Kolosser, Kapitel 3
3:1 Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes.
Paulus hatte die Kolosser Kap. 2. vor einer gewissen morgenländischen Weltweisheit, welche mit dem Judenthum vermengt war, gewarnt, wodurch sie hätten ihrer Geisteskraft beraubt werden können (V. 8.). Diejenigen, welche dieser Weltweisheit ergeben waren, drangen auf die Beschneidung (V. 11.), auf die Enthaltung von gewissen Speisen und Getränken, auf die Feier gewisser Feste, der Neumonden und des Sabbaths (V. 16.), aber auch auf die Verehrung der Engel (V. 18.), und eine Härtigkeit gegen den eigenen Leib (V. 23.), und schwatzten viel von unsichtbaren Dingen, wie sie sich dieselben einbildeten. Dabei richteten sie Andere, die es nicht mit ihnen hielten (V. 16.), nahmen sich eine Meisterschaft über diejenigen heraus, welche sie an sich ziehen wollten, hatten einen Schein der Demuth, und waren doch aufgeblasen in ihrem fleischlichen Sinn (V. 18.). Bei dem Vorwand der Demuth wollten sie sich nicht unmittelbar an Christum halten, dessen Namen sie auch in ihre Weltweisheit hinein nahmen: bei ihrem aufgeblasenen Sinn aber konnten sie in keiner Liebesverbindung mit den Gliedern Seines geistlichen Leibes stehen (V. 19.). Paulus unterrichtete die Kolosser erstlich so, daß er sie lehrte, wie sei dasjenige anzusehen haben, was diese Leute aus dem Gesetz Mosis beibehalten hatten, V. 11-14.16.17. Hernach widerlegte er auch dasjenige, was sie selbst erdacht hatten, und nannte es Menschenlehre, Menschengebote, Weltsatzungen und einen eigenwilligen Gottesdienst, weil diese Leute weder bei dem Evangelio, noch bei dem Gesetz Mosis blieben. Hierauf zeigt er aber, wie die glaubigen Christen Alles in Christo haben und finden, was jene Schwärmer auf einem falschen Weg suchen. Jene haben die Beschneidung Christi erlangt, sie seien in Christo vollkommen, welcher höher sei, als alle guten und bösen Engel. In Ihm haben sie die wahre Gerechtigkeit. Sie seien mit Christo gestorben und wieder auferstanden. Sie dürfen als solche geradezu suchen, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Ihr geistliches Leben sei in Ansehung seines Ursprungs mit Christo in Gott verborgen. Gleichwie nämlich Christus seit Seiner Erhöhung in Gott verborgen, das ist, durch die göttliche Herrlichkeit vor den Augen der Sterblichen verdeckt ist, also ist auch euer Leben, sagt Paulus, das ihr in der Gemeinschaft mit Christo habt, in Gott verborgen. Den Ursprung desselben, welcher Gott selber ist, siehet Niemand. Nun muß aber alles zu seinem Ursprung wiederkehren. Seid also getrost. Suchet was droben ist. Ihr werdet’s nicht vergeblich suchen. Ihr werdet in die Höhe hinaufgezogen werden, ihr werdet dahin gelangen, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Ihr werdet zur Gott als dem Ursprung eures Lebens gelangen. Was aber die Verborgenheit anbelangt, so wird sie nicht immer währen, denn wenn Christus euer Leben wird offenbar werden, so werdet ihr auch mit Ihm offenbar werden in der Herrlichkeit. Himmlischer Vater, offenbare Deinen Sohn in uns, und lasse uns auch mit Ihm offenbar werden in der Herrlichkeit!(Magnus Friedrich Roos)
Mit Christo sterben und aufferstehen / heisst in S. Paulo / hertzlich erschrecken fur Gottes zorn und gericht / umb unser sünden willen. Und widerumb getröstet und auffgericht werden / durch den glauben an Christum / der uns mit Gott versünet hat durch sein Blut / den heiligen Geist empfahen etc.
Solchs wissen und recht verstehen / ist ein höhere erkentnis und kunst / denn aller Weltklugen weisheit / Und ist und heisst eine rechte Busse. Davon die Heuchler so wenig wissen oder verstehen / als von andern grossen wichtigen sachen / davon S. Paulus zu handeln pfleget / Ob sie sich gleich lassen düncken sie seien Meister der Schrifft / und S. Pauli lere sey inen wol bekand.
Aber die warheit zu reden / verstehen sie gewislich nichts (wil schweigen das sie es erfaren solten / oder gedechten zu erfaren ) weder was rechte Christliche rew und busse ist / welche hie S. Paulus den Tod des gantzen alten Menschen nennet) Noch was vergebung der sünden ist (nemlich die grosse unaussprechliche gnade und trost / den die armen blöden verzagten Gewissen / aus der predigt des Euangelii empfahen) welchs S. Paulus nennet / mit Christo aufferstehen / Ephe. ii. Item / das Leben aus dem Tode / die aufferweckung von den todten etc. (Justus Jonas)
So weit hat es Jesus in Seiner wunderbaren Herablassung, in Seiner offenen herzlichen Liebe gebracht, dass wenigstens etliche Ihn zu erkennen vermochten und dass diese Ihm innig Nahegekommenen es gewiss wissen: Christi Herrlichkeit ist unsere Herrlichkeit, und sie fangen an, laut dieser großartigen Hoffnung sich zu rühmen. Damit bereiten sie dem Herrn Freude. Sie haben Ihn verstanden. Er hat also nicht umsonst gearbeitet, Sein Unterricht trägt Frucht, Seine himmlische Lehre hat den Verstand erhellt, die Herzen geweckt, den Geist lebendiggemacht. Jesus will, dass wir Ihm glauben. Hat Er gesiegt in dir? Ist dein Herz mit Seinem verbunden? Rühmst du: Ich bin Gottes Erbe, ein Miterbe Christi? Dieser eine Ruhm ist nicht eitel. Im Gegenteil, er macht los und frei von den Trebern, er gibt dem Willen eine bestimmte, scharf ausgeprägte Richtung, er wendet sich unverwandt der Vaterstadt, dem oberen Jerusalem zu. Die Herrlichkeit Gottes soll demnach den Gliedern des erhöhten Hauptes so nahestehen, dass sie sich der Hoffnung darauf rühmen. Ihr Fleisch findet in solchem Rühmen keine Nahrung, weil es sich um ein Werk des Geistes handelt. Wohl aber ist dieser Ruhm ein starkes Gift für den alten Menschen; das Fleisch kann nicht in Brand geraten, wo Herz und Sinn, Verstand und Wille auf Gottes unverwelkliche Herrlichkeit gerichtet und davon erfüllt sind. Bis zum Ruhm der Hoffnung wollen wir es bringen. Das schwermütige Wesen schwinde! Verharre in der Glaubensschule; nimm des Geistes Zucht an. Er will dich weiterführen. In Seiner Hand wird es gelingen. (Markus Hauser)
3:2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.
Wenn man das, was der Apostel Col. 3,2. schreibt, bedenkt, und dann in die Welt hinein sieht, so muß man gestehen: die Menschen haben das Unterste zu Oberst gekehrt. Denn wie das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf, so ist es auch, so lange es nicht wiedergeboren ist, nur auf das Irdische gerichtet. Weide für Augenlust und Fleischeslust, irdische Schätze, weltliche Ehre und äußerliche Freiheit, das und der Art sind die Dinge, worauf die Menschen ihren Verstand und Scharfsinn üben, wobei sie Fleiß und Beharrlichkeit zeigen, und worin sie nicht leicht eine Uebertreibung kennen. Aber findet ihr Menschen denn wirklich in dem, das auf Erden ist, das was ihr darin sucht? Ihr suchet Freude, und findet Herzeleid; sucht Genuß, und findet Ueberdruß; sucht die Fülle, und findet Leere; ihr kostet hie und kostet da, und werdet doch nimmer satt. Ach suchet, was ihr suchet, sagt ein Mann, der es euch einst gleich gethan - aber es ist nicht da, wo ihr's suchet. Suchet was droben ist. Denn Freude die Fülle und liebliches Wesen ewiglich ist nur in Gott zu finden. Aber freilich, ihr seid von Gott so fern, euch fehlt der himmlische Sinn und die Liebe zu Gott. Eben deßhalb aber schreibt der Apostel: „Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes.“ Erst dann, wenn ihr den kennet, der vom Himmel auf die Erde kam und eines Menschen Kind ward, um uns zu Gottes Kindern zu machen; wenn er durch seine im Leben, Leiden und Sterben bewiesene Liebe eure Herzen für sich eingenommen und gewonnen hat, daß ihr an ihm hanget, wie die Glieder am Haupte; wenn ihr durch seinen Tod der Sünde abgestorben und mit ihm auferstanden seid vom geistigen Tode: werdet ihr zu einiger Erfahrung dessen kommen, was er verheißen hat: „Wenn ich erhöht sein werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen.“ Sein Zug von oben nach oben im Herzen seiner Erlöseten, diese seine himmlische Anziehungskraft - das ist es, was dem menschlichen Trachten die rechte Richtung giebt, nämlich nach dem, das droben ist, Darum seht,
- daß ihr den Geist erhebt
Von den Lüsten dieser Erden,
Und euch dem schon jetzt ergebt,
Dem ihr beigefügt sollt werden.
Schickt das Herz jetzt dahinein,
Wo ihr ewig wünscht zu sein.
Diese Herzensrichtung soll man am Wandel sehen können. Mann soll es an dem Himmlischgesinnten gewahr werden, daß er in seinem Stande und Berufe, in allen seinen Verhältnissen, er sei nun reich oder arm, vornehm oder gering, alt oder jung, auf rechter Bahn bleibt, nicht bald hier, bald da auf die breite Straße hinübertritt, sondern in den Fußstapfen Christi einhergeht, durch die finsteren Thäler voll Glauben und Vertrauen, und über die steilen Höhen voll Muth und Vorsicht wandert, bei den Lustlägern dieser Welt sich nicht aufhält, und über das Vielerlei am Wege, das Ziel, das Einige Notwendige nicht aus dem Auge verliert. Solch ein Wandel ist der Welt heilsamer, als viele hundert Predigten über Christensinn und Christenwandel. (Carl Johann Philipp Spitta)
3:3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott.
Droben ist unser Vater, droben unser Herr, droben das, was durch die vollendete Gemeinschaft mit Gott entsteht. Unten auf der Erde ist, was die Natur mir gibt, unser Leib und seine Triebe und die menschliche Gemeinschaft mit ihren Abhängigkeiten und ihrer Dienstpflicht. Um von diesen Mächten frei zu werden, bedarf es eines Sterbens; denn sie rühren mich nicht nur von außen an, sondern fassen mich im Grund meines Lebens. ich kann sie nicht von mir abstreifen und ohne sie weiter leben, sondern werde nur dadurch von ihnen gelöst, dass mein gegenwärtiges Leben endet. Dieses Ende ist mir dadurch bereitet, dass ich das Eigentum Jesu in. Das ist die Kraft, die mein Verlangen von allem wegzieht, was die Erde mir gibt. Dieses sterben ist kein Verlust und nicht die Wirkung des vergeltenden göttlichen Zorns, sondern es verschafft mir das Leben. Es ist in Gott für mich vorhanden, bei dem Christus ist. Darum ist es noch verborgen, nicht schon an mir sichtbar, nicht schon in meinem Leib und meinen irdischen Verhältnissen wirksam. Es ist deshalb mein eigen, weil Christus lebt und sein Heilandsamt an mir vollbringt und mir seine Gemeinschaft verleiht. Ich kann die Herrlichkeit des Lebens darum nicht durch meine Erfahrung beweisen und nicht durch mein Verhalten den anderen aufzeigen. Nur dadurch kann ich es zeigen, dass ich auf Christus hinweise, weil er unser Leben ist. Weil es aber bei Gott verborgen ist, ist es in guter Hut an einem sicheren Orte. Darum fort mit der Furcht und fort mit dem Zweifel. Nur das Eine ist notwendig, dass ich aufwärts sehe, nicht nur abwärts, und nicht an die Erde meinen Glauben hänge, sondern an den, der beim Vater ist.
Ich will nach dem Leben streben, lebendiger Gott. Bei Dir hast Du es uns bereitet, uns, die wir sterben, deren Himmel die Erde ist. Du stellst mich aber nicht darum auf die Erde, weil Du mir versagst, was droben ist. Gib mir den aufwärts gerichteten Blick, das aufgedeckte Angesicht, das nach oben gewendet ist. Amen. (Adolf Schlatter)
3:4 Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit.
Pauli, des Apostels, so wunderbar reicher, inhaltsvoller Ausdruck zeigt, dass Christus die Quelle unsers Lebens ist. „Da wir tot waren in den Sünden, hat Er uns samt Christo lebendig gemacht.“ Dieselbe Stimme, die den Lazarus aus dem Grabe zurückrief, hat uns auferwecket zur Erneuerung des Lebens. Es ist nun der Inhalt unsers geistlichen Lebens. Durch sein Leben haben wir das Leben; Er ist in uns die Hoffnung der Herrlichkeit, der Quell unsrer Taten, der Grundgedanke, der jeden andern Gedanken erregt und bewegt. Christus ist die Erhaltung unsers Lebens. Wovon anders kann der Christ leben, als von dem Fleisch und Blut Jesu? „Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist; wer dies Brot isset, der wird leben in Ewigkeit.“ „O, ihr müden Pilger in der Wüste der Sünde, ihr erlangt nie einen Bissen, der den Hunger eurer Geister zu sättigen imstande ist, es sei denn, ihr findet ihn in Ihm!“ Christus ist der Trost unsers Lebens. Alle unsre wahrhaftigen Freuden gehen von Ihm aus; und in Zeiten der Trübsal ist seine Gegenwart unser Trost. Nichts verdient so, wie Er, die Hingabe und Widmung aller Kräfte unsers Lebens; und seine Güte ist besser, denn Leben! Christus ist das Ziel unsers Lebens. Gleichwie ein Schiff dem Hafen zueilt, so eilt der Gläubige dem Hafen im Busen seines Heilandes entgegen. Gleichwie der Pfeil dem schwarzen Kreis der Scheibe entgegenfliegt, so fliegt der Christ der Vollendung seiner Gemeinschaft mit Christo Jesu entgegen. Gleichwie der Krieger für seinen Feldherrn kämpft, und durch des Feldherrn Sieg selbst mit verherrlicht wird, so streitet der Gläubige für Christum, und pflückt seinen Triumph aus dem Siegeskranz seines Meisters und Herrn. „Christus ist sein Leben.“ Christus ist das Vorbild unsers Lebens. Wo dasselbe Leben in uns wohnt, da ist immer notwendig auch, zum großen Teil wenigstens, dieselbe Entwicklung des sichtbaren Wandels vorhanden; und wenn wir in inniger Gemeinschaft mit dem Herrn Jesu leben, so müssen wir auch zunehmen, wie Er. Wir müssen Ihn als unser erhabenes Vorbild, als unser göttliches Ebenbild, uns vor Augen halten, und wir müssen danach trachten, dass wir in seine Fußstapfen treten, bis dass Er endlich in der ewigen Herrlichkeit die Krone unsers Lebens wird. O, wie geborgen, wie geehrt, wie glückselig sind wir Christen, weil Christus unser Leben ist! (Charles Haddon Spurgeon)
Jetzt ist Christus verborgen; trotz aller Predigt von ihm, trotz seiner Taten in der Inneren und Äußeren Mission, trotz seiner Segnungen unserer Seele im Glauben - er ist für die Welt so verborgen, daß man ihn den Ungläubigen nicht zeigen kann. Und mit ihm ist unser Bestes, das Werk und die Krone unseres Christentums, verborgen. Im trauten Gemeinschaftskreise, im Kämmerlein, da glänzen die Perlen; draußen in der rauhen Luft der Kritik sind sie unscheinbar. Das ist uns oft bitter, ja eine Anfechtung unseres Glaubens, solange wir noch kein durch Erfahrung fest gewordenes Herz bekommen haben. Denn er kann uns heimlich entschädigen für das, was wir draußen entbehren oder ausstehen müssen um seiner Verborgenheit willen. Außerdem tritt hier die Hoffnung in ihr Recht. Es ist noch eine große Offenbarung Christi in Herrlichkeit bereit, die alle Welt soll sehen und erleben müssen. Dann wird Christus gerechtfertigt dastehen vor jedermann. Damit wird auch unsere Liebe zu ihm gerechtfertigt und erklärt sein, so daß alle die, welche uns jetzt für Narren halten, im tiefsten Innern überführt sein werden, daß wir recht hatten und sie zu ihrem ewigen Schaden unrecht. Also warten wir, glauben wir, lieben wir, hoffen wir weiter!
Dazu aber, Herr Jesus, stärke unsere geheimen Beziehungen zu dir. Je mehr uns im öffentlichen Leben von Wundern und Zeichen fehlt, desto mehr Liebes- und Lebensbeweise senke heimlich in unser Beten und Hoffen hinein. Amen. (Samuel Keller)
Weil Christus, das Leben der Glaubigen, Sich erst am Tage Seiner herrlichen Erscheinung offenbaren wird, so folgt daraus, daß Er vorher, und insonderheit so lange die Glaubigen den sterblichen Leib tragen, ihr verborgenes oder geheimes Leben sei. Der lebendige Christus ist in ihnen, Er theilt ihnen etwas von Seinem unauflöslichen Leben mit, das Er in der Auferstehung angenommen hat, und lebt in ihnen. Ein Jeder, der dieses empfindet, erkennt etwas davon, übrigens weiß die Welt gar nicht, was diese Worte bedeuten: Christus ist unser Leben, Er lebet in uns, und macht deßwegen oft verkehrte Auslegungen über diese Worte. Weil man auch nur die sterblichen Leiber der Glaubigen sieht, welche keine andere Gestalt haben, als die Leiber der Unglaubigen und welche wie diese, müde und schwach werden, und der Verwesung heimfallen, so siehet man das Leben Christi nicht an ihnen, wiewohl doch ein Verständiger von dem äußerlichen Bezeugen auf dieses innerliche Leben schließen kann. Diese Verborgenheit des geistlichen Lebens der Glaubigen kommt mit der ganzen gegenwärtigen Haushaltung Gottes überein. Gott ist ein unsichtbarer Geist, welchen kein sterblicher Mensch gesehen hat, noch sehen kann. Christus aber ist selbst jetzt in Gott verborgen. Zwar sehen Ihn die Engel und Seligen im Himmel, auch konnte Er dem Stephanus, Paulus, Johannes, da sie entzückt waren, erscheinen. Aber im Verhältniß gegen die natürlichen Sinne der Menschen ist Er in Gott verborgen. Die unsichtbare Herrlichkeit des göttlichen Wesens verbirgt Ihn, oder macht Ihn unsichtbar, ob Er schon den sterblichen Menschen nahe genug ist. Mit Christo aber ist auch das Leben der Glaubigen, welches das ihnen mitgetheilte Leben Christi selber ist, in Gott verborgen; denn wenn man dieses Leben sehen könnte, so würde man Christum selber sehen; denn es ist Sein Leben, und berührt und bewegt den Geist der Glaubigen an Einem fort. Wenn aber Christus, welcher auf diese Weise das verborgene Leben der Glaubigen war, Sich offenbaren wird; wenn also die Menschen fähig sein werden, Ihn als den Menschen-Sohn, welcher mit der göttlichen Herrlichkeit durchdrungen und umgeben ist, und nun in der Kraft Gottes ewiglich lebet, zu sehen: alsdann werden auch die Gerechten in der Herrlichkeit offenbaret werden. Wenn nämlich die Herrlichkeit Christi an Ihm selber wird sichtbar sein, so wird sie auch an den Gerechten, denen Er sie mittheilt, sichtbar sein. Leben ist also Herrlichkeit, und Herrlichkeit ist Leben; denn da Paulus vorher gesagt hatte: euer Leben ist verborgen, so hätte man erwarten sollen, daß er hernach sagte: ihr werdet mit Ihm als Lebendige offenbaret werden; er schrieb aber: ihr werdet mit Ihm offenbaret werden in der Herrlichkeit. Ein Christ, dessen Leben Christus sein und bleiben soll, muß, wie Paulus V. 5. schreibet, seine Glieder tödten, die auf Erden sind, nämlich Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust, und den Geiz, welcher ist Abgötterei; denn mit diesen Dingen kann sich das reine Leben des heiligen Jesu nicht vermengen. Je mehr sie aber getödtet werden, desto völliger lebet Christus in ihm. (Magnus Friedrich Roos)
3:5 So tötet nun eure Glieder, die auf Erden sind, Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust und den Geiz, welcher ist Abgötterei,1)
3:6 um welcher willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens;
3:7 in welchem auch ihr weiland gewandelt habt, da ihr darin lebtet.
3:8 Nun aber leget alles ab von euch: den Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde.
Wieviel liegt in dem Wort: alles. Was für Gnadenabsichten hat der große Erbarmer mit seinen Kindern! Er will sie in sein Bild verwandeln und alles von ihnen abtun, was dieses Bild entstellt. Dabei sollen sie aber nicht den Mut verlieren und nicht verdrossen werden, wenn sie merken, wie immer wieder neue Versuchungen und Anfechtungen kommen. Ablegen kann ich eigentlich nur etwas, was nicht mehr zu mir gehört. Solange ich noch in der alten Haut stecke, kann ich unmöglich ablegen. Ist das nicht so? Wie kann ich die Leidenschaften ablegen, von denen hier die Rede ist, solange noch kein Boden gewonnen ist, auf den ich mich stellen kann, um gegen diese Feinde zu Felde zu ziehen. Dieser Boden ist die Gnade und das vollbrachte Werk Christi, in dem ich durch den Glauben stehe und immer wieder Stellung nehmen muß und soll.
Welch ein furchtbares Feuer der Leidenschaft brennt in unseren Herzen! Gehen wir auf den tieferen Grund dieser Ausdrücke leidenschaftlicher Erregungen, die uns hier genannt werden, dann hängen dieselben vielfach zusammen mit den Lüsten, die in den Gliedern streiten und besonders auch mit dem ungebrochenen Eigenwillen. Wie furchtbar sind die Erscheinungen, wenn ein Mensch von der Hölle entzündet seinem Zorn freien Lauf läßt, wie zeigt sich dann der Zorn im ganzen Wesen, in den Gebärden, im Grimm, welch eine Bosheit regt sich in dem Herzen gegen ein wirkliches oder vermeintliches Unrecht, das ihm angetan worden ist, wie strömen sündliche Worte aus seinem Mund, die den vermeintlichen oder wirklichen Feind wie eine Flut überschütten! Ach, es gibt arme Menschen, die fast nie aus der Erregung herauskommen, die bei der geringsten Veranlassung in Zorn geraten und dann ihrer selbst nicht mehr mächtig sind. Und das ist der Mensch, der so eifersüchtig auf seine Ehre ist und der das Haupt so hoch trägt und der meint, niemanden nötig zu haben, der so stolz auf die Errungenschaften seines Geistes oder Gewinnes ist, daß der große Gott im Himmel eigentlich überflüssig ist. Und doch hat die Weisheit von oben schon im Alten Bund bezeugt: „Wer seines Mutes Herr ist, der ist größer, als der Städte gewinnt.“
Gibt es denn ein Mittel, auch über diese Dinge Herr zu werden? Ja, gottlob! Denn sonst stände ich hier nicht. So legt auch ihr alles ab, Zorn, Grimm usw. Nicht, als würden Gottes Kinder nicht angefochten, nicht, als könnten sie nicht manchmal durch schmerzliche Erfahrungen gedemütigt werden, das ist wahr, und besonders wahr, wenn wir nicht in der Waffenrüstung sind. aber sie brauchen auch diesen Dingen nicht mehr zu dienen. „Ich sprach zur Lust, zum Zorn, zum Geiz, dafür hing mein Herr Christ am Kreuz.“ Und sie haben einen treuen und barmherzigen Lehrmeister, das ist ihr Heiland, der hat ihnen gesagt: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!“ Und wenn sie sich selbst oder andere verwundet haben, so hat er auch Balsam, um zu heilen. O, daß auch dieses Wort der Ermahnung uns eine Verheißung und Anweisung werde auf seine allmächtige Gnade, die auch in dieser Beziehung in unserer Schwachheit mächtig sein und uns in sein teures Bild gestalten will! - Paulus war gewiß ein leidenschaftlicher Charakter von Haus aus und doch, welch eine tiefe Demut und Sanftmut nehmen wir an ihm wahr! Das hat die Gnade an ihm vermocht! Auch wir haben zu dieser Gnade Zugang. (Heinrich Neviandt)
3:9 Lüget nicht untereinander; zieht den alten Menschen mit seinen Werken aus
3:10 und ziehet den neuen an, der da erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbilde des, der ihn geschaffen hat;
Für die Vorgänge des inneren Lebens gibt es im Neuen Testament eine solche Menge bildlicher Ausdrücke, die verschiedene feine Unterschiede beleuchten, daß man bei ihrer Deutung leicht in Widersprüche kommt. Ausziehen - anziehen, das paßt auf einen Rock. Denken wir dabei an Heiligung, so müssen wir andere Stellen ausschalten, wo von einem Wachstum die Rede ist; hier ist eine Willenstat gemeint, ein Abtun des Alten und Annehmen des Neuen. Wie wichtig auf anderen Gebieten des Fortschritts das Wachstum ist - hier wird betont: durch Wachsen verändert sich der Rock nicht - der muß gewechselt werden. An anderer Stelle wird das Waschen betont (durch Wachsen wird man nicht gewaschen), aber das Waschen hilft beim alten Rock nichts; es muß ein anderer Rock angelegt werden. Also ist hier einmal nicht von Gottes Tun, nicht von fortschreitender Helligkeit, nicht vom Blute Jesu die Rede, sondern von etwas, was wir täglich unter Beistand des Geistes zu tun haben: ein Entschluß, den durch Fehler, Staub, Stoffwechsel und Schlaf altgewordenen Rock abzulegen und jeden Tag ein ganz reines, neues Gewand von dem anzulegen, des Güte alle Morgen neu ist.
Herr Jesus, deine Güte reicht uns die Mittel dar - laß uns nicht sparsamer sein als du es willst. Hilf uns täglich, das Verbrauchte, Befleckte ablegen und den neuen Anfang machen, der deinem Umgang entspricht. Wir danken dir für die vielen neuen Kleider! Amen. (Samuel Keller)
3:11 da nicht ist Grieche, Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Ungrieche, Scythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus.
Zur Zeit Pauli bestand die christliche Kirche aus ungleichen Nationen, die einander vorher zu verachten gewohnt waren. Es gab nämlich damals Griechen, das ist gesittete Heiden, welche des römischen Kaisers Unterthanen waren, und viele Künste und Wissenschaften unter sich hatten, unter diese rechnete Paulus auch die Römer, Röm. 1,14.16. Es gab Juden, und diese waren nebst den jüdischen Proselyten beschnitten: da hingegen alle Heiden Vorhaut hatten. Es gab ferner Ungriechen oder Barbaren, das ist Leute, welche noch eine ordentliche Polizei und Wohnplätze hatten, den Griechen aber in der Wissenschaft nicht gleich waren: es gab endlich auch Scythen, welche auf dem Erdboden herumschweiften, und eine wüste, fast thierische Lebensart führten. Von allen diesen Nationen wurden einige der christlichen Kirche einverleibt, und hiedurch wurde erfüllt, was Ps. 87,4.5. geweissagt worden war: Ich will predigen lassen Rahab (das ist den Egyptern, welche zur Zeit Pauli Griechen waren), und Babel, (welches aus Barbaren bestand) daß sie Mich kennen sollen: die Philister und Tyrer sammt den Mohren (welche alle Barbaren waren) werden daselbst geboren. Man wird zu Zion sagen, daß allerlei Leute (auch scypische) darinnen geboren werden, und daß Er der Höchste sie baue. Der HErr wird predigen lassen in allerlei Sprachen, daß deren etliche auch daselbst geboren werden. Neben dieser verschiedenen Abstammung gab es aber auch damals Knechte, das ist Sklaven, und freie Leute, und von beiden Gattungen wurden Viele an Christum glaubig. Wie nun? Sollte der getaufte Jude noch immer den getauften Griechen verabscheuen, und sollte der getaufte Grieche den getauften Ungriechen und Scythen verachten, und durften die glaubigen freien Leute sich immer über die glaubigen Sklaven erheben? Oder durfte man sogar dafür halten, daß Gott selber die Menschen nach dem Unterschied ihrer Abstammung und ihres Standes schätze? Paulus sagte: Nein, und lehrte, im Reich Gottes sei nicht Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Ungrieche, Scythe, Knecht, Freier, d.i. diese Namen machen Niemand werth oder unwerth, sondern Alles und in Allen sei Christus. Das ist, bei einem Jeden komme es nur darauf an, daß er Christi theilhaftig sei, und in Ihm erfunden werde. Christus mache Alle ehrlich. Durch Christum werden sie alle gerecht, und Gottes Kinder. Alle bekommen gleiche Rechte durch Ihn in Seinem Reich. Auch jetzt wird das Evangelium Leuten gepredigt, welche Barbaren und Scythen heißen können, oder wirkliche Sklaven sind, zu geschweigen, daß das Christenvolk von sehr verschiedenen Nationen abstammt. Ein Christ sieht aber auch in der Nähe Reiche und Arme, Vornehme und Geringe, Gelehrte und Ungelehrte, ehlich und unehlich erzeugte Menschen. Hier soll er nun denken: Alles und in Allem Christus. Das Wohlgefallen, das der himmlische Vater an Seinem Sohn Christo hat, fließt auf alle diejenigen, aber auch nur auf alle diejenigen, die an Seinen Sohn glauben, und Seinen Geist und Sinn haben. Wer’s im Reich Gottes hoch bringen will, muß es in dem Glauben an Christum und in der Gleichförmigkeit mit Ihm weit bringen; und dieses kann der Arme wie der Reiche, der Ungelehrte wie der Gelehrte. So sei denn auch mein tägliches Bestreben, Christum zu gewinnen, und in Ihm erfunden zu werden.(Magnus Friedrich Roos)
3:12 So ziehet nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;
Nach diesem Spruch dürfen denn wir, die wir auf Christum getauft sind und an Ihn glauben, und als Kinder Gottes auch Erben Gottes und Miterben Christi zu werden hoffen, uns nennen die Auserwählten, die Heiligen und Geliebten. Weil Gott uns so nennt, dürfen wir's uns nicht gar absagen. Aber wenn wir's uns gefallen lassen, so paßt doch gewiß dazu nicht das rauhborstige Wesen, das wir oft noch durchs Ganze hindurch an uns haben, und zu dem die natürliche Verderbtheit des Herzens so leicht treibt.
Die ungeduldige, derbe und hitzige Art auch, mit welcher wir je und je selbst unser Christentum als Eiferer um den HErrn beweisen zu müssen glauben, widerspricht ganz dem Begriff von Heiligen und Geliebten Gottes. Gerne findet man den Beweis des Christentums in einem schonungslosen Eifer, der eben durchführt, ob's wohl oder wehe tue, lebendig mache oder töte. Die Ehre Gottes und die Bekenntnistreue, meint man, erfordere das. Aber das ist ganz verkehrt. Denn das Wesen des Christentums an Heiligen und Geliebten Gottes liegt im herzlichen Erbarmen mit jedermann, in der Freundlichkeit, in der Demuthh, in der Sanftmuth, in der Geduld auch mit den Sündern und Unwissenden, nicht in einem gleichsam verzehrenden Eifer, bei welchem man drein haut und erbarmungslos oder schonungslos urteilt, verwirft, wegschätzt, richtet und verdammt. Da muß das Kleid, wie es die Wilden an sich tragen, abgelegt, und das Kleid der Liebe, dran man die Auserwählten kennt, angezogen werden.
Auch im täglichen Leben, - ach, wie oft lassen wir's da an dem rechten Geiste, der uns beseelen sollte, fehlen! Wir müssen's besser lernen, müssen uns als die Auserwählten, Heiligen und Geliebten darstellen lernen. Es sollte jeder, sei es, wer es wolle, der Höchste wie der Niedrigste, der Kleinste wie der Größte, schon an unsrem Kleid unsern Adel sehen. Jedermann sollte es uns abfühlen zu seinem Trost, zu seiner Erquickung und zu seiner Erbauung, daß wir, sozusagen, vom Kopf bis zum Fuß, d.h. in allem, was an uns zu sehen ist, lauter herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Sanftmuth, Geduld sind. Dann erst sind wir in vollem Sinne die Auserwählten, Heiligen und Geliebten, - eher nicht.
Der HErr gebe uns Gnade dazu, daß wir's recht merken, wie es mit uns werden soll. Lernen wir unsern Eifer vornehmlich gegen uns richten, daß alles verkehrte, lieblose Wesen bei uns abkomme. Das ist der Eifer, mit welchem wir den Argen überwinden, und daß ich so sage, in aller Stille und Unscheinbarkeit den Himmel und die Herrlichkeit Gottes erstürmen können. Oder wodurch anders hat sich unser Heiland, dessen Gesinnung wir annehmen sollen, im Kampfe für uns hindurchgerungen bis zu der Rechten der Majestät in der Höhe? (Christoph Blumhardt)
Wenn man die Welt ansieht, wie sie voll Ungerechtigkeit und Bosheit ist, so kann man leichtlich in einem heftigen Eifer entbrennen, und zu einem strengen Verfahren bewegt werden; wenn man sie aber als ein Lazareth ansieht, das voll Kranker, und als ein Feld, das voll Todtengebeine ist, Ez. 37., so kann man zur Erbarmung bewegt werden. Zur Zeit des Alten Testaments handelten die Knechte Gottes oft sehr streng, und diese Strenge kam mit der Offenbarung Gottes auf dem Beg Sinai überein, und war der Beschaffenheit der Leute, mit denen sie zu thun hatten, angemessen, wiewohl sie doch auf ihre unermüdete Liebe durch Fürbitten bei Gott und andere Aeußerungen zeigten. Was aber der Geist des Neuen Testaments in seinen Kindern wirke, hat Christus bei einer namhaften Gelegenheit deutlich gezeigt. Auf einer Reise nämlich nach Jerusalem schickte Er Boten vor Sich her, die Ihm die Nachtherberge in einem samaritischen Flecken bestellen sollten; die Leute in dem Flecken aber nahmen Ihn nicht auf. Ueber diese Grobheit wurden die zwei Apostel Jakobus und Johannes vor Andern entrüstet, und sprachen: HErr willst Du, so wollen wir sagen, daß Feuer vom Himmel falle, und verzehre sie, wie Elias that? Jesus aber wandte sich, und bedräuete sie, und sprach: wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Des Menschen Sohn ist nicht kommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten, Luk. 9,52-56. Die zwei Jünger sahen die Leute in jenem Flecken nur als rohe und grobe Sünder an: der HErr Jesus aber sahe sie auch als unwissende, verwahrloste und verführte Menschen an, die, wenn man langmüthig gegen sei wäre, noch selig werden könnten. Eben so sahe Er auch einmal das rohe unwissende Volk an, das vor Seinen Augen herum lief, und an dem Er mit einem heftigen Eifer Vieles hätte ahnden können. Es jammerte Ihn desselben, denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten hatten, und Er sorgte hernach dafür, daß es, weil Seine Stimme nicht allenthalben erschallen konnte, von Seinen Aposteln eine Anweisung zum Seligwerden bekam, Matth. 9,36. uff. Mit welcher Erbarmung haben die Apostel den Mördern ihres lieben HErrn Jesu nach Seiner Himmelfahrt ihre Sünden vorgehalten, und den Weg zum Leben gezeigt! Wie sanftmüthig hat Paulus Ap. Gesch. 22. den Leuten gepredigt, die ihn unmittelbar vorher fast zu todt geschlagen hatten! Er konnte aber nicht nur von sich, sondern auch von den übrigen Aposteln bezeugen, daß sie sanftmüthig und barmherzig seien. Man schilt uns, sagt er 1 Kor. 4,12., so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir’s; man lästert uns, so flehen wir. Er konnte also den Kolossern, ohne einen Vorwurf zu bekommen, schreiben: ziehet an als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen. Wer also unter die Auserwählten, Heiligen und Geliebten Gottes gerechnet werden soll, dem steht ein herzliches Erbarmen, welches ihn dem barmherzigen Gott ähnlich macht, wohl an. Ein strenger Feuereifer hat oft den Schein des Rechts; wenn aber ein tödtender Grimm darunter steckt, so ist er ungerecht. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit empfangen. (Magnus Friedrich Roos)
3:13 und vertrage einer den andern und vergebet euch untereinander, so jemand Klage hat wider den andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr.
3:14 Über alles aber ziehet an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
Die Liebe wird hier mit einem Mantel verglichen, den man über alle Kleider, die unmittelbar am Leibe liegen, herzieht, und dieser Mantel soll, - daher das Band der Vollkommenheit genannt, - Alles zusammenhalten und die Kleidung vervollständigen. Also der alles zusammenhaltende und verbindende und beschützende Hantel soll die Liebe seyn. Er soll auch „das herzliche Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Sanftmuth, Geduld, Vertragsamkeit, Versöhnlichkeit,“ - lauter dort bezeichnete Kleidungsstücke, überdecken und zusammenhalten, weil diese Tugenden nur durch die wirkliche Liebe dauerhaft gemacht werden können. Man kann sich oft auch äußerlich anschicken, barmherzig, freundlich, demütig, sanftmütig, geduldig, vertragsam, versöhnlich zu erscheinen; wenn's aber nicht von innen heraus in der wirklichen Liebe kommt, so hat's alles wenig Wert. Darum ist der Ausdruck so schön und wichtig, daß die besonderen Tugendübungen müssen mit dem Mantel der Liebe überdeckt seyn, indem erst diese ihnen einen vollkommenen Wert giebt.
Liebe soll den ganzen Menschen übergießen. All sein Thun und Lassen soll Liebe atmen; all sein Reden und Denken, alle seine Unternehmungen und Gänge nach rechts und links, alle seine Gespräche, Verhandlungen und Übereinkünfte mit Andern, alles sein Begegnen mit Freund und Feind, mit Hohen und Niederen, mit Armen und Reichen soll Liebe atmen. Selbst seine Belehrungen, Warnungen, und Bestrafungen sollen in der lautersten Liebe erscheineu. Nicht wahr? ihr Lieben, da haben wir noch zu lernen. Wir könnens noch nicht so ganz. Ach, wie weit sind wir oft noch davon ? Aber wenn wir's können, nur auch annähernd, dann sind wir etwas Rechtes. Wenn das in uns glimmende Glaubensfeuer zum Glanz der Liebe außer uns sich macht, dann sind wir, was wir sevn sollen für Zeit und Ewigkeit, für den HErrn und alle die, die noch Sein werden sollen. (Christoph Blumhardt)
3:15 Und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leibe; und seid dankbar!
3:16 Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern und singt dem HERRN in eurem Herzen.
Solange ein Erweckter nicht zur Seligkeit in Gott gelangt ist, kann Er nicht befriedigt sein. Wir müssen darum diese Sache jedem vorlegen und ihn dringend bitten, diesen einfachen und köstlichen Weg unverzüglich zu betreten. Die Gefahr des Abfalls liegt für alle nahe, die in Gott nicht vollständig zur Ruhe gekommen sind. In den heiligen Lebensgrund Eingepflanzte können nur durch ein beständiges Wachsen und Zunehmen glücklich bleiben. Es mag wohl sein, dass sich zuerst Schwierigkeiten erheben, weil es bei dieser Übung zur Gottseligkeit fortwährend eine gewisse Geistesträgheit zu überwinden gibt. Wir müssen uns aber daran gewöhnen, unserem inneren Menschen nicht weniger Aufmerksamkeit zu schenken als unserem äußeren. Wer in Gottes Gegenwart wandelt, wem sich der Lebensinhalt der Heiligen Schrift ergießt, wer es verstehen gelernt, Gott mit sich reden zu lassen, der schaut die Bibel mit ganz anderen Augen an und gebraucht sie auch ganz anders. Sie ist nun der Ort, wo Gott ihm begegnet, der Ort, wo Gott mit ihm redet, der Ort, wo es ihm leicht wird, mit dem höchsten Gott Gemeinschaft zu pflegen. Bei dieser Übung in der Gottseligkeit wird uns die Bibel erst recht unentbehrlich. Ach, möchtest du doch diesen Rat befolgen; ich bin gewiss, du wirst bald so von Gottes Wort und Gottes Geist erfüllt, dass du fröhlich und freudig deine Straße ziehen kannst. Die wahre Gemeinschaft mit Gott, die fortwährende Mitteilung Seines Lebens und Wesens ist die höchste Seligkeit im Erdenleben. Und auch in der Ewigkeit werden wir nichts Größeres kennenlernen. (Markus Hauser)
Als die Israeliten an den Wassern Babels saßen und weineten, wenn sie an Zion gedachten, so hingen sie ihre Harfen ungebraucht an die Weiden, die darinnen waren, und wenn die Heiden sie hießen fröhlich sein, und ein Lied von Zion singen, so antworteten sie: wie sollen wir des HErrn Lied singen im fremden Lande? Hingegen ermahnte Paulus durch den Heiligen Geist die Epheser 5,19., und die Kolosser Kol. 3,16., ungeachtet sie außer dem Land Kanaan unter den Heiden wohnten, und von denselben oft gedrängt wurden, dem HErrn mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern in ihren Versammlungen und in ihren Herzen zu singen. Der kindliche Geist des Neuen Testaments kann also unter allen Umständen und an allen Orten zum Singen und zur Freude erwecken; da hingegen die Glaubigen des Alten Testaments mit ihren Herzen mehr an dem Berg Zion hingen, und ihre Zerstreuung schmerzlicher empfanden. Zwar sind in den Büchern des Alten Testaments viele Lieder enthalten, und der Heilige Geist hat nicht wenige israelitische Propheten zu Poeten gemacht; da hingegen weder der Sohn Gottes Jesus Christus noch ein Apostel ein Lied hinterlassen hat. Doch schicken sich Psalmen, welche bei dem Ton der Instrumente gesungen werden, und Lobgesänge, mit welchen man das Lob Gottes besingt, und geistliche Lieder, welche von andern geistlichen Materien handeln, gar wohl zu dem neutestamentlichen Gottesdienst. Diese Psalmen, diese Lobgesänge und diese Lieder sollen und dürfen lieblich oder anmuthig gesungen werden, sie sollen aber dem HErrn gesungen werden, und also eine Art der Anbetung sein, die man Ihm leistet. Sie sollen im Herzen gesungen werden, aber freilich nicht ohne den Mund, doch soll das Herz, das Innerste der Seele, vornämlich singen. Da sollen geistliche Bewegungen entstehen. Da sollen die Psalmen, Lobgesänge und Lieder geglaubt, empfunden und dem HErrn aufgefordert werden. Eph. 5,18.19.werden die geistlichen Gesänge, welche ein Herz, das voll Geistes ist, erfordern, dem unordentlichen Wesen derer, die sich voll Weins saufen, entgegengesetzt; es ist aber bekannt, daß trunkene Leute ihren Muthwillen oft auch durch unzüchtige oder andere eitle Lieder ausüben, ja daß auch geistliche Lieder in ihrem Munde zu einem Gräuel werden. Die eitle Christenwelt macht und singt auch ohne Wein solche Lieder, welche schandbare Worte, Scherz und Narrentheidungen, die den Christen nicht geziemen, enthalten, oder Freude und Leid, Lob und Tadel auf eine lügenhafte Weise beschreiben, oder wenigstens unter die unnützen Worte zu rechnen sind, für die ein jeder Mensch Rechenschaft geben muß. Wenn auch geistliche Lieder von ungeistlichen Menschen ohne Andacht gesungen werden, wie es häufig bei dem öffentlichen Gottesdienst geschieht, so ist es ein Geplärr der Lippen, und ein Psalterspiel, das Gott nicht hören mag, Am. 5,23.
Im Himmel singen die 24 Aeltesten, und haben Harfen dabei, Offenb. 5,8. Ein besonderes Lied singen die 144,000, deren Off. 14. Meldung geschieht; am gläsernen Meer aber stehen die Ueberwinder des antichristlichen Uebels, und haben Gottes Harfen, und singen das Lied Mosis, des Knechtes Gottes und das Lied des Lammes, Offenb. 15. (Magnus Friedrich Roos)
3:17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des HERRN Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.2)
Alles, was ihr thut mit Worten oder Werken, (was ihr redet oder thut) das thut alles in dem Namen des Herrn Jesu (nach seinem Wort, mit Anrufung seines Beistandes, und zu seines Namens Ehre) und danket Gott und dem Vater (Gott, dem himmlischen Vater, für seine Wohlthaten) durch ihn (durch Christum, den Mittler; denn kein Gebet und kein Lob ist Gott gefällig, es geschehe denn in Christi Namen).
Darum HErr JEsu, so oft ich werde beten, will ich sagen: Am Anfang JESUS. Mein Herr JEsu, hilf du mir mein Gebet stärken, verleihe du mir ein gutes Wort bei deinem himmlischen Vater, sei du meines Gebets Grund. Herr JEsu, du bist der Grundstein meiner Seligkeit; du sei das Mittel, du sei das Ende, so habe ich Trost, Saft und Kraft im Leben und Tode. Wenn der Tag anbrechen wird, soll das meine erste Rede sein: Am Anfange dieses Tages sei JEsus mein Trost, Helfer, Segen und Beistand, und bewahre mich und die Meinen vor allem Unglück. In all meinem Handel und Wandel, in allen meinen Werken will ich anfangen mit JEsu, so wird's wohlgerathen, wie da die Apostel im Namen JEsu ihre Netze auswarfen, beschlossen sie eine große unverhoffte Menge Fische. Wenn ich in der Welt was vornehme, so ziehe voran, Herr JEsu, wie vor König David, da er mit den Philistern kämpfen sollte, auf daß alles, was ich thue und vornehme, deinem Namen zu Lob und Ehren gereiche. Ich will mein Herz auf dich, Herr JEsu, meinen Altar, legen, daß es auch von deinem Vater heilig geschätzet werde. In deinem Namen will ich beten, in deinem Namen will ich alle meine Werke verrichten, so werden meine Seufzer und alle meine Werke, dir zu Ehren gethan, für Heiligthum geschätzet werden. Herr JEsu, du bist mein Hohepriester, du allein verrichtest den Gottesdienst, der mich selig macht, du lehrest uns, wie es dein Vater mit unserm Herzen meinet, du betest am Kreuz und auch jetzt zur Rechten deines Vaters für uns, du heiligest und opferst dich selber für uns, und fährst mit Segensprechen gen Himmel, zum Zeugniß, daß du einen Segen nach dem andern über deine betenden Christen willst sprechen. Herr JEsu, du bist unser Priester und Fürsprecher bei dem Allerhöchsten, ich bin dein Pfarrkind, du lehrest mich, wie ich soll gerecht und selig werden, du bittest für mich; ich befehle mich deinem andächtigen Gebete, lege mir ein gutes Wort ein bei dem frommen Herzen deines Vaters, so bin ich genesen. Ach Herr JEsu, du bist mein Heiland, sage und zeige dich deinem Vater an, daß du hast genug für mich gethan. Du bist ja mein Fürsprecher, du wirst mir dein gutes Wort lassen zu Hülfe kommen. Ach sage mich an deinem Vater, wenn ich bete, daß ich erhöret werde, wenn ich Unglück leide, daß ich getröstet werde, wenn der Teufel mich plaget, daß ich geschützet werde, wenn die Welt mich dränget, daß ich erhalten werde, wenn ich sterbe, daß meine Seele in den Himmel genommen werde. Du bist der fleißige treuherzige Vorbringer aller Sachen bei deinem Vater. Ach deine sorgfältige Treue thut das Beste bei uns armen Sündern. Du Herr JEsu bist von Ewigkeit und bleibest auch in alle Ewigkeit, dein Stuhl stehet feste, du bist ewig, darum habe ich mich ewiglich dein zu trösten, du kannst selig machen immerdar, die durch dich zu Gott kommen, und lebest immerdar, und bittest für sie. Herr JEsu, du warest am Anfang, und bist vor allem Anfang der Zeit, du bist der Anfang meines Glücks, sei auch der Anfang meiner Sorge, meines Trostes, meines Gebets und meines Herzens Lust und Freude. Amen! (Valerius Herberger)
Sind unsere Werke in Gott getan? Können wir sagen: Auch alle unsere Werke verrichtest Du für uns? Wie unglücklich sind Christen, wenn die Arbeit sie schiebt und treibt, sie gefangennimmt und vom Herrn abzieht! Die Arbeit wird zur schweren Bürde, wird sie ohne Gott getan. Diene mit deinem Berufe dem Herrn, betrachte deine Arbeit als Gottes Sache, tue Ihm, was du tust; wie ganz anders gestaltet sich dann das Leben! Vor dem Geizen und dem Verschwenden, vor dem Sorgen und dem Leichtsinn bleibt allein bewahrt, wer mit seinem Geschäfte zugleich in Gott ruht. Jesus alles in allem! Das sei unser Grundsatz. Dann ist die Arbeit eine Lust, macht uns nicht leer und wird uns nicht zum Fallstrick; so bringt sie uns Gott näher. Christen betrachten die Arbeit nicht als Last, sondern als Freude und Segen. In dieser Richtung wird leider viel gesündigt, und auch wir haben zu flehen: Herr, vergib mir namentlich meine Berufssünden! Ein normaler Mensch findet in dem Berufe, in den ihn der Herr gestellt hat, tiefe Befriedigung. Wer mit seiner Arbeit in Gott ruht, kann die göttlichen Gaben nicht in Wollüsten verzehren; auch wird er nicht mutlos, wenn schwere Zeiten kommen und Misserfolg ihn betrübt und ängstet. Der Herr, dem wir dienen, wird alle Sorgen übernehmen und zum besten lenken. Wir wollen mit unserer Arbeit in Christus erfunden werden! Er wird alles wohlmachen! Unsere Arbeit, unser Beruf - ein Gottesdienst, das sei unsere selige Losung. (Markus Hauser)
Ein wahrer Christ verrichtet seine Arbeit nicht anders als aus Gehorsam gegen seinen Gott, seinen lieben himmlischen Vater. Ein Mensch, der noch kein Kind Gottes geworden, der tut seine Arbeit nur aus einem natürlichen Trieb. Er arbeitet entweder weil ihn die Not dazu treibt, daß er sich und den Seinen durchhelfe in der Welt; und wenn die Not ihn nicht dazu triebe, dann sollte er wohl an kein Arbeiten denken. Einen andern treibt die Begierde, daß er immer mehr haben und sich zurücklegen will von einem Jahr zum andern. Wiederum einen andern treibt der Hochmut, weil er nicht gern etwas Geringes sein will in der Welt. Wiederum einen andem treibt seine natürliche Art zur Arbeit, weil er eine so unruhige, triftige Natur hat, daß er nicht wohl kann stillstehen; darum so muß er immer etwas schaffen, immer etwas hantieren und arbeiten. Siehe, das ist alles nur bloß so ein i Trieb der Natur; das ist nicht gearbeitet aus Gehorsam gegen ! Gott; das ist nicht gearbeitet, wie ein Kind Gottes arbeiten soll. Kinder Gottes, die arbeiten nicht in der Absicht, daß sie nur sich versorgen, nur etwas zusammensparen, Schätze auflegen, sich in der Welt hervortun oder sonst ihren unruhigen Naturtrieb vergnügen mögen -nein, sie arbeiten aus Gehorsam gegen Gott, sich seinem Befehl zu unterwerfen. Wenn ein Kind Gottes so bemittelt und in solchem Stande wäre, daß es der äußeren Arbeit gar nicht bedürfte, sondern ohne dieselbe leben und zurechtkommen könnte, so würde es doch in Ansehung des göttlichen Befehls nicht wollen müßig gehen, sondern etwas Nützliches vor die Hand nehmen und mit diesem oder jenem Liebeswerk und Geschäft, das es tun kann, dem Nächsten zu dienen suchen, und das um soviel mehr, weil ihm die Arbeit nach der heilsamen Absicht Gottes dienlich ist, wodurch man vor vielem Bösen bewahrt und der Leib gezähmt wird, wie hingegen Müßiggang viel Böses lehrt. (Gerhard Tersteegen)
Hat man Ursache zu beten und zu flehen, wenn ein tag anbricht, wie vielmehr soll ein gläubiger Christ sein herz und Augen zu Gott erheben, wenn er eine neue Woche anfangen will. Wie viele Menschen haben den Sonntag als den ersten Tag in der Woche gesund erlebet, und sind den Sonnabend darauf schon begraben gewesen. Wie viele haben die Woche gesund erlebet, und sind den Sonnabend darauf schon begraben gewesen. Wie viele haben die Woche fröhlich und im Segen angefangen, aber ehe sie sie geendiget, hat sie das Unglück wie ein Sturmwetter überfallen, daß sie die Woche mit Ach und Weh, tausend Thränen und Hände-Ringen geendet haben. Nun, mein lieber Christ! das kann dir und mir auch widerfahren, darum soll man gleich im Anfang der Woche zu Gott sich wenden; es soll aber ein gläubiger Christ 1) Gott anrufen um seinen heiligen Geist, daß derselbe sein Herz wolle heiligen, ihn regieren, damit er nicht in Sünden fallen, Gott beleidigen, sein Gewissen verletzen, den Nächsten betrüben und eine große Verantwortung auf seine Seele laden möge. Er soll 2) die Woche über des Gebets und des Gottesdienstes nicht vergessen, sondern sich befleißigen, daß er nicht allein des Sonntags, sondern auch in der Woche die Kirchen- und Betstunden fleißig besuche. Und weil es nicht liegt an unserm Rennen und Laufen zur Arbeit, soll er 3) sonderlich Gott um seinen Segen anrufen, oder auch mitten unter der Arbeit an Gott denken, und mit Gebet die Arbeit anfangen und vollenden. Er soll 4) behutsam reden, christlich wandeln, Gott vor Augen haben und gedenken, daß eine Woche nach der andern hinschleiche, bis endlich die Sterbe-Woche kommt, da unsere Seele soll vor Gott zur Rechenschaft gestellt werden. Wer das thut, der kann im Segen die Woche anfangen, und unter Gottes Schutz vollenden, und sollte er es ihm eine Kreuz-Woche werden lassen, so wird er doch darin sein Helfer, Retter und Beistand seyn und bleiben. (Johann Stark)
Ja, ich sage dir Lob und Dank, du lieber Vater im Himmel, durch meinen Herrn und Heiland Jesum Christum, daß du mich und die Meinen in dieser vergangenen Nacht so väterlich behütet und vor allen Gefahren getreulich bewahret hast. Du hast Leben und Wohlthaten mir gethan und dein Aufsehen hat meinen Odem bewahret. Nun aber weiß ich, daß des Menschen Thun nicht stehet in seiner Gewalt, wie er wandle und seinen Gang richte: darum komme ich zu dir, mein Herr, und mein Gott, und übergebe mich ganz deiner weisen und väterlichen Leitung. Erleuchte du meinen Verstand, regiere mein Herz, stärke meinen Willen, daß ich alle meine Sachen weislich führe und nichts Anderes suche, gedenke und begehre, als was dir wohlgefällig und mir und meinem Nächsten nützlich und heilsam ist. Dir will ich meinen Sinn, Verstand und Willen zum alleinigen Dienste ergeben. Mit kindlicher Freudigkeit ergreife ich deine Hand, auf daß sie mich sicher führe durch das unsichere Leben. Du aber, mein treuer Hirt und Heiland, der du der Weg, die Wahrheit und das Leben bist, leite meinen Fuß auf den Weg des Friedens und des Heils und behüte meinen Eingang und Ausgang. Bewahre mich, daß ich nicht in Irrthum und Sünde verfalle, sondern dir diene im wahren Glauben und mit reinem Herzen. Laß dein heiliges Wort mir ein Zeichen sein in meiner Hand und ein Denkmal vor meinen Augen. Erleuchte mich mit deinem himmlischen Lichte; erquicke mich mit deinem göttlichen Troste, stärke mich mit deiner ewigen Kraft. In deinem Namen gehe ich jetzt an meine Arbeit. Ohne dich und deinen Segen vermag ich ja doch nichts. Verleihe dem Herzen Frieden, dem Arme Kraft, dem Leibe Gesundheit; bewahre mich vor Unglück und Schaden und gieb Geduld bei den Sorgen und Mühen des Lebens. Ich will Alles thun in deinem heiligen Namen; so werde ich mein Tagewerk thun zu deiner Ehre und zu meinem Segen. Wie du mich, führe auch die Meinen. Amen!(Christian Wilhelm Spieker)
3:18 Ihr Weiber, seid untertan euren Männern in dem HERRN, wie sich's gebührt.
3:19 Ihr Männer, liebet eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie.
3:20 Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in allen Dingen; denn das ist dem HERRN gefällig.
3:21 Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht scheu werden.
3:22 Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfalt des Herzens und mit Gottesfurcht.
3:23 Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem HERRN und nicht den Menschen,
3:24 und wisset, daß ihr von dem HERRN empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem HERRN Christus.
Zu welcher bevorzugten Ordnung von Würdenträgern wurde dies Wort gesprochen? Zu Königen, die sich voller Stolz eines göttlichen Rechtsanspruches rühmen? Ach nein, sie dienen zu oft sich selber oder dem Satan und vergessen Gottes, dessen Zulassung ihnen gestattet, ihren sinnbildlichen Schmuck der Majestät eine kurze Spanne Zeit zu tragen. Spricht denn der Apostel zu den so genannten „hochwürdigen Vätern in Gott“, den Bischöfen, oder zu den „ehrwürdigen Priestern?“ Nein, wahrlich, der Apostel Paulus wusste nichts von diesen menschlichen Erfindungen. Nicht einmal zu Predigern und Lehrern, noch zu den Reichen und Vornehmen unter den Gläubigen wurde dieses Wort gesprochen, sondern zu Knechten und Leibeignen. Unter der Masse der arbeitenden Klassen, den Taglöhnern, den Landarbeitern, den Dienstboten, fand Paulus damals, wie heutzutage, viele Auserwählte des Herrn, und zu ihnen spricht er: „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen; und wisset, dass ihr vom Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem Herrn Christo.“ Dieser Ausspruch adelt die mühevolle Arbeit des demütigendsten Lebensberufs. Die Füße waschen, ist ein knechtischer Dienst; aber Ihm, unserem Heiland, die Füße waschen, ist ein königliches Amt. Die Schuhriemen auflösen, ist ein geringer Dienst; aber dem großen Meister die Schuhriemen auflösen zu dürfen, ist ein fürstliches Vorrecht. Die Werkstatt, der Stall, die Küche, die rußige Schmiede werden zum Tempel, wenn Männer und Weiber Gott mit ihrer Gesinnung und ihrer Liebe verherrlichen; dann ist der „Gottesdienst“ nicht auf Stunde und Ort beschränkt, sondern das ganze Leben wird dem Herrn geheiligt und geweiht, und jeder Ort und jedes Werkzeug wird ebenso geheiligt, wie die Stiftshütte und ihr goldener Leuchter.
„Was in dem Herrn du tust, das wird gelingen;
Die Ehre Ihm, dann ist der Segen dein!
Er gibt das rechte Wollen und Vollbringen,
Er will im Großen stets, wie im Geringen,
Der Herr und Schöpfer aller Werke sein.
Die Händ‘ ans Werk, die Herzen himmelan!
So wird allein ein gutes Werk getan.“
(Charles Haddon Spurgeon)
3:25 Wer aber Unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und gilt kein Ansehen der Person.3)
Es sind die häuslichen Pflichten und die allgemeinen Pflichten der Nächstenliebe, zu denen Paulus die Collosser auffordert. Indem ich sie lese, muß ich flehen: Du barmherziger Vater im Himmel, ich klage Dir meines Herzens angeborne Unart, daß ich mich mit Unfreundlichkeit oft an meinem Nächsten versündigt habe, mich seines Elends nicht angenommen, kein brüderliches Mitleid mit ihm gehabt, ihn in seinem Elende verlassen, nicht besucht, nicht getröstet, ihm nicht geholfen und mich also von meinem Fleische entzogen habe. Hierin habe ich nicht gehandelt als ein Kind Gottes. Ach, vergieb mir diese schwere Sünde, und rechne mir dieselbe nicht zu. Nimm das barmherzige Herz Deines lieben Sohnes an für meine Sünde, decke zu und vergiß meine Unbarmherzigkeit um seiner Barmherzigkeit willen. Gieb mir aber ein barmherziges Herz, welches da jammert meines Nächsten Elend, und laß mich bald und leicht zu Mitleid bewegt werden, wie das Edle Gemüth meines Herrn Jesu Christi ganz mitleidig ist, welchen unser Elend bald jammert und zu Herzen geht. Gieb mir Gnade, daß ich meines Nächsten Kreuz helfe lindern und nicht größer machen; daß ich ihn tröste, gern helfe, und nicht liebe mir der Zunge, sondern mit der That und Wahrheit. Gieb mir ein solch Herz, o Vater, daß ich gleich wie Du mit Gelindigkeit richte, alles lieblose Urtheil meide und gern die strenge Gerechtigkeit durch die Liebe mildere. Denn die Barmherzigkeit rühmt sich wider das Gericht. Ach lieber Gott, Du hast Gefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer. Ach, Herr, so laß mich denn anziehen herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Geduld, daß ich gern vergebe, wie mir Christus vergeben hat. Laß mich Deine große Barmherzigkeit erkennen; denn ich bin viel zu geringer aller Barmherzigkeit, die Du von Mutterleibe an mir gethan hast. Deine Barmherzigkeit ist mir zuvorgekommen, da ich in Sünden lag; sie wartet auch mich, bis ich komme; sie umfähet mich, wenn ich komme; sie folgt mir nach, wo ich hingehe, und wird mich endlich zu sich aufnehmen in das ewige Leben. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)