Hofacker, Ludwig - Andachten über das Evangelium nach Matthäus

Hofacker, Ludwig - Andachten über das Evangelium nach Matthäus

Matthäus 5,3.

Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr.

Mit acht Seligkeiten beginnt der Heiland seine gewaltige Bergpredigt. Es ist also nicht auf ein Jammerleben abgesehen in Christentum, sondern auf ein seliges Leben, und zwar schon hier. Die Ersten, die er selig spricht, sind die geistlich Armen. Was heißt denn geistlich arm sein? Arm nennen wir denjenigen, der das, was er braucht, nicht hat, geistlich arm ist also der, welcher nicht hat, was er zum geistlichen Leben braucht und obendrein erkennt und fühlt, und mit Schmerzen erkennt und fühlt, dass es ihm an den notwendigen Bedürfnissen des geistlichen Lebens fehle. Ach - kann so ein geistlich Armer denken - es fehlt mir eben gar sehr an Liebe oder an Glauben oder an Sanftmut oder an Reinheit des Herzens, ich weiß wahrlich, wenn ich mich besinne, keine Vorzüge an mir, ich sehe nur Schlechtes an mir, an mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd'. Das sind die geistlich Armen. Und zu solchen geistlich Armen möchte die Schrift uns alle machen, denn sie sagt Röm. 3: es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den sie an Gott haben sollen; sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig worden, da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht Einer. Das sind freilich bittere Wahrheiten und darum suchen Manche das Gefühl ihres Elends von sich zu entfernen. Aber wir wollen nicht so feige sein, uns nicht auf den Grund zu blicken, nur dieses dient zu unserer Heilung. Und diese Erkenntnis ist nur für den Anfang bitter. Selig sind, sagt der Heiland, die geistlich Armen. Nur in der Wahrheit ist Frieden, du musst herunter von deiner eigenen Höhe, erst dann wirst du Christum erkennen lernen und in dieser Erkenntnis selig sein. Und der Heiland sagt noch von einem größeren Nutzen: das Himmelreich ist ihr. Alle Schätze des Hauses Gottes, alles was uns Christus durch sein bitteres Leiden und Sterben erworben, ist unser, wenn wir geistlich arm sind, man lebt dann von Erbarmen; die nichts haben und doch alles haben, denn wir haben Christum.

Matthäus 5,20.

Ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Man lese, was der Heiland zur Erläuterung dieses seines Ausspruchs selber V. 21-48 ausführt, und man wird sich überzeugen, dass es Gott genau nimmt mit unseren Werken und mit unseren Worten und mit unseren Gedanken. Wie not tut es also, dass wir wachen und beten, damit wir nicht an unserer Seele Schaden leiden und das Missfallen und die Strafen Gottes auf uns laden! Wie not namentlich in dieser argen Zeit, wo die Versuchungen zum Argen gehäuft sind, zu beten: wache über mich, über mein Herz, über meine Worte, über meine Handlungen, über meine Augen, über meine Glieder, dass ich sie nicht zu Waffen der Ungerechtigkeit brauche, sondern zu Waffen der Gerechtigkeit; halte selbst dein schwaches Kind, das ja ohne dich keinen Schritt tun kann, halte meine Augen, holder Freund, in dieser Zeit, dass sie nichts zu sehen taugen, als den Tag der Ewigkeit! Denn ein rechter ganzer Ernst wird von uns gefordert, sonst nichts, alles Übrige tut der Heiland durch seine Liebe, die ihn in Not und Tod getrieben hat für uns. - Wer die Schärfe des Gesetzes Gottes erkennt und sich darunter demütigt, der hat aber noch einen ferneren Nutzen, es gereicht ihm zur Aufdeckung seiner Sünde, zu immer gründlicherer Selbsterkenntnis. Das ist ja eben der Grund, warum die Sekte der Pharisäer nicht ausgestorben ist, warum so viele Menschen im Tode liegen bleiben, in ihrem Werkruhm, in ihrer Selbstgerechtigkeit, warum sie sich bei aller Sünde, wenn oft ihre Nächsten gar viel über sie zu klagen hätten, doch für gut, für so gestaltet halten, dass sie des Himmelreichs wert seien, sie beurteilen sich nach ihrem eigenen Gutdünken und nicht nach den Geboten Gottes, oder sie legen die Gebote Gottes nach ihrem Gutdünken aus und nicht so, wie sie der Heiland ausgelegt hat und wie sie ausgelegt sein wollen. O sieh doch nur einmal in das Gesetz Gottes hinein, sieh einmal ab von deinen eigenen Gedanken und betrachte, wie dich Gott beurteilt nach der Bergpredigt, und du wirst dein Herz, das du noch für gut hältst, anders kennen lernen, du wirst nicht mehr nach Pharisäer Art verächtliche Worte über deine Mitmenschen fallen lassen, die über gewissen Sünden öffentlich bestraft worden sind, du wirst sehen, dass du dasselbe in dir hast.

Matthäus 6,21.

Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.

Hat eine Seele erkannt, dass Gott das höchste Gut ist, ist ihr so viel Licht geworden, dass sie deutlich einsieht, alles Andere neben Gott ist für nichts zu schätzen, und wenn ich Millionen auf Millionen hätte, und wenn ich aller Welt Freude genösse und hätte alle Bequemlichkeiten des Lebens, ja wenn ich auch den Frieden Gottes hätte, so wäre es ohne ihn nichts, er allein ist das höchste Gut, hat eine Seele dies erkannt, so wird sie auch ihm allein mit dem Herzen anhängen wollen. Ach dieses arme Herz, es muss etwas haben, an dem es hängt, es ist ohne dieses so leer, so verlassen, jo bloß, darum hängt sich der Mensch bald an dies, bald an jenes, hängt sich an diese oder jene Kreatur, selbst an das Leblose, an die Güter dieser Welt, daran manches Herz ja gebunden ist wie mit eisernen Ketten, es hängt sich, wenn es hoch kommt, an sich selber, will mit sich selber die Unendlichkeit, die in ihm ist, ausfüllen, wird hochmütig, aufgeblasen auf sich selber; Andere hängen sich an Anderes, oft an diesen oder jenen Menschen um seiner Schönheit, um seiner Rechtschaffenheit, um seines Christensinns willen. Ach an was kann sich der Mensch nicht hängen! Hängt er sich doch, wie wir Beispiele vor Augen haben, oft an die elendesten Kleinigkeiten, an Kleider, an Titel, an Ehrenstellen; an Dinge, die nicht einmal vor den Augen vernünftiger Weltmenschen etwas gelten. Dies alles aber ist nichts als Abgötterei und Feindschaft gegen Gott, welcher will, dass wir ihm mit dem Herzen allein anhängen, ihn allein lieben sollen. Wie nun, lieber Mensch? ist Gott dein Schatz und bei ihm dein Herz? hängst du ihm mit dem Herzen an? hast du keinen Götzen? keinen Menschen, den du zu deinem Götzen machst? ist nichts Lebloses dein Götze? Gehe doch zurück auf dein tägliches Leben, ob dein armes Herz ganz los ist von den tausend dich umgebenden und sich an dich hängenden Dingen? Manche meinen, es sei genug, wenn sie Gott mit dem Mund oder mit dem Kopf, mit den Gebärden anhängen, aber dein Herz will Gott haben. Und wer noch einem Götzen anhängt, er heiße wie er wolle, der ist nicht in der Liebe Gottes.

Matthäus 9,2.

Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.

Es hat schon Viele gegeben, die sich lange und ängstlich bemüht haben, ein solches Trostwort in ihrem Herzen zu vernehmen, wie der Heiland eines zum Gichtbrüchigen sprach; sie haben sich abgekümmert und die Vergebung ihrer Sünden nicht glauben wollen, weil sie eigensinnig darauf bestanden sind, es müsse ihnen in ihrem Innern vom Heiland zugerufen werden: „Sei getrost mein Sohn, meine Tochter, deine Sünden sind dir vergeben!“ oder ein anderes ähnliches Wort, und sie haben sich mit diesem Eigensinn manchen Monat, vielleicht manches Jahr unnötiger Weise verkümmert, die sie hätten können in der Freiheit der Kinder Gottes und los vom bösen Gewissen zubringen. Aber darauf sind wir nicht angewiesen. „Gleichwie Moses eine Schlange erhöht hat in der Wüste, so ist des Menschen Sohn erhöht worden, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ So sagt das Wort Gottes. Wir sollen hinaufblicken auf den am Kreuz erhöhten Jesus, und sollen so lang hinaufblicken, bis es uns gegeben wird, zu glauben, dass unsere und aller Welt Sünde dort abgetan sei. Dies ist der Weg, den uns Gott vorgeschrieben hat zu unserer Rechtfertigung vor ihm und zu dem Genuss der neutestamentlichen Gnade, wie es auch in einem alten Lied heißt:

Lass uns in deiner Nägel Mal
Erblicken uns're Gnadenwahl.

Hier liegt die Vergebung der Sünden.

O, wie wohl wird es einem Herzen, wenn ihm gegeben wird, seinen Versöhner im Glauben zu erblicken! Wie brünstig liebend sieht es hinauf an dem treuen Heiland, wie zerflossen setzt es sich hin an den Marterleichnam Christi, und findet in den Wunden des Sohnes Gottes, in seinem blutigen, bleichen Antlitz alle seine Sünden, aber auch die Versöhnung für alle seine Sünden, Gnade und Freiheit! Da wird der Gekreuzigte recht groß und unentbehrlich; man erfasst ihn mit seinen Glaubenshänden immer inniger; man drückt ihn immer liebender an das Herz; man sieht immer deutlicher in seinem Tod den ganzen Reichtum seiner Erbarmungen; man schickt sich immer mehr an, in die Gemeinschaft seines Leidens und Todes einzugehen; man findet Alles in ihm. Das ist die Übung des Glaubens in dieser Welt. So wird die Sünde getötet; so kommt man zur Freiheit der Kinder Gottes; so lebt man in der Versöhnung, in der täglichen Vergebung der Sünden, weil man in Christo lebt, und Christus ist die Vergebung der Sünden.

Weg, mein Herz, mit dem Gedanken, Als ob du verstoßen wärst! Bleib' in Gottes Wort und Schranken, Da du anders reden hörst. Bist du bös und ungerecht, Ei, so ist Gott fromm und schlecht. Hast du Zorn und Tod verdient: Sinke nicht, Gott ist versühnt.

Matthäus 11,29.

Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.

Der Heiland ist der Anfänger und Vollender des Glaubens, das A und O; er ist das herablassendste, geduldigste, erbarmendste, demütigste Herz; kein Mensch ist so demütig, wie er, kein Mensch sieht so auf das Niedrige, wie er.

Wenn ich mit diesem Blick in die Welt hineinsehe, so wird es mir leichter, zu hoffen für mich und für die ganze Welt. Sieht man ohne dies auf sich selber und auf die Welt, so muss man freilich in das Wort einstimmen, das der Heiland seinen Jüngern in Absicht aufs Seligwerden der Reichen sagte: „Bei den Menschen ists unmöglich!“ Der Leichtsinn des menschlichen Herzens ist unbeschreiblich groß; und wenn dieser aus dem Herzen weicht, so wollen finstere, trübsinnige Gedanken hereinbrechen; dieses arme Herz findet die Mittelstraße nicht; es ist ein trotzig und verzagt Ding. Was stecken für Hindernisse des Seligwerdens im Fleisch; was für eine Menge falscher Ansichten, Vorurteile, guter Meinungen lassen dem Geist Gottes im Inwendigen nicht kaum; wie viele Versuchungen und Gefahren liegen in unseren Umgebungen; was tut der Welt- und Zeitgeist nicht; was unternimmt und probiert nicht der Teufel! Und aus diesem Allem soll sich das oft so geringe und schwache Glaubenssämlein herausarbeiten! Bei den Menschen ists unmöglich, aber der Macht und Barmherzigkeit Jesu ist Alles möglich; und das gibt mir einen heiteren Blick in unsere Christenheit hinein. Wie viele, wie verschiedene Geister sind da! Aber bei aller Verschiedenheit möchte doch in den meisten ein Same für die Ewigkeit liegen. Im Blick auf den Heiland ist es zu hoffen, dass vielleicht das Evangelium noch bei Vielen durchschlagen werde, wenn einmal ihre Stunde gekommen ist. Denn der Heiland verachtet auch ein schwaches Glaubensfünkchen nicht, sondern hilft demselbigen auf, und bereitet das Herz nach und nach also zu, dass das Gericht kann zum Siege hinausgeführt werden.

Liebe Seele, was sorgst du? Warum grämst du dich? Ergib dich, Den zu lieben, der heißt Immanuel! O ein treuer Gott! Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, und ihr, armer Haufe Israel; ich helfe dir, spricht der HErr; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein; ich vertilge deine Missetat, wie eine Wolke, und deine Sünde, wie den Nebel; kehre dich zu mir, ich erlöse dich!

Matthäus 18,23.

Das Himmelreich ist gleich einem König, der mit seinen Knechten rechnen wollte.

Er will immer rechnen und abrechnen; er zeigt den Menschen in ihrem Gewissen eine Schuld um die andere an; er bringt sie in größere oder geringere Verlegenheit darüber; er sucht sie dazu zu bewegen, dass sie sich zur ganzen Abrechnung über ihren Haushalt hergeben. Die Menschen aber weichen dieser Abrechnung aus, so lange sie können, sie ist ihnen unangenehm. Es geht ihnen, wie es Allen geht, die viele Schulden haben. Solchen Leuten ist es wohl, wenn sie nicht an ihre Schulden gemahnt werden; es ist ihnen lieb, wenn sie lange nicht ins Klare darüber kommen; sie rechnen deswegen ihre Schulden nicht gern zusammen; sie bekommen nicht gern einen Überblick; sie bereden sich gern, ihre Schuld sei nicht so groß, als sie doch wirklich ist. So geht es auch im Geistlichen: der Abrechnung weicht man gern aus. Gott mahnt zwar einmal um das andere; er meldet sich im Gewissen an: er spricht: Mensch! wollen wir nicht auch ins Reine kommen mit einander? Aber der Mensch hat seine Entschuldigungen: wenn ich gelegenere Zeit habe, ich habe nun Anderes notwendig zu tun; wenn ich einmal keine Schuld mehr mache; auf meinem Totenbett, zwei Tage, ehe ich sterbe, da wird es Zeit genug zu dieser Abrechnung sein. Er fürchtet sich davor; er ahnt, dass die vielen Schuldposten, die unzähligen kleinen Schuldposten, deren er sich heimlich bewusst ist, eine gar zu starke Summe ausmachen werden, eine unübersehbare, eine unbezahlbare, eine unnachlassbare Summe, eine Summe, bei deren Anblick er sich allzu sehr entsetzen müsste, wo ihm das leichtsinnige Leben, die Lust zum Schuldenmachen auf einmal verginge. Aber das hilft nichts, der Abrechnung können wir nicht ausweichen; gibt man sich nicht dazu her in dieser Welt, so wird man in jener Welt gewiss dazu genötigt; denn der König will eben einmal rechnen; es ist einmal festgesetzt im Rat seines heiligen Willens; es ist einer heiligen Ordnung, den Rechten seiner Gerechtigkeit gemäß.

Matthäus 18,25.

Da er nun nicht hatte zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn und sein Weib und seine Kinder und alles, was er hatte, und bezahlen.

Bezahlt soll es sein, bezahlt! Dies Gesetz geht durch die ganze Geisterwelt; dies ist die Ordnung Gottes, die heilige, unauflösbare Ordnung des Wiedervergeltungsrechts, der heilige Bann, in dessen Schranken sich alle vernünftigen Geister bewegen; es gibt hier keine Ausnahme. Sie leugnen dies zwar in unsern Zeiten; sie wollen mit ihren Weichlichkeiten und guten Meinungen die heiligen Geseke Gottes entkräften und aufheben. Aber entschuldigt euch nur, meistert nur das Wort Gottes, dreht es nur nach euren Gutdünken, treibt es, so lange ihr könnt: es kommt eine Zeit, wo eure Sünden auf euch hineinfallen werden wie Berge. Wehe euch, wenn diese Zeit erst nach dem Tod über euch kommt, denn alsdann werdet ihr zu denjenigen gehören, welche schreien: „Ihr Berge fallt über uns, und ihr Hügel deckt uns, und verbergt uns vor dem Angesicht Des, der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; denn es ist gekommen der große Tag seines Zorns, und wer mag bestehen?“ (Offenb. 6,16.17.) Was aber tun? Was vergangen ist, das können wir nicht mehr gut machen. Wenn jemand heute anfinge, alle Gebote Gottes zu erfüllen; seine zwanzig, dreißig, vierzig, vielleicht siebzig Jahre, die er in Sünden zugebracht, und seine Schulden, die er sich damit aufgeladen hat, kann er sich mit seinem nachherigen guten Leben nicht gut machen; was vergangen ist, das ist ins Meer der vergangenen Dinge hineingefallen; wer kann ungeschehen machen, was geschehen ist? Was geschehen ist, das ist eingezeichnet in die Bücher Gottes. Was also tun? Was tut der Knecht im Evangelium? „Da fiel der Knecht nieder und betete ihn an, und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, ich will dir Alles bezahlen. Da jammerte den Herrn desselbigen Knechts, und ließ ihn los und die Schuld erließ er ihm auch.“ Dies ist also der Weg, den wir einschlagen müssen, wenn wir wollen der Strafe entrinnen. An das Erbarmen, an die Geduld Gottes müssen wir uns wenden, einen Fußfall müssen wir tun vor Gott, und nicht nur einen; als arme, zum Tod verschuldete Sünder müssen wir kommen, ohne Schminke, ohne uns aufzuputzen oder schön machen zu wollen; zugestehen müssen wir, dass wir die sind, die wir sind. Wenn eine Seele so kommt, so jammert es den HErrn derselbigen, und er erlässt ihr die Schuld, ob sie blutrot wäre, ob Todschulden, Blutschulden auf einer solchen Seele lägen.

Matthäus 22,2.3.

Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohne Hochzeit machte, und sandte seine Knechte aus, dass sie die Gäste zur Hochzeit riefen: und sie wollten nicht kommen.

Wenn der König nicht nur seinen Sohn dahingibt für uns aus unbeschreiblicher Liebe, sondern auch noch einmal über das andere uns rufen, bitten, inständig bitten lässt, dass wir doch möchten nicht unser eigenes Verderben, sondern das Leben wählen was wäre unsere Pflicht? Offenbar das, dass wir diesem Ruf, den der König durch seine Knechte, aber nicht nur durch seine Knechte, sondern noch viel öfter durch seinen Geist in unserm Innern, durch allerhand Schickungen, durch die Stimme der Weisheit auf der Gasse an uns kommen lässt, Folge leisten, dass wir uns wirklich aufmachen und uns anschicken, zum Hochzeitmahl zu gehen; dies wäre unsere Pflicht. Wie betrübend muss es für den Heiland sein, wenn seine Gnadenmittel, die er so sauer verdient hat, und die er nun der Welt, der armen Welt einmal um das andere antragen lässt, geringgeschätzt, wenn die Stimme seiner Boten in den Wind geschlagen und seiner Gnade das Nichtige weit vorgezogen wird von den Seelen, die er so gern selig hätte! Der Apostel Jakobus sagt: „siehe der Arbeiter Lohn, der von euch abgebrochen ist, das schreiet; und das Rufen der Ernter ist gekommen vor die Ohren des HErrn Zebaoth“ (Jak. 5, 4.). Dies meint er von irdischen Arbeitern, von einem irdischen lohn. Aber welch eines viel größeren Gerichts wird der schuldig sein, welcher dem König aller Könige den Lohn seiner Schmerzen, den Lohn seiner Todesarbeit entzieht, nämlich sich selber, und diejenigen, welche diesen Lohn einfordern sollen, schnöde von sich weist! Das wäre also unsere heiligste Pflicht, das unsere Schuldigkeit, dass wir schon oft und viel und auch heute Geladenen Ade sprächen: ja wir wollen kommen, wir wollen uns bekehren, wir wollen den HErrn suchen, und dass man es dann nicht bloß sagte, sondern dass man auch anfinge, dass man sich auf seine Knie niederwürfe vor dem Heiland, dass man auch umkehrte von seinen verkehrten Wegen, vom Geiz, von der Liederlichkeit, von den faulen Geschwätzen, dass man sich auch herzlich nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit ausstreckte.

Ach Gott, vom Himmel, sieh' darein
Und lass dich des erbarmen;
Wie wenig sind der Heil'gen dein,
Verlassen sind wir Armen.
Dein Wort man lässt nicht haben wahr,
Der Glaub' ist auch verloschen gar
Bei allen Menschenkindern.

Matthäus 22,11.

Da ging der König hinein, seine Gäste zu besehen, und sah allda einen Menschen, der hatte kein hochzeitlich Kleid an.

Errettet werden wollen, ist was wir sollen. Gott zwingt uns nicht. Wir müssen unsern Willen dazu hergeben, und seinem Ruf und Zug folgen; wir müssen den Weg zur Seligkeit antreten, sonst kommen wir nie zum Ziel. Aber mit solch einem ersten Anfang ist es eben noch nicht ausgerichtet. Im Vorzimmer des Königs geht etwas vor, das man sich auch muss gefallen lassen, wenn man als ein würdiger Gast zu Tische sitzen will. Der König hat die Art an sich, dass er seine Gäste nur in feinen, des Königs, Kleidern sehen will. Zu dem Ende hat er die Einrichtung getroffen, dass im Vorzimmer des Hochzeitsaals herrliche königliche Kleider bereit liegen, die von den Gästen angezogen werden müssen, nachdem sie ihre eigenen mitgebrachten Kleider ausgezogen haben. Wenn dann der König hineingeht, die Gäste zu besehen, so schaut er mit seinen feuerflammenden, Alles durchdringenden Augen vorzüglich in der Absicht auf die Gäste umher, um zu sehen, ob sie auch alle in seinen königlichen Schmuck gekleidet seien. Wenn wir nun dies Alles ohne Bild und Gleichnis sagen sollen, so heißt es ungefähr so viel: es ist nicht genug, dass man anfänglich eine Willigkeit zeigt, dem Ruf der Knechte zu folgen; es muss auch eine Willigkeit da sein, sich allem dem zu unterwerfen, was zur Zubereitung auf die selige Ewigkeit gehört. Es ist wahr, der Heiland hat uns die Seligkeit erworben; aber er hat uns nicht nur diese erworben, sondern auch die unaussprechliche Gnade, dass wir können durch den Glauben an ihn gereinigt und vorbereitet und würdig gemacht werden zum Gastmahl des Königs. Was meint ihr? Meint ihr, der Heiland wolle Säue und Wölfe und Bären an seinem Tisch haben, welche Naturen doch an dem unbekehrten Menschen nicht selten sichtbar sind? Solche Naturen würden auch gar keine Freude am Tisch des Heilandes haben, sondern Langeweile. Wenn unser irdischer König heute einen verlaufenen Bettelknaben an Kindesstatt annähme, meint ihr, man werde ihn in seinen zerlumpten Kleidern, in seinem Schmutz, mit seinen anerlernten Unarten an die königliche Tafel sitzen lassen? Nein, vorher wird er gereinigt, gewaschen, gekämmt; seine Kleider werden ihm ausgezogen; er wird mit königlichen Kleidern bekleidet; er wird in der Hofsitte unterrichtet; dann erst ist er tüchtig, sich seiner Kindesrechte zu gebrauchen.

Herzog unsrer Seligkeiten,
Zeuch uns in dein Heiligtum,
Da du uns die Statt bereiten
Und zu deines Namens Ruhm
Als deine Erlösten siegprächtig willst führen!
Lass unsere Bitte dein Herze jetzt rühren;
Wir wollen dem Vater zum Opfer dastehn
Und mit dir durch Leiden zur Herrlichkeit gehn!

Amen.

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