Hofacker, Ludwig - Andachten über das Buch Jesaja

Hofacker, Ludwig - Andachten über das Buch Jesaja

Jesaja 33,24.

Und kein Einwohner wird sagen: ich bin schwach. Denn das Volk, so darinnen wohnt, wird Vergebung der Sünden haben.

O wie elend wären wir, wenn es keine Vergebung der Sünden gäbe! Wie beneidenswert wäre das Schicksal eines Hundes in Vergleichung mit dem Schicksal eines Menschen! Ein Hund ist zufrieden, wenn seine körperlichen Bedürfnisse und Triebe befriedigt werden. Aber der Mensch hat höhere Bedürfnisse in sich; Gott hat ihm die Ewigkeit in das Herz gelegt, und er sehnt sich mit seinen innersten Trieben nach dem unvergänglichen Gut, nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Aber ohne Vergebung der Sünden könnte dieses Bedürfnis nimmermehr befriedigt werden; denn die Sünde zieht eine für den Menschen unauflösliche Scheidewand zwischen uns und Gott. Da stünden wir, versunken in uns selbst, hineingebannt in unser eigenes Elend, als Verlorene und Verdammte müssten wir durch dieses Leben gehen, um so unglücklicher, je nüchterner wir wären. Es bliebe nichts übrig, als mit den Narren zu sagen: „Lasst uns essen und trinken, morgen sind wir tot.“ Aber dies wäre nichts als ein Wort der Verzweiflung. Es ist wahr, was im Lied steht:

All' Sünd' hast du getragen,
Sonst müssten wir verzagen.

Aber Gottlob! All Sünd' hat Er getragen. Das ist wahr, das ist begründet; das ist eine felsenfeste Wahrheit, ein Felsen, den kein Teufel und kein Zweifel jemals umwerfen wird. Jesus Christus hat alle Sünden getragen, die Sünden aller Sünder getragen, abgebüßt, abgetan an seinem eigenen Fleisch; er hat allen Bann aufgehoben, allen Fluch hinweggetan; er hat eine ewige Erlösung erfunden.

Ja, hab Dank, o Jesu, Gottes Sohn, Du Friedenswiederbringer! Dass du herab von deinem Thron bist kommen als Bezwinger All dessen, was den Frieden stört: Ach lass mein Herz doch werden zum Tempel, da der Fried' einkehrt; Sei selbst mein Fried' auf Erden.

Jesaja 40,1-2.

Tröstet, tröstet Mein Volk, redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Ritterschaft ein Ende hat, denn ihre Missetat ist vergeben!

Womit soll man trösten? Mit dem Wort, von welchem in der Gemeinde Jesu Tag und Nacht kein Schweigen sein soll, mit der großen Wahrheit: Gott ward Mensch und ist als Mensch für uns gestorben; - mit dem herrlichen Satz: „Was dem Gesetz unmöglich war, das tat Gott und sandte Seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und verdammte die Sünde im Fleisch durch Sünde;“ mit dem göttlichen Evangelium: „Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in Ihm würden die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt;“ mit der Hindeutung auf das große Opfer, das einmal geschehen ist und wodurch alle vollendet und geheiligt sind; mit der Hindeutung auf das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt! Liebe Seelen, die ihr über eure Sünden betrübt seid, Christus ist für uns geschlachtet, Sein Verdienst, das über all' unsere Sünde und Gerechtigkeit weit hinausreicht, das, ist's, was ihr bedürft, das ergreift im Glauben, und wenn ihr's nicht könnt, so bittet darum, dass ihr's ergreifen lernt, dann ist euch geholfen! Amen. (L. Hofacker.)

Jesaja 45,22.

Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende; denn ich bin Gott und keiner mehr.

Es ist freilich in unserer Zeit aufgekommen, von der Bekehrung zu reden und zu schreiben, aber ohne Christus, als ob es genug sei, sich einen Vorsatz, einen Gedanken in den Kopf zu machen: ich will anders werden, ich will mich bessern, heute will ich dieses, morgen jenes ablegen usw., bis ich rein bin, Alles ohne göttliche Kraft, Alles ohne Den, der von sich gesagt hat: „ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Es ist aufgekommen, dass man viel geredet und geschrieben hat von der Kraft zum Guten, die der Mensch von Natur in sich habe, Alles zum Schimpf und zur Schmach des verdienstlichen Leidens und Sterbens Christi, dass man den armen Seelen statt des Kraft gebenden und beseligenden Evangeliums elende Sittenregister ohne Zahl vorgehalten, und, weil man die Schwäche der menschlichen Natur nicht kennt, den armen Menschen zugemutet hat, sie sollen Gebote halten, welche durch solche Dränger, die derlei Zumutungen machten, selbst mit keinem Finger noch angerührt haben. Man hat Sanftmut gefordert von der armen menschlichen Natur, und doch ist das Herz des Menschen voll Zorn und Bitterkeit; man hat Herzensreinheit gefordert, und doch ist das Gift der Sünde bis ins Innerste gedrungen; man hat Liebe gefordert, und doch haben wir keinen Funken wahrer göttlicher Liebe von Natur; man hat Barmherzigkeit und Verleugnung des Irdischen gefordert, und doch ist der Geiz, die Anhänglichkeit an das Irdische bei jedem Menschen mit der tiefsten Wurzel seines Herzens verwachsen. Ach, das Wort Gottes fordert ja diese Tugenden auch: aber es kennt auch unsere Schwachheit, die böse arge Art unseres Herzens. Darum sagt es uns, wo wir Kraft zum Guten, wo wir Lust zum Überwinden des Bösen, wo wir die Quelle aller Tugenden finden können, wo das erstorbene und in Sünden tote Herz leben, göttliches Leben erlangen kann. Von dieser Quelle aber sagen die blinden Leiter der Blinden nichts, weil sie selbst nichts davon wissen, weil sie gar nicht danach forschen, weil sie in ihrer Blindheit den Eckstein verworfen haben, und meinen, etwas Rechtes dagegen gefunden zu haben. Nach dieser Quelle haben schon vor Christo viele rechtschaffene Heiden gesucht und geforscht, gedürstet und geseufzt, und uns ist sie so nahe gelegt. Sie ist nämlich nichts anders als Jesus Christus selbst, der Lebendige, in welchem alles Heil ist; es sind die Lebensbrunnen, die in ihm eröffnet sind; es ist der Friede Gottes, welcher von seinem Kreuz her weht. Das ist der Anfang, das Mittel und das Ende der Bekehrung; auf diesen Grund muss der Mensch kommen.

Der Grund, auf den ich gründe, Ist Christus und sein Blut: Das machet, dass ich finde Das ew'ge wahre Gut. An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd'; Was Christus mir gegeben. Das ist der Liebe wert.

Jesaja 57,21.

Die Gottlosen haben nicht Frieden, spricht mein Gott.

Ein jeder unbegnadigter Mensch hat ein böses Geschwür in der Tiefe seines Herzens, einen faulen Fleck, den er auch nur zu berühren sich scheut, und dieses Geschwür ist eben der Fluch des Gesetzes. Daher kommts, dass keine wahre Freudigkeit zu dem Vater in einem solchen Herzen ist; daher kommt es, von diesem Geschwür kommt es her, ihr unbekehrten Leute, dass ihr zu Zeiten so missvergnügt, so unruhig seid in eurem Inwendigen in Absicht auf euch selbst. Daher kommt es, dass sich bisweilen ein Seufzer nach etwas Besserem, nach höherer Freiheit aus eurem Herzen hervorarbeitet; ihr seid eben gedrückt, gefangen in eurem innersten Geist, es liegt ein Bann auf euch, es zehrt etwas an euch. Daher kommt es, dass die meisten Menschen sich so gern in ihre Geschäfte und in allerhand andere Dinge hineinzerstreuen und so ungern allein sind. Sie sagen: sie bekommen Langeweile, wenn sie allein seien. Aber es ist noch eine Ursache. Wenn sie allein sind, so kommt Einer zu ihnen, und dieser Zweite ist ihnen sehr unangenehm, weil er ihnen Dinge sagt, die sie nicht hören mögen; mit andern Worten: wenn sie allein sind, so richten sich unwillkürlich die Gedanken rückwärts auf ihren eigenen Zustand, und da kommt man dann eben an dieses Geschwür, welches nur zu berühren sie sich so sehr scheuen. Von diesem Geschwür kommt es her, dass die meisten Menschen Knechte der Furcht des Todes sind ihr Leben lang. Daher kommt der entschiedene Ekel vor dem Wort Gottes, wenn es in den Häusern oder in ihren Gesellschaften oder sonstwo ihnen begegnet; denn in den Kirchen, da können sie es zur Not noch leiden, weil hier ins Allgemeine gesprochen wird, und sie sich immer, es mag gesagt werden, was da will, zur Not hinter den übrigen Haufen der Kirchgänger hinumflüchten können. Aber das Wort Gottes hat eben eine Kraft, jenes Geschwür aufzureißen, und darum scheuen sie dasselbige, wenn es mit ihnen insbesondere sprechen will.

Wie klagt mich mein Gewissen an!
Es tut mich grausam in den Bann,
Ich muss mich selbst verjagen
und seinen Mord
An allem Ort
in meinem Busen tragen.

Wer hilft in diesen Nöte mir?
HErr, mein Verlangen steht nach dir.
Ich stell' auf dich Vertraun und Hoffnung, Gott!
Lass keinen Spott
bei deiner Furcht mich scheuen.

Amen!

Jesaja 61,1.

Der Geist des HErrn HErrn ist über mir, darum hat mich der HErr gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden.

Warum lässt sich der Heiland so gerne zu dem Niedrigen herab? Wo kommt es her, warum geschiehts? Was ist der Grund, was ist die Quelle? Siehe, der Mensch, der doch nichts ist als Staub und Asche, tritt, so lange er nicht Sanftmut in der Schule Jesu gelernt hat, so gerne, wenn er es vermag, mit stolzem Fuß auf den Nacken seiner Brüder; er übersieht so gerne das kleine über dem Großen, das Einzelne über dem Ganzen; er ist so unbarmherzig, so zurückstoßend gegen diejenigen, welche nicht die gleichen Ansichten mit ihm teilen; er verachtet Andere so gerne, ob er wohl selbst des Verachtens wert ist. Aber Der, der über Cherubim thront, der Ewigkeiten König, Der, welcher heilig ist und ist keine Finsternis, kein Flecken in ihm - der verachtet nicht, der geht so sanft, so schonend und liebevoll mit dem Sündigsten und Elendesten um, das sich um seine durchgrabenen Füße schmiegt; er erbarmt sich aller seiner Werke, er zerbricht das zerstoßene Rohr nicht. Warum aber tut er also? Ich weiß feinen anderen Grund als seine Liebe, sein ewiges Erbarmen, das Erbarmen, das ihn in dieses Elend, in Fleisch und Blut hereingetrieben und gezogen hat; die Liebe, wonach er sich entäußerte, wonach er ein Knecht wurde auf dieser Welt, die ihn bewog, sich dahinzugeben für mich. Die Liebe, die ihn an den Kreuzesstamm und in das Meer von Schmerzen und Pein hineinzog, diese Liebe gibt ihm die zarten, die heiligen, die sanftmütigen Empfindungen gegen seine armen Brüder und Schwestern ein; diese Liebe, in welcher sein Herz nach dem Heil einer jeden Seele brennt, die Liebe, die mit unaustilgbarer Flammenschrift in das Kreuz eingegraben ist, - diese Liebe lässt ihn, den Getreuen und Heiligen, unsere Schwachheit und Sünde übersehen. Er sehnt sich eben nach eurer und meiner Seligkeit; er möchte uns zur Beute seines Todes und Blutes dahinnehmen. Darum lädt er so freundlich ein: wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen! Darum will er, wie eine Henne ihre Küchlein, also auch uns unter seine Flügel versammeln; darum erfährt es Jeder, der sich in seinem Elend zu ihm wendet: der Heiland hat das erbarmendste, das großmütigste, das demütigste Herz noch jetzt.

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