Janssen, Remmer - Die Bekehrung des Saul

Janssen, Remmer - Die Bekehrung des Saul

Predigt

gehalten am 9. Sonntage nach Trinitatis 1882

„Zwar mein Leben von Jugend auf, wie das von Anfang unter diesem Volke zu Jerusalem zugebracht ist, wissen alle Juden, die mich vorhin gekannt haben, wenn sie es wollten bezeugen. Denn ich bin ein Pharisäer gewesen, welche ist die strengste Sekte unsers Gottesdienstes. Und nun stehe ich und werde angeklagt über der Hoffnung auf die Verheißung, so geschehen ist von Gott zu unsern Vätern; zu welcher hoffen die zwölf Geschlechter der Unsern zu kommen mit Gottesdienst Tag und Nacht emsiglich. Dieser Hoffnung halber werde ich, lieber König Agrippas, von den Juden beschuldigt. Warum wird das für unglaublich bei euch gerichtet, daß Gott Tote auferweckt? Zwar ich meinte auch bei mir selbst, ich müßte viel zuwider tun dem Namen Jesu von Nazareth. Wie ich denn auch zu Jerusalem getan habe, da ich viele Heilige in das Gefängnis verschloß, darüber ich die Macht von den Hohenpriestern empfing; und wenn sie erwürgt wurden, half ich das Urteil sprechen. Und durch alle Schulen peinigte ich sie oft und zwang sie zu lästern und war überaus unsinnig auf sie, verfolgte sie auch bis in die fremden Städte. über welchem, da ich auch gen Damaskus reiste mit Macht und Befehl von den Hohenpriestern, mitten am Tage, lieber König, sah ich auf dem Wege, daß ein Licht vom Himmel, heller denn der Sonne Glanz, mich, und die mit mir reisten, umleuchtete. Da wir aber alle zur Erde niederfielen, hörte ich eine Stimme reden zu mir, die sprach auf hebräisch: Saul, Saul, was verfolgst du mich: Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu löcken. Ich aber sprach: Herr, wer bist Du? Er sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst; aber stehe auf und tritt auf deine Füße. Denn dazu bin ich dir erschienen, daß ich dich ordne zum Diener und Zeugen des, das du gesehen hast, und das ich dir noch will erscheinen lassen; und ich will dich erretten von dem Volke und von den Heiden, unter welche ich dich jetzt sende, aufzutun ihre Augen, daß sie sich bekehren von der Finsternis zu dem Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfangen Vergebung der Sünden und das Erbe samt denen, die geheiligt werden durch den Glauben an mich.“
Apostelgeschichte 26, 4-18

Nichts liegt unserm Sünderheiland mehr am Herzen als die Bekehrung des Sünders. Das können wir sehen auf Golgatha, wo er für alle unbekehrten Sünder sein Blut vergießt, wo er am Kreuz noch einen Sünder am Kreuz, den Schächer, bekehrt. Wie dem Sünderheiland, so sollte auch jedem bekehrten Sünder die Bekehrung des Sünders am Herzen liegen. Sagt, ihr bekehrten Sünder, liegt euch die Bekehrung des Sünders am Herzen? Sagt, könnt ihr keinen unbekehrten Sünder vor euch sehen, ohne zu beten: O Herr, bekehre diesen Sünder doch! Sagt, betet ihr mit mir, wenn ich hier im Gotteshause oftmals bete: O Herr, bekehre doch einen Sünder! Ja, wenn der Herr auch alle Sünder bis auf einen bekehrte, so sollten wir noch einmal seufzen: O Herr, bekehre noch einen Sünder! Wenn uns die Bekehrung des Sünders nun wirklich sehr am Herzen liegt, dann ist dies gewiß ein willkommener Gegenstand unserer andächtigen Betrachtung. Damit wir aber diesen wichtigen Gegenstand bei dem hellsten Licht betrachten mögen, laßt mich die Bekehrung eines Sünders wählen, der unter den Unbekehrten der Unbekehrteste war und unter den Bekehrten der Bekehrteste wurde, nämlich die Bekehrung Sauli.

Diese Bekehrung laßt mich nach unserm Texte in drei Teile zerlegen und zeigen,

  1. Daß Saulus bekehrt wurde.
  2. Wie Saulus bekehrt wurde.
  3. Wozu Saulus bekehrt wurde.

1. Daß Saulus bekehrt wurde.

Laßt mich in diesem Satz zuerst das Wort bekehrt betonen und euch sagen, was bekehren heißt. Das Wort bekehren hat bei der unbekehrten Welt eine sehr üble Bedeutung. Wenn ich jemandem sage: Du mußt ehrbar leben, du mußt zur Kirche gehen, du mußt beten und zum Abendmahl gehen, so läßt er sich das alles sagen, aber wenn ich ihm sage: Du mußt dich bekehren, dann ist’s, als wenn ich ihm sein Todesurteil gesprochen hätte. Ja, Geliebte, bei der Welt heißt bekehren ungefähr so viel als zum Tode verurteilen, aufhängen und hinrichten. Aber heißt denn das bekehren? Nein, tausendmal nein! Das lügt der Teufel den Weltkindern vor, und die Weltkinder glauben des Teufels Lügen. Nein, bekehren heißt das gerade Gegenteil von dem, was die sündige Welt glaubt. Soll ich euch sagen, was bekehren heißt? Seht, wenn da ein todeswürdiger Verbrecher zum Tode verurteilt ist und wird begnadigt, das heißt bekehren. Oder wenn da jemand zappelnd am Strick hängt und wird noch gerade im rechten Augenblick losgeschnitten, das heißt bekehren. Oder wenn da einer mit entblößtem Halse unter dem Richtbeil liegt und empfängt Pardon, das heißt bekehren. Bekehren heißt für den zum ewigen Tode verurteilten Sünder: leben, ewig leben, wie auch der Herr in seinem Worte schwört: So wahr als ich lebe, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre und lebe. Ferner heißt bekehren, umkehren auf dem breiten Höllenwege und eingehen durch die enge Pforte zum ewigen Leben. Noch mehr! Bekehren heißt, nicht bloß umkehren auf seinem Wege, sondern auch umkehren in seinem Wesen, sich umkehren oder richtiger sich umkehren lassen. Sünder, wenn du bekehrt wirst, so wirst du der umgekehrte Mensch von dem, der du warst. Warst du ein selbstgerechter Pharisäer, nun wirst du ein armer Sünder, warst du ein Spötter, nun wirst du ein Beter, warst du ein Feind Gottes, nun wirst du ein Freund Gottes, warst du ein Verfolger Jesu, nun wirst du ein Nachfolger Jesu, warst du ein Weltling, nun wirst du ein Fremdling und sprichst:

Was vormals meine Freud
Macht mir jetzt Herzeleid.

Warst du ein Satanskind, nun wirst du ein Gotteskind und singst:

Ich bin Gottes Bild und Ehr,
Ja, sein Kind, was will ich mehr?

Warst du ein Höllenbrand, nun ist der Himmel dein Vaterland, und mit dem Pilgerstab in der Hand ziehst du deine Straße fröhlich und fragst triumphierend:

Mein Leben ist ein Pilgrimstand,
Ich reise nach dem Vaterland!

Willst du mit? Willst du mit?

Das heißt bekehren, und so wurde Saulus bekehrt.

Aber, höre ich einen Unbekannten fragen, muß denn jeder Mensch bekehrt werden, er sei gut oder böse, hoch oder niedrig? Auf diese Frage will ich euch keine Antwort geben, hört, was Paulus in unserm Text von sich sagt: „Zwar mein Leben von Jugend auf wissen alle Juden - denn ich bin ein Pharisäer gewesen, welche ist die strengste Sekte unsers Gottesdienstes.“ Also von Jugend auf hatte Saulus so ehrbar gelebt, daß alle Juden es wissen durften. Auch hatte er dem Gott seiner Väter mit Beten, Fasten und Almosengeben gedient wie einer. Was sollte der gute Saulus noch mehr? Man sollte sagen, wenn der gute Mensch nicht in den Himmel kommt, dann kommt kein Mensch hinein. Doch hört, was Saulus weiter von sich sagt: „Zwar ich meinte auch, ich müßte viel zuwider tun dem Namen Jesu von Nazareth, wie ich die Heiligen ins Gefängnis verschloß, wie ich das Urteil sprechen half, wenn die Heiligen erwürgt wurden, wie ich sie durch alle Schulen peinigte und zwang zu lästern, ja überaus unsinnig war und sie verfolgte bis in die fremden Städte.“ Nun sagt, muß der Saulus noch bekehrt werden, wenn der Jesus ihn in den Himmel bringen soll, den er so blutig verfolgte, wenn er bei den Christen im Himmel sein will, die er so unsinnig verfolgte? Sagt, muß der gute Saulus noch bekehrt werden? Eure Antwort kann mir nicht fraglich sein.

Aber wenn der gute Saulus bekehrt werden mußte, so müßt ihr guten Männer und Frauen oder wer ihr seid auch bekehrt werden. Ihr mögt auch von Jugend auf ebenso ehrbar und noch tausendmal ehrbarer gelebt haben, ihr mögt getauft und konfirmiert sein, ihr mögt zur Kirche gegangen und mit Christi Leib und Blut gespeist sein, es hilft euch das alles nichts, gar nichts, so gut als es sonst ist, wenn ihr nicht bekehrt seid. Es geht euch in eurem unbekehrten Zustande mit eurem Kirchen- und Abendmahlgehen wie einem Schlafenden, wenn er im Traum ißt und trinkt. Er ißt und ißt, er trinkt und trinkt, aber je mehr er ißt und trinkt, je hungriger und durstiger wacht er auf. ja wirklich, so lange ihr in eurem Sündenschlafe liegt, meint ihr, daß ihr mit eurem Kirchen- und Abendmahlgehen oder Ehrbarleben in den Himmel kommt, aber wenn ihr aufwacht, dann wird's euch schrecklich klar, wohin es mit euch ohne Bekehrung gegangen wäre. Oh, fragt die bekehrten Seelen, sie werden euch alle sagen, daß sie mit ihrem früheren ehrbaren Leben, mit all ihrem Kirchen- und Abendmahlgehen, ohne die Bekehrung, ewig verlorengegangen wären. Aber wenn diese ehrbaren Kirchen- und Abendmahlsgänger ohne Bekehrung ewig verlorengehen müssen, was soll dann aus euch werden, die ihr nicht einmal ehrbar gelebt habt, sondern in Saufen und Fressen, in Kammern und Unzucht, in Hader und Neid gewandelt habt, die ihr von Jugend auf nur dann und wann einmal in das Gotteshaus gegangen Seid, die ihr seit eurer Kopfirrnation nicht ein einziges Mal wieder das heilige Abendmahl genossen habt. Oh, ihr unbekehrten Sünder, jung und alt, Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen, was soll aus euch werden? Was sagt ihr von euch selber? Meint ihr, daß ihr so in den seligen Himmel kommt? Nein, das glaubt ihr selber nicht.

Endlich mögen auch noch viele, viele unter euch sein, die mit Saulo meinen, dem Namen Jesu von Nazareth viel zuwider tun zu müssen. Ihr laßt euch gefallen, wenn euch vorn lieben Gott etwas gesagt wird, und den lieben Gott nehmt ihr auch noch wohl einmal selber in den Mund, aber von dem Namen Jesus wollt ihr gar nichts wissen und den mögt ihr lieber mißbrauchen als gebrauchen. Ach, wie viele von euch, die sich Christen nennen, meinen, dem Namen Jesu von Nazareth viel zuwider tun zu müssen. Ihr mögt wohl heute keinen Stephanus mehr öffentlich steinigen, aber wie gerne werft ihr doch einen Stein auf die, welche die Welt die Frommen nennt. Ihr mögt die Heiligen nicht ins Gefängnis werfen, aber wie gerne möchtet ihr ihnen ihre Gemeinschaften und Betversammlungen verbieten. Ihr mögt die Gläubigen eben nicht öffentlich verfolgen, aber du ungläubiger Mann, wie behandelst du dein gläubiges Weib, und du ungläubiges Weib, wie behandelst du deinen gläubigen Mann? Ihr unbekehrten Eltern, wie seid ihr gegen eure bekehrten Kinder? Ihr weltlich gesinnten Herrschaften, wie denkt ihr über eure bekehrten Dienstboten? Ihr unwiedergeborenen Gemeindeglieder, wie urteilt ihr über euren bekehrten Prediger, und ihr unbekehrten Prediger, wie verhaltet ihr euch zu euren wiedergeborenen Gemeindegliedern? Ihr jungen, ihr klugen, ihr weisen, ihr reichen Leute, was dünkt euch von den Bekehrten? Sagt, ihr unbekehrten Sünder, wie steht ihr zu Jesus von Nazareth? Kennt ihr Ihn? Bekennt ihr Seinen Namen? Habt ihr Ihn herzlich lieb? Könnt ihr freudig für Ihn sterben? Könnt ihr selig durch Ihn sterben? O Seelen, wenn ihr bei diesen Fragen die Hand auf's Herz legt und euch aufrichtig prüft, dann werdet ihr gewiß erkennen, daß ein Saulus, ein unbekehrter Saulus in euch steckt. O wer fühlte diesen Saulus nicht in seiner eigenen Brust? Aber, Sünder, sag’ ob du ein unbekehrter Saulus oder ein bekehrter Paulus bist. Sag’s frei heraus! Weißt du es nicht? Dann nimm das Schlimmste an und sprich: Ich bin ein unbekehrter Saulus!

Aber was nun? - Was nun? Nun, du mußt dich bekehren, mein lieber Saulus. Bekehre dich oder stirb! Also was mußt du? Ja, sprichst du, ich muß mich bekehren! ich muß mich bekehren! ich muß, ich muß, ich muß mich bekehren! Was willst du? Ja, sprichst du, ich will mich bekehren, ich will mich bekehren! ich will, ich will, ich will mich bekehren! Aber - ich kann mich nicht bekehren! ich kann nicht! ich kann nicht! ich kann nicht!

Gott sei Dank, liebe Seele, daß es so mit dir steht. Nun weißt du, daß du dich bekehren mußt. Nun willst du dich bekehren, aber du kannst nicht! Du fragst, wie soll ich’s anfangen, daß ich bekehrt werde. Wie anfangen? Höre:

2. Wie Saulus bekehrt wurde.

Beachtet zuerst, Geliebte, daß Saulus sich nicht bekehrte, sondern daß Saul bekehrt wurde, daß Saulus den Saulus nicht bekehrte, sondern daß Jesus den Saulus bekehrte. Als Saul die wunderbare Stimme vernahm: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ fragte er: „Herr, wer bist Du?“ und die Antwort lautete: „Ich bin Jesus!“ Also Jesus war’s, der den Saulus bekehrte. Darum Jesus, Jesus und niemand als Jesus kann und will dich bekehren. Du kannst es nicht, das weißt du. Dein Pastor kann’s auch nicht, das meinst du. Du meinst, wenn wir doch einen solchen Pastor hätten, wie der und der, dann würde ich auch noch bekehrt werden; aber du irrst dich. Kein Pastor, kein Engel und kein Erzengel kann dich bekehren. Wenn es geschähe, so wäre solche Bekehrung dein größtes Unglück. Ein Prediger ging abends aus der Versammlung an einem Stadtgraben vorbei nach Hause. In dem Stadtgraben lag ein betrunkener Mann und schrie aus vollem Halse: „Herr Pastor! Herr Pastor! Sie haben mich bekehrt! Sie haben mich bekehrt!“ „Leider, leider“, sagte der Prediger und ging betrübt weiter. Ich sag dir’s noch einmal: Jesus muß dich bekehren, Jesus und nur Jesus muß dich bekehren. Nun weißt du also, mein Christ, wer dich bekehren muß.

Aber fragst du, wie mag solches zugehen? Das geht ganz verschieden zu. Der Herr Jesus bekehrt den einen auf diese, den anderen auf jene Weise und wohl nicht zwei auf gleiche Weise. Da hat der Herr Jesus die Weisen aus dem Morgenlande durch einen Stern am Himmel und den Apostel Petrus durch Fische im Meer bekehrt; da hat er den Jünger Nathanael unter dem Baum und den Zöllner Zachäus auf dem Baum bekehrt. Da hat er die Emmausjünger nach dem Wege unter Gebet und Brotbrechen und den Saulus auf dem Wege unter Donner und Blitz bekehrt. Ich glaube, wenn alle Bekehrten ihre Bekehrungsgeschichte erzählten, so wären keine zwei da, die der Herr Jesus auf gleiche Weise bekehrt hätte. Aber, Geliebte, die eine Weise ist ebensogut wie die andere. Seht, wir sitzen hier jetzt alle in der Kirche. Die einen sind aus der Ferne, die anderen aus der Nähe gekommen, die einen von Süd, die anderen von Nord, die einen von Ost, die anderen von West. Ist’s nun nicht ganz einerlei, woher die Einzelnen gekommen sind? So ist’s auch mit der Bekehrung und so wird’s auch einmal im Himmel sein. Die Bekehrung ist der einzige Weg zum Himmel, aber der Bekehrungswege gibt es viele. Darum, liebe Seele, wenn der Herr dich auf andere Weise bekehrt hat als andere, so zweifle deshalb nicht an der Richtigkeit deiner Bekehrung.

Gehen wir nun nach dieser tröstlichen Bemerkung wieder zu Sauli Bekehrung über, so müssen wir sagen, daß Saulus auf eine ganz wunderbare Weise bekehrt wurde. Zunächst war bei Sauli Bekehrung dies wunderbar, daß er an einem bestimmten Tage, ja zu einer bestimmten Stunde bekehrt wurde. Mitten am Tage, also an dem und dem Tage, mittags 12 Uhr, konnte Paulus sagen, bin ich bekehrt worden. Vielleicht sind auch unter euch, Geliebte, solche, die ihren geistlichen Geburtstag bis auf Tag und Stunde angeben können. Ihr könnt den Tag und die Stunde angeben, wo ihr, im geistlichen Sinne verstanden, singen konntet:

Nackend lag ich auf dem Boden,
Da ich kam, da ich nahm
Meinen ersten Odem.

Oder wären bekehrte Seelen hier, die ihren geistlichen Geburtstag nicht so genau anzugeben vermöchten, so will ich denen zum Troste sagen: Beim Geburtstag ist die Geburt wichtiger als der Tag. Darum macht euch über den Tag eurer Geburt keine Unruhe. Wenn ihr nur eins wißt, nämlich dies, daß ihr blind waret und seid nun sehend, so wißt ihr gerade genug. Ob dies nun in einer halben Stunde oder in zehn Jahren geschehen ist, das ist ganz einerlei.

Noch wunderbarer als die Zeit der Bekehrung ist das Zeichen, welches bei derselben geschah: „Mitten am Tage, lieber König, sah ich auf dem Wege, daß ein Licht vom Himmel, heller denn der Sonnenglanz, mich und die mit mir reisten, umleuchtete.“ Wär’s mitten in der Nacht gewesen, hätte Saulus auf dem Bette gelegen, so könnte man denken, Saulus hätte sich getäuscht, Saulus hätte geträumt. Aber es war mitten am Tage, auf dem Wege, und deshalb war es keine Täuschung und kein Traum, sondern es war Wirklichkeit und Tatsache. Es kam wirklich, tatsächlich ein Licht vom Himmel, heller denn der Sonnenglanz. Dies Zeichen war ein naturgetreues Abbild von dem Zustand des unbekehrten Saulus. Der unbekehrte Saulus ging dahin in dem Sonnenglanz seiner eigenen Gerechtigkeit und glaubte, ein helleres Licht könnte es im Himmel und auf Erden nicht geben. Nun umleuchtete ihn ein Licht, heller denn der Sonnenglanz. Nun ging die Sonne seiner eigenen Gerechtigkeit unter und die Sonne der Gerechtigkeit Christi, das helle Licht, ging auf vor seinen Augen. Zwar blendete dies helle Licht anfangs seine Augen so sehr, daß sie erblindeten, aber nach drei Tagen erleuchtete dies Licht seine Augen so sehr, daß sie ihm für alle Ewigkeit aufgetan wurden. Saulus war mit sehenden Augen blind gewesen und wurde mit blinden Augen sehend. Gerade so, Geliebte, muß heute noch jeder unbekehrte Sünder erst blind und dann sehend werden. Aber wir brauchen heute auf kein Licht vom Himmel zu warten, denn wir haben das Licht vom Himmel bereits in unsern Händen, wenn wir singen:

Dein göttlich Wort, das helle Licht,
Laß ja bei uns auslöschen nicht.

Es kommt nur darauf an, daß wir für dies Licht das rechte Gesicht bekommen. Denn von Natur wandeln wir alle wie Saulus in dem Sonnenglanz der eigenen Gerechtigkeit oder in dem nächtlichen Mondschein der Ungerechtigkeit, ja wir wandeln in Finsternis. Der natürliche Mensch ist nicht bloß blind geworden, sondern er ist blind geboren. Er ist nicht bloß mit sehenden Augen blind, sondern in seiner Selbstgerechtigkeit meint er, daß er mit blinden Augen sehen kann. Oh, wäret ihr blind! sagt deshalb der Heiland zu den blinden Pharisäern, wäret ihr blind, so hättet ihr keine Sünde, nun ihr aber sprechet: Wir sind sehend, bleibet eure Sünde.

Darum, ihr unbekehrten Sünder, kommet her und werdet blind, daß ihr sehen möget. O du unbekehrter Sünder, falle mit deinen blinden Augen nieder auf deine Sündenknie und bete: Jesu, Du Sohn Davids, erbarme Dich meiner. Wenn Jesus dich dann fragt. Was willst du, daß ich dir tun soll? so antworte: Herr, daß ich sehen möge. Ja, Geliebte, laßt uns jetzt doch alle auf unsere Herzensknie niederfallen und mit dem frommen Dichter beten:

Jesu, gib gesunde Augen,
Die was taugen;
Rühre unsere Augen an,
Denn es ist die größte Plage,
Wenn am Tage
Man das Licht nicht sehen kann.
Amen.

Wenn dann der Herr Jesus unsere Augen auftut und das Licht des Wortes Gottes in unsere Herzen hineinleuchtet, dann bekommen wir unser ganzes Sündenelend zu sehen, unsere Blindheit, unsere Ohnmacht, unsere Verkehrtheit, dann bekommen wir Jesu Gnade, Geduld und Langmut zu sehen. Dann sind wir blind gewesen und sehend geworden, dann sehen wir niemand denn Jesum allein.

So wunderbar nun das Zeichen bei Sauli Bekehrung war, so wichtig war bei derselben die wunderbare Stimme. Diese Stimme enthält zuerst eine Frage ohne Antwort: Saul, Saul, was verfolgst du mich? und dann eine Antwort ohne Frage: Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken. In der Frage ohne Antwort nennt der Herr den Saulus zweimal bei seinem Namen: Saul! Saul! Das ist wichtig, wichtig für jeden Hörer des Worts, aber doppelt wichtig für jeden Prediger des Worts. Glaubt es nur, Geliebte, wenn immer gepredigt wird: Wir und ihr, sie und sie, die und die, aber nie: du und ich, d. h. du bist der Mann, dann geht das Wort nicht bloß über die Köpfe hinweg, sondern, was noch tausendmal schlimmer ist, über die Herzen hinweg. Einmal mit Nathan dem David gepredigt: Du bist der Mann! ist tausendmal besser als zweimal mit Ahitophel dem David und Absalom zugleich gute Ratschläge erteilt. Ich meine durchaus nicht, daß eine Predigt persönlich beleidigend sein soll, nein, aber handgreiflich, d. h. passend und packend soll sie sein, so daß jeder die Schuhe anziehen kann, die ihm passen und jeder greifen kann, was ihn packt. Was hilft es mir, wenn ein Schuhmacher viele schöne Schuhe macht, die keinem passen, die dem einen zu groß, dem andern zu klein sind. Nein, passen muß die Predigt und wenn sie paßt, dann packt sie. Freilich ist es nicht Menschenwerk, so passend und packend zu predigen, aber wenn der Prediger die Sünden und Laster seiner Gemeinde kennt und der Geist Gottes durch den Prediger redet, dann ist es mit Gottes Hilfe möglich.

Und ist es für den Prediger doppelt wichtig, seine Zuhörer beim Namen zu nennen, so ist es für die Hörer nicht unwichtig, ihre Namen zu hören, d. h. einmal zu hören: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Sag, lieber Zuhörer, auf welche Weise ist dir einmal ein Wort zu Herzen gegangen? War’s dir nicht, als wenn der Prediger für dich allein predigte, als wenn er dich mit jedem Worte meinte, als wenn er alles wußte, was du nur allein wußtest? So genau paßte alles. Wurdest du auch in dem ersten Augenblick etwas aufgebracht über diese Art und Weise der Predigt, so ist es dir nachher doch zum großen Segen geworden, denn du mußtest sagen: Es ist alles wahr. Darum laßt mich, liebe Zuhörer, so handgreiflich, so passend und packend predigen, daß ein jeder seinen Namen heraushören und deutlich die wunderbare Stimme vernehmen kann: Saul, Saul, was verfolgst du mich!?

Aber der Herr nennt nicht bloß den Saulus bei seinem Namen, wenn er sagt: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Das hatte Saul nicht geahnt, daß er in den sogenannten Heiligen den längst gekreuzigten Jesum verfolgte und daß er in dem gekreuzigten Jesu den Heiland der Welt verfolgte. Nein, aber als ihm nun seine Sünde beim rechten Namen genannt wurde, da wurde er es gewahr. So ahnen auch wir es nicht, daß unsere Sünden Sünden sind, wenn sie uns nicht beim rechten Namen genannt werden. Darum laßt mich eure Sünden nur beim rechten Namen nennen, euer Fluchen Fluchen, euer Sonntagsschänden Sonntagsschänden, euer Ehebrechen Ehebrechen, euer Stehlen Stehlen, euer Betrügen Betrügen, euer Lügen Lügen, kurz eure Sünde Sünde. Sagt dann nicht, euer Pastor schilt immer, sondern dann sprecht: der Pastor nennt unsere Sünden beim rechten Namen. So höre denn jeder die Frage: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Saul, Saul, was fluchst du? was mißbrauchst du meinen Namen, wenn du ein ums andere Wort sagst: Teufel! und Donnerwetter! ach Gott! und ach Herr! Herr Jesu! und Herrje! Saul, Saul, was schändest du meinen Sonntag mit Lustbarkeiten und Arbeiten? Saul, Saul, was brichst du deinen heiligen Ehebund? Saul, Saul, was machst du in geheimen Sünden deine Glieder zu Hurengliedern? was stiehlst du? was betrügst du? was lügst du? Oh, ich kann nicht alle Fragen an euch richten, fragt euch selber, ich will für alle Fragen die eine Frage noch einmal wiederholen: Saul, Saul, was verfolgst du mich?

Was verfolgst du mich? Was? d. h. aus welcher Ursache verfolgst du mich? Welche Greueltat habe ich dir zugefügt? Diese, daß ich mein Blut für dich am Stamme des Kreuzes vergossen habe? Oder diese, daß ich dich vom ewigen Tode erlöset habe durch meinen bittern Tod? Oder diese, daß ich dich so lange mit Geduld getragen habe? Sprich! Sünder sprich! Nein, du mußt verstummen, denn du hast durchaus keine Ursache, weshalb du mich verfolgst, nein du verfolgst mich ohne Ursache. Darum laß ab, mich zu verfolgen.

Ich frage dich noch einmal: Was verfolgst du mich? Was meinst du denn? Meinst du, daß du der Mann bist, der mich einholen und töten könnte? O Mensch, wenn ich wollte, ich könnte dich hier auf der Stelle mit einem Blitzstrahl zerschmettern und in den Abgrund der Hölle hineinschleudern aber - nun höre auf, mich zu verfolgen, wenn dein Leben dir noch lieb und deine Seele dir noch wert ist.

Ich f rage dich zum letzten Male: Was verfolgst du mich? Bedenke, daß du mich verfolgst. Bin ich denn wirklich ein so gefährlicher Feind, daß du mich verfolgen mußt? Sieh doch auf meinen Wandel, den ich hier auf Erden geführt habe. Sag, kannst du mich einer Sünde zeihen? Sieh, da hing ich einst unschuldig am Kreuzesstamm zu bluten und das für dich! Nun antworte, Sünder, was verfolgst du mich? O Sünder, wie höre ich dich hinter mir schnauben, wie seh' ich dich hinter mir laufen und rennen! O Sünder, doch ein wenig langsamer, noch langsamer und noch langsamer, oh, tritt in meine Fußstapfen und verfolge mich nicht, sondern folge mir nach!

O Wunder der Gnaden, ich höre dich beten; o siehe, er betet: Herr Jesu vergib mir, daß ich Dich so ohne Ursach verfolgt habe und hilf mir, daß ich ablasse, Dich zu verfolgen und anfange Dir nachzufolgen, ja:

Herr Jesu Christ!
Du bist mein Licht!
Du bist mein Licht!
Ich folge Dir, so irr’ ich nicht!

Ist dies deine Antwort, liebe Seele, auf die Frage ohne Antwort: Saul, Saul, was verfolgst du mich? dann wird es an dir wahr werden, oder ist es an dir wahr geworden, was die folgende Antwort ohne Frage sagt: Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken.

Als Jesus den Saulus fragte: Saul, Saul, was verfolgst du midi? wartete er nicht auf Saulus Antwort oder Gegenfrage, sondern gab selbst eine Antwort ohne Frage: Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken. Ihr wißt's alle, ein Stachel wird bei dem Ochsen angewendet, wenn er nicht vorwärts oder nicht nach der rechten Seite will. Ihr habt’s vielleicht schon gesehen, wie ein Mann einen halsstarrigen Ochsen mit einem Stachel oder Stock bearbeitete. Bei jedem Schlage schlug der Ochse hinten aus gegen den Stachel. Seht, das heißt wider den Stachel löcken. Während ihr dies sahet, habt ihr sicherlich gedacht: ach wenn das dumme Tier doch vorwärts ginge. Aber nein, erst als die Beulen und Striemen faustdick auf der Haut lagen, da ging es vorwärts. Was hatte nun das arme Tier von dem Löcken? Nichts als eine Haut voller Striemen und Beulen. Oh, wie schwer war es doch dem Ochsen geworden, wider den Stachel zu löcken. Wie leicht hätte er es haben können, wenn er nicht wider den Stachel gelöckt, sondern wenn er den Stachel geleckt hätte, d. h. wenn er gleich nach der rechten Seite vorwärts gegangen wäre.

Nun, Geliebte, Saulus hat nicht wider den Stachel gelöckt, sondern er hat, wenn ich so sagen darf, den Stachel gleich geleckt. Als er das Wort hörte: Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken, hat er gleich gefragt: Herr, wer bist Du? Und als der Herr ihm geantwortet: Ich bin Jesus, den du verfolgst, da hat er sich von Stund an zu Jesu bekehrt, ist aus einem Feinde Jesu ein Freund Jesu, aus einem Verfolger Jesu ein Nachfolger Jesu geworden. Nun ging’s mit ihm vorwärts unter dem sanften Joch des Heilandes, nicht um in Damaskus die Heiligen zu töten, sondern um mit den Heiligen zu beten.

Nun ging’s vorwärts unter dem ermunternden Zuruf des Heilandes: Steh auf und tritt auf deine Füße! So wurde es dem Saulus nicht bloß schwer, sondern unmöglich, wider den Stachel zu löcken. Oh, mein lieber Freund, möchte es dir doch auch in diesem Augenblick unmöglich werden, wider den Stachel zu löcken! Möglich ist es dir, aber wenn du es fertig bringst, dann sage ich dir aus dem Munde meines Heilandes vorher: Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken. Sieh, einen Stachel hast du in deinem Herzen und Gewissen. Vielleicht ist's ein Wort aus einer gehörten Predigt, oder ein Wort aus dem Munde deines sterbenden Vaters oder deiner seligen Mutter, oder ein Gelübde am Sterbebett eines deiner Lieben, ein Gelübde auf deinem letzten Krankenbett, oder ein warnender Traum, oder es ist die Liebe Jesu wie ein Stachel in deine Seele gedrungen. Sag, willst du nun noch länger wider diesen Stachel löcken? O glaube mir, es wird dir schwer werden! Es wird dir schwer werden in deinen gesunden und jungen Tagen, denn glaube mir, es wird den Unbekehrten schwerer, in die Hölle zu kommen als den Bekehrten, in den Himmel zu kommen. Es wird dir schwer werden in deinen kranken und alten Tagen, denn alsdann willst du dich noch bekehren, aber es wird dir sehr, sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich. Es wird dir schwer werden auf deinem Sterbebett, wenn du den Stachel des Todes fühlst, ja, dann möchtest du auch wider diesen Stachel löcken, aber es wird dir nicht bloß schwer, sondern unmöglich, wider den Stachel des Todes zu löcken - du mußt sterben, du mußt sterben, o schrecklich, unbekehrt sterben. Aber am schwersten wird es dir in der Hölle werden, wider den Stachel zu löcken; denn diesen Stachel, wenn auch sonst nichts, nimmst du mit in die Hölle hinein, und dieser Stachel wird dich peinigen bis in die Ewigkeit hinein, so lange bis der Wurm stirbt, der nicht stirbt, so lange bis das Feuer erlischt, das nicht erlischt.

Darum, o Sünder, höre auf, wider den Stachel zu löcken, folge dem langgefühlten Zuge deines Herzens zum Heiland und frage jetzt mit Saulo: Herr, wer bist Du? Und siehe, derselbe Jesus, der dem Saulus geantwortet: Ich bin Jesus, den du verfolgst, antwortet auch dir: Ich bin Jesus, dein Jesus, den du verfolgst. Glaubst du das? O glaube jetzt als ein armer, verlorener, verdammter, verfluchter und die Hölle verdienender Sünder, daß Jesus dein Heiland ist. Dann vorwärts unter dem sanften Joch des Heilandes und nicht eher stillgestanden, bis er dich am Feierabend deines Lebens aus diesem Erdenjoch zur ewigen Ruhe der Heiligen ausspannt; dann vorwärts unter dem Schlachtruf des Heilandes:

Fällt’s euch zu schwer,
Ich geh voran,
Ich steh’ euch an der Seite,
Ich kämpfe selbst, ich brech’ die Bahn,
Bin alles in dem Streite.
Ein böser Knecht, der still darf stehn,
Wenn er den Feldherrn sieht angehn.

Ja dann:

„Gott mit uns!“ sei uns’re Losung,
Vorwärts! Gloria!
Auf! Uns winkt die Lebenskrone,
Mut, Halleluja!

Vorwärts auf ewig, vorwärts! Wenn wir bei diesem Vorwärts vorwärts schauen, dann drängt sich uns noch eine dritte und letzte Frage auf, nämlich die:

3. Wozu Saulus bekehrt wurde.

Denn dazu bin ich dir erschienen daß ich dich ordne zum Diener und Zeugen - sagt unser Text. In diesen Worten sagt der Heiland dem bekehrten Saulus zunächst, daß er ihn gebrauchen will. Geliebte, der Heiland bekehrt keinen Sünder zum Müßiggang, sondern jeden vom Müßiggang. Wenn er einen Sünder am Markte müßig stehen sieht, so sendet er ihn, in der elften Stunde noch, in seinen Weinberg. Es gibt allerdings faule Maulchristen, die da meinen, daß die Geschichte zu Ende sei, wenn sie einmal bekehrt worden sind; aber nein, dann ist die Geschichte nicht zu Ende, sondern dann fängt sie erst an. Es ist mit den jungen Bekehrten gerade so, wie mit den jungen Rekruten. Wenn die jungen Rekruten den bunten Rock angezogen haben, dann gehen sie nicht nach Mutter zu Hause, sondern dann müssen sie nach geleistetem Fahneneid dienen und unter der Kriegsfahne, wenn’s not tut, sogar ihr Blut für’s Vaterland vergießen. So sollen auch die jungen Bekehrten, wenn sie den Blutrock Christi angezogen haben, nicht zur Mutter Welt zurückkehren, sondern dann sollen sie nach dem geistlichen Fahneneid dem himmlischen König dienen und unter der blutroten Kreuzesfahne ihr rotes Blut für das himmlische Vaterland fließen lassen, indem sie unter Trompetenschall das Streiterlied anstimmen:

Wer will ein Streiter Jesu sein
Und nicht ein Widerchrist,
Der stell’ sich auf dem Kampfplatz ein,
Wie er berufen ist!
Die Kreuzesfahne weht - die Fahne weht -
Wohl dem, der bei ihr steht - der bei ihr steht!
Trompeten schallen weit und breit,
Frisch auf, frisch auf, zum Streit!

Seltsam, sogar diejenigen, ja gerade diejenigen, welche früher dem Teufel und der Welt am treuesten gedient haben, gerade diejenigen will der Heiland gebrauchen. Wir sehen's hier deutlich an Saulus, der erst den Heiland verfolgte, und nachher um des Heilandes willen bis in den Tod verfolgt wurde. Ich denke hier an den Kirchenvater Augustin, der unter den Lasterhaften der Lasterhafteste war, der ein rechtes Sündenkind seiner frommen Mutter war, aber nach seiner Bekehrung wirklich ein Kirchenvater wurde, d. h. ein Vater der Kirche, so daß die gläubigen Väter der Kirche seine Kinder zu nennen sind. Auch denke ich noch an einen Mann, dessen Leben und Wirken ich vor einiger Zeit gelesen habe, an Georg Müller in Bristol. Dieser Georg Müller war in seiner Jugend ein Taugenichts. Als zehnjähriger Junge bestahl er seines Vaters Kasse und versteckte das Geld in den Schuhen. Auf der Schule täuschte er seinen Vater mit falschen Rechnungen, verließ die Schule, vagabundierte herum und zechte in den Wirtshäusern auf Kredit, bis er endlich zu den Dieben ins Gefängnis geworfen wurde. Als er später trotz alledem auf die Universität kam, ging das Sündenleben erst recht an. Er belog und betrog seine Mitstudenten, wo er konnte. Da besuchte er einmal mit einem Freunde eine Betstunde im Hause eines gläubigen Handwerkers, namens Wegener. Hier ergriff die Hand des Herrn den Georg Müller und bekehrte ihn. Später wurde Georg Müller in der Hand des Herrn ein Werkzeug, wie es nur wenige gab. Zweitausend Waisenkinder standen täglich in seiner Pflege und Millionen von Markstücken hat er für Zwecke des Reiches Gottes zusammengeglaubt und zusammengebetet.

Ich könnte euch noch manchen Saulus nennen, der erst dem Teufel und dann dem Heiland aus allen Kräften gedient hat. Ja, Geliebte, wenn ich an die Zeit vor meiner Bekehrung zurückdenke, so muß ich mit wehmütigem Herzen und tränenden Augen sagen: Ich war selber ein solcher Saulus, und gewiß muß mancher von euch mir nachsprechen: Ich war auch einer. Aber, Geliebte, gerade solche Taugenichtse kann der Heiland gebrauchen. Darum sage keiner: Ich bin oder ich war zu schlecht, mich kann der Heiland nicht gebrauchen, nein, gerade die Schlechtesten sind für den Heiland die Besten.

Weiter heißt es am Schluß unseres Textes: Aufzutun ihre Augen, daß sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht. Hier sagt der Heiland dem Saulus ganz bestimmt, wozu er ihn gebrauchen will, nämlich anderen die Augen aufzutun. Ihr wißt, wie vielen Paulus die Augen aufgetan hat. Er war so ein rechter Augenarzt, der es verstand, den alten Star auf den Augen der Heiden zu stechen, daß sie sich bekehrten von der Finsternis zum Licht, zu empfangen Vergebung der Sünden. Dazu will der Heiland uns auch gebrauchen, uns, denen er die Augen aufgetan hat. Ihr wißt, daß die Heiden Jahrtausende in Finsternis gelebt haben. Während dieser Zeit ist der Star auf ihren Augen reif geworden, und es ist jetzt hochnötig Zeit, daß er gestochen wird.

Wollen wir uns nun dazu gebrauchen lassen? Geliebte, denken wir uns, die Heiden wären alle leiblich blind und wir hätten eine Salbe, durch welche wir sie alle mit einem Strich sehend machen könnten. Wären wir nicht unbarmherziger als die Heiden, wenn wir ihnen die Augen nicht auftun wollten? Nun sind freilich die Heiden nicht leiblich blind, sondern, was noch tausendmal schlimmer ist: geistlich blind, und wir besitzen die Salbe des Evangeliums, durch welche wir sie alle sehend machen können. Wären wir nun nicht tausendmal unbarmherziger als die Heiden, wenn wir uns nicht gebrauchen lassen wollten, den blinden Heiden die Augen aufzutun? Oder denkt euch, da stände vor unsern Augen bei finsterer Nacht ein Haus in hellen Flammen. Die unglücklichen Einwohner lägen im tiefsten Schlaf. Könnten wir dies Haus von unsern Augen abbrennen lassen, ohne die unglücklichen Einwohner zu wecken? Oh, wenn wir’s täten, wie müßte es uns durch Mark und Bein gehen, wenn wir die armen Einwohner in den Flammen heulen und knistern hörten.

Seht, so liegen die Menschen vor unseren Augen bei finsterer Nacht in einem brennenden Hause. Wenn wir sie nicht wecken, so wachen sie in dem Feuer der Hölle auf. Oh, wie wird es uns dann durch Mark und Bein gehen, wenn wir sie im Feuer der Hölle heulen und knistern hören. Aber, sagt ihr, das ist ja schrecklich, daß alle, welche das Evangelium von Jesu Christo nicht gehört haben, ebenso verlorengehen, und es ist noch hunderttausendmal schrecklicher, daß bekehrte Christen die unbekehrten Christen so gleichgültig verlorengehen lassen. Fragt nicht, wie kann Gott so viele Menschen verlorengehen lassen? Nein, Gott fragt euch: Wie könnt ihr so viele verlorengehen lassen? Wie könnt ihr euer vergängliches Gold und Silber höher schätzen als die unsterblichen Seelen, wie könnt ihr eure guten Tage mehr lieben als die Seligkeit? - Ich habe meinen lieben Sohn und mein Sohn hat sein Blut für die Welt gegeben und was tut ihr für sie?

O Geliebte, ich fürchte, wenn wir uns nicht gebrauchen lassen, den Verlorenen die Augen aufzutun, so verdammen sie uns. Darum an’s Werk, auf’s neue an’s Werk. Alles, was wir bis jetzt an dem Werk der Heidenbekehrung getan haben, ist gerade so viel, als ein kleiner junge tut, der ein paar Ähren hinter dem Erntewagen zusammenharkt. Wir sammeln kaum 1000 Mark für die Mission, während Millionen für Alkohol und Luxus vergeudet werden. Es stehen zwei bis drei junge Leute im Dienste der Mission, während Tausende im Dienste des Teufels und der Welt stehen. Und endlich, das Gebet für die armen Heiden wird noch tausendfach übertönt vom Gespött über Mission. Das ist die nackte tatsächliche Wahrheit. Deshalb, Geliebte, müssen wir uns schämen, daß wir bis jetzt so wenig für die Heiden getan haben. Nein, schämen ist nicht genug, wir müssen uns bessern. Oh, ihr reichen Missionsfreunde, legt euer Geld bei den Missionskassen auf Zinseszins zu 100000 Prozent. Es soll euch im Himmel tausendfältig vergolten werden. Ihr Witwen und Kinder, legt euer Scherflein für die armen Heiden in den Gotteskasten, dann legt ihr noch mehr ein als alle die anderen zusammen. Ihr jungen Leute, wenn der Herr fragt: Wen soll ich senden? so antwortet: Herr, hier bin ich, sende mich! Geht zu eurem Prediger und fragt ihn, wie ihr's anfangen sollt, daß ihr zu den armen Heiden kommt. - Dann laßt uns alle auf unsere Knie fallen und beten, daß der Herr Jesus allen Heiden und Christen die Augen auftun wolle, auf daß aus jedem Saulus ein Paulus werde. Dazu wurde Saulus bekehrt.

Zum Schluß kann ich nur beten: O lieber Heiland, bekehre doch jeden Saulus in der Christen- und Heidenwelt! - - Und wenn du unbekehrter Saulus dich nicht bekehren willst, dann bekenne jetzt und einst vor Gottes Gericht und Angesicht: Der Mann, der diese Predigt hielt und schrieb, ist unschuldig an meinem Blute! Amen, Amen!

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