in Christus angeboten. Es wird zu allen gesagt, zu jedem im besonderen: deine Sünden sind dir vergeben; sie nehmen alle, jeder im besonderen, am Altar das Pfand darauf, daß die Sünden ihnen vergeben sind: selig der, welcher der Sünderin gleicht im vielen Lieben! Denn wenn es auch zu allen gesagt wird, so ist es doch nur wahr, wenn es zu denen gesagt wird, die wie jenes Weib viel liebten! Es ist wahr, deine Sünden sind dir vergeben in Christus; aber dieses Wahre, das auch deshalb zu jedem im besonderen gesagt wird, ist doch in einem anderen Sinn noch nicht wahr, es muß zur Wahrheit gemacht werden von jedem im besonderen. So ist jenes Weib ein ewiges Bild; durch ihre große Liebe machte sie sich, wenn es mir erlaubt ist, so zu reden, unentbehrlich für den Erlöser. Denn daß da die Vergebung der Sünden ist, welche er erwarb, das macht sie zur Wahrheit, sie die viel liebte. Du kannst es deshalb wenden, wie du willst, und sagst doch im Grund dasselbe. Du kannst sie selig preisen, weil ihre viele Sünden ihr vergeben wurden, und du kannst sie selig preisen, weil sie viel liebte; im Grunde sagst du dasselbe - wenn du wohl acht darauf hast, daß der, den sie liebte, Christus war, und wenn du nicht vergißt, daß Christus die Gnade ist und der Geber der Gnade. Denn was ist es für eine Prüfung, m der ihre Liebe versucht wird; in welchem Sinne kann man von ihr sagen, daß sie viel liebt; was ist das, das sie minder liebt? Ist die Prüfung die: Christus höher zu lieben, als Vater und Mutter, Gold und Gut, Ehre und Ansehen? Nein, die Prüfung, in der dieses Weib verbucht wird, ist: seinen Erlöser mehr zu lieben als seine Sunde. Oh, da war vielleicht der, welcher Christus höher liebte, als Vater und Mutter und Gold und Gut und Ehre und Leben und doch seine Sünde mehr liebte als seinen Erlöser, sie liebte, nicht so, daß er in ihr bleiben wollte und fortfahren, zu sündigen, nein, aber so, daß er sie nicht recht bekennen wollte. Furchtbar ist es in einem gewissen Sinn, aber wahr ist es, und jeder, der nur geringe Kenntnis vom menschlichen Herzen hat, wird es zugeben: es gibt nichts, woran ein Mensch so verzweifelt festhangt, wie an seiner Sünde. Und darum ist ein vollkommenes, aufrichtiges, tiefes, ganz wahrhaftiges, ganz schonungsloses Sündenbekenntnis - es ist die vollkommene Liebe; ein solches Sündenbekenntnis heißt: viel lieben.

Nun ist die Rede zu Ende. Aber, mein Zuhörer, wenn auch die Pharisäer geurteilt haben, daß jenes Weib höchst unpassend sich eindrängte beim Gastmahl: heute ist sie doch wohl nicht an die unrechte Stelle gekommen: zwischen Beichtstuhl und Altar? Oh, vergiß den Redner, der hier geredet hat, vergiß seine Kunst, wenn anders er solche gezeigt hat, vergiß seine Fehler, deren vielleicht viele sind, vergiß die Rede über sie - aber vergiß nicht sie; sie ist auf diesem Weg ein Führer, sie, die viel liebte, und der darum die vielen Sünden vergeben wurden. Sie ist weit entfernt, ein abschreckendes Bild zu sein, sie ist im Gegenteil mehr anregend als aller Reden Antrieb, wenn es gilt, jener Einladung zu folgen, die zum Altare führt: kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; denn hier geht sie an der Spitze, sie die viel liebte, sie die deshalb auch Ruhe fand für ihre Seele darin, daß sie viel liebte, ja oder darin, daß ihre vielen Sünden ihr vergeben wurden, ja, oder, sie die, weil sie viel liebte, Ruhe fand dadurch, daß ihre vielen Sünden ihr vergeben wurden.

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