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1. Timotheus, Kapitel 1

1. Timotheus, Kapitel 1

1:1 Paulus, ein Apostel Jesu Christi nach dem Befehl Gottes, unsers Heilandes, und des HERRN Jesu Christi, der unsre Hoffnung ist,
Wahre Christen sind Kinder Gottes, und gerechtfertigt durch den Glauben an Christum, und haben Gnade. Der Heilige Geist ist ihnen als ein Siegel und Pfand gegeben; ja sie haben schon das ewige Leben: doch hoffen sie noch Vieles. Sie hoffen eine Erlösung von allem Uebel, ein unvergängliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit. Ohne diese Hoffnung wären sie die elendesten unter allen Kreaturen; denn sie hätten alsdann auch diejenigen geistlichen Gaben nicht, welche ein Angeld und Erstling der zukünftigen sind, und müßten dieses ihre ganze Weisheit sein lassen: lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt. Paulus sagt aber: Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Der Sinn dieser Worte ist dieser: wenn der Heiland Christus nicht wäre, so hätte auch keine Hoffnung bei uns statt. Weil aber Gott die Welt also geliebt hat, daß Er seinen eingebornen Sohn gab, und der Sohn Gottes Sich selbst zur Erlösung gegeben hat, so ist für die Glaubigen eine Hoffnung vorhanden. Sie dürfen hoffen, um des vergossenen Blutes Jesu und um Seiner Fürbitte willen von allem Uebel erlöset und in das himmlische Reich Gottes aufgenommen zu werden. Der HErr Jesus Christus hat ihnen Alles, was sie hoffen können, erworben; er ist’s aber auch, der es ihnen selber geben wird. Er nimmt ihre Seelen, wenn sie von den Leibern getrennt werden, auf. Er erweckt ihre Leiber aus den Gräbern. Er spricht ihnen das himmlische Erbe am jüngsten Tag durch einen richterlichen Machtspruch zu, und gibt es ihnen wirklich nach dem Willen Seines Vaters. Lasset uns also auf Christum sehen, wenn wir hoffen wollen. Wenn wir nur uns selber ansehen, wie wir elende, mangelhafte, sterbliche und überdieß unreine, und schuldhafte Menschen sind, so steht kein Grund der Hoffnung vor unsern Augen; ja wenn wir die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, von welcher die heilige Schrift redet, das Herrschen mit Christo, das Sitzen auf Seinem Thron, den Sonnenglanz in des Vaters Reich, das Erben mit Christo u.s.w. betrachten, so scheint es unglaublich zu sein, daß ein Mensch, der nach vielem Straucheln und Leiden auf dem Todtenbette röchelt, und unter erbärmlichen Umständen sterben muß, auf diese erstaunliche Höhe werde erhoben werden: aber Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Dieser füllet den unermeßlichen Abstand, der zwischen der himmlischen Herrlichkeit und dem irdischen Elend ist, mit Seiner Gerechtigkeit und mit Seiner Lebenskraft aus. Dieses ist Seine Ehre, daß Er aus der Tiefe in die Höhe, aus dem Tod in’s Leben, aus der Traurigkeit in die Freude führt. So will ich denn bei der Erkenntniß und Empfindung meiner Sünden und Leiden fleißig auf meinen HErrn Jesum Christum sehen, weil Er meine Hoffnung ist. Der Heilige Geist verkläre Ihn noch weiter in mir, und mache mich tüchtig, Glaubensblicke auf Ihn zu thun; damit ich mit guter Hoffnung, wie es einem Christen gebührt, die mir beschiedenen Leiden ertragen, und dereinst auch im Frieden dahinfahren könne. (Magnus Friedrich Roos)


Wenn wir eine gegründete Hoffnung haben wollen, in allen Nöthen und Gefahren erhalten, gegen den Geist der Welt geschützt, aus allem Uebel erlöset, und in das himmlische Reich Gottes nach diesem Leben aufgenommen zu werden: so müssen wir uns an den HErrn Jesum Christum halten; denn dieser allein ist unsere Hoffnung. Nur die Reben an Christo dem Weinstock, nur die Glieder Seines Leibes, nur die Schafe, die Ihm als Hirten angehören, nur diejenigen, die durch den Glauben in Ihm erfunden werden, sind diejenigen, denen Gott hilft, die Gott segnet und schützt, und denen Er zuletzt Sein Reich als ein Erbe schenkt. Die Hoffnung des Heuchlers, der außer Christo sich selber in seinem Thun gefällt, die Hoffnung des Gottlosen, welcher frech sagt: wer ist der HErr Jesus Christus, dessen Stimme ich hören sollte? wird verloren sein. Wer aber dem HErrn Jesu Christo angehört und anhangt, genießt in Ihm viel Gutes, und hofft noch viel mehr Gutes, und diese seine Hoffnung läßt ihn nicht zu Schanden werden. Als HErr hat Er Alles in Seiner Hand, und es ist ihm ein Leichtes, die Welt so zu regieren, daß Seine Kinder Raum bekommen, darin unanstößig zu wandeln, und Seinen Willen auszurichten. Auch hat Er die Macht, sie in den Himmel aufzunehmen, weil Er selbst den Himmel als der HErr desselben eingenommen hat, Ap. Gesch. 3,21. Als Jeus ist Er ihr Erlöser, und will diesen Namen an ihnen wahr und sie selig machen von ihren Sünden. Als Christus ist Er der Gesalbte, und will das Freudenöl, womit Er ohne Maßen gesalbt worden ist, auch auf sie fließen lassen, und sie dadurch Seiner Freude theilhaftig machen. In dem menschlichen Leben kommen viele Fälle vor, bei welchen die Hoffnung den Menschen stärken und aufheitern muß, niemals aber trägt die Hoffnung mehr aus, als wenn man dem Tod nahe ist. Nun soll der Mensch aus der sichtbaren Welt gehen, deren er gewohnt war, und in eine andere übergehen, die er noch nie gesehen hat. Nun soll er sehen, was er noch nie gesehen hat, hören, was er noch nie gehört hat, fühlen, was er nie gefühlt hat; nun soll sein ewiges Schicksal einen großen Ausschlag bekommen. Soll er nun als ein Gerechter auch im Tode getrost sein, so muß er Hoffnung haben; diese Hoffnung aber muß ihm sein HErr Jesus Christus sein. In der Einfältigkeit auf Ihn müssen seine Seelenkräfte zusammen gefaßt sein. Er muß sich bewußt sein, daß er an Ihn glaube, Ihm anhange und angehöre, und von Seinem Namen, oder von Allem, was er von Ihm hört, eine Kraft empfinden. Bei wem es so steht, an dem wird das Wort Salomo’s Spr. 10,28. erfüllt werden: das Warten der Gerechten wird Freude werden; an den Unglaubigen und Gottlosen aber der Ausspruch, der dabei steht: der Gottlosen Hoffnung wird verloren sein. Niemand lasse es aber darauf ankommen, daß er erst auf seinem Todtenbett sich zu dem HErrn Jesu Christo wenden, und Ihn da in der Schnelle gleichsam erhaschen wolle. Der Glaube ist alsdann nicht Jedermanns Ding; darum sollen wir in gesunden Tagen, alldieweil wir das Evangelium hören, dieses unser Bestreben sein lassen, daß wir Christum gewinnen, und in Ihm erfunden werden. (Magnus Friedrich Roos)

1:2 dem Timotheus, meinem rechtschaffenen Sohn im Glauben: Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, unserm Vater, und unserm HERRN Jesus Christus!

1:3 Wie ich dich ermahnt habe, daß du zu Ephesus bliebest, da ich nach Mazedonien zog, und gebötest etlichen, daß sie nicht anders lehrten,

1:4 und nicht acht hätten auf die Fabeln und Geschlechtsregister, die kein Ende haben und Fragen aufbringen mehr denn Besserung zu Gott im Glauben;

1:5 denn die Hauptsumme des Gebotes ist Liebe von reinem Herzen und von gutem Gewissen und von ungefärbtem Glauben;

1:6 wovon etliche sind abgeirrt und haben sich umgewandt zu unnützem Geschwätz,

1:7 wollen der Schrift Meister sein, und verstehen nicht, was sie sagen oder was sie setzen.

1:8 Wir wissen aber, daß das Gesetz gut ist, so es jemand recht braucht

1:9 und weiß solches, daß dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist, sondern den Ungerechten und Ungehorsamen, den Gottlosen und Sündern, den Unheiligen und Ungeistlichen, den Vatermördern und Muttermördern, den Totschlägern

1:10 den Hurern, den Knabenschändern, den Menschendieben, den Lügnern, den Meineidigen und so etwas mehr der heilsamen Lehre zuwider ist,

1:11 nach dem herrlichen Evangelium des seligen Gottes, welches mir anvertrauet ist.

1:12 Ich danke unserm HERR Christus Jesus, der mich stark gemacht und treu geachtet hat und gesetzt in das Amt,

1:13 der ich zuvor war ein Lästerer und ein Verfolger und ein Schmäher; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan im Unglauben.
Damals, als Paulus den Kampf gegen die Christenheit führte, hieß das, was er dachte, seine völlig gewisse Erkenntnis und meinte, seine Überzeugungen seien unangreifbar, da die klaren Aussagen der Schrift sie begründeten. Jetzt aber nennt er alles, was er damals dachte, Unwissenheit. Von allem machte er sich ein völlig falsches Bild, von dem, was die Judenschaft war und mit ihrem Gottesdienst erreichte, von dem, was Jesus war und an seinem Kreuz geschaffen hat, von dem, was die Jünger Jesu waren und in ihrer neuen Gemeinde taten. Alles stellte er sich anders vor, als es war, alles so, wie es zu seinem eigenen Willen passte. Aus der Unwissenheit können aber nur verkehrte Schritte entstehen; sie führt zur Verdammung der Gerechten, zum wahnsinnigen Wagen, das Gottes Werk stören will. Paulus hat aber im Rückblick auf das, was er einst getan hat, nicht nur von seiner Unwissenheit gesprochen, sondern sich auch ungläubig genannt. Hätte er nur in Unwissenheit gehandelt, so diente ihm das zur Entschuldigung. Dann bedurfte er nur das, dass ihm zur Erkenntnis geholfen wurde. In der Tat war er dessen bedürftig, der den Nebel seiner blinden Gedanken verscheuchte und ihm die Wahrheit enthüllte. Er brauchte aber eine noch größere Gabe als Unterricht, nämlich Vergebung, weil er nicht nur aus Unwissenheit, sondern aus Unglauben gehandelt hat. Es gab auch in der Zeit, da er Verfolger war, Stunden, in denen die Decke riss, die seine wirren Gedanken über die Dinge bereiteten, in denen die Schrift so zu ihm sprach, dass sie das Wort Jesu bestätigte, und er der herrlichen Heiligkeit Jesu nicht widersprechen konnte und das Bekenntnis der Jünger an ihm seine Wahrheitsmacht bewährte. Solche Stunden, in denen ein Lichtstrahl zwischen unsere eigenen dunklen Gedanken hineinfällt und uns die Dinge anders zeigt, als wir meinen, tragen den Ernst der Entscheidung in sich. Dann ringen Wahrheit und Unwissenheit in uns miteinander und es kommt ans Licht, wohin unser Wille strebt, woran wir unsere Liebe hängen. Unsere Unwissenheit und unser Unglaube stützen sich gegenseitig. Unsere verkehrten Gedanken widersetzen sich dem Glauben, den wir der Wahrheit schulden, und unser Unglaube, der ihr nicht gehorchen mag, macht unsere törichten Gedanken in uns fest. Wir durchschauen das, was in uns geschieht, nie ganz und können darum uns und die anderen weder entschuldigen noch beschuldigen. Aber keiner von uns urteilt redlich, wenn er nur seine Unwissenheit sich zum Schutze geltend macht. Sie hat immer ihren Bundesgenossen in unserem Unglauben, und deshalb gibt es keinen, der nicht das bedurfte, was Paulus als Jesu große Gabe preist, die Barmherzigkeit, die uns vergibt.
Nicht aus dem, was mir fehlt, entsteht, mein Herr und Gott, meine schwere Not, sondern aus dem, was Du mir gabst und ich nicht schätzte und wegstieß. Ich fühle freilich beständig die dunkle Beschattung und enge Begrenzung meines Blicks; aber die Klage, vor der es keine Rechtfertigung gibt, entsteht aus dem, was ich vergeblich weiß, aus der Erkenntnis, die unfruchtbar bleibt, weil ich inwendig ihr Gegner bleibe. Darum ist das Wort vom Kreuz in seiner Torheit mein Heil, weil ich für meinen Unglauben Dein Vergeben brauche und es empfange am Kreuz Deines Sohnes, unseres Herrn. Amen. (Adolf Schlatter)


Wer ist, der dieses mit Gewißheit sagen kann? Wenn Jemand auch von der Taufe an seinen Gnadenstand behauptete und dem HErrn treu bliebe, so müßte er doch täglich sagen: mir ist durch die heilige Taufe und hernach durch das Evangelium und das heilige Abendmahl Barmherzigkeit widerfahren, durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und Seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen. Wer aber, wie Paulus, einen Theil seines Lebens als ein Gottloser zugebracht hat, und deßwegen sagen muß: ich war zuvor ein Lästerer, oder wenigstens ein wollüstiger, lügenhafter, leichtsinniger Mensch, der ohne Gebet und Glauben, ohne Furcht und Liebe Gottes dahin lebte, und von einer Sünde in die andere fiel, und gern darin fiel, und lange nicht mehr aufzustehen begehrte, lange den breiten Weg nicht verlassen wollte – wer dieses bekennen muß, und hernach mit Schrecken und Schmerzen unter dem göttlichen Beruf und Zug zu sich selber kommt, sich für verloren hält, Gnade mit einem anhaltenden Flehen sucht, zuerst sparsam, hernach reichlicher empfindet, endlich derselben durch einen besondern Ausguß der Liebe Gottes in dem Herzen vergewissert wird, und sich nun gestärkt fühlt, dem HErrn Jesu, den man nun in Seinem eigenen Licht erkennt, zu leben und zu dienen: - ein solcher Mensch kann mit völligem Recht und großer Gewißheit sagen: mir ist Barmherzigkeit widerfahren. Es ist unmöglich, daß ein solcher Mensch das Gute, das ihm widerfahren ist, für einen Lohn halte, den ihm Gott schuldig gewesen. Wer so denken kann, ist noch nicht bekehrt und begnadigt. Es ist aber auch unmöglich, daß ein solcher Mensch der Barmherzigkeit, die ihm widerfahren ist, niemals gewiß sein sollte, denn die Veränderung, die mit ihm vorgegangen, ist so merklich, und die Empfindungen der göttlichen Liebe sind oft so lebhaft, und unterscheiden sich durch ihre Beschaffenheit und Wirkung so deutlich von Allem, was Vernunft und Einbildung ausgebären kann, daß der Mensch oft mit Gewißheit sagen kann: mir ist Barmherzigkeit widerfahren. Freilich gibt es dunkle Stunden, in welchen man sich seines Gnadenstandes, welcher alsdann durch die vorschlagenden Empfindungen des geistlichen und leiblichen Elends verdeckt wird, nicht mit Freudigkeit bewußt ist; auch gibt es Lehrformen, in welchen das Zweifeln und die Finsterniß der Seele als eine Tugend gepriesen, oder durch welche man angewiesen wird, auf hohe und ungemeine Gnadenerweisungen zu warten, und das Christenthum nur nach einer hohen Stufe desselben anzusehen; da dann der Mensch, dem schon Barmherzigkeit widerfahren ist, nicht merken will, daß sie ihm widerfahren sei, und die Perle des Reiches Gottes immer sucht, und nicht weiß, daß er sie schon gefunden habe. Gott schenke einem Jeden, dem Barmherzigkeit widerfahren ist, eine richtige Erkenntniß der Wahrheit, und erhalten seine Seele in einer ordentlichen Fassung, damit er wisse, daß sie ihm widerfahren sei. (Magnus Friedrich Roos)

1:14 Es ist aber desto reicher gewesen die Gnade unsers HERRN samt dem Glauben und der Liebe, die in Christo Jesu ist.

1:15 Das ist gewißlich wahr und ein teuer wertes Wort, daß Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin.1)
S. Paulus gibt dem Euangelio aus sonderlichem bedacht den zusatz/ Es sey ein Wort/ das gewislich war ist. Uns damit freundlich zu locken und reitzen/ das wirs getrost sollen annemen/ als ein solch Wort/ welchs Gott mit klaren gewissen Zeugnissen/ und Mirackeln/ durch die Propheten/ Christum und apostel/ geoffenbart habe.
Vermanet auch daneben der Weltklugen gedancken und rede zu meiden/ die da furgeben/ das Euangelium sey eine finstere/ unrichtige und ungewisse Lere/ Darumb sol man jm nicht glauben geben.
DAs aber frome Leut ein die gedancken nicht geraten/ Das Euangelium sey zwar an jm selbs wol war und gewis/ Es gehe aber solchs uns nicht an / Darumb seien wir sein nichts gebessert/ Gibt er jm noch ein zusatz/ welcher der Weltklugen gedancken gar entgegen ist/ und spricht.
Es sey zu dem auch ein tewer werdes Wort/ weil es von vergebung der sünden/ von gerechtigkeit/ die fur Gott bestehet/ vom ewigen Leben und Seligkeit leret/ derhalb es billich alle Menschen nur hertzlich gern annemen solten/ und auff sich deuten/ was es von ewigen himlischen Gütern saget.
WEiter zeigt er auch ursach an/ warumb daran nicht zu zweiveln sey/ und spricht/ Denn Jhesus Christus ist in diese Welt komen/ die Sünder selig zu machen.
Als wolt er sagen. Ob wir gleich sündige unwirdige Leute sind/ welchs wir gerne und frey bekennen/ Gleichwol sollen wir uns aller gnade und gutes zu Gott versehen/ und mit freidigkeit zu jm tretten/ nicht vermessen auff unsere wirdigkeit/ Sondern getrost und sicherlich uns verlassen auff Gottes verheissung/ und auff das verdienst des sons Gottes/ unsers Mittlers und Hohenpriesters. (Philipp Melanchthon)


Es liegt wohl etwas Rührendes und Trostreiches darin, daß Christus mit den Sündern umgehet und sich in freundlicher Güte zu ihnen herabläßt. Was ihm die stolzen Pharisäer zum Vorwurf machen: „dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen“ (Luc. 15, 2) - gerade das macht ihn bei den Gläubigen so groß und anbetungswürdig.
Mitten unter ihnen stehet er da, heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert und höher denn der Himmel. Hebr. 7, 26. Eine innige Liebe, ein herzliches Erbarmen treibt ihn in die Mitte der Unglücklichen. Zu den Verlorenen aus dem Hause Israel, zu den Kranken und Elenden kommt er. Sie will er gewinnen für den Dienst seines himmlischen Vaters, sie will er erlösen von dem Jammer und Fluch der Sünde, sie will er erquicken mit dem Troste der göttlichen Gnade. Zu den Kranken, Siechen und Gichtbrüchigen kommt der Helfer aus aller Noth. Sie sollen schmecken und fühlen, wie freundlich der Herr ist (Ps. 34, 9) sich dann zu ihm bekehren und ihm dienen in dankbarer Liebe. Man hört kein scheltendes Wort, keine strafenden Vorwürfe. „Sei getrost! Deine Sünden sind dir vergeben! - Stehe auf und wandele! - Hat dich Niemand verdammt, so will ich dich auch nicht verdammen. Gehe hin und sündige fort nicht mehr.“ So spricht der Herr milde und freundlich, trostreich und ermunternd.
Wie sind die Menschen oft so hart und lieblos, wenn sie Andere richten! Sie verdammen, wo sie schonend urtheilen, sie verwunden, wo sie den Schmerz heilen, sie treten nieder, wo sie liebreich aufrichten, sie erheben sich in Stolz, wo sie demüthig an ihre Brust schlagen sollten. „Einem betrübten Herzen muß man nicht mehr Leids machen,“ sagt Sirach (4, 3), und so will ich ein Gemüth, das von eigenen Vorwürfen schon schwer genug belastet ist, nicht noch vollends niederdrücken, sondern wie der Herr sanft, theilnehmend, herzlich und zur Besserung behülflich sein. Wer bin ich doch auch, daß ich einen fremden Knecht richte? Den Splitter sehe ich in des Bruders Auge und den Balken im eigenen Auge werde ich nicht gewahr. „Ach Herr,“ sollten wir alle mit Petrus sprechen, „weiche von mir, ich bin ein sündiger Mensch.“ Luc. 5, 8. (Spieker, Christian Wilhelm)

1:16 Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, auf daß an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigte alle Geduld, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben.

1:17 Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren und allein Weisen, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.
Nachdem Paulus die Barmherzigkeit, die ihm als einem ehemaligen Lästerer und Verfolger und Schmäher widerfahren war, gepriesen, und dieselbe aus der Erlösung Jesu Christi hergeleitet hatte, so erhob er sich endlich zu der höchsten Quelle, aus welcher Alles, auch die Erlösung Jesu Christi, herfloß, und sagte: Gott dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, dem alleinigen Gott, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Gott ist ein ewiger König, der das höchste Recht hat zu begnadigen und zu verdammen, und der, wenn Er begnadigen will, auch einen Mittler, durch den die Begnadigung geschehen konnte, hat aufstellen können. Wenn Er einem Sünder Barmherzigkeit erzeigt, so hat es ewige Folgen, da die sterblichen Könige auf Erden nur auf eine kurze Zeit wohlthun können. Er hört nie auf König zu sein; folglich werden auch die Geschöpfe, über die Er herrscht, nie aufhören zu sein. Er ist unvergänglich, weil Er das Leben in Sich selber hat. Die nach einander dahin fließenden Zeiten und Ewigkeiten verursachen Ihm kein schwaches Alter, Er bleibet wie Er ist, der immer gleich lebendige, gleich weise, gleich gute, gleich heilige Gott. Die Ausflüsse und Mittheilungen, die von Ihm herkommen, vermindern nichts und erschöpfen nichts bei Ihm. Alle Seine Werke ermüden Ihn nicht. Wer also in Ihm ist, kann es ohne Aufhören sein. Gott ist unsichtbar im höchsten Verstand, folglich von den Göttern der Heiden unermeßlich unterschieden, von denen man glaubte, daß sie eine sichtbare Natur haben. Unsern Gott hat kein Mensch gesehen, und kann kein Mensch sehen, obschon einige Propheten Seine Gestalt, worin Er ihnen Seine unsichtbare Kraft und Gottheit als in einem Spiegel zeigte, gesehen haben. Aber Sein geistliches Wesen hat kein Mensch je gesehen, und kann kein Mensch sehen, und dieses beweist die unbegreifliche Vortrefflichkeit desselben, als welche so unendlich über Alles erhaben ist, daß keines Menschen leibliche oder geistliche Sinnen sie erreichen können. Doch damit uns der unsichtbare Gott nicht unbekannt bliebe, und weil die Gestalt, welche die Propheten sahen, nicht Alles entdecken konnte, so mußte Jesus Christus das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes werden, damit wir die Herrlichkeit Gottes in Seinem Angesicht sehen könnten. Wer Ihn sahe, der sahe den Vater. Wer Gott erkennen will, erkenne Christum, wie Er uns im Evangelium vor die Augen gemalt ist. Christus hat Seinen Sinn durch Worte und Werke genugsam geoffenbart, aber so, wie Er gesinnt war und noch ist, ist der unsichtbare Gott gesinnt. Gott ist der alleinige Gott, und hat deßwegen verboten, andere Götter neben Ihm zu haben. Wenn Er Seinesgleichen hätte, so wäre das Ihm gleiche Wesen auch Gott: Ihm ist aber nichts gleich, Er ist unvergleichlich, Er ist unermeßlich über Alles erhaben. Niemand soll also gefürchtet, geliebt, gelobt und angebetet werden, wie Er. Er ist der Einige, dem wir uns aufopfern, dem wir anhangen, und in dem wir selig sein sollen. Ob Er schon der Einige, und außer Ihm kein Gott ist, so hat Er Sich doch als der Vater, das Wort und der Heilige Geist geoffenbart: diese Drei aber sind Eins. Ihm sei Ehre! Ihm sei Herrlichkeit von mir und allen Geschöpfen! Ehre, weil Er der König der Ewigkeit ist; Herrlichkeit, weil Er der Unvergängliche, Unsichtbare und der alleinige Gott ist. Alles, was Athem hat, lobe Ihm. Hallelujah!(Magnus Friedrich Roos)

1:18 Dies Gebot befehle ich dir, mein Sohn Timotheus, nach den vorherigen Weissagungen über dich, daß du in ihnen eine gute Ritterschaft übest

1:19 und habest den Glauben und gutes Gewissen, welches etliche von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten haben;
Paulus hat in seinem ersten Briefe an den Timotheus etliche Mal mit großem Ernst von Gewissen geredet, 1 Tim. ,5. sagt er: die Hauptsumme des Gebots ist Liebe von reinem Herzen, und von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Kap. 3,9. sagt er von den Kirchendienern (Diaconis), daß sie das Geheimniß des Glaubens in reinem Gewissen haben sollen. Kap. 4,1. aber sagt er von gewissen Verführern, daß sie in Gleißnerei Lügenredner seien und Brandmale in ihrem Gewissen haben, das ist, das Angedenken eigener Uebelthaten, und die innerliche Verurtheilung wegen derselben als Brandflecken in sich herumtragen, Kap. 1,19. aber ermahnt er den Timotheus, daß er sich üben solle, Glauben und gut Gewissen zu haben u.s.w. Ueberall verbindet er das gute oder reine Gewissen mit dem Glauben, und es ist freilich nöthig, daß ein Sünder, den das Gesetz wegen aller seiner Werke und seines ganzen Zustandes verdammt, zuvörderst im Glauben zu Christo nahe, und die Reinigung des Gewissens durch Sein Blut suche und erfahre, Hebr. 9,14. Wer nie durch das Blut Jesu gerecht wird, wer nie Vergebung seiner Sünden und den Frieden mit Gott erlangt, hat nie kein gutes Gewissen, und was er für ein solches hält, ist Sicherheit, Unempfindlichkeit, Leichtsinn, woraus er durch das Gesetz aufgeweckt werden sollte, um durch den Glauben die Rechtfertigung und durch die Rechtfertigung ein gutes Gewissen zu bekommen. Wer es aber erlangt, muß sich üben, täglich bis an sein Ende Glauben und ein gutes Gewissen zu haben. Wer im Glauben des Sohnes Gottes lebt, hält auch Seine Gebote, und wer Seine Gebote hält, hat ein gutes Gewissen. Die Sprache eines guten Gewissens ist Jes. 38,3. in dem Gebet des kranken Königs Hiskia enthalten. Man ist sich zwar seiner Mängel und Gebrechen, aber auch der Gnade und der Aufrichtigkeit, mit welcher man vor Gott wandelt, täglich bewußt. Zuweilen kommt eine Uebereilung vor, worüber das Herz den Christen verdammt; er unterwirft sich aber schnell der Bestrafung des Heiligen Geistes, und sucht und findet wieder durch’s Gebet Gnade bei Gott, der größer ist als ein Menschenherz und alsdann ist das gute Gewissen wieder da, und der Glaube wieder in seinem vorigen Gang. Wenn aber ein Mensch nach der erlangten Gnade muthwillig sündigt, die Sünde lieb gewinnt, sich ihr als ein Knecht hingibt, und von seinem Fall nimmer aufzustehen begehrt, so hat er das gute Gewissen von sich gestoßen, und ist in seinem Gewissen durch das Bewußtsein seiner Uebelthaten gleichsam gebrandmarkt. Gleichwie ein Schiffmann sein Schiff in einem Schiffbruch verliert, also hat ein solcher Mensch den Glauben verloren. Wenn er aber doch noch vom Glauben und überhaupt vom Evangelio schwätzt, so thut er’s in der Heuchelei. Gemeiniglich aber erkühnen sich solche Leute auch als Lügenredner, die Greuel, die sie begangen haben, unter dem Vorwand einer sonderlichen tiefen Weisheit, wie die Isabel zu Thyatira, für unschädlich und erlaubt auszugeben, und Andere dadurch zu verführen. Nun HErr, sei uns gnädig und vergib uns unsere Sünden um Christi willen, so wollen wir uns üben, Glauben und ein gutes Gewissen zu haben bis an unser Ende. (Magnus Friedrich Roos)

1:20 unter welchen ist Hymenäus und Alexander, welche ich habe dem Satan übergeben, daß sie gezüchtigt werden, nicht mehr zu lästern.
Die Briefe an Timotheus und Titus nennt man Pastoralbriefe, weil sie Anleitungen zur Aufsicht über die Kirche und zur Verwaltung des geistlichen Lehramts enthalten. Es waren damals eigenthümlich grübelnde, falsch gesetzliche Irrlehrer in den Gemeinden aufgestanden. Paulus ermahnt daher seinen Schüler Timotheus, er solle ihnen entgegentreten und dem Mißbrauch des Gesetzes wehren durch dessen rechten Gebrauch und die reine selige Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo für alle, auch die größten Sünder. Die Grund- und Kernlehre unseres christlichen Glaubens ist auch heute noch dieselbe: “Das ist je gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort, daß Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.“ Während reiche vornehme Leute zu den armen, denen sie helfen wollen, einen Boten schicken oder sie in ihr Schloß rufen lassen oder Alles schriftlich abmachen, ist Er selbst zu uns gekommen, die Erde ist Ihm nicht zu niedrig und die Menschheit nicht zu schlecht gewesen. Ein König, der seine Krone niederlegt und Tagelöhner wird, hat noch nie gelebt: das ewige Wort aber hat gelegen in der Krippe zu Bethlehem. Jeder Fürst ließe Unterthanen, die ihm Trotz bieten und sich empören, gefangen nehmen, und zum abschreckenden Beispiel auf’s Blutgerüst führen: Er aber liebt seine Feinde, thut wohl denen, die Ihm fluchen, bittet für die, so Ihn beleidigen und verfolgen. Wer faßt das tiefe Geheimniß solcher Liebe? Er ist gekommen in die Welt, die Sünder, die keinen Frieden haben und der Verdammniß werth sind, selig zu machen. Hätte Gott die Sünden der Menschen weniger gestraft, als sie es verdient hatten, hätte Er sie durch den Tod nach Leib und Seele vernichtet, es wäre schon große Gnade gewesen; aber nein, Er bietet Leben und Seligkeit. Es klingt unglaublich, und doch ist’s wahr: Der Sünder soll, wenn er sich bekehrt, dahin gelangen, wo die Krone des ewigen Lebens strahlt. Worte sprechen das nicht aus, Herzen ahnen es kaum in ferner Dämmerung: dennoch ist’s die Wahrheit aller Wahrheiten, fester als die Berge Gottes. So will ich denn an diese beseligende Wahrheit mich halten, auf sie leben und sterben, in ihr all’ meinen Trost und meine Hoffnung suchen und durch sie siegen über alle Mächte der Hölle. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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