Danichius, Hilarion - Auf Mariä Reinigung.

Danichius, Hilarion - Auf Mariä Reinigung.

Wie wahr es ist, meine lieben Brüder, was der Herr sagt: „Ich bin nicht gekommen das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen,“ das tritt im heutigen Evangelio recht deutlich heraus. Denn siehe, der Gesetzgeber unterwirft sich dem Gesetze, und zwar einem Gesetze, das für die Sünder gegeben war, und er hatte doch keine Sünde gethan.

Was thuest du doch, du gebenedeiete Jungfrau? Oder weißt du nicht, daß du deinen Sohn ohne sündliche Lust empfangen und geboren hat? Hast du schon vergessen die Worte des Engels, der da sprach: „Darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.“ Wenn heilig ist, ja wenn aller Heiligkeit Quell und Ursprung ist, was von dir geboren ist, wozu dann die Reinigung? Wir wissen vom Apostel Paulus, „das was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind;“ du aber bist nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, sintemal ohne das Gesetz die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, durch dich uns ist offenbaret worden. Wo bleibt nur deine Reinigung? Sie ist aus geschlossen. Durch welches Gesetz? Durch der Werke Gesetz? Nicht also, sondern durch das Gesetz deines Sohnes. So halten wir es nun, daß der Mensch gereinigt werde durch deinen geliebten Sohn ohne des Gesetzes Werke. Aber die Lehrerin der Weisheit hält uns hienieden das Wort der Weisheit entgegen: „Laß also gehen, denn also gebühret es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Bis jetzt gilt jenes Gesetz; bald wird Christus, mein Sohn, dem Gesetze ein Ende machen, denn dazu ist er in die Welt gekommen, daß er das Gesetz, dem er selbst unterworfen ist, erfülle. So erkennet, meine Brüder, die Demuth und den Gehorsam des Sohnes und seiner Mutter, und lernet, daß Unterordnung besser ist, als Erhebung. Denn obwohl sie sich hätte über das Gesetz erheben können, wollte sie doch, als die Dienerin der Gnade, sich viel lieber dem Gesetz unterordnen, auf daß durch ihr Beispiel verstopfet werde der Mund Aller, die sich gerecht zu sein dünken, und es doch nicht sind, und alle Welt sich unter Gott beuge. Wer sich am tiefsten demüthigt, der wird der Größeste sein und reiche Gnade erlangen. Was sagst du dazu, der du ganz in Sünden empfangen und geboren bist, und doch selten an die Reinigung von deinen Sünden denkst, ja bisweilen vor ihr zurückschreckt? Wenn du wie ein Verbrecher bestraft werden solltest und dich doch keines Verbrechens schuldig wüßtest, wie stark würdest du dein Haupt schütteln? Wie würdest du dich mit Händen und Füßen gegen die dir drohende Schmach wehren? Wie sehr würdest du beklagen, daß dadurch dein guter Ruf vernichtet oder doch beschmutzt werde, daß du als ein Verbrecher dastündet, auch wenn du zur verdienten Demüthigung und nicht um eines strafbaren Vergehens willen leiden müßtest. Allerdings pflegt man meist den Schluß zu machen, es fällt einer nicht leicht in Strafe, wenn er keine Schuld auf sich geladen hat. Die aber tiefer in der Vollkommenheit gewurzelt sind, die fürchten nicht die Gerichte der Menschen, die über sie ergehen, auch wenn sie den Kelch der Schmach und Schande trinken müssen, sondern im Willen Gottes und in einem guten Gewissen finden sie Frieden und lassen sich daran genügen, daß sie wissen, Gott urtheilt ganz anders, als die Menschen. Was hilft es mir, wenn ich nach der Meinung der Menschen werth bin in den Himmel zu kommen, nach Gottes Urtheil aber davon ausgeschlossen werden muß? Wenn ich nach der Meinung der Menschen ein Paulus, aber nach Gottes Urtheil ein Saulus bin? O wie sehr betrügt man sich, wenn man sich an solch leeren Schatten ergötzt. Ich will lieber nach Gottes Schatzung der Geringste unter den Guten, als nach der Menschen Meinung der Vornehmste unter den Heiligen sein. Die gebenedeiete Jungfrau unterwarf sich dem Gesetze, das von der Weiber Reinigung geschrieben stand, und konnte, weil sie das that, als eine Schuldnerin des Gesetzes, als ein Weib erscheinen, die in Sünden empfangen und geboren hatte. War das aber deswegen der Fall? Vielmehr war sie von der Gnade Gottes gerade durch jene wunderbare Schwangerschaft und Geburt, mit der sie betraut worden, weit über das Gesetz hinaufgestellt worden. Nichtsdestoweniger fand sie ihre Freude daran, das Gesetz zu erfüllen, weil das, wie sie wohl wußte, ihrer Heiligkeit bei Gott keinen Eintrag that. Jeder ist gerade so groß, als er in den Augen Gottes ist, nicht größer, nicht kleiner, sagt Franziskus. Laßt uns jene That der Demuth noch weiter betrachten. Was nun folgt, ist eine That der größten Liebe gegen Gott und Menschen. Die fromme Jungfrau trägt die süße Frucht ihres Leibes zum Tempel Gottes und bringt sie dort Gott dar zu einem süßen Geruch. Ach Gott, was für ein gewaltiges Feuer entbrannte damals in den Herzen beider, derer, die darbrachte, und dessen, der dargebracht wurde. Daß doch nur der kleinste Funke davon in mein Herz fiele, es würde dadurch wie Gold geläutert werden. Die gebenedeiete Mutter wollte ein so großes Gut, einen so kostbaren Schatz, Jesum ihren Sohn, nicht allein für sich behalten, sondern sie brachte ihn dar im gemeinsamen Tempel zum gemeinsamen Heile. Aller. Sie sprach, nicht mir allein ist dieser hier geboren, sondern allem Volke; denn darum ist er in die Welt gekommen, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Darum will ich den gemein machen, der mit meiner so großen Niedrigkeit gemein geworden ist. Also hat sie eine Liebesthat gethan, die Allen zu gute kommt, denn nicht allein für sich, auch für uns. Alle hat sie ihn dargebracht. Das Gute, das wahrhaft gut ist, theilt sich stets gern mit und läßt sich nicht in allzu enge Schranken schließen.

Einst, meine Brüder, geschahen im Tempel zu Jerusalem viele Opfer, aber nie ward ein Opfer ersehen, geschweige dargebracht, das höhere Würde und reicheren Werth hatte. Was meint ihr wohl, wie viel ists werth? Ihm gegenüber sind alle Schätze der Welt für nichts zu achten; der kostbarste Edelstein kann mit ihm gar nicht in Vergleich gestellt werden; denn ihm gegenüber ist alles Gold armer Sand und Silber wie Koth. Durch dieses Opfer nämlich, das damals die gebenedeitete Jungfrau begonnen und hernach ihr Sohn auf dem Altare des Kreuzes vollendet hat, empfangen erst alle andern Opfer ihre Kraft, gleichviel, ob sie schon vor Zeiten dargebracht wurden, oder jetzt noch dargebracht werden. Auch ein Paar Turteltauben, oder zwei junge Tauben wurden im Verein mit dieser Gabe dargebracht, Gott zu einem angenehmen Opfer und zu einem süßen Geruch. Das deutet auf ein Geheimniß. Auf welches wohl? Darauf, daß der Herr das größte Wohlgefallen hat am Seufzen der geistlich Armen und an der Eintracht der Brüder. Die Turteltauben deuten auf Seufzen, die Tauben auf Eintracht. Lieben Brüder, laßt uns eine Turteltaube sein, laßt uns Gott in der Stille ein um der eigenen und fremden Sünden willen zerbrochenes und zerschlagenes Herz darbringen; laßt uns im Verkehr wie Tauben ein freundlich, friedfertig, voll brüderlicher Liebe. Keiner beleidige den andern mit Worten oder Werken, keiner mache dem andern Unruhe, Niemand trage die Galle der Bitterkeit und des Grolles in seinem Herzen, sondern laßt uns einmüthig dem Himmel zufliegen, als die Alle von Gott gelehret sind: und der Gott des Friedens und der Liebe wird mit uns sein. Darum traget einer den andern in der Liebe; seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens, ein Leib und ein Geist sollt ihr sein, gleich wie ihr auch berufen seid zu einerlei Hoffnung eures Berufs. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei sei ferne von euch. Seid aber unter einander freundlich, herzlich, und vergebet einer dem andern, gleich wie Gott euch vergeben hat in Christo. Zuletzt müsse in unsere Seele kommen jenes selige Verlangen des Simeon, der aufgelöst und mit Gott vereint zu sein wünschte, Laßt uns daran denken, daß wir hier keine bleibende Statt haben, sondern die zukünftige suchen. Denn wir sind von gestern her und wissen nichts, unser Leben ist ein Schatten auf Erden. Wir müssen einmal sterben, wozu sollen wir die Hoffnung des Lebens in die Länge dehnen.

Denket daran, meine Lieben, unser Leben fährt dahin wie ein Wind, wie ein Rauch, der eine kleine Zeit währet. Unsere Tage sind schneller, als ein Läufer; sie fliehen dahin und erleben nichts Gutes; sie eilen dahin, wie die Schiffe, darinnen man Früchte ähret, und wie ein Adler, der nach Speise fliegt. Wir vergehen wie Moder, und wie ein Kleid, das die Motten fressen. Alles Fleisch ist Heu, und alle Menschen sind Erde und Asche. Die Sonne gehet auf mit ihrer Hitze und dörret das Gras, und seine Blüthe verwelket und seine Schöne verschrumpfet. Ein einziges geringes Fieber nimmt oft die ganze Herrlichkeit des Menschen hin. Es stirbt der Reiche, es stirbt der Arme, der eine wie der andere wird Staub. Von Geburt sind wir ungleich, der Tod macht uns gleich. Alle sind gleich hinfällig, keiner ist des morgenden Tages gewiß. Unser ganzes Leben ist ein unablässiges Sterben. Nur der ist glücklich, der immer bereit ist zu sterben, der sich sehnt, abzuscheiden und bei Christo zu sein. Wann auch der Tod ihn überraschen möge, er wird ihm stets eine Erquickung sein. Er sieht den Tod eher, als ihn der Tod sieht, und der Auszug seiner Seele aus dem Leibe wird ihm der Einzug ins Leben. Denn er wird aus dem Lande der Sterbenden hinweggenommen und versetzt in das Land der Lebendigen, wo kein Tod mehr sein wird, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein wird.

Dorthin stand Simeons Hoffnung, dorthin richtete er seine Augen, dorthin begehrte er einzugehen. So laßt uns mit ihm ziehen und mit ihm sterben, auf daß wir mit ihm in Frieden Jahren aus diesem Elende dahin, wo Gott ist, hochgelobt in Ewigkeit. Amen.

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