Meisterlin, Sigismund - Die Lehre des Jan Hus

Meisterlin, Sigismund - Die Lehre des Jan Hus

Quelle: „Chronik der Stadt Nürnberg“, Sigismund Meisterlin 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts

Anmerkung: Sigismund Meisterlin gehört zu den Gegnern Hus'. Daher ist es um so bedeutsamer, eine Sammlung der Lehren Hussens aus seiner Feder zu haben.

Kaiser Karl IV. hatte ein Erzbistum in Prag errichtet und dabei eine Hohe Schule gegründet, die universale studium in allen Künsten genannt wird. Diese Schule wurde durch die Deutschen, deren gar viele da waren, regiert. Das duldeten die Böhmen gar ungern und murrten.

Nun war einer unter den Böhmen edel und reich, hatte in England studiert in der Stadt Oxford und war dort auf einige Bücher gestoßen, die der Ketzer Wiclif gemacht hat, sie werden de universalibus et realibus genannt. Die schrieb er ab und brachte sie mit sich nach Prag las besonderen Schatz, darin waren etliche Artikel wider die Priester, auch wider den Stand der Christenheit, auch wider die Obrigkeit geistlicher und weltlicher Prälaten. Dieser Meister, der es also brachte, hieß Putripiscis, das ist Faulfisch. Die Materie teilte er denen mit, die den Deutschen feind waren. Unter ihnen hieß einer Meister Hanns, geboren in dem Dorfe Hus (nun ist Hus soviel als eine Gans), und stammte von armen Leuten. Man hielt ihn auf der Schule für einen listigen und geschwätzigen Laien. Als ihm die Bücher Wiclifs bekannt wurden, nahm er sie gierig auf, machte sich an den trunkenen Wenzel und erreichte, daß die Deutschen unterdrückt und gemäht wurden. Die schworen zusammen, und an einem Tage gingen aus Prag zweitausend Meister und Schüler oder Studenten, nach etlichen Tagen aber dreitausend, die zogen gen Leipzig und errichteten dort eine Hohe Schule.

Als Johannes Hus sie nun vertrieben hatte und ohne jeden Widerspruch die Schule allein regierte, hielten ihn die Böhmen für einen gar gelehrten Laien und, da er den Schein eines ehrbaren Lebens führte, für einen heiligen Mann. Da ließ er aus seinem Munde das Gift falscher Lehre fallen, die er lange im Herzen getragen und ausgebreitet hatte. Er erhielt auch ein treffliches Predigtamt in der Kirche zu Prag, die man Bethlehem nennt. Dort fing er an zu sagen von dem Wiclif, wie er so trefflich und wohl geschrieben habe. Dem hingen bald etliche Pfaffen an und lobten ihn dem Volk gegenüber, besonders die, die eine große Schuld begangen oder die solches begangen, daß sie sich nicht trauten, vor ihrem Bischof zu bestehen. Sie hatten eine Hoffnung: Nähme diese Lehre überhand, so wollten sie sich wohl behaupten. Zu ihnen gesellten sich einige, die gar wohl gelehrt waren und doch keine Gottesgabe oder Pfründe hatten, die beneideten diejenigen, die große Pfründen hatten, und hofften, ihre Sache würde besser, den Mächtigen eine Gegenpartei zuzurichten. Es schreiben auch etliche, daß es die Königin mit ihnen gehalten habe, die hoch über ihrem Mann stand, der allein zu Hause auf dem Lotterbett schnauft und manchmal in den Keller und in die Küchen spazieret. Es verblendete auch viele Geistliche der Neid und viele Weltliche die Habgier, daß sie mit sehenden Augen nicht sahen und daß sie wohl verstanden und nicht verstehen wollten und in Worte verfielen, mit denen sie Gott schändeten. Und wiewohl sie vielleicht wider etliche Ungelehrte und wider diejenigen, die ein schändliches Leben führten, Ursache zu böser Nachrede hatten, so wickelten sich doch darein auch die Gelehrten und Frommen, und bellten wie die Hunde wider alle Priesterschaft, und beschlossen, sie wollten Waldenser Sekte und Ordnung halten, lehren und predigen, die die folgenden Artikel hielten.

Folgende Artikel predigen und halten die Hussiten wider die heilige Christenheit:

  • Der Papst ist ein Bischof wie ein anderer Bischof über sein Bistum und nichts weiter.
  • Ein Priester ist in aller Gewalt wie der andere, und es besteht unter ihnen kein Unterschied. Welcher Priester besser ist als der andere, das liegt nicht an der Prälatur, sondern an der Heiligkeit der Lebensführung.
  • Wenn eine Seele von dieser Welt scheidet, so hat sie allein zwei Wege: Sie fährt sofort gen Himmel oder schnell zur Hölle, was man aber sagt vom Fegefeuer, so erklärten die Hussiten, es sei kein Fegefeuer, sondern die Habgier der Pfaffen habe es erdacht, und es sei verloren Ding, daß man für die Toten bitte.
  • Man soll abtun alle Bildnisse, es sei zu Gottes Ehre oder der reinen Jungfrau Maria oder der Heiligen und so weiter.
  • Daß man Kerzen, Asche, Palmen, Weihwasser und auch die Taufe und ander Ding segne, sei ein lächerlicher Spott.
  • Bettelorden und Mönche habe der Teufel erdacht und erfunden.
  • Alle Priester sollen arm sein und nichts haben als das Almosen.
  • Wer predigen will, dem sei es erlaubt, er sei Laie oder Priester.
  • Man soll keine Sache leiden in der Christenheit, ob Frauenhäuser, Spiel, Wucher oder was auch immer, darum daß größeres Übel vermieden bleibe.
  • Wer in Todsünden ist, mag weder geistlicher noch weltlicher Richter sein und aller Freiheit beraubt, und niemand soll ihm gehorsam sein.
  • Firmung und letzte Taufe oder Ölung seien nicht zu zählen unter die Sakramente.
  • Es sei eine Ursache zum Lügen, daß die Menschen dem Priester ins Ohr beichten.
  • Es sei genug, daß ein jeglicher Mensch in seinem Herzen Gott bekenne.
  • Man soll zur Taufe allein lauteres Wasser nehmen ohne Chrysam oder heiliges Öl.
  • Daß man die Leute in Kirchhöfen begrabe, sei zu nichts nutze, die Pfaffen haben es erdacht von Gewinnes wegen.
  • Es gelte gleich, wo die Körper zugedeckt werden.
  • Das geziemendste und größte Stift und Gotteshaus, darin Gott angebetet werden soll und die Toten begraben werden sollen, sei die Welt. Die aber Kirchen bauen und Klöster und Kapellen und Bethäuser, die wollen die göttliche Majestät in einen Winkel zwingen, als ob sie nicht an allen Stätten gleich gnädig sein könnte.
  • Die zierlichen Gewänder, Meßgewänder, Altartücher, Kappen, Teppiche, Korporale, Kelche, Patenen, Rauchfässer seien unnütze und verlorene Kosten.
  • Ein Priester mag zu jeder Stunde und an allen Stätten das heilige und würdige Sakrament konsekrieren und sogleich denen geben, die es begehren.
  • Es braucht auch der Priester nicht mehr sprechen denn die Worte, darin die Kraft des Sakramentes liegt.
  • Es soll niemand weder die Jungfrau Maria, noch Engel, noch irgendwelche Heiligen anrufen, denn sie können niemandem helfen.
  • Es sei eine verlorene Zeit, daß man die sieben Tageszeiten singe oder spreche.
  • Man soll keinen Tag ohne Arbeit sein außer allein am Sonntag, und alle Tage, die den Heiligen zugesprochen sind, aufgeben.
  • Wer an den Tagen faste, die die Kirche angesetzt hat, der erwerbe keine Verdienste.

Zum allerletzten, als diese Artikel nun eingewurzelt waren, da wurde erst eingefügt der Artikel, daß man das hochwürdige Sakrament den Laien unter beiderlei Gestalt geben sollte: Brot und Wein. Sie predigen, das hätte seinen Grund im heiligen Evangelium, und sprechen, die römische Kirche und die ganze Christenheit wären unwissend und ungelehrt, weil sie es nicht täten, oder aber so neidisch, daß sie es nicht tun wollten.

Fragst du, ob auch die vernünftigen Prälaten, geistliche und auch die hochweisen strengen und ehrbaren Ritter, Knecht und Ratgeber, dieser finnigen Lehre anhangen, wisse die Antwort also: Mit Gott isset man gerne, und sein Brot ist süß, und die Fürsten haben ihre Lust daran. Denn die Großmächtigkeit der Priesterschaft und die große Menge der Klöster, die Karl und Johann sein Vater im Reich Böhmen gestiftet hatten, war denen ein Dorn im Auge, die da Hoffnung hatten, wenn Hus seine Sache vollbringe, so wollten sie das alles besitzen. Das Gold aber und das Silber, das in den Kirchen war und in der Priester Gewalt, an den Heiligtümern und Kelchen und so weiter, entlockt dem Volk von Gomorrha ein Verlangen, darüber Sackmann zu machen und so weiter. Ein Rat zu Prag und die Metzger und etliche fromme Bürger wollten die strafen, die die Ursache des Auflaufs und des Raubes gewesen waren, da fielen sie gar genau alle in den Tod.

Unter diesem Tumult hatte Kaiser Sigismund, der nach Wenzel erwählt worden war, das Konzil zu Konstanz versammelt. Dorthin ward Hanns Hus gefordert, dort überwunden, und da er verstockt war, wurde er verbrannt, desgleichen darnach sein Ketzermeister Hieronymus.

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