Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Dritte Abtheilung. - Das achte Capitel. Gebet um die Gabe und Mehrung der Keuschheit.

Gerhardt, Johann - Tägliche Übung der Gottseligkeit - Dritte Abtheilung. - Das achte Capitel. Gebet um die Gabe und Mehrung der Keuschheit.

Heiliger Gott, der du die Schamhaftigkeit und Keuschheit liebest, die Unreinigkeit aber und Wollust aufs Schärfste hassest, ich bitte dich um Christi, des keuschesten Bräutigams meiner Seele willen, daß du die wahre Keuschheit, die innerliche und äußerliche, der Seele und des Leibes, des Geistes und Fleisches in mir wirkest und mehrest, dagegen aber das Feuer der bösen Lust in meinem Herzen auslöschest. Deine heilige Furcht durchbohre mein Fleisch, daß es nicht in die Frechheit der Wollust stürze. Die himmlische Liebe hebe meine Seele zu dir empor, daß sie nicht mit unordentlicher Liebe am irdischen Unflath klebe. Ergieße über mich die Ströme der göttlichen Gnade, daß in ihnen die Flammen der Lust ausgelöscht werden, wie im Wasser die feurigen Pfeile erlöschen. Meine Seele ist zu deinem Bilde geschaffen, und durch Christum wieder hergestellt; dir, dem Schöpfer und dem Erlöser, ja auch mir selbst würde ich das größte Unrecht thun, wenn ich das glänzende Angesicht der Seele mit dem Ruß und den Flecken einer schändlichen Liebe schwärzte. Es wohnt in meinem Herzen Christus, es wohnt in meinem Herzen der heilige Geist; der erfülle mich mit seiner Gnadenkraft und mit dem Geschenke seiner Gnadengaben, daß ich heilig sey am Geiste, heilig auch am Leibe. Ohne Heiligung wird Niemand dich, das reinste Licht, sehen. So wünschenswerth und liebenswürdig also das beglückende Anschauen deines Antlitzes ist, so abscheulich und verhaßt sey mir der Verlust und die Erschütterung der Keuschheit. Der heilige Geist wird durch die Funken einer schändlichen Rede betrübt; wie viel mehr durch den Brand der Begierden! Das Verlangen der Wollust ist voll Unruhe und Wuth; die That voll Abscheulichkeit und Beschimpfung; der Ausgang voll Reue und Scham; ihr Feuer steigt bis zum Himmel empor, aber ihr Gestank steigt bis zur Hölle hinab. Warum wollte ich also diesem schändlichsten Feinde die Thüre der Seele öffnen, und denselben in das Innere des Herzens aufnehmen?, Heiliger und starker Gott, Herr der Heerschaaren, gib mir Stärke des Geistes, daß ich jenen Feind besiegen könne, der in mir gegen mich streitet; gib, daß ich mich nicht nur von unerlaubten Umarmungen und äußern Thaten der Schande enthalte, sondern auch frei sey von den innern Begierden und Flammen derselben, da du nicht nur einen reinen Leib, sondern auch ein reines Herz von uns forderst, und sowohl das Innere als das Äußere mit deinen allerheiligsten Augen ansiehst! Kreuzige mein Fleisch und seine Lust, o Christe, der du für mich gekreuziget bist! Amen.

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