Kapff, Sixtus Carl von - Predigt am vierten Sonntag nach Epiphanias

Kapff, Sixtus Carl von - Predigt am vierten Sonntag nach Epiphanias

Text Matth. 8, 23-27.

Und Jesus trat In das Schiff und Seine Jünger folgten Ihm. Und siehe, da hub sich ein groß Ungestüm im Meer, also, dass auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward, und Er schlief. Und die Jünger traten zu Ihm und weckten Ihn auf und sprachen: Herr, hilf uns, wir verderben. Da sagte Er zu ihnen: ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? und stund auf und bedräuete den Wind und das Meer, da ward es ganz stille. Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam ist?

Vor acht Tagen wunderten wir uns über den Glauben des Aussätzigen, der zu Jesu sagte: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen, und über den des Hauptmanns von Capernaum, welcher sagte: Herr, sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Sahen wir da einen starken Glauben, der Jesu Alles zutraute, auch wo Hülfe unmöglich schien, so stellen sich heute Menschen mit schwachem Glauben vor unsere Augen, furchtsame Menschen, die bei drohender Gefahr verzagen wollen. Und wer sind diese Leute? Es ist nicht ein heidnischer Hauptmann, es ist nicht ein verwahrloster Aussätziger, nein, es sind die Apostel des Herrn selbst. Unter dem Brausen eines Sturmes verlieren sie alle Geistesgegenwart und sehen Nichts vor sich, als Tod und Verderben. Jesus aber beschämt ihren Kleinglauben und macht mit Einem Worte dem Sturm des Meeres und dem ihrer Herzensangst ein Ende, ebenso wie wir vor acht Tagen sahen, dass Er die schreckliche Krankheit des Aussätzigen und die Todesgefahr des Knechtes in Einem Augenblick beendigte.

So stillt Er allen Sturm der irdischen Nöthen und verherrlicht sich als den gewaltigen Herrn der Natur; Er spricht, so geschieht es; Er gebeut, so steht’s da. Als solchen mächtigen Herrn Ihn zu kennen, ist für uns ein hoher Trost. Auch wir kommen oft in Umstände, wie die Jünger auf dem Schifflein. Es gibt gar mancherlei Stürme, nicht bloß in der Natur, sondern auch in den Schicksalen des menschlichen Lebens und in den Tiefen unserer eigenen Herzen. Da wird auch uns manchmal bange und wenn das Schiff unsers Lebens unstet herumschwankt auf dem stürmischen Meer oder wenn der Kompass und die Ruder fehlen, die zu einer sicheren Fahrt in den Friedenshafen der Ewigkeit nötig wären, o da steigt auch aus unserer Seele der tiefe Seufzer auf: Herr, hilf uns, wir verderben. Die Geschichte unsers Evangeliums kann uns dann zu einer mächtigen Glaubensstärkung werden, und wenn auch wir schon ähnliche Proben Seiner Durchhülfe gemacht haben, so können wir um so leichter glauben, was Sein Wort sagt, dass Er ein Fels ist ewiglich, und dass Keiner zu Schanden wird, der Seiner harret. Wir wollen daher zur Stärkung unsers Glaubens die Wahrheit betrachten:

Jesus ist der mächtige Bezwinger alles Sturmes

I. in der sichtbaren Schöpfung;
II. in den Schicksalen unsers Lebens;
III. in unserm eigenen Herzen.

I.

Die Bezwingung des Sturmes in unserer Textgeschichte ist für unsere Augen ein großes und außerordentliches Wunder, und darum besonders glaubenstärkend. Unser Evangelium erzählt: „Es erhub sich ein groß Ungestüm im Meer, also dass auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward.“ Wer schon Augenzeuge davon war, in welche Bewegung große Seen oder das Meer selbst bei einem Sturm geraten, wie da die Wellen haushoch sich auftürmen und Alles in wildem Aufruhr tobt und zischt und braust und der Schaum der Wogen wild aufspritzt und dann die Schiffe bald hoch in schwindelnder Höhe, bald tief unten im Abgrund dahinfahren und oft mit Wellen übergossen, ja beinahe bedeckt werden, - der weiß, wie da das Herz zusammengepresst wird, und wie ängstlich es von jeder neu heraustürmenden Woge den Tod erwartet. Wie sehnt man sich da nach dem Lande, wie möchte man alle Elemente beschwören, dass sie doch ruhiger und schonender sein möchten, wie schreien da auch die zu Gott, die sonst sein vergessen, und zittern vor dem Tod, die sonst sein spotten! Deswegen dürfen wir uns nicht wundern, dass die Jünger erschraken und in Angst und Noth den Heiland aufweckten mit dem Jammergeschrei: Herr, hilf uns, wir verderben!

Aber wie groß erscheint Er uns, da Er mitten unter dem Toben der Elemente ruhig schläft, unerschüttert wie ein Fels im Meer, der sein Haupt ruhig zum Himmel erhebt, während an seinem Fuß die brandenden Wogen sich brechen.

Aber wir sehen noch mehr. Jesus erhebt sich, und ohne eine Spur von Schrecken vor dem grauenhaften Anblick, bedroht Er den Wind und das Meer und spricht das erhabene Herrscherwort: schweig und verstumme (Marc. 4, 30.)! Und alsbald legte sich der Wind und es ward eine große Stille, dass alle Leute sich verwunderten und sprachen: was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam ist? So hat Jesus das getan, was der 107. Psalm als eines der Hauptwunder der göttlichen Hülfe an denen rühmt, die mit Schiffen auf dem Meer fahren. „Der Herr erregte einen Sturmwind, der die Wellen erhob, dass sie gen Himmel fuhren, und in den Abgrund, dass ihre Seele vor Angst verzagte, dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener und wussten keinen Rath mehr, und sie zum Herrn schrien in ihrer Noth und Er sie aus ihren Ängsten führte und zähmte das Ungewitter, dass die Wellen sich legten, - die sollen dem Herrn danken um Seine Wunder, die Er an den Menschenkindern tut.“

Dieses Wunder tat Jesus auf dem Meer und zwar in Einem Augenblick. Daraus sehen wir, wie Er als der Herr der Natur alle Elemente und Naturkräfte in Seiner Hand hat, so dass Nichts Seiner Macht widerstehen kann.

So wunderbar diese Herrlichkeit und Majestät Christi uns erscheint, so müssen wir sie doch auf der andern Seite als natürlich ansehen, wenn wir an die innere Herrlichkeit des gottmenschlichen Lebens Jesu denken. Er war das vollkommene Ebenbild Gottes, der Abglanz Seiner Herrlichkeit, der heilige Gottmensch, ohne Sünde und so als reiner Geist erhaben über all' die Einflüsse und Mächte, denen unser Geist um der Sünden willen unterworfen ist. Wäre Adam im Bilde Gottes geblieben, in der Einheit seines menschlichen Willens mit dem göttlichen Willen, so hätte auch er die Herrschaft über die Natur behauptet, die Jesus in unserm Evangelium - freilich im vollkommensten Maße - geoffenbart hat. Diese Herrschaft hat Gott unsrem Geschlechte gegeben, da er in seinen Schöpfungsseegen sprach: sie sollen herrschen nicht allein über alle Tiere der Erde, sondern auch über die ganze Erde, also auch über die Elemente und über die großen Gewalten, durch welche jetzt so oft das Leben und die Ruhe der Menschheit gestört wird. In dieser Herrschaft hätte Adam von keinem Sturm und von keinen Wellen überwältigt werden dürfen, und je mehr sein Geist in Gott gewachsen und zu göttlichem Leben und göttlicher Natur (2 Petr. 1, 4.) erstarkt wäre, desto mehr hätte er auch den Aufruhr der Elemente beschwichtigen können. Deswegen macht Jesus im Evangelium den Jüngern Vorwürfe, dass sie so furchtsam seien und so wenig Glauben haben. Durch den Glauben und die in ihm liegende Erneuerungskraft könnten sie die ursprünglich in die Menschheit gelegte Herrschaft des Geistes über die Natur wieder erlangen. Nur durch die Sünde ist diese Herrschaft verloren gegangen. Seit die Einheit des Menschengeistes mit Gott aufgehoben, der Geist dem Fleisch unterworfen und so in unsere innerste Natur hinein der Aufruhr des Eigenwillens gegen Gott wie ein verheerender Brand geworfen ist, seitdem ist der Geist, wie dem Fleisch, so auch der äußeren Natur unterworfen, und wie jetzt der Tod unsre Sündenglieder auflösen kann, so kann Krankheit, Hunger, Sturm, Feuer oder Wasser uns in des Todes Arme überliefern. Das Alles war bei Jesu nicht der Fall; als der heilige Gottmensch hatte Er die volle Herrlichkeit der Herrschaft über die äußere Natur, die zum Bilde Gottes in der Menschennatur gehört. Als solcher Herr der Natur schlief Er ruhig unter dem Toben der Elemente und auf Sein Wort schwieg ihr wilder Aufruhr, wie wenn ein wilder Pöbel unsinniger Empörer durch das vernünftige Wort eines durch Geist und Character hochstehenden Mannes besänftigt wird.

Hatte Jesus den Satan mit allen seinen Versuchungen überwunden, hatte er sich vollkommen rein bewahrt von allen sündlichen Befleckungen der Welt und von allen Regungen der fleischlichen Menschennatur, ist es da noch ein Wunder, dass auch die geringeren Mächte der äußern Natur nichts über Ihn vermochten? Die geistigen Wunder sind immer größer als die natürlichen. Dass Er der Eine ohne Sünde war und blieb, ist wunderbarer, als dass Er Krankheiten heilte; dass die ganze verführerische Macht der Sünde und des satanischen Reiches Nichts über Ihn vermochte, vielmehr von Ihm überwunden wurde, das ist größer, als dass Er das Brausen des Windes und Meeres zur Ruhe brachte; und jene geistige Macht ist der Grund dieser leiblichen. Als Schöpfer eines neuen geistigen Lebens in der Menschheit hat Er auch in der Natur neue Kräfte geoffenbart.

Doch es war noch mehr in Ihm, als eine reine, heilige Menschheit. Gott war in Ihm (2 Kor. 5.); Er, ist das ewige Wort, das als die schöpferische Weisheit und als der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit von Anfang und von Ewigkeit war, durch das alle Dinge gemacht sind im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und Unsichtbare, Throne, Herrschaften, Fürstentümer und Obrigkeiten (Joh. 1. Col. 1.). Von Anfang an war Er das Leben und das Licht aller Menschen, ja Er ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1 Joh. 5.). Dieser Herrlichkeit des göttlichen Wesens hat Er zwar bei Seiner Menschwerdung sich entäußert; aber nachdem Er in Seiner Menschheit unter Kampf und Arbeit, unter Leiden und Tod alle Rechte Gottes erfüllt, und so die Herrlichkeit der göttlichen Natur auch der menschlichen erworben hatte, da durfte Er vor Seiner Himmelfahrt sagen: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden (Matth. 28.).“ Der alle unsere Feinde zunichte gemacht, der die Hölle zugeschlossen, den Himmel für uns eröffnet hat, wie sollte Ihm etwas widerstehen können? Daher verehren wir Ihn heute noch glaubensvoll als den allmächtigen Herrn der Natur, als den heiligen Mittler, durch den der Vater alle Dinge regiert, dem alles Gericht (Joh. 5.) und alle Herrschaft (1 Kor. 15, 27.) im Himmel und auf Erden übergeben ist. Und wenn jetzt noch das Meer wallet und wütet oder wenn Blitze flammen und Donner rollen oder wenn Stürme tobend brausen, wenn Schneegestöber den Himmel verhüllt, oder wenn übervolle Flüsse mit drohenden Eismassen daherstürmen, wie in diesem Winter so oft, so dürfen wir in diesem Allem Jesum sehen als den, der Eins ist mit dem Vater. Er hat Seine Hand in allen diesen gewaltigen Naturkräften, und nicht das Mindeste darf geschehen ohne Seinen Willen, und wenn Er will, so muss auf das Gebet der Gläubigen in etlichen Stunden oder in Einem Augenblick alle Noth und Gefahr vorübergehen. Denn so gut Er damals dem Sturm ein plötzliches Ende machte, so gut kann Er es heute noch. Er ist gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. Wie den Sturm in der Natur, so kann Er jedoch auch

II.

den Sturm in den Schicksalen unsers Lebens bezwingen. Der Sturm, der die Jünger auf dem See Genezareth erschreckte, kann uns ein Bild sein für alle die Stürme, denen sie ihr ganzes Leben hindurch ausgesetzt waren und von denen alle Gläubige auf dem unruhigen Meer der Welt betroffen werden. Das Leben der Apostel war eine Kreuzesnachfolge Jesu, eine Kette schwerer Leiden, Entbehrungen und Verfolgungen, in denen sie gar oft versucht waren, zu rufen: Herr, hilf uns, wir verderben. Das sagt Paulus 1 Kor. 4.: „ich halte, Gott habe uns Apostel für die allergeringsten dargestellt, als dem Tode übergeben. Denn wir sind ein Schauspiel geworden der Welt und den Engeln und den Menschen. Wir leiden Hunger und Durst, und sind nackend und werden geschlagen und haben keine gewisse Stätte. Wir sind stets als ein Fluch der Welt und ein Fegopfer aller Leute.“ Und 2 Kor. 11, 25. setzt er hinzu, er sei fünfmal mit neununddreißig Streichen, dreimal mit Ruthen geschlagen, einmal gesteinigt, dreimal durch Schiffbruch in die Tiefe des Meeres geworfen worden und fortwährend lebe er in Gefahren aller Art, in Mühe und Arbeit, in viel Wachen und Fasten, in Frost und Blöße. Bei dem Allem aber triumphiert er: „wenn ich schwach bin, so bin ich stark; in dem Allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebt hat. Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus. Ja, wir rühmen uns auch der Trübsal.“ So herrlich hat sich Jesus an ihm als den Bezwinger der schwersten Stürme und der tiefsten Trübsalsfluten bewiesen. Wollte das Volk in Jerusalem ihn zerreißen, so stand des Nachts der Herr bei ihm und verhieß Errettung (Ap. Gesch. 20, 11.). Lag auf der schauerlichen Meerestiefe sein Schiff schon im Rachen des Abgrunds, so kam Nachts der Engel des Herrn und verkündigte ihm, Gott werde nicht bloß sein Leben erhalten, sondern auch das der 276 Seelen, die mit ihm schifften, ihm schenken (Ap. Gesch. 27, 24.).

Wie hier der Sturm schweigen musste, so auch der des Herodes gegen Petrus, da dieser aus ehernen Banden und mitten aus der Wache von Soldaten durch einen Engel ausgeführt und vor dem Tode bewahrt wurde (Ap. Gesch. 12.). Das hat der Herr getan, der einst Noah errettete aus der Sündflut, Loth aus Sodom, Mose aus den Verfolgungen Pharaos und aus den Anfeindungen seines undankbaren Volkes z. B. der Rotte Korah, David aus dem Anstürmen Sauls, Elias aus Ahabs und Ahasjas Gewalt, Elisa aus dem Heer der Syrer, deren Augen verblendet wurden, Daniel aus dem Löwengraben, die drei Männer aus dem Feuerofen.

Solche Wunder der Rettung aus den Stürmen boshafter Feinde, aus Kriegs- und Todes- Noth sind zu allen Zeiten Viele geschehen und heute noch dürfen wir dem Herrn zutrauen, dass uns kein Haar gekrümmt werden kann ohne Seinen Willen und dass Er Heere von Feinden zerstäuben, Berge, die sich wider uns auftürmen, abtragen und haushohe Fluchen, die gegen uns daherbrausen, mit Einem Wörtlein stillen kann. Freilich oft scheint es, als ob der Herr schlafe, wie auf dem Schifflein; als ob Er alles gehen ließe, wie Satan und der Menschen böser Wille es verwirrt und verderbt; aber wie Er auf dem Schiff zur rechten Minute aufwachte und half, so verkündigen es alle Jahrhunderte, dass der Hüter Israels nicht schläft noch schlummert, und dass der Engel des Herrn sich lagert um die her, so Ihn fürchten, und ihnen aushilft. Wie viel tausendmal hat der Herr plötzlich geholfen, wo kein Mensch Hülfe sah! So im Einzelnen, so im Großen. Oft stürmt es in der Welt. Feinde Christi toben gegen Sein Reich, aber der im Himmel wohnet, lachet ihrer und der Herr spottet ihrer (Ps. 2.). Welche Verfolgungen ergingen über die erste Kirche und wie stand sie aus allen nur herrlicher wieder auf! Welche Massen von Feinden stürmten gegen die Reformation und ihre Bekenner an! Aber ihr Rath ist zunichte und ihre Waffen sind zu Schanden geworden. Wie hat Napoleon gegen die heiligsten Rechte unsers deutschen Vaterlandes angekämpft, aber wo ist er und wo ist das Werk seiner Hände? So wird einst auch der Mensch der Sünde, der Antichrist, anstürmen gegen das Volk des Herrn, aber wir wissen schon, was sein Ende ist. Der Herr wird den Gottlosen umbringen durch den Geist Seines Mundes, und alle, die ihm nachfolgten und eine Zeitlang triumphierten über die verfolgten und getöteten Gläubigen, sie werden erwürgt mit dem Schwerdt des, der das Gericht ausführt zum Siege (2 Thess. 2. Off. 19.). Auch das letzte Stürmen des Satans gegen das Heerlager der Heiligen wird zu Schanden und er wird geworfen werden in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet. Endlich aber müssen alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden, so dass Gott Alles in Allem ist. Deswegen nur getrost und unverzagt!

Christi Schifflein kann nicht sinken,
Wär' das Meer auch noch so wild.
Obgleich Mast und Segel bricht,
Lässt doch Gott die Seinen nicht.

Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens die Freude (Ps. 50.), und Allen, die ihr Kreuz im rechten Glauben Jesu nachtragen, denen gilt das Wort des Herrn: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen. So spricht der Herr dein Erbarmer“ (Jes. 54.).

Durch solche Verheißungen vermag Jesus aber auch

III.

den Sturm in unsern eigenen Herzen zu bezwingen. Dieser ist doch immer der schlimmste Sturm; denn über ein Herz, das innerlich in Gott still und ruhig ist, vermag kein Sturm von außen etwas. Das Traurigste, womit äußere Stürme enden können, ist der Tod; aber dieser ist für Seelen, die in Gott gefasst sind, eine Erlösung. Wo dagegen innerliche Stürme toben und das Herz von Leidenschaften und Sündenjammer aufgewühlt ist, da ist eine Hölle, deren Feuer durch jeden äußern Sturm und um so schrecklicher entzündet wird. Wenn auch nur Verzagtheit und Angst das Herz zusammenpresst, so ist schon das ein Sturm, dessen Beruhigung durch Jesum als große Wohltat zu preisen ist. Deswegen hat auch der Herr, ehe Er dem Wind und Meer Stille gebot, zuvor den Sturm in den Herzen Seiner Jünger zu stillen gesucht, da Er zu ihnen sagte: ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Damit brachte Er ihre Herzen, die in der heftigsten Bewegung der Angst Alles vergaßen, was sie je von Jesu Wunderhülfe erlebt hatten, wieder zur Besinnung und rief den entschwundenen Glauben in sie zurück, und gründete so sich selbst als einen Fels der Zuversicht in ihre Seelen, dass sie ruhiger den heranflutenden Wogen zusehen konnten. Ja, wenn Er auch den Sturm länger hätte fortwüten lassen, so wäre schon durch die Beruhigung ihrer Gemüter die Haupthülfe erreicht gewesen und sie hätten singen können: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke; darum fürchten wir uns nicht, wenn gleich die Welt unterginge und das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Dennoch soll die Stadt (und das Volk) Gottes fein lustig bleiben; Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie wohl bleiben; Gott hilft ihr frühe.“ Bei solcher Zuversicht hat der Sturm bereits ausgetobt.

Aber auch heute noch stillt Jesus durch die Macht solcher göttlichen Tröstungen manchen Sturm, der in den Herzen der Gläubigen sich erhebt. Wenn es uns scheint, der Herr schlafe und habe unser vergessen, da entstehen so leicht verzagte, ungläubige Gedanken und ein Sturm, bei dem das Unterste des Herzens aufgewühlt und verborgene Tiefen des Unglaubens, des Trotzes und der Verzagtheit aufgeschlossen werden. Da kann es Stimmen geben: „Erwecke dich, Herr, warum schläfst du? Wache auf und verstoße uns nicht so gar. Warum verbirgst du dem Antlitz?“ Oder kommt es gar zu einem Murren wider Gott, zu einem Lästern über Menschen als Ursache des Unglücks, zu einem Gewirr von Zorn über Gott, Menschen, Teufel, Zufall und eigene Torheit. Da kann die Seele oft in der Natur untergehen, wie ein Schiff im Meer, statt dass sie den Anker des Glaubens und der Hoffnung in Jesum Christum einsenken und so feststehen sollte in jedem Sturme. Endlich kommt aber dann doch der Heiland einer Seele, die es redlich mit ihm hält, zu Hülfe und sendet ihr Seinen Geist als den rechten Tröster und erinnert sie an die bisherigen und von Alters her schon bekannten Proben Seiner Durchhülfe; Er macht ihr göttliche Wahrheiten und Aussprüche im Herzen lebendig, gibt ihr einen Blick in die Ewigkeit hinein, und offenbart ihr, wie es gemeint sei mit allem Kreuze und dass aus dem Sturm äußerlicher Nöthen ein frischeres, gesunderes Geistesleben hervorgehen soll, gereinigt von den verderblichen Dünsten des Fleischeslebens, wie man vom Meere weiß, dass es durch die Menge faulender Wesen in eine pestartige Fäulnis geraten würde, wenn nicht durch Sturme das Wasser mit frischer Lebensluft erfüllt und so zu gesunderer Beschaffenheit erneuert würde.

Durch Leiden zur Herrlichkeit, durch viel Trübsal in das Reich Gottes, aus der Tiefe in die Höhe, aus dem Tod zum Leben! - diesen Weg macht Jesus der Seele innerlich klar und kann so Ruhe in die Unruhe bringen, und Angst in Frieden verwandeln. So sagt David Ps. 13 im ersten Vers: „Herr, wie lange willst du meiner so gar vergessen, wie lange verbürgest du dein Antlitz vor mir?“ Aber schon im sechsten Vers ruft er getrost aus: „ich hoffe darauf, dass du so gnädig bist, mein Herz freuet sich, dass du so gerne hilfst; ich will dem Herrn singen, dass Er so wohl an mir tut.“ Ebenso Ps. 77,10.: „Hat denn Gott vergessen, gnädig zu sein und seine Barmherzigkeit vor Zorn verschlossen?“ Aber schon V. 11.: „aber doch sprach ich: ich muss das leiden, die rechte Hand des Höchsten kann Alles ändern.“ So kann der Herr oft durch Ein Wort, das Er manchmal wie hörbar in die Seele hineinwirft, schnellen Trost wirken. Spricht Zion: der Herr hat mein vergessen, so sagt Er: kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen? Und ob sie sein vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Spricht Zion: Warum verbirgst du dein Antlitz vor mir, so sagt Er: ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich dein erbarmen. Solche Worte wirft oft in der tiefsten Noth der Heilige Geist ins Herz, oder kommt ein mitfühlender Bruder, der sie uns zuruft und den inneren Sturm zurechtbringt, oder erfüllt Jesus auf einmal das Herz mit Seinem Frieden und sagt, wie zu Paulo: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

So hilft Er besonders auch bei dem Sturm, der das Herz dann beunruhigt, wenn es über sein Sündenelend in Angst ist und sich keiner Vergebung getrosten kann. Dieser Sturm hat schon Manche zur Verzweiflung gebracht. Das trotzige und verzagte Herz schreit mit Cain: „meine Sünde ist zu groß, als dass sie mir vergeben werden könnte,“ oder mit David Ps. 38.: „meine Sünden gehen über mein Haupt, ich heule vor Unruhe meines Herzens. Mein Herz bebet, meine Kraft hat mich verlassen und das Licht meiner Augen ist nicht bei nur. Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor deinem Drohen und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde.“ Das ist auch ein Sturm und zwar kein kleiner. In solchem lag der Gichtbrüchige zu Jesu Füßen. Aber als er die Worte hörte: „sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben,“ da war der Sturm besänftigt und beruhigt. Ebenso war die große Sünderin, deren Tränenstrom Jesu Füße wusch, in stürmischer Aufregung; aber selige Ruhe trat ein durch die Worte: „dir sind deine Sünden vergeben, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden.“ So Petrus, der bitterlich weinte und tief trauerte, bis er die Freundlichkeit des Auferstandenen sah und Seiner vergebenden Liebe versichert wurde. So Paulus, der drei Tage blind war, nicht aß und nicht trank und in heftigem Sturm der Buße sein ganzes bisheriges Gebäude zertrümmert sah, aber zu göttlichem Frieden gelangte, da Ananias die Hände auf ihn legte und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, dass du wieder sehend und mit dem heiligen Geiste erfüllt werdest. Da fiel's von seinen Augen wie Schuppen, er ward sehend, ließ sich taufen und stand aus als ein seliges Kind Gottes, als eine neue Kreatur.

So handelt Jesus heute noch. Wo es noch zu keiner Bekehrung gekommen ist, da erweckt der Geist Gottes früher oder später einen Sturm im Herzen, ein Verklagen der Gedanken untereinander, ein Pochen des Gewissens, eine innere Unruhe und Sehnsucht nach bleibenden, wahrhaften Gütern, eine Angst vor dem Gericht, eine Leere und Öde des Herzens unter allen äußerlichen Genüssen, eine tiefe Scham, Reue und Heilsbegierde. Aus solchem Sturm, in dem die ganze Welt wie ein schwankendes Meer nichts mehr geben kann, da schreit der erschrockene Sünder: Herr, hilf mir, ich verderbe. Und ist solches Gebet aus bußfertigem Herzen und im Glauben vor Jesum gekommen, so stillt Er den Sturm, indem Er die Sonne Seiner Gerechtigkeit im Herzen aufgehen lässt, und Golgatha ist der Fels, an dem die brandenden Wogen sich brechen. Während von allen Unbekehrten gilt, was Jesajas (57.) sagt: „sie sind wie ein ungestüm Meer, das nicht stille sein kann und dessen Wellen Koth und Unflat auswerfen“, ,so macht die Verheißung: „ich will eure Sünden in die Tiefe des Meeres werfen, dass ihrer nicht mehr gedacht werden soll,“ das Herz ruhig und stille.

Aber auch nach solcher ersten Beruhigung des Gewissenssturmes gibt es noch mancherlei Stürme durch die Anfechtung der Sünde, die uns auch nach der Bekehrung noch immerdar anklebt und träge macht. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, böse Gedanken hindern am Gebet, nehmen den Segen des Wortes Gottes, verdunkeln das Gemüt, der Glaube wird wieder matter, die Liebe erkaltet, die Feinde, die längst als überwunden angesehen wurden, brechen wieder hervor, das Göttliche wird Gewohnheitssache, das Weltliche übt wieder einen Reiz aus; es gibt Versündigungen, Rückfälle, Konfusionen, in denen der Satan uns wie im Sieb schüttelt. So können Kinder Gottes irre werden an ihrem Gnadenstand und Anfechtungen selbst bis zur Höhe der Verzweiflung sich einstellen. Das sind schwere Sturme. Aber auch in solchen Nöthen erweist sich Jesus als allmächtiger Sturmbezwinger. Allen Seelen, die in solcher Noth sind, ruft Johannes zu: „und ob Jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesum Christum, der gerecht ist“, und Paulus Ebr. 4.: „wir haben nicht einen solchen Hohepriester, der nicht könnte Mitleid haben mit unsrer Schwachheit, sondern der versucht ist allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde.“ Wie Er Petrum wieder aufrichtete von seinem tiefen Fall, so will Er Alle aufrichten, die nur bußfertig zu Ihm kommen und Friede und Gerechtigkeit bei Ihm suchen. Deswegen sagt Er: „Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken. Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“

Schlägt mich die Sünd' schon oftmals nieder,
Dass mein Gewissen fast verzagt,
Hilft Jesus doch und stärkt mich wieder,
Und hält, was Er mir zugesagt.
Drum wenn mich schon mein' Sünd' anficht, Lass ich doch meinen Jesum nicht.

Bei solchem Sinn wird durch alle Stürme Jesus immer herrlicher im Herzen verklärt und aus dem Ringen der Glaubenskämpfe gelangt die Seele zu dem schönen Mannesalter Christi, in dem sie zuletzt mit Wahrheit sagen kann: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur mich zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, meinem Herrn.“ Amen.

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