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Frommel, Max - Am Silvesterabend.

Frommel, Max - Am Silvesterabend.

Wenn in der Christenheit ein Jahr abläuft und ein neues anhebt, so heben an vielen Orten in der Mitternachtsstunde alle Glocken von den Türmen an zu läuten, und ihr ergreifender Klang dringt nieder durch alle Häuser, in die Säle, wo man versammelt ist, und ins Kämmerlein, wo ein Auge einsam wacht. Es ist das Grabgeläute des alten Jahres und die Osterglocke des neuen, und ihr eherner Mund will allem Volke predigen: Der Herr segne deinen Ausgang und Eingang, deinen Ausgang aus dem alten und deinen Eingang ins neue Jahr, deinen Ausgang aus der Zeit und deinen Eingang in die Ewigkeit. Was die Glocken läuten, das will die Predigt deuten, und dazu seid ihr hierhergekommen, um den Glockenklang des Wortes Gottes in euer dahineilendes flüchtiges Leben zu vernehmen. So lasst mich sein den armen Glöckner im Talare und ziehen die Glockenstränge in der Kraft Gottes, dass der mächtige ernste Ton hineindringe in euer innerstes Herz. Vernehmt dazu den Text, wie er geschrieben steht:

Lukas 13,6-9.
Er sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte Einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge; und kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum und finde sie nicht; haue ihn ab, was hindert er das Land? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, dass ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen. Wo nicht, so haue ihn danach ab.

Das Gleichnis vom Feigenbaum ist die Geschichte deines Lebens. In diesem Spiegel sollst du heute rückwärts und vorwärts schauen, in Vergangenheit und Zukunft blicken, dass du erkennen mögest den Wert deines Lebens, wie dein Heute liegt zwischen Gestern und Morgen; dass du lernst bekennen im Blick auf dein Gestern: „Kyrie eleison“ und im Blick auf dein Morgen: „Hosianna: Herr, hilf, Herr, lass wohl gelingen.“ Er, der treue Herr, wolle uns auch jetzt helfen, wenn wir nun näher hineinhorchen in unsern Text und daraus betrachten:

Die Arbeit Gottes an unserer Seele.

Wir sehen aber

  1. die Frucht, die Er sucht,
  2. die Geduld, die Er trägt,
  3. die Wege, die Er einschlägt.

I.

„Es hatte Einer einen Feigenbaum.“

Wer ist der Eine? Es ist der Allmächtige, vor dem die Welten nur sind wie der Tropfen, der am Eimer hängt; dieser einzig Eine hatte einen Feigenbaum, und dieser Feigenbaum bist du, geschaffen nach seinem Bilde und berufen zur Gemeinschaft mit dem allmächtigen, lebendigen, persönlichen Gott. Es liest und hört sich freilich wunderbar: der Weltenherrscher hat einen Feigenbaum, der große unendliche Gott hat zu jedem einzelnen Menschen ein Verhältnis und will, dass es zu einem persönlichen Lebens- und Liebesverhältnis werde. Wer das erkennt und hier seine eigenste Geschichte verhandelt sieht, der stimmt ein in das Psalmwort: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkest, und des Menschen Kind, dass du dich seiner also annimmst?“ Und von dir, dem Feigenbaum, heißt es: „Er war gepflanzt in seinen Weinberg.“ Der Weinberg ist das Reich Gottes, ist die Kirche des Herrn, von ihm angelegt und gepflegt auf Erden; die Kirche ist der Garten Gottes, darin die Sonne des Evangeliums scheint und der Tau seiner Gnade trieft, da seine Blumen sprießen und seine Bäume stehen; die Kirche ist der Weinberg, darein Gott seine Reben und Feigenbäume versetzt und pflanzt, dass sie ihm Frucht bringen. Auch dich hat er in der heiligen Taufe in den Weinberg seiner Kirche gepflanzt und seitdem viel an dir gearbeitet. O, wie viele Stimmen Gottes sind an unser Herz gedrungen von den biblischen Geschichten; auf der Mutter Schoß erzählt, von Spruch und Lied aus der Schule bis zu dem süßen Trost und dem hohen Ernst des Wortes Gottes, wenn es laut uns ins Ohr drang oder aus der aufgeschlagenen Bibel zu uns redete, also dass wir sagen müssen: Das beste Teil in unserm Leben ist irgendwie verknüpft mit den Segnungen der Kirche, und die tiefsten Eindrücke, die wir empfangen haben, sind uns aus ihr zugekommen.

„Und Er kam und suchte Frucht darauf.“ Frucht sucht der Herr, denn dazu ist der Baum gesetzt, wie Christus zu seinen Jüngern sagt: „Ihr habt nicht mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr Frucht bringt und eure Frucht bleibe,“ oder an einem andern Orte: „Einen jeglichen Reben, der nicht Frucht bringt, wird mein Vater wegnehmen; und einen jeglichen, der da Frucht bringt, wird er reinigen, dass er mehr Frucht bringe.“ Frucht sucht der Herr - nicht den Blätterschmuck schöner frommer Worte, nicht die tauben Blüten frommer Gefühle - o, ich habe manchen Baum gesehen in der Frühlingspracht, übergossen mit lieblichen Blüten, aber bis der Herbst kam, hatte der Sturm die Blüten gestreift, und giftiger Tau hatte die Frucht verhindert, und der Baum stand leer und arm. Und ich habe manchen jungen Christen gesehen, dessen geistliches Leben stand voll Blüten, aber der Sturm der Leidenschaft und der giftige Tau des Unglaubens hatte die Frucht verhindert. Es gibt auch Menschen, die haben schöne, süße Dinge, fromme Worte und gute Werke in den Ästen und Zweigen hängen, aber sie sind nicht auf dem Baum gewachsen, sondern nur daran gehängt. Frucht, die der Herr sucht, muss herausgeboren und getrieben sein aus der innersten Persönlichkeit durch die Sonnenkraft des Geistes Gottes. Geht es doch auch beim fruchtbringenden Baume also zu: im Winter steht er dürr und unfruchtbar. Wenn nun der Frühling kommt und die Sonne ihre erwärmenden Strahlen sendet, da geht ein Regen und Bewegen durch den ganzen Baum, und wenn die Sonne dem Baume auf die Wurzel brennt mit ihrer Glut, so steigt der Saft herauf und durchdringt alle Adern und sucht einen Ausgang, der Sonnenschein dringt und schürt, da schlägt der Saft hinaus in den Knospen. Siehe, so ist's auch mit dem Fruchttragen. der Christen. Von Natur sind wir dürr, und die Weltluft ist kalte Winterluft, bei vornehmen Leuten vielleicht etwas geheizt, aber der Frühling ist die Gnade Gottes in Christo. Wenn diese Sonne Einem auf die Herzwurzel scheint und brennt, dann muss es heraus „wir können es ja nicht lassen, dass wir nicht zeugen sollten von dem, was wir gesehen und gehört haben“; „die Liebe Christi dringt uns also,“ sagt Paulus, und „der Glaube ist ein lebendig, schäftig, mächtig Ding und ruht nimmer,“ sagt Luther. Siehe, das ist die Frucht, die der Herr sucht.

Frucht sucht der Herr - welches ist sie denn? Es ist Eine Frucht und doch viele Früchte. Sie ist mit Einem Wort: Liebe. Die Liebe ist die Eine Frucht und doch viele Früchte, wie Paulus sie verzeichnet: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.“

„Er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht.“ Und nun die Hand aufs Herz: findet Er sie bei dir? Wenn sein allforschendes Auge auf dich niederblickt, findet er die Frucht der Liebe? Nicht jenes unbestimmte, allgemeine, oft so schwächliche oder sentimentale Gefühl, jene bloße weiche Stimmung des Gemüts, für welche so oft das edle Wort Liebe gebraucht wird, sondern Liebe, die stark ist wie der Tod, Liebe, starke, persönliche, brennende Liebe zu deinem Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt? Und wenn Christus der Auferstandene heute vor dich träte und schaute dir tief ins Auge und früge dich: „Simon Johanna, hast du mich lieb?“ Kannst du ihm antworten: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe,“ dass ich ohne dich nicht leben und nicht sterben kann? Findet Gott bei dir die Liebe, dass du gern redest mit deinem Vater droben im Verborgenen und dein Herz vor ihm ausschüttest im brünstigen Gebet? Findet er die Liebe zu ihm, dass du gern hörst sein Wort, sei's hier in der Kirche oder daheim in der Schrift? Wenn du am Sonntagmorgen die Glocken läuten hörst, heißt's dann drinnen: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen? Aber frage dich auch, ob Gott die andern Gestalten der Liebe bei dir findet als Frucht des Geistes? Oder findet er statt Freude einen mürrischen Trauer- und Sorgengeist, statt Friede Unzufriedenheit mit deiner Lage und Unfrieden mit deiner Umgebung, statt Geduld Ungeduld, hitziges statt gelassenes Wesen, statt Freundlichkeit herbe Strenge, statt Gütigkeit Härte, statt Vertrauen Misstrauen und Argwohn, was vielleicht noch als große Menschenkenntnis gelten soll, statt Sanftmut Zorn und Heftigkeit, statt Keuschheit Dinge, die Niemand wissen darf und vor denen du erröten müsstest, wenn auch nur Ein Mensch darum wüsste!?

Siehe, so fragt Gott am Jahresschluss einen Jeden unter uns. Sollte mir aber Jemand einwenden und sagen: Nun allerdings, von Natur bin ich ein unfruchtbarer Baum, aber ich weiß doch auch, dass ich durch Gottes bekehrende Gnade eine lebendige Rebe an Christo dem Weinstock geworden bin, und etwas von jenen Früchten hat doch Gottes Geist in mir gewirkt, wenn ich auch bekenne: „Ist etwas Guts am Leben mein, so ist es wahrlich lauter Dein!“ Wenn Jemand so spräche, so würde ich ihm heute am Jahresschluss sagen: Ist wohlgeredet, was du sagst, preise du immerhin Gott, dass seine Gnade nicht vergeblich an dir gewesen ist. Aber vergiss doch ja das andere nicht: in welch großem Missverhältnis deine Früchte zu der Mühe und Arbeit stehen, die Gott an dich gewendet, dass die Dankopfer, die du ihm darbringst, lange nicht den Gaben und Almosen entsprechen, die du von oben herab empfangen, und dass deine Liebe doch eine recht kleine und erbärmliche ist gegenüber der Liebe Gottes, die den Funken in deinem Herzen ja erst entzündet hat. Oder hat dich der Gedanke nie tief beschämt, dass Gott nicht einen bessern Christen aus dir bisher hat machen können, als du geworden bist? Siehst du nicht auch auf diesem Gebiet, dass nicht alle Knospen blühen, nicht alle Blüten werden Früchte, nicht alle Früchte reifen und zwar durch die Schuld deines alten Menschen! Ist nie die tiefe Schamröte über dich gekommen, dass deine Frucht nicht voller, reicher, reifer gewachsen ist, und dass Gott wahrlich noch ganz andere bessere Frucht bei dir hätte finden sollen? Darum, nicht deine Früchte sind es, durch die du vor Gott bestehen kannst, sondern allein die Fürbitte Jesu Christi.

II.

„Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum und finde sie nicht; haue ihn ab, was hindert er das Land?“ Da hörst du die Klage Gottes: Lange ist der Feigenbaum schon im Weinberg gestanden, ehe Gott Frucht erwartete, aber nun ist Er drei Jahre hintereinander gekommen, hat sie gesucht und fand sie nicht. Und wie viel Jahre ist Er wohl zu dir gekommen und hat Frucht seiner Arbeit gesucht, Frucht seines Wortes, seiner Liebe und hat sie nicht gefunden? Auf die Klage Gottes folgt sein Urteil: Haue ihn ab, was hindert er das Land? Das Urteil ist scharf aber gerecht. „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten.“ Es liegt ein furchtbarer Ernst in dem Worte: haue ihn ab. Wer Ohren hat zu hören, der höre. Wenn die Gnadenzeit um ist, wenn Gottes Geduld abgelaufen ist, so spricht er zu seinem Knechte, dem Tod: Nimm die Art und haue ab den unfruchtbaren Baum, den unnützen Knecht, den verkehrten Mann, er hindert nur das Land. Denn solche unfruchtbare Bäume sind nicht wert, dass sie die Sonne bescheint, ja nicht nur bringen sie keine Frucht, sondern sie hindern sogar, dass andere Frucht bringen. Alles unfruchtbare Christentum hat eine lähmende hemmende Macht für die ganze Umgebung, sei's im Hause oder in der Gemeinde oder im Umgang. Die Andern denken dann, solch fruchtloses Wesen sei wohl das ganze Christentum und halten Alles für Heuchelei. Da muss es denn gehen nach dem großen Reichsgrundsatz: „Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, die werden ausgereutet.“ - Das Urteil ist gerecht, da tritt der Weingärtner hervor und spricht: „Herr, lass ihn noch dies Jahr, dass ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen. Wo nicht, so haue ihn danach ab.“ Das ist die Stimme Jesu Christi des Sohnes Gottes, unsers großen Hohenpriesters und Fürsprechers bei dem Vaters; Er, der einst für Israel in den Riss getreten, der gebeten hat für seinen Petrus, dass sein Glaube nicht aufhöre, der gebetet hat für seine Mörder - Er steht auch jetzt noch zur Rechten des Vaters und vertritt uns, weil er unsere Seelen lieb hat und um uns gearbeitet und geblutet hat. Jesus tritt hervor und spricht gleichsam: Ich habe mich an ihrer Statt abhauen und ins Feuer der Todesleiden werfen lassen, so lass es gelten für sie, vielleicht, dass doch noch Etliche sich retten lassen. Er ist's, der dem aufgehobenen Arm, der die Axt hält, sich entgegenwirft, und er hat ein Recht dazu, denn Er hat die Axt auf sich am Stamm des Kreuzes niedersinken lassen, auf dass wir nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Meine Lieben, so hoch und wert geachtet ist unser armes verschuldetes Leben, so groß ist der Wert jedes einzelnen Menschendaseins, welchem ja die Art des Todes schon an die Wurzel gelegt war, dass der eingeborene Sohn Gottes es zum Gegenstand der Fürbitte macht. Alle unsere Früchte, auch die besten, würden uns doch nur die Art, den Tod einbringen, wenn sie vor das heilige Auge des Richters kämen, aber das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, das da besser redet als Abels Blut, das übertönt die Stimme unserer Sünden und die laute Stimme unserer Mängel, weil Jesu Blut beständig schreit: Barmherzigkeit, Barmherzigkeit.

Er will aber noch mehr tun: „Lass ihn noch dies Jahr, dass ich um ihn grabe und bedünge ihn.“ Auch am unfruchtbaren Feigenbaum will er sich die Mühe nicht verdrießen lassen. So lange ein Mensch lebt, gibt Jesus die Hoffnung nicht auf, dass er ihn noch gewinnen kann, dass er noch einen fruchttragenden Baum aus ihm machen kann. Es gibt ja allerdings kaum etwas Schmerzlicheres auf Erden als den Jammer um ein verfehltes Leben. Aber kein Leben ist so verfehlt, dass es nicht durch die Bekehrung zu Jesu könnte fruchtbar und gesegnet werden.

III.

Wie geschieht das? An der Wurzel hebt der Herr allemal an, nicht an den Ästen und Zweigen, nicht an den Blüten und Früchten, sondern an der Wurzel umgraben und bedüngen will ihn der himmlische Weingärtner. Das Umgraben geschieht mit dem scharfen Spaten des Gesetzes, damit er den Menschen zur Buße bringe. Da gräbt und gräbt er, dass die harte Erde springt, immer tiefer, immer schärfer das tut weh. Aber ohne solch' Herzweh der göttlichen Traurigkeit, ohne solche Spatenstiche des Gesetzes, die uns den Grund des Herzens aufdecken, wird das harte trotzige und verzagte Herz nicht gebrochen, nicht gründlich erweicht und kein fruchtbarer Grund gewonnen. Welche Mühe hat aber der Herr, uns nur zu überzeugen von unserer Unfruchtbarkeit, von unserer verborgenen Selbstgerechtigkeit. Die Erkenntnis des Missverhältnisses zwischen unserm Tun und Gottes Güte ist denn doch das Allergeringste und das Allererste. Ach, dass du jetzt, jetzt dich doch soweit umgraben ließest, dass du bekennen wolltest: Herr, gehe nicht ins Gericht mit mir, du hast so viel an mich gewendet und ich habe so viel versäumt.

Und wenn er umgegraben hat, so will er auch bedüngen, Er will dem Baum neue Kraft zuführen - nicht aus eigener Kraft soll er's tun, sondern aus dem Boden, den der Herr bereitet hat, soll er mit verborgenen Wurzeln saugen Kraft um Kraft. Die Kraft aber, die er dem Baum zuführt, ist sein teures Evangelium, die frohe Botschaft von seiner Gnade, es ist die Kraft seines Geistes, der im Wort an die Seele kommt und neuen frischen Trost und Mut gibt. Wer aber so sich umgraben und zur Buße bringen lässt, wer so im Glauben an die Vergebung der Sünden Leben und Seligkeit hat, der erfährt auch immer wieder das Regen und Bewegen, dem scheint die Sonne der erbarmenden Liebe Gottes auf die Herzwurzel, da steigt der Saft herauf, da bricht er heraus in Knospen und Blüten und Früchten, da wird aus dem unfruchtbaren Feigenbaum ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, das gerät wohl.

Ich kann aber nicht schließen, ohne den einen starken Ton unsers Gleichnisses noch zu wiederholen: „Herr, lass ihn noch dies Jahr.“ Es ist die Silvesterglocke unsers Textes. Ein Jahr liegt hinter uns mit Freud und Leid, mit seinem Sonnenschein und Gewitterwolken, mit viel Gaben Gottes, mit viel Sünden von uns, ein Jahr voll Güte Gottes und voll Ernst Gottes, ein Jahr mit all seinen Tränen und mit all seinem Anklopfen des Fingers Gottes an unsere Türen. „Herr, lass ihn noch dies Jahr,“ so tönt's an der Schwelle des neuen Jahres dir und mir, und der himmlische Weingärtner will kommen, will um uns graben und die Wurzeln stärken. Gott hat's uns doch wahrlich leicht gemacht. Er will selbst durch seine Arbeit und Mühe die Früchte in uns schaffen, Er will es Alles tun. Wohlan, so lass die Arbeit des Weingärtners an dir geschehen und halte ihm auch heute Abend stille. „Herr, lass ihn noch dies Jahr,“ das töne in unsere Seele und lasse es uns inne werden, dass jedes Jahr, das wir erleben, uns von Christo erbeten ist, der nicht ablassen will, an unserer armen, kranken Seele zu arbeiten. Auf diesen unsern großen Hohenpriester wollen wir unsere Augen richten, ihn sehen, wie er im Himmel, im Allerheiligsten steht und seine durchgrabenen Hände für uns aufhebt und wollen ihm unter Lobgesang bekennen: Herr Jesu, dir leb ich, Herr Jesu, dir sterb ich, Herr Jesu, dein bin tot und lebendig, mach mich ewig selig. Amen.

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autoren/f/frommel_max/frommel_max_-_silvester.txt · Zuletzt geändert: von aj
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