Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 10. Betrachtung

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 10. Betrachtung

Christen, wollte Gott, uns könnte das Zeugnis gegeben werden, das Paulus den Kolossern gibt! Nachdem er ihnen die durch Christum vollbrachte Versöhnung vorgehalten, spricht er seine Freude darüber aus, dass sie sich haben mit Gott versöhnen lassen. Seine Worte lauten: Kap. 1,21-23.: Und euch, die ihr weiland Fremde und Feinde wart durch die Vernunft in bösen Werken, nun aber hat er euch versöhnt mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, auf dass er euch darstellte heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst, so ihr anders bleibt im Glauben gegründet und fest, und unbeweglich von der Hoffnung des Evangelii, welches ihr gehört habt, welches gepredigt ist aller Kreatur, die unter dem Himmel ist, welches ich Paulus Diener geworden bin.

Das werde nun für uns ein Herzens-Spiegel. Wir fragen: Wozu uns die Versöhnung führen soll, die uns widerfahren ist.

Antwort: zur Demut, wenn wir in die Vergangenheit, zum Dank, wenn wir auf die Gegenwart, zur Treue, wenn wir in die Zukunft blicken.

1.

Paulus pflegt die Gläubigen, an die er schreibt, an ihren früheren unbekehrten Zustand zu erinnern. Zu den Römern spricht er: „Ihr seid Knechte der Sünde gewesen und habt eure Glieder begeben zum Dienst der Unreinigkeit.“ Zu den Korinthern: „Ihr wisst, dass ihr Heiden gewesen seid und hingegangen zu den stummen Götzen.“ Zu den Ephesern: „Ihr wart weiland Finsternis.“ Das tut er, nicht wie die Welt, die uns unsere Sünden vorhält, entweder aus Rache oder im Zorn, oder dass sie sich mit uns ergötze an unsern früheren Torheiten oder uns reize zu neuem Bösestun. Paulus will die lieben Brüder in der Demut befestigen, will sie zum Lobe Gottes führen, der sie errettet hat, will sie stärken in der Treue des Gehorsams gegen den Herrn. So erinnert er nun auch die Kolosser, die der Mehrzahl nach Heiden gewesen waren, an ihren früheren trostlosen Zustand, und fasst so gleichsam das Bild der schönen Gegenwart in den schwarzen Rahmen der traurigen Vergangenheit. „Die ihr weiland Fremde und Feinde wart durch die Vernunft in bösen Werken.“ Wovon waren sie entfremdet? Von Gott und von dem Leben, das aus Gott ist. Denn der Heide lebt in Unwissenheit über den lebendigen Gott, die höhere Welt ist ihm eine verschlossene Welt, wie noch jetzt selbst unter uns Christen Tausende sind, die für Gott und göttliche Dinge weder Sinn noch Herz haben. Sie denken, sinnen, reden und tun, als ob nur eine Welt, aber kein Gott im Himmel wäre. Diese Gottentfremdung ist nun zugleich eine Feindschaft wider Gott. „Ihr wart Feinde.“ Zwar kann uns jemand fremd sein, ohne darum unser Feind zu sein; aber wem Gott fremd ist, der ist auch Gottes Feind. Hier muss es immer heißen: Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich. Warum das? Fürs erste darum, weil dies Fremdsein eine Entfremdung ist. Ursprünglich war der Mensch Gottes Freund; er ist aber von Gott abgefallen, und der Abfall von einem Freunde, zumal von dem himmlischen, nimmt stets die Gestalt der Feindschaft an. Geht nun vollends der Abgefallene zu einer Gesinnung über, die ganz der Gesinnung seines früheren Freundes entgegen ist, und offenbart sich diese Gesinnung in seinen Werken, so ist vollends alles Band der Liebe zwischen ihm und dem Freunde zerrissen. So aber ist es mit dem natürlichen Menschen. Lief im Hintergrunde seines Herzens wohnt noch die dunkle Erinnerung an das verlorene Paradies. Er ist ein von Gott Abgefallener, er ist Gottes Feind. Wie offenbart sich das? Wie wir lesen Röm. 1: „Voll alles Ungerechten, Hurerei, Schalkheit, Geizes, Bosheit, Hasses, Mordes, List usw.“ Das sollte nicht Feindschaft sein gegen den, von welchem es heißt: „Er ist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, wer böse ist, bleibt nicht vor ihm?“ Wundere sich also niemand, dass Paulus die Gottentfremdung eine Feindschaft nennt. Wir sind von Natur alle Gott entfremdet, darum Gottes Feinde, darum Kinder des Zorns. Damit aber niemand denke, diese Entfremdung und Feindschaft sei, weil meistens unbewusst, nur eine äußere, und berühre nicht den Sinn und das Herz, so führt Paulus beide auf die Gesinnung zurück, und bezeichnet diese als die Quelle der bösen Werke: Ihr wart Fremde und Feinde durch die Vernunft, das heißt hier: nach einer Gesinnung in den bösen Werken. Es kann nichts Böses beim Menschen zum Vorschein kommen, das nicht seine Quelle in der Gesinnung hätte, und wiederum, wie der Baum ist, so ist auch die Frucht. Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung (Matth. 15.). Das nun ist der Spiegel, den Paulus den Kolossern, und wie ihnen, so auch uns vor die Augen stellt. Es ist ein kurzer Auszug aus unserm früheren Leben und Sein. Steht es jetzt besser um uns, so lasst uns nicht vergessen, dass es eine Zeit gab, wo es traurig um uns stand, so traurig wie nur immer möglich, damit wir uns nimmer überheben, sondern in stiller Demut und Traurigkeit vor Gott wandeln.

2.

Aber auch unsere Dankbarkeit gegen den himmlischen Wohltäter will der Apostel beleben. Sind wir herausgerissen aus dem früheren Elend, sind wir erlöst und versöhnt: wem verdanken wir das? Er hat uns gemacht, nicht wir selbst, zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. „Nun aber hat er euch versöhnt mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod.“ Das ist das größte Glück eines Menschen, wenn er von dem Stand der Sünde und des Zorns als von einer vergangenen Sache reden, und sich auf eine Zeit besinnen kann, wo Gott zur Sünde sprach: Bis hierher und nicht weiter! Wissen wir von einer solchen Zeit? Ist wirklich zwischen dem Ehedem und Jetzt ein so großer Unterschied, dass wir mit aller Freudigkeit des Herzens sagen können: Wir, ehedem Gottes Feinde, sind nun versöhnt? „Ein Wohlgefall'n Gott an uns hat, nun ist groß Fried' ohn' Unterlass, all' Fehd' hat nun ein Ende?“ Und wenn das ist; wer hat's gemacht? Er, Er, nämlich Christus, nicht wir. Die Versöhnung ist von ihm ausgegangen und bewirkt, nicht von uns. Der Friede, den wir haben, ist die Frucht seiner Leiden, die er erduldet, seines Bluts, das er vergossen hat. Das Mittel der Versöhnung war sein Tod. Hier wird sein Tod, früher wurde sein Blut uns als der Preis der Versöhnung genannt. Danke dem lieben Herrn, dass er auch für dich mit dem Leibe, der von deinem Fleisch und Blut war, in den Tod gegangen ist. Warum in den Tod gegangen? Paulus sagt es „auf dass er euch darstellte heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm“, vor Gottes Angesicht. Als Versöhnte sind wir das in einem doppelten Betracht. Wir sind abgesondert von der Zahl der Sünder, keine Strafe droht uns mehr, kein Tadel haftet mehr an uns. Wie wenn du einen Unglücklichen zu dir nimmst, ihm seine alten Kleider ausziehst, ihn reinigst, ihm neue Kleider anlegst, und so ihn hinstellst, dass die, welche früher ihr Angesicht von ihm abwandten, nun mit Wohlgefallen auf ihn hinblicken: also auch hat der Versöhner an uns, die wir an ihn glauben, die alten Kleider der Schuld und Strafbarkeit abgetan, hat das Kleid seiner Gerechtigkeit, seiner Vergebung, seines Friedens uns angelegt. Alle Schuld ist uns erlassen, wir stehen jetzt und einst, wenn der Tag des Herrn erscheint, so da, als ob wir nimmer gesündigt hätten. Aber dieser Gerechtigkeit rühme sich nicht, wer sich noch wie eine Sau im Kot der Sünde wälzt. Es wäre ein Frevel und ein Widerspruch der ärgsten Art, wenn wir uns des Blutes Christi trösten, und nicht zugleich lauter und unanstößig wandeln wollten. Nicht nur in unserm Text, sondern auch sonst vielfältig wird in der Schrift bezeugt, dass das Ziel unserer Versöhnung durch Christum die Heiligung ist. Er ist darum für alle gestorben, auf dass die, so da leben, hinfort nicht ihnen selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist (2 Kor. 5.). Welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holz, auf dass wir, der Sünde ab. gestorben, der Gerechtigkeit leben (1 Petri 2.). Der sich selbst für uns gegeben hat, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit, und reinigte ihm selbst ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken (Tit. 2.). So und ähnlich redet die Schrift, und wir haben als Kinder schon gelernt, Artikel 2, dass Jesus Christus mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat mit seinem heiligen teuren Blut: auf dass ich sein eigen sei, und in seinem Reiche unter ihm lebe, und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Wer will also sagen, es sei nicht nötig, dass wir heilig und unsträflich leben, nachdem Christus für uns gestorben sei? Der alte Adam möchte gern aus Christo einen Sündendiener machen, Schulden auf Schulden häufen, und Christum dann für sich bezahlen lassen. Dem widerspricht Paulus. Wohl ist und bleibt der Glaube an Christi Tod der einzige Weg zur Seligkeit. Aber dieser Glaube ist kein leerer Traum, sondern, wie Luther sagt, ein lebendig, geschäftig Ding, das den heiligen Geist ins Herz bringt, das uns wandelt und neu gebiert nach Herz, Mut, Sinn und allen Kräften. Als solche hat uns Christus hinstellen wollen. Aber wie? bringen wir's schon jetzt so weit in der Heiligung, dass wir heilig, unsträflich, untadelig dastehen vor dem Angesichte Gottes? Das nicht! Aber was wir nicht sind, das werden wir, Paulus redet von dem Ziel, dahin wir auf dem Wege sind; und wiederum, was wir werden sollen, das müssen wir schon sein, die Ähre der Vollendung liegt verhüllt im Samenkorn der Wiedergeburt. So liegt im Werden das Sein, und im Sein das Werden, Anfang und Ende küssen sich. Du aber danke deinem Heiland, dass er durch sein versöhnendes Leiden dich auf diesen Weg geführt hat!

3.

Wirst du treu beharren auf diesem Wege? Die Versöhnung ermuntert dich dazu. Das zuvor genannte Ziel könnt ihr nur erreichen, spricht Paulus, wenn ihr im Glauben bleibt gegründet und fest. Der Glaube ist die Hand, womit wir annehmen, was uns der liebe Heiland erworben hat, ist das Schiff, worauf wir unsern Frieden von Golgatha holen, ist das Band, das vornehmste Band, das uns an unsern Erlöser knüpft. Zerreißt das Glaubensband, so sind wir von Christo, von der Versöhnung und von allem Segen der Versöhnung geschieden. Aber welche Gefahr droht unserm Glauben! Von außen die Welt und der mächtige Reiz der Irrlehre und Sünde; von innen das Fleisch und die vielfältige Anfechtung des Fleisches. Darum, wer da steht, hüte sich wohl, dass er nicht falle. Paulus ermahnt uns, gegründet und fest zu sein. Diese Bilder sind hergenommen von einem Gebäude, dessen Teile einen festen Grund haben und einen festen Zusammenhang. Wir sind ja eine Behausung, ein Tempel Gottes, dessen Grund und Eckstein Jesus ist. Stehen wir denn fest auf diesem Grund, halten zusammen im Glauben, und lassen uns nicht wägen und wiegen von allerlei Wind der Lehre. Sodann fordert der Apostel, dass wir uns nicht wegbewegen lassen von der Hoffnung des Evangeliums. Warum stellt er den Glauben und die Hoffnung zusammen? Weil der Glaube ein Schiff ist, das vom Anker der Hoffnung gehalten wird (Hebr. 6,19.). Es ist hier zu verstehen das, worauf die Christen hoffen, das unvergängliche, unbefleckte, unverwelkliche Erbe, die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit (2 Kor. 4,17.). Darauf haben wir durch Christum die Anwartschaft bekommen, und können uns rühmen der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit. Wird nun unser Schiff vom Anker der Hoffnung losgerissen, so ist es auch geschehen um unsern Glauben. Was sollte uns Der Glaube, wenn wir bloß für dies Leben auf Christum hoffen wollten! Wie aber der Glaube an der Hoffnung, so hängt wiederum die Hoffnung an dem Evangelium, worin sie verheißen wird, daher wir zugleich in jenem Worte des Apostels ermuntert werden, uns nicht trennen zu lassen vom Evangelium. Welche Stürme muss in unsern Tagen das Evangelium leiden von einer verkehrten Vernunft und Philosophie, abgesehen von den Hündlein auf der Gasse, die es anbellen! Hüten wir uns, dass wir nicht fortgerissen werden von den Stürmen. Paulus bezeichnet das Evangelium, daran wir festhalten sollen, näher, wenn er sagt: „Das ihr gehört habt, das gepredigt ist aller Kreatur, die unter dem Himmel ist, dessen Diener ich Paulus geworden bin.“ Warum setzt er dies hinzu? Zunächst, um sie, die Kolosser, nicht in Ungewissheit darüber zu lassen, welches Evangelium er meine. Darum verweist er sie auf ein bestimmtes Evangelium, auf das von Epaphras ihnen gepredigte, das auch schon angefangen hatte, Früchte unter ihnen zu tragen. Auch der Irrlehrer hat ein Evangelium, das aber in den Hauptartikeln von dem wahren verschieden ist. An diesem gehörten Evangelium sollten die Kolosser festhalten, wie der Apostel ähnlich zum Timotheus sagt: Du aber bleibe in dem, das du gelernt hast, denn du weißt, von wem du gelernt hast. Sodann verweist Paulus die Kolosser auf die Bestimmung des Evangeliums, dass es ein Segen werden solle für alle Völker, sie möchten Juden oder Heiden sein. Die Irrlehrer beschränkten den Segen auf die Juden und auf die, welche unter das Gesetz Mosis traten. Das Judentum die Pforte zum Christentum? Das leugnet Paulus und sagt, das Evangelium lege dem Menschen nicht jüdische Fesseln an. Es fesselt nicht, es entfesselt, und will alles versöhnen, Juden und Griechen, Mensch und Kreatur. Für seinen prophetischen Geist ist die Zeit schon da, wo der Schall des Evangeliums durch die ganze Welt gedrungen ist. Fürwahr, ein solches Evangelium ist es wert, dass wir daran festhalten! - Wenn er endlich spricht: „des Diener ich Paulus geworden bin,“ so will er mit diesem Worte das Siegel drücken auf die apostolische, also göttliche Würde seines Amts. Es mochten die Irrlehrer zu Kolossä darauf ausgehen, ihn als Apostel verdächtig zu machen. Denen tritt er entgegen mit der Erklärung, dass er von Gott berufen sei zum Apostel und Diener des Evangelii. Nun, das gebe uns Vertrauen zu dem Manne, und zu dem Worte, das er uns verkündigt. Wir bleiben bei dem Evangelium, das uns Paulus verkündigt hat!

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autoren/k/kaehler_c/kaehler_kolosserbrief_10_betrachtung.txt · Zuletzt geändert: von aj
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