Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Fünfzehnte Predigt

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Fünfzehnte Predigt

Eins bitt', ich Gott, das hätt' ich gern:
Was Christus hasst, zu hassen.
Und meinen Heiland, meinen Herrn
Nie treulos zu verlassen.
Um seiner Liebe willen sei
Mein ihm geheiligt Herz ihm treu!
Was hab' ich dann zu fürchten?'

Es ist am Himmel kein anderer Stern, von dem die Erde Licht, Wärme, Leben und Fruchtbarkeit nehmen könnte, als die Sonne. Obgleich alle Gräser, alle Saaten, alle Bäume aus der Erde wachsen, so weiß doch Jedermann, dass dies Wachstum nicht stattfinden könnte ohne die Kraft, die von jenem Himmelslicht kommt. Wollte Gott das Licht der Sonne auslöschen, nirgends wäre dann auf der Erde ein Halm, eine Blume, ein Baum, ein lebendiges Wesen, sondern allenthalben Tod, nichts als starrer Tod. -

Nun lasst uns in's Himmelreich hinein gehen und fragen, ob auch da eine solche Sonne ist. Ja, die Sonne des Himmelreichs ist Christus, wie er denn auch selber spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wie nun die Erde nichts kann und vermag ohne die Sonne, von der all' ihr Leben und ihre Fruchtbarkeit kommt: also auch wir, die wir im Himmelreich leben, sind, haben und können nichts ohne Ihn, von dem wir Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit haben, daher die Schrift sagt (Apg. 4): „Es ist in keinem Andern Heil, und kein anderer Name den Menschen gegeben, darin sie selig werden könnten, denn allein der Name Jesu Christi.“ Es ist wohl wahr, dass zur Wirkung unserer Seligkeit ein zwiefacher Wille gehört, nämlich außer Christi und Gottes Willen auch unser eigener Wille, der sich unter Gottes Willen beugen und aus der Hand seiner Gnade das Heil der Seele nehmen muss; aber wenn nun Gott etwas aus dir macht, dir ein neues Herz, einen neuen Sinn gibt und dich tüchtig und fleißig macht zu guten Werken, so rühme dich nicht, als wäre das Alles dein Werk und dein Verdienst; denn obwohl Gott nichts Gutes in und an dir wirken kann ohne dich, so kannst doch auch du wiederum nichts Gutes wirken ohne Gott, dessen Gnade in Christo eine neue Kreatur, ein Kind und einen Erben des ewigen Lebens aus dir macht. Darum scheide sich Niemand von Christo; wer sich von Christo scheidet, der scheidet sich von seinem Heil, Hört doch, wie kräftig uns der Apostel vermahnt, dass wir uns nicht durch falsche Lehre und Wahn von dem Heil in Christo sollen abbringen lassen.

Phil. 3, V. 1 bis 6:
Weiter, liebe Brüder, freut euch in dem Herrn! Dass ich euch immer einerlei schreibe, verdrießt mich nicht, und macht euch desto gewisser. Seht auf die Hunde, sehet auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung; denn wir sind die Beschneidung, die wir Gott im Geist dienen, und rühmen uns von Christo Jesu, und verlassen uns nicht auf Fleisch. Wie wohl ich habe, dass ich mich Fleisches rühmen möchte. So ein Anderer sich dünken lässt, er möge sich Fleisches rühmen, ich vielmehr, der ich am achten Tag beschnitten bin, einer aus dem Volk von Israel, des Geschlechtes Benjamin, ein Ebräer aus den Ebräern, und nach dem Gesetz ein Pharisäer, nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeine, nach der Gerechtigkeit im Gesetz gewesen unsträflich.

Das Wort „weiter“ oder wie es im Grundtext lautet: „übrigens“, braucht der Apostel, wenn er sich zum Schluss anschickt. Er hat aber den Philippern zum Schluss noch Manches zu sagen. Zunächst will er sie vor den jüdischen Irrlehrern warnen (V. 1 bis 16), die zwar noch nicht in Philippi ihr Wesen trieben, aber vielleicht schon in der Nähe waren, wie sie denn überall, wo Paulus das Evangelium verkündigte, hinterher kamen und wie ein Feind in der Nacht ihr Unkraut säten.

Es waren solche, die zwar an Christum als den Messias und Heiland glaubten, aber von den Christen verlangten, dass sie zugleich das jüdische Gesetz halten; und in der Erfüllung der äußerlichen Werke des Gesetzes die Gerechtigkeit suchen sollten. Wie milde und nachsichtig nun auch der Apostel gegen Irrende und Schwache war, so konnte er doch gegen diese in ihrer gesetzlichen Werkgerechtigkeit verhärteten Menschen nicht nachsichtig sein, die den Apostel hassten und durch ihr Judentum seine Lehre von Christo verunstalteten und verdarben. Hier galt nur ein Entweder - Oder. Entweder mussten sie ablassen von ihrer Irrlehre und allein in Christo und dem Glauben an ihn das Heil suchen, oder - wollten sie das nicht, sondern fortfahren, die Gerechtigkeit aus den toten Werken des Gesetzes zu lehren, so konnte der Apostel keine Nachsicht mit ihnen haben, und musste die Christen warnen vor diesen Feinden des Evangeliums. Das tut er in unserm Text, und weist hin auf

Christum, den alleinigen Grund unsers Heils.

Denn er, und er allein, ist

  1. der Grund unserer Freude,
  2. der Grund unserer Erneuerung und
  3. der Grund unserer Gerechtigkeit.

Hilf denn, teurer Heiland, dass wir von dir nimmer weichen, und wie groß auch die Macht der Lüge sei, die uns in ihr Netz des Unglaubens ziehen will, wir uns nicht betören und verblenden lassen, sondern unser Seelenheil bei dir suchen, bei dir allein.

1.

Paulus fängt seine Warnung vor den Irrlehrern mit einer Ermunterung zur Freude an: Meine Brüder; freut euch in dem Herrn. Als ob er sagen wollte: Jetzt, da ihr an Christum glaubt, seid ihr fröhlichen Herzens, seid die seligsten unter den Seligen, ja, die allein Seligen, weil es ohne Christum keine wahre und dauernde Freude gibt. O, so haltet doch diese Freude fest, die ihr verlieren würdet, wenn ihr Christum verlassen, wenn ihr den Irrlehrern folgen und nach ihrer Weise die Gerechtigkeit in den Werken suchen wolltet. Wie selig waren die Galater, solange sie die Gerechtigkeit lieb hatten, die vor Gott gilt; aber als sie vom Evangelium abfielen zum Gesetz, da war ihre Gerechtigkeit, und mit der Gerechtigkeit ihre Freude dahin. -

Ihr merkt nun wohl, liebe Christen, von welcher Freude der Apostel redet. Nicht von der fleischlichen Freude der Kinder dieser Welt, die im Essen und Trinken, im Haben und Genießen, in Üppigkeit und Wollust und dergleichen Dingen mehr ihren Himmel suchen. Das ist ja ein Himmel, der mit der Welt vergeht und auf den nichts anders als die Hölle und die Qual folgen kann. „Wehe euch, die ihr hier lacht, ihr werdet weinen und heulen“ (Luk. 6). Nicht von dieser in Traurigkeit sich verwandelnden Freude ist die Rede, sondern von der Freude, die vielmehr die größte Traurigkeit in Freude verwandelt, wie denn Paulus gefangen und gefesselt und doch fröhlich und, selig im Herzen war. Kennt ihr diese Freude, das von die Schrift sagt: das Himmelreich ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist? (Röm. 14,17). Es ist die Freude in und an Gott, wenn wir seine Kinder geworden sind. Wer ihn von Herzen Vater nennen kann, der freut sich, so oft er an ihn denkt und mit ihm redet; und ob er auch arm wäre und krank wie Lazarus, dennoch ist er fröhlich und getrost und dünkt sich reich und selig zu sein, da er einen Gott hat, der täglich, stündlich bei ihm ist, der ihn mit himmlischen Gütern reichlich segnet, und der ihm verheißt, dass er einst alle Tränen aus seinen Augen trocknen und ewig bei sich haben werde in seinem Vaterhaus. -

Nun aber sprecht, Christen: haben wir diese unsere kindliche, ewige Freude nicht allein Christo zu verdanken? Wenn der Apostel sagt: Freut euch in dem Herrn, so liegt auf diesem Zusatz „in dem Herrn“, ein sonderlicher Nachdruck. Dem Herrn steht das Fleisch entgegen, nämlich alle jene äußerlichen Werke des Gesetzes, worauf die jüdischen Irrlehrer ihr Vertrauen setzten. Kann man durch die Beobachtung solcher Werke die Freude im heiligen Geist gewinnen? Nein, und wenn's viel bessere Werke wären, als jene toten Werke des Judentums; wenn jemand alle seine Güter wollte den Armen geben und seinen Leib brennen lassen, so würde der Mensch dadurch nicht fröhlich und selig in Gott. Die Christenfreude ruht auf Christo allein, als auf ihrem Grund und Fundament, und wer nicht durch den Glauben mit ihm in Gemeinschaft tritt, der wird nimmer von Herzen und auf die Dauer fröhlich werden können. Wohl freu' ich mich meines Gottes, indem ich die Werke tue, die er mir befohlen hat, und meine Freude wäre dahin,: wenn ich zu den Ungehorsamen überträte, die Gottes Willen verachten und mit Füßen treten; aber dennoch könnt' ich auch mit hundert und tausend Werken nicht fröhlich hintreten vor Gott, wenn ich nicht zuvor sein Kind geworden wäre durch Christum, in welchem Gott mir meine Sünden vergeben hat. Als mit Gott versöhnt durch das teure Blut Jesu Christi bin ich ein fröhlicher Christ, denn nun schreckt mich weder die Sünde mehr, noch der Tod, noch sonst irgend etwas in der Welt; die Gnade Gottes hat mich erlöst, hat mich erfüllt mit Frieden und Hoffnung, darüber freue ich mich und lasse nun meine Freude strahlen in guten Werken. Nicht aus den Werken geht meine Freude, sondern aus der kindlichen dankbaren Freude gehen meine Werke hervor.

Weil's nun nichts besseres für den Menschen gibt als diese Freude, die sein Herz erfüllt, die ihn vom Morgen in den Tag, vom Tag in die Nacht begleitet, die ihn bei Gott erhält, die ihm Mut und Trost in allen seinen Leiden und sogar im Tod gibt, die das Morgenrot des ewigen Lebens ist, das ihm die Hoffnung zeigt, so ermahnt uns der Apostel, dass wir diese Freude, die wir in dem Herrn haben, uns bewahren und nicht von den Irrlehrern nehmen lassen sollen, die alles Heil in den äußerlichen Werken suchen. Er hat der Freude schon wiederholt in seinem Brief an die Philipper gedacht. Als den Grundton seines eigenen Herzens hatte er die Freude bezeichnet: „ich freue mich und will mich auch freuen“ (Kap. 1,18). Danach hatte er den Philippern die Freudigkeit des Glaubens als Ziel vorgehalten (V. 25), und ihnen den Weg gezeigt, auf dem man solche Freude gewinnt und sich bewahrt; er hatte zum Schluss noch wieder gesagt: „Freut euch und freut euch mit mir“ (Kap. 2,18). Dennoch kommt er noch wieder mit dem Wort: Freut euch in dem Herrn!

Ja, spricht er, dass ich euch immer einerlei schreibe, ist mir nicht bedenklich, euch aber dient es zur Sicherheit. Wie das? Weil es uns zur Warnung dient, dass wir, wenn der Versucher an uns herantritt, ihm nicht nachgeben, um nicht das teure Gut unserer christlichen Freude und Seligkeit zu verlieren. Jetzt sind wir noch fröhlichen Herzens, weil wir Christum und in ihm die Erlösung haben durch sein Blut; aber lassen wir an die Stelle des Glaubens Christi das Vertrauen auf unser eigenes Werk und Verdienst treten, so haben wir den Grund unserer Freude verloren. Wem ich nichts hätte als mein eigenes Wert, das so mangelhaft, das mit so vielen Sünden vermengt ist: darüber sollte ich mich vor dem Angesicht des heiligen Gottes freuen, darauf meinen Trost im Sterben gründen, darauf meine Zuversicht setzen können, wenn der Tag erscheint, wo Alles offenbar wird, was im Finstern verborgen ist? Nein, ich will festhalten die teure Gnade Gottes, die soll meine Freude sein im Leben und mein Trost im Sterben und meine Zuversicht am Tage des Herrn. Ich weiß gewiss, dass, wenn ich mich von ihr scheiden ließe, ich meiner besten, seligsten Freude verlustig ginge.

2.

Wie aber Christus der alleinige Grund unserer Freude ist, so ist er für's Zweite auch der alleinige Grund unserer Erneuerung. Ihr wisst ja, Christen, dass wir keinen Wert haben in den Augen Gottes, solange wir noch den alten Menschen mit seinen Sünden und bösen Lüsten an uns tragen. Das Alte soll aufhören und Alles in uns neu werden. Es sei denn, dass Jemand von Neuem geboren werde, sonst kann er nicht für einen Bürger des Himmelreichs gelten und ein Kind Gottes heißen. -

Wo finden wir nun das neue Herz und den neuen Sinn? Wo finden wir die Liebe Gottes und die herzliche Bruderliebe? wo finden wir das Volk, das aus innerem göttlichen Trieb fleißig ist zu guten Werken? Paulus weist uns hin auf die, welche nicht auf Christum, sondern auf Fleisch ihr Vertrauen setzen. Unter Fleisch versteht er hier all die äußerlichen Vorzüge und Werke, worauf die jüdischgesinnten Irrlehrer ihre Zuversicht setzten, zu Schmach der Gnade Gottes in Christo, worauf allein wir unser Vertrauen setzen sollen. Fasst sie einmal in's Auge, seht sie an (spricht er), um zu erkennen, was ihr von ihnen zu halten und dass ihr euch vor ihnen zu hüten habt!

Hunde nennt er sie ist das nicht zu viel gesagt? O wähnt nicht, der Apostel sage das in großer Aufregung und blinder Leidenschaft, die nicht weiß, was sie sagt. Was er sagt, das sagt er mit der ruhigsten Überlegung und er tritt auch keinen Fingerbreit von der Bahn der Wahrheit ab. Wie kann er sie denn Hunde nennen? Etwa wegen ihrer Unverschämtheit, womit sie ihre Werkgerechtigkeit gegen das Evangelium von Christo geltend zu machen suchten? oder wegen ihres Neides und ihrer Missgunst, womit sie auf die gesegnete Wirksamkeit des Apostels blickten? oder wegen ihrer beißigen, zänkischen Natur, die sie in ihrer Rede und in ihrem öffentlichen Auftreten zeigten? Allerdings fand sich das alles bei ihnen; aber Paulus folgt der heiligen Schrift, die den Hund als Bild der Unreinigkeit und der Entfremdung von dem Leben aus Gott gebraucht, wie der Herr spricht (Matth. 7): Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, sollt eure Perlen nicht vor die Säue werfen, und anderswo (Offenb. 22) heißt es: Draußen sind die Hunde, die Zauberer, die Hurer, die Totschläger usw. Jene Werkheiligen also sind in Wahrheit nicht Kinder des Reichs, sondern sie beweisen durch ihre Gesinnung, ihr Reden, Tun und Lassen, dass sie wie Hunde noch draußen vor der Tür des Himmelreichs hausen, dass in ihnen noch der alte Adam mit allen seinen bösen Begierden und Sünden lebt. Aber eiferten sie doch nicht für das Gesetz und zeigten eine große Tätigkeit als im Dienst Gottes? Ja, sagt Paulus, Arbeiter sind sie, aber schlechte Arbeiter; denn was hat das äußerliche Tun für einen Wert, solange das Herz noch ein unbekehrtes ist? und was tun sie anders, als dass sie das Wort Gottes verfälschen und Seelen vom Wege des Heils auf den Weg des Verderbens bringen? und endlich, worum anders ist es ihnen zu tun, als um ihre eigene Ehre und Nutzen? Sie arbeiten nicht für Christi Ehre und für das Wachstum des Himmelreiche, sondern wollen sich selbst einen Namen machen und etwas gelten vor der Welt. Was ist's nun mit ihren jüdischen Vorzügen, z. B. mit der Beschneidung, woraus sie so viel machen? Sieht man auf ihr Herz, ihren Sinn, ihr Tun, ihren Wandel, was ist dann ihre Beschneidung? Nicht jenes heilige, göttliche Bundeszeichen zur Unterscheidung des Volkes Gottes von der Heidenwelt; nicht mehr ein Bild, das auf die Reinigung hinweist, die im Herzen vorgehen soll; sondern bei ihnen, die noch ganz unbeschnittenen Herzens sind und ganz der Welt sich gleichstellen, ist sie etwas durchaus Äußerliches, ein Schnitt in's Fleisch, eine Verstümmelung, eine Zerschneidung, daher ohne alle höhere Bedeutung und ohne allen Wert. Nicht innerlich Beschnittene sind sie, nein! sondern bloß äußerlich Zerschnittene. -

Seht, so stand es zu Pauli Zeit um alle die, welche bloß mit äußerlichen Werken umgingen: steht es denn in unsern Tagen anders um die Werkheiligen? Das äußerliche jüdische Kleid haben sie ausgezogen, aber im Herzen sind sie noch; ganz wie jene waren. Seht nur recht genau alle die an, die nicht in Christo allein das Heil suchen, so werdet ihr finden, dass es zu einer gründlichen Änderung des Herzens nimmer mit ihnen kommt. Sie bleiben, die sie sind von Natur, ihr Herz ist ein Schlangennest voll sündlicher Lüste und Begierden. Von der rechten Gottesliebe wissen sie nichts, sondern klagen, murren wider Gott, lügen und trügen in seinem Namen, verachten sein Wort, sind voll Neid, Hass, Zorn, Rache und dergleichen mehr. Mögen sie immerhin viele Werke tun, morgens früh aufstehen und den ganzen Tag hindurch arbeiten im Schweiß ihres Angesichts, so müssen sie doch schlechte Arbeiter heißen, weil nichts aus reinem Herzen kommt und nichts zur Ehre Gottes geschieht. Sie weisen auf ihre Taufe hin, aber was nützt bei ihnen die Taufe, wenn sie nichts, als äußerliches Wasser war und keine Reinigung des Herzens und Lebens bei ihnen erfolgte?

Wir, sagt Paulus, wir sind die Beschneidung, die wir im Geist Gott dienen, und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen. Da weist er auf die wahrhaftigen Christen hin, zu denen er sich und die Philipper rechnet. Was zeichnet denn diese Christen vor jenen Weltkindern aus? Das neue Herz, womit sie auf eine innerliche und lebendige Weise Gott dienen ihr Lebenlang. Denn unter der „Beschneidung“ werden hier alle die verstanden, in welchen Gott durch den heiligen Geist einen neuen göttlichen Sinn geschaffen hat, so dass sie ihn von Herzen lieb haben und mit Freuden seinen Willen tun. Die auf solche Weise erneuert sind, vertrauen nicht auf Fleisch, das heißt, auf ihre äußerlichen Werke und Vorzüge. Statt solcher Dinge sich zu rühmen, die man haben kann, ohne dass das Herz von Neuem geboren ist, rühmen sie sich vielmehr Jesu Christi, durch dessen Gnade sie Kinder Gottes geworden sind. Er war es, der sie zu sich rief und sprach: Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid! Er war es, der, als sie mit Buße und Glauben kamen, ihnen ihre Sünden vergab. Er war es, der sie ausrüstete mit Kraft aus der Höhe, und ihnen Macht gab, Gottes Kinder zu werden. Er war es und ist es fort und fort, der in ihnen wohnt und sie durch den kindlichen Geist fleißig und tüchtig zur allem Guten macht. So muss denn alles Rühmen äußerlicher Werke aufhören, denn Christus allein ist der Grund ihrer Erneuerung,

3.

und wie ihrer Erneuerung, so auch, drittens, ihrer Gerechtigkeit. Unter der Gerechtigkeit verstehen wir einen solchen Stand des Menschen zu Gott, da er von ihm, dem Herzenskündiger, nicht mehr als ein Schuldiger und Verdammlicher angesehen wird, sondern als rein und unsträflich, hier zeitlich und dort ewig. Da hört denn auch aller Unfriede des Gewissens und alles Gericht Gottes auf; wer gerecht ist, der wird nicht mehr von seinem Gewissen verdammt und hat keinen Zorn Gottes mehr zu fürchten. Selig, selig, wer sich solcher Gerechtigkeit Gottes rühmen kann! Aber wie gelangt ein Mensch zu ihr? Durch Vorzüge der Geburt? durch äußerliche Beschneidung oder Taufe? Durch Werke des Gesetzes, die er vollbringt, und durch den Eifer, den er in solchen Werken zeigt? Die jüdischgesinnten Irrlehrer beriefen sich auf solche äußerliche Vorzüge und Werke und gründeten darauf den Ruhm ihrer Gerechtigkeit. Nun, sagt. Paulus, könnte man auf diese Weise vor Gott gerecht werden, wer wäre dann gerechter gewesen als ich, da ich noch kein Christ geworden war? Ich bin ja nicht bloß ein Christ, sondern habe Vertrauen auch auf Fleisch, so dass ich, wenn es mir etwas nützte, diesen Besitz geltend machen könnte; aber ich meine, dies Vertrauen ist ein schlechter Besitz und Schatz. Wenn irgend ein Anderer von den Juden meint, auf Fleisch vertrauen zu können, so meine ich es vielmehr. Denn, was zunächst die äußere Zugehörigkeit zum jüdischen Volk betrifft, so bin ich ja der Beschneidung nach ein Achttägiger, also kein zum Judentum Übergegangener, sondern ein Jude von Geburt. Sodann bin ich von dem Volk Israel, dem Bundesvolk! bin sogar von dem so angesehenen Stamme Benjamin, und stamme als Hebräer von Hebräern aus rein jüdischem Blut, denn beide, mein Vater, wie meine Mutter, waren geborene Juden. Endlich bin ich in Ansehung des Gesetzes ein Pharisäer, und ihr wisst ja, dass die Pharisäer es mit der Beobachtung des Gesetzes unter allen jüdischen Sekten am strengsten halten. - Was nun weiter mein persönliches Verhalten betrifft, so bin ich in Ansehung des Eifers für das Gesetz Verfolger der christlichen Gemeinde - Gott vergeb' es mir! - und in Ansehung der Gerechtigkeit, die im Gesetz begründet ist, bin ich nach aller meiner pharisäischen Gesinnungsgenossen Urteil geworden und erwiesen untadelhaft. Also wenn Vorzüge der Geburt und Werke des Gesetzes den Menschen gerecht machen könnten, so wäre ja ich unter allen Gerechten einer der gerechtesten. Aber fürwahr! ich habe mit dem Allen den Frieden Gottes nicht gefunden, den ich suchte, und darum hab ich's fahren lassen und habe bei Christo gesucht, und auch gefunden, was ich suchte. Gottes Gnade in dem Blut Christi ist der Grund, worauf ich stehe mit meinem Frieden und mit meiner Gerechtigkeit.

So ungefähr redet der Apostel Paulus und will uns lehren durch sein Beispiel, dass die Gerechtigkeit nicht aus den Werken eines Menschen, sondern allein aus der Gnade Gottes in Christo kommt. Aber die Werkgerechten unserer Tage möchten nun etwa einwenden und sagen: unsere Werke sind ganz anderer Art, als die, wovon Paulus redet. Wir sind nicht Juden und am wenigsten Pharisäer - nein, wir hassen sogar Alles, was Pharisäer heißt! Wir eifern nicht für ein ausgestorbenes Zeremonialgesetz und verfolgen nicht in solchem Eifer gute Christen, sondern unser Streben geht ganz allein darauf hin, die heiligen Pflichten zu erfüllen, die unser Gewissen uns auferlegt, und indem wir nun darin uns treu erfinden lassen, haben wir die Zuversicht, dass wir um dieser Pflichterfüllung willen für gerecht gelten müssen, nicht nur vor Menschen, sondern auch vor Gott. -

Das sagt ihr? Ich antworte: Was die Pflichterfüllung betrifft, so wollen wir, die wir unsere Gerechtigkeit in Christo suchen, nicht hinter euch zurückbleiben, sondern unsere Freude ist es und soll es auch bleiben, den Willen unsers lieben Vaters im Himmel zu tun. Aber wie eifrig wir auch darin sind, so suchen wir doch nicht unsere Gerechtigkeit in unsern Werken, sondern sagen und bekennen: Gott hat uns die Sünden vergeben aus lauter väterlicher göttlicher Güte und Barmherzigkeit um Christi willen, an den wir glauben. Könnt ihr Werkgerechten, die ihr von Pflichterfüllung sprecht, unter allen euren Werken auch nur ein einziges aufweisen, das ohne Makel ist? Ist Alles, was ihr getan habt, wahrhaftig in Gott getan und ist unter euren Pflichten keine, die ihr je übertreten hättet? Fürwahr, ihr wärt arge Pharisäer, wenn ihr in dem durchlöcherten Mantel eurer Tugend vor Gott hintreten und sagen wolltet: Unser Gewissen beißt uns nicht. Was ist das doch für ein Friede, dessen ihr euch rühmt? Ist es die herzliche Freude, womit ein Christ von Gott als Kind vor seinem himmlischen Vater steht? ist es die lebendige Quelle, woraus die Lob- und Dankgebete eines gläubigen Christen strömen? ist es die felsenfeste Zuversicht, womit ein durch Christum mit Gott Versöhnter allen Anklagen seines Gewissens und der Welt entgegen tritt und sagt: Wer will verdammen? Christus ist hie, der gerecht macht!? Ist es der Mut und Trost, womit ein Gottversöhnter sich auf sein Sterbebett legt und seine Seele in die Hand des gnädigen Gottes befiehlt? Bekennt es nur, ihr Werkgerechten, wollt ihr anders ehrlich sein, bekennt es, dass euch dieser kindliche Sinn gegen Gott, dieses Dankgebet, diese Zuversicht, dieser Mut und Trost fehlt und dass euer Herz ein wüster Ort ist, wo der Baum nicht grünt und blüht, welcher Friede Gottes heißt. Und wenn ihr so verblendet seid, dass ihr das nicht zugeben wollt, so sage ich es euch vorher, dass ein Tag kommen wird, wo eure Werke wie dürre Blätter abfallen von eurem Lebensbaum und nichts übrig bleibt als ein Stamm mit dürren Zweigen, unter dem keine Kühlung zu finden ist in der Hitze des Weltgerichts. -

O barmherziger Gott, öffne uns doch Allen die Augen, dass wir erkennen, wie keine wahre Freude, keine wahre Erneuerung, keine wahre Gerechtigkeit zu finden ist, wenn wir sie nicht in Christo suchen. Zu dem führe uns im Glauben, so werden wir uns freuen und werden dir dienen mit dem Geist und werden Gerechtigkeit und Frieden haben.

Es ist in keinem andern Heil,
Ist auch kein Nam' gegeben
Darin wir könnten nehmen Teil
An Seligkeit und Leben;
Nur Jesus ist allein der Held
Der uns das Leben hergestellt.
Gelobet sei sein Name!

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