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Johannes, Kapitel 1

Johannes, Kapitel 1

1:1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

1:2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.

1:3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

1:4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.1)

1:5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht begriffen.
Johannes redet schlecht und einfältig, wie ein Kind, und lauten seine Worte (wie die Weltwesen sie ansehen,) recht kindisch. Es ist aber eine solche Majestät drunter verborgen, die kein Mensch, so hoch er auch erleuchtet ist, erforschen noch ausreden kann. Daß er nun spricht: In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen, das sind eitel Donnerschläge wider das Licht der Vernunft, freien Willen, menschliche Kräfte. Als wollte er sagen: Alle Menschen, so ausser Christo sind, mangeln des Lebens vor Gott, sind todt und verdammet. Denn wie sollten sie das Leben haben, weil sie nicht allein in Finsterniß wandeln, sondern die Finsterniß selbst sind? Möchte aber nun jemand sagen: Wie gehets denn, daß dieses Licht so lange Zeit in der Gläubigen Herzen, auch vor und nach der Sündfluth, und durch der Erzväter und Propheten Lehre geleuchtet hat, und zuletzt durch des Herrn Christi selbst und der Apostel mündlich Wort geglänzet und geschienen hat, und doch nicht ist angenommen, denn nur von gar wenigen? Ja, der große Haufe hat die, so vom Licht gezeuget haben, verfolgt, wie an Johanne dem Täufer, Christo, den Aposteln, und zuvor an den Propheten zu sehen ist. Es hat das Licht keinen Fortgang in der Welt, ob wol die Welt sein hoch bedarf. Denn sie ist in eitel Finsterniß, weiß von Gott nicht, kennet und fürchtet Gott nicht; noch nimmt sie das Licht an, ob es ihr schon scheinet. (Martin Luther)

1:6 Es ward ein Mensch von Gott gesandt, der hieß Johannes.

1:7 Dieser kam zum Zeugnis, daß er von dem Licht zeugte, auf daß sie alle durch ihn glaubten.

1:8 Er war nicht das Licht, sondern daß er zeugte von dem Licht.
Dass keiner dazu gelangt, Gott zu sehen, das hat Johannes mit Ernst den Männern vorgehalten, die in der Erkenntnis Gottes das finden wollten, was als die neue Gabe Jesu in die Menschheit hineingekommen sei. Es ist in der Tat die Gabe des Sohnes Gottes, dass wir Gott kennen. Denn Ihn zu kennen, das ist das ewige Leben. Damit ist uns aber nicht gegeben, dass wir Ihn sehen. Denn wir erkennen Gott an seinem Werk, an dem, was Er uns gibt. Diese Ordnung Gottes stellt uns unter Gottes Gnade. Denn sein Werk kommt aus seiner Güte zu uns und zeigt uns diese an dem, was Er für uns tut. Wie wäre aber die Gnade noch Gnade, wenn sie mir nicht auch Gottes für uns unerreichbare Hoheit sichtbar machte? Dies tut sie dadurch, dass Gott mir unsichtbar bleibt. Die Männer, die nach dem Anblick Gottes rangen, drängten sich an Gott heran, als könnten sie jede Schranke entfernen und den Spiegel, in dem sich Gott uns zeigt, wie Paulus sagte, wegschieben. Das Schauen von Angesicht zu Angesicht überragt als uns verheißenes Ziel den uns jetzt gegebenen Lebensstand und erfordert das reine Herz, das wir noch nicht haben und uns durch keine religiöse Anstrengung und Übung verschaffen können. Die größte Gabe, die uns Gott geschenkt hat, damit wir Ihn erkennen, ist Jesus, der ganz mit Gott Verbundene, der dem Sohn gleicht, dessen Platz an der Brust des Vaters ist, und Jesu Geschenk an uns ist sein Wort, das mit allem, was er uns sagt, die Verkündigung dessen ist, was Gott ist und wirkt. Kann ich Gott nicht sehen, so kann ich ihn doch hören. Anblick Gottes gibt es nicht für mich; dafür gibt es ein zu mir gesprochenes göttliches Wort. Ich darf nicht nach dem begehren, was mir unzugänglich ist, und deshalb das missachten, was mir gegeben ist. Dass Gott durch Jesus zu uns spricht, das ist diejenige Gnade, die für das eigensüchtige Herz des Menschen heilsam ist. So wird es vor dem doppelten Elend behütet, in das sich unser Herz hineinstürzen kann, vor dem Stolz, der sich an Gott herandrängt und nicht in der Tiefe stehen bleiben will, und vor der Erschlaffung, die sich mit dem begnügt, was die Natur uns gibt. Wer sich von der Erde lösen und sich zu den Himmlischen gesellen will, dem tritt das Wort entgegen und ruft ihm zu: Höre mich, und den, der in die Natur versunken, nichts mehr als sich selber sieht, weckt das Wort auf und sagt ihm: Höre mich; was ich dir sage, kommt von Gott.
Ich greife dankbar, heiliger Herr und Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus, nach Deinem Wort und preise es als den hellen Strahl, der aus Deiner Sonne hervorleuchtet, als den reichen Schatz, der aus Deiner Fülle uns beschieden ist, als das feste Band, das uns mit Dir vereint. Gib mir immer reicher, immer reiner Teil an Deinem Wort. Amen. (Adolf Schlatter)

1:9 Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

1:10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt kannte es nicht.

1:11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.

1:12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die an seinen Namen glauben;
Sie nahmen Jesus auf und ließen ihn als ihren Gast in ihre Wohnung hinein; noch mehr, sie ließen ihn an ihr Herz herankommen. Damit, dass sie ihn aufnahmen, kam sein Wort zu ihnen. Nicht als ein Schweigender kehrt er bei ihnen ein. Mit seinem Wort kommt auch sein Werk zu ihnen. Nicht so ist er bei ihnen, dass sie ihn bewirteten und ehrten, sondern als der Gebende. Was geschieht nun in ihnen? Sie glauben an seinen Namen. Denn er kommt zu ihnen nicht als eine namenlose Gestalt, nicht als ein Rätsel, das niemand deuten kann, sondern er besitzt einen Namen, der ausspricht, was er will und soll. Sein Name ist die Verkündigung seiner Sendung an die ganze Welt. Dieser Name erweckt Hoffnungen, die einzigartige Größe haben. Wirkt er nur das? Er bringt noch Größeres hervor, nämlich Glauben. Denn er senkt sich in die Seele ein und wird dort Gewissheit und die uns bewegende Kraft. Was tut nun Jesus? Er gibt mir die Vollmacht, Kind Gottes zu werden. Ein Kind Gottes zu werden liegt ganz jenseits meines Vermögens. Sein Geschöpf bin ich; aber sein Kind sein ist mehr als Geschöpf sein. Kindschaft ist nicht nur Abhängigkeit von Gottes Macht, sondern auch Anteil an Gottes Leben. Sie stellt zwischen ihm und mir eine Gemeinschaft her, die ich Verkehr mit Gott nennen darf, ein Gekanntsein von ihm, durch das ich ihn kenne, ein Geliebtsein von ihm, durch das ich ihn liebe, ein Gebrauchtwerden von ihm, durch das ich sein Mitarbeiter bin. Wie soll ich zu dieser Höhe empor gelangen? Machen, fordern, erlisten lässt sich Gottes Kindschaft nicht. Dazu ist Ermächtigung nötig und diese uns zu geben ist der Beruf Jesu, durch den er sich uns als unseren Herrn in Herrlichkeit offenbart. Kinder entstehen nur durch den Vater. Indem Jesus uns in die Kindschaft Gottes führt, handelt er an uns in Gottes Macht und Gnade. Ficht mich ein Zweifel an, ob ich so Großes von mir sagen und das, was ich bin, als Gottes Gabe schätzen darf, ob das, was ich denke, Gottes Wort und das, was ich will, Gottes Wille sei, so gibt mir der Name Jesu auf meine Frage die Antwort. Ich darf nicht nur, ich muss mich zu Gott als meinem Vater halten; sonst lösche ich den Namen Jesu aus meiner Seele aus.
Dass ich als Dein Kind, Vater, zu Dir bete, ist das Zeichen Deines Geistes, der Abglanz aus Jesu Herrlichkeit, der Inbegriff und die Summe Deiner Gaben. Darin ist alles beschlossen, was ich besitze, was ich bedarf, worum ich bitte. Unser Vater bist Du, der Vater der ganzen Schar, zu der das Wort Jesu kommt. Uns allen reichst Du dies als Deine Gabe dar, dass wir Deine Kinder werden. Amen. (Adolf Schlatter)


Wie? Hat er allen Menschen diese Gewalt und Freiheit gegeben, so sie doch alle Kinder des Zorns sind? Nein, sagt der Evangelist, sondern allen denen, so viel ihr sind, keinen ausgeschlossen, die an seinen Namen glauben, das ist, wie gesaget, die sein Wort mit Glauben annehmen, und vest dabei halten ihn anrufen. Hier hörest du kurz und gut, daß durch keinen andern Weg, Mittel und Weise wir zu dieser hohen Ehre, herrlichen Freiheit und Gewalt kommen, daß wir Gottes Kinder werden, denn allein durch das Erkenntniß und Glauben an Christum.
Darum muß der Heilige Geist hier Meister sein dieses Erkenntniß und Glaubens, und in das Herz schreiben, und unserm Geist Zeugniß geben, daß es gewiß und Amen ist, daß wir durch den Glauben an Christum Gottes Kinder worden sind und ewiglich bleiben. Denn St. Johannes hat sein Evangelium nicht aus menschlichem Willen herfürgebracht, sondern er ist von dem Heiligen Geiste getrieben, der ein Geist der Wahrheit ist, darum wird er uns gewißlich nicht betrügen. Sonst ist es gar ein groß Ding, daß ein armer Mensch soll Gottes Sohn und ein Erbe Christi sein. (Martin Luther)

1:13 welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
Das ist nun wie eine Confutatio, damit der Evangelist antwortet allen denen, in welchen etwas ist, das sie rühmen können; es sei so gut, und so köstlich, und so viel es immermehr wolle, so hilft es doch nicht, Gottes Kind zu werden. Dargegen zeiget er mit diesen Worten klar und deutlich an, welche wahrhaftige Gottes Kinder und Erben sind, die da Gewalt haben, Gott zu nennen ihren Vater. Hier mußt du aus den Augen thun alles, was hoch, groß und herrlich ist vor der Welt, auch aller Creaturen vergessen. Denn ob solches alles wol seinen Ursprung und Ankunft von Gott hat: so kann’s doch darzu nicht dienen, daß man Gottes Kind dadurch werde. Denn alles, was von uns ist, gehöret zur Höllen und ist verurtheilet und verdammet zum Tode. Es gilt hier nichts mehr, denn aus Gott geboren sein durch den Glauben an den Sohn Gottes, der Mensch ist worden. Sondern von Gott geboren sind. Dieß ist gar eine neue Geburt, so die vorigen dreie, mit alle ihrem Lob, Ehr und Würde, wenn sie sollen zur ewigen Seligkeit dienen, tödtet und verdammet. Denn bisher hat der Evangelist gesagt: Wir sind durch Gottes Geschöpf und Segen wol von dem Geblüt unserer Eltern geboren; item, etliche Kinder, die arm, elend und verlassen sind, werden von frommen Leuten zu Kindern und Erben angenommen und aufgezogen, und unsere Studenten hier sind Schüler und Jünger unter ihren Präceptoren, die sie als ihre Väter ehren, (einer mehr denn der andere) wie Gott befohlen und geordnet hat. Es werden aber durch der Werke keins, weder die Väter des Geblüts, des Rechts und der Ehre, noch wie, ihre Kinder, vor Gott gerecht und selig. Aber zu der hohen Ehre und Herrlichkeit, daß wir Gottes Kinder werden, kommen wir allein durch die Geburt von oder aus Gott: also, daß wir glauben an den Namen des Menschen, der Jesus Christus heißt, wahrer, natürlicher Sohn Marien, in der Zeit von ihr geboren, von Ewigkeit aber vom Vater gezeuget, davon droben genugsam gesaget ist. Dieser Jesus Christus, unser Herr, allein bringet diese Geburt, giebet die Freiheit, Recht und Macht denen, die an ihn glauben, daß sie Gottes Kinder sind, der gibt allein die Sohnschaft. Darum, so sind Gottes Kinder allein diejenigen, so aus Gott geboren sind, das ist, die an Jesum Christum, Gottes und Marien Sohn, glauben. Und dieselbigen gläubigen sind nicht aus dem Geblüte, noch Willen des Fleisches, noch Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren. Also schneidet aber der Evangelist alle Herrlichkeit, Gewalt und Macht der Welt, und will sagen: Es fördert nicht zur Seligkeit, daß einer Kaiser, König, Fürst, fromm, weise, gelehrt oder reich ist; denn alle Menschen, hohes und niedriges Standes, sind Fleisch; alles Fleisch aber ist Heu und wie eine Blume auf dem Felde; das Heu verdorret, die Blume verwelket; das Wort Gottes aber bleibet ewiglich, Esa. 40,7.8. Wer sich nun an das Wort hält und Johannis Zeugniß annimmt, (das Esaias auch gewaltig treibet in demselbigen 40. Capitel von Christo) und an seinen Namen glaubet, der kommet zu dieser unaussprechlichen Herrlichkeit, es sei Kaiser, König, Bürger, Bauer, Knecht, Hirte, Bettler, daß er Gottes Kind ist: daß also alle, niemand ausgeschlossen, er sei Mann oder Weib, die Christi Wort hören, an ihn glauben, die Gewalt und das Recht haben, daß sie mit Wahrheit sagen können: Ich bin durch Christum Gottes Kind und ein Erbe aller seiner himmlischen Güter, und Gott ist mein Vater.
Darum sollten wir diese heilige Predigt von Herzen gern hören und auf den Knieen (wenn wirs hier nicht hätten) über hundert Meilen holen und unserm Herzen wohl einbilden, daß wir der Sachen gewiß würden. Denn wer das stark und vest glaubte, daß er Gottes Kind wäre, der wäre ein seliger Mensch, sicher und unerschrocken vor allem Unglück, Teufel, Sünde und Tod.
Das ist nun die Predigt des Evangelii, die viel anders lautet, denn sie in aller Philosophen, Weltweisen, des Papstes und seiner Scribenten Bücher gefunden wird, welche, da sie am besten sind in dem Stücke, davon wir hier handeln, nicht ein Haarbreit rathen können, die doch leider viel mehr Schüler haben, denn das liebe Evangelium, welches allein den Christen gehört, wie der Herr saget: pauperes evangelisatur, Matth. 11,5. Gott helfe uns, daß wir solche Predigt des Evangelii annehmen, und unter dem Häuflein gefunden werden, davon der Evangelist saget: Wie viel ihn annahmen, denen hat er Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden. (Martin Luther)

1:14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.2)
Das wesentliche Wort welches im Anfang war, und bei Gott war, und durch welches alle Dinge gemacht worden sind, wurde Fleisch, freilich nicht durch eine Verwandlung Seines Wesens, sondern durch eine Annahme und Vereinigung. Es wurde des Fleisches, das ist der menschlichen Natur und aller ihrer Schwachheiten, die nicht sündlich sind, theilhaftig. Gott wurde im Fleisch geoffenbart, die göttliche Natur vereinigte sich mit der menschlichen zu einer Person; und so wohnte das Wort fast 33 Jahre unter uns. Seine Zukunft in die Welt war also keine schnell vorübergehende Erscheinung, dergleichen mehrere den Patriarchen und Propheten widerfahren waren, da das wesentliche Wort zwar sichtbar wurde, aber noch nicht Fleisch geworden war, und bald wieder verschwand; aber, nachdem es Fleisch gewordne war, wohnte es unter uns, und war dabei voll Gnade und Wahrheit. Vermöge der Gnade liebte Er die Menschen, ob sie schon der Liebe nicht werth waren, Er vergab den Bußfertigen ihre Sünden, Er half den Nothleidenden, tröstete die Traurigen, und lehrte die Unwissenden. Dieses Alles war ein Ausfluß oder eine Erweisung der Gnade. Seine Seele, Sein Angesicht, Seine Rede, und Sein ganzer Wandel war wie ein Licht, das aufheitert und erfreut. Er war aber auch voll Wahrheit, voll rechtschaffenen Wesens, oder voll des Guten, das Seine Gnade den Menschen zusagte. Was Er genannt wurde, war Er, was Er versprach, gab Er denen, die Ihm glaubten, was Er weissagte, wurde erfüllt. Seine Gnade konnte Jedermann versichern, daß Niemand, der an Ihn glaube, verdammt werde: Seine Wahrheit aber, daß Niemand durch Ihn betrogen werde. Man bekam, was von Ihm bat, denn Er war voll Leben, ja das Leben selbst.
Da Er noch unter den Menschen wohnte, sahe man Seine Herrlichkeit, als eine Herrlichkeit, die nur der eingeborne Sohn Gottes haben konnte; der von Gott als Seinem Vater ausgegangen war. Man sahe diese Herrlichkeit am deutlichsten bei Seiner Taufe, auf dem Berg, da Er verklärt wurde, und bei Seiner Himmelfahrt. Auch sahe man sie, wenn man Seine Wunder sahe, denn Er verrichtete diese Wunder nach Seiner freien Willkür, zu allen Zeiten, als der HErr alle Dinge, wie es Niemand als dem eingebornen Sohn Gottes möglich gewesen wäre.
Es ist bekannt, daß der sel. Arnd auf seinem Todtenbett am letzten Tag seines zeitlichen Lebens nach einem kurzen Schlaf seine Augen aufgehoben, und gesagt hat: wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Als ihn hierauf seine Ehefrau gefragt, wann er diese Herrlichkeit gesehen habe, so hat er geantwortet: jetzt habe ich sie gesehen. Was nun der sel. Arnd, da er noch im Leibe war, zu seiner Stärkung, Erquickung und völligen Ausrüstung auf die Ewigkeit eine Zeit lang im Schlaf gesehen hat, wird man im Himmel wachend und immerdar sehen; denn der Heiland hat Joh. 17,24. gebetet: Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast: daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast.(Magnus Friedrich Roos)


Gläubige Seele, du kannst Zeugnis geben, dass Christus der eingeborne Sohn vom Vater ist, wie auch der Erstgeborne von den Toten. Du kannst sagen: „Er ist in meinen Augen göttlich, und wenn Er sonst für alle Welt nur Mensch wäre. Er hat für mich vollbracht, was kein andrer tun kann außer Gott. Er hat meinen unbeugsamen Willen gebrochen, mein diamantenhartes Herz geschmolzen, Er hat eherne Tore gesprengt, und eiserne Fesseln zerrissen. Er hat mein Weinen in Lachen verwandelt und meine stumme Verzweiflung in laute Freude; Er hat mein Gefängnis gefangen geführt und mein Herz erfüllt mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. Mögen andre von Ihm denken, was sie wollen, mir ist Er der Eingeborne vom Vater, und muss es bleiben: hochgelobet sei sein Name. Und Er ist voller Gnade. Ach! wenn Er nicht gewesen wäre, so wäre ich nie selig geworden. Er zog mich zu sich, wenn ich mich losringen wollte von seiner Gnade; und als ich endlich ganz zitternd, wie ein verurteilter Verbrecher zu seinem Gnadenstuhl kam, sprach Er: deine vielen und großen Sünden sind dir alle vergeben; sei getrost! - Und Er ist auch voller Wahrheit. Alle seine Verheißungen sind Ja und Amen gewesen, und es hat auch nicht an einem gefehlet. Ich bekenne, dass nie ein Knecht einen solchen Meister hatte, wie ich einen habe; nie hat ein Bruder einen solchen treuen Freund gehabt, wie Er sich gegen mich erzeigte; nie hat eine Braut einen so herrlichen Bräutigam gehabt, wie Christus es für meine Seele war; nie je ein Sünder einen gütigern Heiland, nie je ein Betrübter einen kräftigern Tröster, als Christus es meinem Geiste gewesen ist. Ich will nur Ihn, nur Ihn! Im Leben ist Er mein Leben, und im Tode ist Er meines Todes Tod; in Armut ist Christus mein Reichtum; in Krankheit mein Ruhekissen; in Dunkelheit mein heller Stern und in der Herrlichkeit meine Sonne; Er ist das Manna im Lager der Wüste, und Er ist das neue Korn im Lande Kanaan. Der Herr Jesus ist mir ganz Gnade und kein Gericht, ganz Wahrheit und kein Trug: von Gnade und Wahrheit ist Er erfüllt, ganz und gar erfüllt.“ O meine Seele, erhebe an diesem Abend aus aller Macht den eingebornen Sohn. (Charles Haddon Spurgeon)


Je näher die Jünger Jesus kennen lernten, desto bestimmter und freudiger konnten sie bekennen: Du bist Gottes Sohn! Seine Herrlichkeit leuchtete ihnen in die Augen. Sein Reden und Handeln, Sein Umgang mit Pharisäern oder Zöllnern, ob Er dem Vater Sein Herz ausschüttete oder geduldig litt und starb, alles zeugte von der Herrlichkeit des Herrn. Sie sahen Ihn auferstanden, sahen Ihn gen Himmel fahren: sie sahen Seine Herrlichkeit. Selbst der römische Hauptmann sah etwas davon, und er gewann die Überzeugung: „Dieser ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen.“ Ein solches „Sehen“ ist von gewaltiger Tragweite. Diese Leute hatten geöffnete Geistesaugen; Gott hatte ihnen Verstand geschenkt, den Herrn der Herrlichkeit erkennen zu können. Das machte sie glücklich. - Die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten auch Gelegenheit, den Gottessohn kennen zu lernen; auch ihnen entging Jesu Liebe nicht. Aber warum fühlten sie sich abgestoßen? Warum konnten sie Ihn nicht liebgewinnen? Lieber Leser, denke doch darüber nach; lass dein Herz reden, du wirst die Ursache schon finden. Frage dich selbst über diesen Punkt. Zieht Jesus dich an? Findest du Ihn herrlich? Geht Macht und Einfluss von Ihm auf dein Herz und Wesen aus? Erfüllen Torheiten deinen Kopf und deine Seele, oder erfüllt dich die Herrlichkeit Christi? O durchbrich alle Hindernisse, alle Menschensatzungen. Gott salbe deine Augen, Seine Herrlichkeit zu sehen. Komm, betrachte den Herrn, Seine Person, Sein Werk, Seine Liebe. Siehst du nicht etwas von Seiner Herrlichkeit? O glücklicher Mensch, der Jesus herrlich findet! Die Seele wird Lobgesänge anstimmen. (Markus Hauser)


Gleichwie Johannes 1 Joh. 1,1.2. sagte: das Leben, das bei dem Vater war, ist uns erschienen, also sagte er Joh. 1,1.4.: das Wort, das bei Gott war, ist Fleisch geworden. Er nennt dieses Wort 1 Joh. 1,1. das Wort des Lebens, und sagt, es sei von Anfang gewesen, und es sei so erschienen, daß man es sehen, in seinen mannigfaltigen Offenbarungen mit Fleiß beschauen, und mit den Händen betasten könne. Joh. 1,1.14. aber sagt er, das Wort sei im Anfang, und selber Gott gewesen, und habe, nachdem es Fleisch geworden, unter uns gewohnt voll Gnade und Wahrheit, und man habe Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohns vom Vater, gesehen; V. 9. nennt er dieses Wort das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchte, und in die Welt gekommen sei. Alle diese Vorstellungen der Wahrheit sind wichtig, lehrreich und tröstlich, und entdecken uns, was wir an Jesu Christo haben, und wie Er Sich gegen uns zu unserm Heil erweisen wolle. Was insonderheit den Namen Wort anbelangt, so bedeutet er fast eben dasjenige, was der Name Weisheit Spr. Sal. 8. und 9. bedeutet. Das Wort war im Anfang bei Gott als dem ewigen und unendlichen Geist. Insofern aber Gott ein Licht heißt, so ist das Wort der Abglanz Seiner Herrlichkeit, und insofern Er Jehova heißt, das ist derjenige, der ein ewiges und beständiges Wesen hat, so ist das Wort das Ebenbild oder der Abdruck Seines Wesens, Hebr. 1,3. Wenn ich aber bedenke, daß Gott unsichtbar sei, so habe ich auch das Wort, das Fleisch geworden ist, als auf das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes zu sehen, Kol. 1,15. Das Wort wurde Fleisch, nicht zwar durch eine Verwandlung Seiner göttlichen Natur, sondern durch die Vereinigung derselben mit der menschlichen Natur. Es war, ehe es Fleisch wurde, es war im Anfang, und weil es auch im Anfang nicht erst wurde, sondern schon war, so war es schon vor dem Anfang und ohne Anfang. Es wurde aber Fleisch, da die Zeit erfüllt wurde. Fleisch ist keine himmlische Menschheit und keine verklärte menschliche Natur. Fleisch ist etwas, das man sehen und betasten kann, und das Schwachheiten an sich hat, wiewohl diese Schwachheiten auch unsündlich sein können. Gott sandte Seinen Sohn mit keinem sündlichen Fleisch, doch aber in der Gestalt des sündlichen Fleisches. Er ist uns in Allem gleich geworden, außer der Sünde. Gleichwie die Kinder, die Ihm der Vater gegeben hat, Fleisch und Blut an sich haben, also ist Er’s gleichermaßen theilhaftig geworden. Er war gleich wie ein anderer Mensch, und an Geberden oder nach der äußerlichen Gestalt als ein Mensch erfunden. Gelobet sei Gott, der uns dieses große Geheimniß geoffenbaret hat durch Seinen Geist. Gelobet sei das wesentliche Wort, welches Fleisch worden ist, und ich dadurch unserer kräftig angenommen hat, und sich mit uns verbindet. Seine menschliche Natur ist nun bei dem Vater verkläret mit der Klarheit, die der Sohn bei dem Vater hatte, ehe die Welt war, wenn wir aber an Ihn glauben, Ihm anhangen, und mit Ihm vereinigt bleiben, so wird Er unsere Natur auch verklären, und wir werden ewiglich bei Ihm in der Herrlichkeit sein. (Magnus Friedrich Roos)


Daher nennet ers hier also, Gnade und Wahrheit wird durch Christum hier ausgericht; daß ich zu Gnaden kommen bin, das habe ich alles von Christo durch seine Gnade und wahrhaftig durch seine Wahrheit. Das kann das Gesetz nicht thun, noch geben; es weisets nur allein. Wenn wir das Gesetz hätten halten, und solches nur aus unsern Kräften erlangen können: so wäre der Gnade nicht vonnöthen gewesen, daß wir Gnade um Gnade empfingen, und hätte Johannes sagen müssen: Das Gesetz gibt Gott, und die Wahrheit kommt aus unsern Kräften, daß wirs gethan hätten. Aber also heissets nicht, sondern, Moses hat das Gesetz gegeben, und ich habe es nicht gethan, habe es gelassen. (Martin Luther)

1:15 Johannes zeugt von ihm, ruft und spricht: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.

1:16 Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Diese Worte zeigen uns, dass in Christo eine Fülle ist. Eine Fülle wesentlicher Göttlichkeit, denn „in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ Eine Fülle vollkommener Menschlichkeit, denn in Ihm hat die Gottheit eine leibliche Gestalt angenommen, und hat sich geoffenbart. Es ist eine Fülle versöhnender Kraft in seinem Blut, denn „das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“ Es ist eine Fülle rechtfertigender Gerechtigkeit in seinem Leben, denn „so ist nun keine Verdammung an denen, die in Christo Jesu sind.“ Es ist eine Fülle göttlicher Macht in seinem Leben, denn „Er kann selig machen immerdar, die durch Ihn zu Gott kommen, und lebt immerdar und bittet für sie.“ Es ist eine Fülle des Triumphes in seinem Tode, denn „durch den Tod nahm Er die Macht dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel.“ Es ist eine Fülle der Wirkung in seiner Auferstehung von den Toten, denn durch dieselbe „hat Er uns wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung.“ Es ist eine Fülle von Siegesherrlichkeit in seiner Himmelfahrt, denn „Er ist aufgefahren in die Höhe, und hat das Gefängnis gefangen geführt, und hat den Menschen Gaben gegeben.“ Ja, hier ist eine Fülle alles Segens! eine Fülle von Gnade der Vergebung, von Gnade der Wiedergeburt, von Gnade der Heiligung, von Gnade der Bewahrung, von Gnade der Vollendung. Es ist eine Fülle zu aller und jeder Zeit; eine Fülle des Trostes in Trübsal; eine Fülle der Gnadenführung im Glück; eine Fülle aller göttlichen Kräfte, Weisheit, Macht und Liebe; eine unübersehbare, eine unerschöpfliche Fülle. „Es ist des Vaters Wohlgefallen gewesen, dass in Ihm alle Fülle wohnen sollte.“ O, welch eine Fülle muss das sein, aus welcher alle schöpfen! Wahrlich, das muss eine Fülle sein, wo der Strom immer fließt, wo die Quelle immer sprudelt, so frisch, so reich, so voll als je. Komm, gläubige Seele, und erfülle hier all dein Verlangen; bitte Großes, so wirst du Großes empfangen; bitte viel, denn seine „Fülle“ ist unerschöpflich und ist aufgehäuft an dem Ort, wo jeder Bedürftige sich‘s nehmen kann: in Jesu, Immanuel, Gott mit uns. (Charles Haddon Spurgeon)


Johannes hatte V. 14. geschrieben: das Word ward Fleisch, und wohnte unter uns voll Gnade und Wahrheit; V. 16. aber setzte er in seinem und aller Glaubigen Namen hinzu: aus Seiner Fülle haben wir Alle genommen Gnade um Gnade. Dasjenige also, von was Jesus voll war, hat Er nicht für sich allein behalten, sondern von Sich ausfließen lassen. Er war voll von Gnade und Wahrheit, das ist von einer wahrhaftigen Gnade, von einer Gnade, wodurch die Wahrheit nicht nur in freundlichen Geberden und Worten bestand, sondern die Gabe des Heiligen Geistes mittheilte. Aus dieser Seiner Fülle, sagt Johannes, haben wir Alle genommen. Seine Fülle oder Sein Reichthum war für Alle hinreichend, die in den Tagen Seines Fleisches und in den ersten Jahren der christlichen Kirche an Ihn geglaubt haben. Diese Fülle ist aber damals nicht vermindert und noch weniger erschöpft worden. Sie ist noch ganz vorhanden, obschon viele Millionen daraus genommen haben, was sie bedurften. Das Nehmen oder Empfangen deutet auf einen gütigen Geber, und ist das Werk eines dürftigen aber zuversichtlichen Bettlers. Wir nehmen aus der Fülle Jesu, was wir in uns selber nicht haben, und wessen wir doch äußerst bedürftig sind, und was dann? Gnade, nämlich die wahrhaftige Gnade, deren V. 14. Meldung geschieht. Wie aber? Empfängt man diese Gnade nur einmal, so daß man hernach auf ewige Zeiten abgefertigt ist? Nein, sondern man nimmt Gnade um Gnade, das ist eine Gnade nach der andern. Der Bettler kommt also oft wieder, weil er oft eine neue Dürftigkeit fühlt. Die vorige Gnade hat er nicht verloren, sondern bewahrt; er bemerkt aber, daß das Empfangene zu neuen Versuchungen nicht hinreichend sei. Er bittet also um eine neue Gnade, das ist um eine neue Mittheilung des Lichts und Lebens, das in Jesu Christo ist, und bekommt sie auch, und so bettelt man sich durch seine Wallfahrt hindurch, bis man das Ziel derselben erlangt. Die Gnade wird auch im Fortgang nie in einen schuldigen Lohn verwandelt: nein, sondern Gnade bleibt Gnade. Die tägliche Uebung wahrer Christen ist bis an ihr Ende diese, daß sie aus der Fülle Jesu eine Gnade nach der andern nehmen. Wird aber der HErr Jesus nicht überdrüssig, wenn man immer kommt und nimmt, ohne Ihm etwas zu vergelten? Ach nein. Er ist willfähriger zu geben, als wir zu nehmen. Er ist Liebe, und die Liebe theilt gern mit. Er hat Wohlgefallen an Erweisung der Barmherzigkeit und nicht am Opfer. Der Unglaube, welcher oft den Schein der Weisheit und Demuth annimmt, und von eigener Unwürdigkeit schwatzt, ist nach seiner innern Beschaffenheit Thorheit und Stolz, da hingegen eine glaubige Seele, welche immer zu Jesu naht und nimmt, was Er geben will, wahrhaftig weise und demüthig ist. Die Gnade, die man aus der Fülle Jesu empfängt, richtet sich nach unserem Bedürfniß. Sie ist also eine erleuchtende, tröstende, unterweisende, stärkende, und heilsam bestrafende Gnade. Sie schafft und stärkt den neuen Menschen in uns und richtet auch unsern äußerlichen Weg zum Vortheil desselben ein. So bete ich dann auch an diesem Morgen: HErr, kehre Dich zu uns, und sei Deinen Knechten gnädig. Fülle uns früh mit Deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang, Ps. 90,13.14. (Magnus Friedrich Roos)


Wir alle, sagt Johannes, die wir als die Apostel Jesu vor die Welt traten und die Kirche sammelten, die ganze Schar derer, die den Beruf erhalten hatten, die Zeugen Jesu zu sein, wir alle arbeiteten nicht mit dem, was wir uns selbst erwarben, sondern schöpften aus der Fülle Jesu. Sein Eigentum war es, was wir der Menschheit brachten. Darum entstand durch die Apostel Christentum, nicht petrinische oder paulinische oder johanneische Frömmigkeit, sondern die Erkenntnis Jesu und seiner Sendung und der Empfang seiner Gaben. Wir alle, sagt Johannes; es war eine große Schar und jeder wieder anders als die anderen, jeder ein Freier, weil jeder an das gebunden war, was er selbst an Erkenntnis und Kraft besaß. Dennoch waren sie eine geeinte Schar und das, was sie schufen, war die einzige und einige Kirche. Denn was sie besaßen, kam alles von dem Einen her und woraus der Fülle Jesu genommen. Keiner erhielt die ganze Fülle. Jesus bleibt größer als alle seine Boten und alle seine Glaubenden. Aber jeder erhielt aus seiner Fülle seinen Teil, nämlich Gnade. War es eine von ihnen verdiente und errungene Gnade? Nein, es war „Gnade für Gnade“. Er war der Gebende im Verkehr mit allen in einer Güte, die nicht im Jünger ihren Grund hatte, sondern in ihm. Weil Er ihnen seine Gnade gegeben hatte, gab er sie ihnen immer neu. Es gab für sein Geben kein Ende, kein: nun ist es genug. Vorwärts führte sie der Herr, zu neuer Erkenntnis, zu neuem Dienst, zu neuer Erfahrung seiner Regierung. Immer höher stieg ihr Weg und doch führte er sie nicht von ihrem Anfang weg. Denn in der Gnade, die sie einst empfangen hatten, lag der Grund für die, die ihnen jetzt gegeben ward.
Ich habe nichts, was mir Deine Gnade erwürbe, lieber Herr, als Deine Gnade. Sie gibt auch meinem Leben die Bewegung, die nicht ermüdet, den Aufstieg, der nicht ermattet, den Reichtum, der sich nicht erschöpft. Indem Du aus Gnade Gnade werden lässt, machst Du Deine Fülle offenbar und heiligst Deine Schar dir zum Dienst und Dir zum Preis. Amen.(Adolf Schlatter)


Welche Gnade haben wir zuerst empfangen? Den Glauben. Im Glauben wandelnd wandeln wir in die Gnade. Denn womit haben wir dieses verdient? Mit welchen vorhergehenden Verdiensten? Verstocke sich Niemand, sondern Jeder gehe in sein Gewissen zurück, suche die Schlupfwinkel seiner Gedanken und kehre wieder zur Reihe seiner Thaten. Er beachte nicht, was er sei, wenn er schon Etwas ist, sondern, was er gewesen sei, damit er etwas würde. Er wird finden, daß er nur des Todes würdig gewesen. Bis du aber des Todes würdig gewesen, und es ist Der gekommen, welcher die Sünden nicht strafte, sondern verzieh: so ist dir Gnade, nicht Lohn gegeben. (Aurelius Augustinus)


Paulus spottete der Korinther auf eine liebreiche und heilige Weise, da er 1 Kor. 4,8. schrieb: ihr seid schon satt werden, ihr seid schon reich worden, ihr herrschet ohne uns, das ist, ihr habt eurer Meinung nach alle Gefahren überstanden, und wollte Gott, ihr herrschetet wahrhaftig, auf daß auch wir mit euch herrschen möchten. Wer auf diese Weise satt und reich ist, hungert und dürstet nicht mehr nach Gnade, und sucht nichts Weiteres über dasjenige, was er schon hat; da dann nicht nur ein Stillstehen auf dem Weg des Lebens unvermeidlich ist, sondern es auch bald dahin kommt, daß der Mensch, der zuerst fein gelaufen war, wieder zurückgeht und die empfangene Gnade verliert. Wir aber wollen nicht also gesinnt sein; denn bis das Ende kommt, von welchem Paulus 1 Kor. 15,24-28. redet, und bei welchem Gott Alles in Allen sein wird, muß ein Christ aus der Fülle Jesu Gnade um Gnade, das ist eine Gnade nach der andern empfangen, folglich von einer Stufe zu der andern aufsteigen. Auch alsdann, wenn eine gerechte Seele von ihrem Leib geschieden sein wird, wird dieses Aufsteigen noch fortwähren, wie denn das weiße Kleid, Offenb. 6,11., das Waiden und Leiten, Offenb. 7,17., und die reine und schöne Seide, womit das Weib Jesu im Himmel zur Hochzeit geschmückt wird, Offenb. 19,7.8., andeuten, daß die Heiligen auch noch im Himmel Gnade um Gnade empfangen. Wir Pilgrime aber, die wir durch die Wüste der Welt wallen, wir Streiter, die wir noch auf dem Kampfplatz stehen, haben insonderheit nöthig, aus der Fülle Jesu Gnade um Gnade zu empfangen; denn wenn wir nicht durch die Gnade vorwärts fortrücken, so drücken uns die Versuchungen, die uns aufstoßen, zurück, und wenn wir nicht in einem jeden neuen Kampf durch die Gnade überwinden, so werden wir überwunden. Das Wort Gnade bedeutet hier nicht nur die Huld und Barmherzigkeit Jesu Christi, die uns unsere Sünden täglich vergibt, und uns trägt und schützt, sondern auch alles dasjenige, was uns zur Gleichförmigkeit mit Christo, zum Sieg über den Argen, zum Halten der Gebote Gottes, und endlich zu einer seligen Vollendung nöthig ist. Dieses Alles soll uns von Christo mitgetheilt werden; denn Er ist voll davon. Er ist Licht und Leben; Er ist voll Gnade und Wahrheit. Alles Gute ist ohne Maß in Ihm: und eben dieses ist Seine Fülle, oder Sein unerforschlicher Reichthum, Sein unermeßlicher Ueberfluß. Das Nehmen aus dieser Seine Fülle geschieht durch den Glauben, durch welchen man sich zu Ihm wendet und nicht zu Menschen, aber auch nicht zu dem Gesetz, das durch Mosen gegeben worden ist. Soll man aber aus der Fülle Jesu eine Gnadengabe nach der andern zur Behauptung des Gnadenstandes und zum geistlichen Wachsthum empfangen, so muß man ein leeres Gefäß werden; denn in ein volles kann Niemand etwas hineingießen. Wohl dem, der von eigener Weisheit, Gerechtigkeit und Kraft ausgeleert wird, damit ihn Jesus erfüllen könne! Wohl dem, der schwach wird, wie Paulus 2 Kor. 12,10. von sich sagt, damit er in dem HErrn stark werde! Wohl dem, in dem der alte Mensch mit seinen Lüsten und Begierden getödtet wird, damit Jesus in ihm leben könne! Wohl dem, der schwach wird, wie Paulus 2 Kor. 12,10. von sich sagt, damit er in dem HErrn stark werde! Wohl dem, in dem der alte Mensch mit seinen Lüsten und Begierden getödtet wird, damit Jesus in ihm leben könne! Jenes Leer- und Schwachwerden und jenes Sterben thut wehe, macht aber der Gnade Raum, daß sie sich mit ihren Gaben immer völliger in uns erweisen kann. (Magnus Friedrich Roos)

1:17 Denn das Gesetz ist durch Moses gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden.

1:18 Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.3)
DEr gebietende Gott mit dem ernsten willen (welcher Gesetz und gebot heisst) ist auch nach dem Fall Ade / aller Menschen hertz bekand blieben / Und ist das Gesetz in aller Menschen hertz geschrieben / Gott sol man fürchten / fur ein HErrn / Recher und Richter halten / Der den Fromen wil alles gutes thun / und die Bösen straffen.
Aber den gütigen barmhertzigen Gott / und das innerlich Vater hertz / die grundlose güte (davon er Gott und das höchste Gut heisst) welcher nach Adams fall / aus unaussprechlicher Güte und reicher Gnade / sein Son / fur uns zum Opffer gegeben hat / Den kennet aus natürlichen angebornen krefften niemand. Den reichen Gott / den höchsten Vater / mit seiner hohen himelischen Liebe gegen uns / Rom. viii. sihet niemand / weis niemand / aus seiner eigen oder menschlichen vernunfft oder krefften.
Sondern allein Gottes son / welcher aus innerlichem Vater hertze geboren / der offenbart die Gnade und das aller süsste und freundlichste Vater hertz / durch das Euangelium.
Hette man nu das Euangelium / und die verkündigung des eingeboren Sons / die er vom Himel gebracht / allein gehört / weren keine Menschen lere und Tradition / Abgötterey / Möncherey / falsche Religion und Gottesdienst eingerissen in der Kirchen.
HErr erhalte uns bey deinem Wort.
Und stewr des Bapsts und Türcken Mort. (Justus Jonas)


Dass keiner dazu gelangt, Gott zu sehen, das hat Johannes mit Ernst den Männern vorgehalten, die in der Erkenntnis Gottes das finden wollten, was als die neue Gabe Jesu in die Menschheit hineingekommen sei. Es ist in der Tat die Gabe des Sohnes Gottes, dass wir Gott kennen. Denn Ihn zu kennen, das ist das ewige Leben. Damit ist uns aber nicht gegeben, dass wir Ihn sehen. Denn wir erkennen Gott an seinem Werk, an dem, was Er uns gibt. Diese Ordnung Gottes stellt uns unter Gottes Gnade. Denn sein Werk kommt aus seiner Güte zu uns und zeigt uns diese an dem, was Er für uns tut. Wie wäre aber die Gnade noch Gnade, wenn sie mir nicht auch Gottes für uns unerreichbare Hoheit sichtbar machte? Dies tut sie dadurch, dass Gott mir unsichtbar bleibt. Die Männer, die nach dem Anblick Gottes rangen, drängten sich an Gott heran, als könnten sie jede Schranke entfernen und den Spiegel, in dem sich Gott uns zeigt, wie Paulus sagte, wegschieben. Das Schauen von Angesicht zu Angesicht überragt als uns verheißenes Ziel den uns jetzt gegebenen Lebensstand und erfordert das reine Herz, das wir noch nicht haben und uns durch keine religiöse Anstrengung und Übung verschaffen können. Die größte Gabe, die uns Gott geschenkt hat, damit wir Ihn erkennen, ist Jesus, der ganz mit Gott Verbundene, der dem Sohn gleicht, dessen Platz an der Brust des Vaters ist, und Jesu Geschenk an uns ist sein Wort, das mit allem, was er uns sagt, die Verkündigung dessen ist, was Gott ist und wirkt. Kann ich Gott nicht sehen, so kann ich ihn doch hören. Anblick Gottes gibt es nicht für mich; dafür gibt es ein zu mir gesprochenes göttliches Wort. Ich darf nicht nach dem begehren, was mir unzugänglich ist, und deshalb das missachten, was mir gegeben ist. Dass Gott durch Jesus zu uns spricht, das ist diejenige Gnade, die für das eigensüchtige Herz des Menschen heilsam ist. So wird es vor dem doppelten Elend behütet, in das sich unser Herz hineinstürzen kann, vor dem Stolz, der sich an Gott herandrängt und nicht in der Tiefe stehen bleiben will, und vor der Erschlaffung, die sich mit dem begnügt, was die Natur uns gibt. Wer sich von der Erde lösen und sich zu den Himmlischen gesellen will, dem tritt das Wort entgegen und ruft ihm zu: Höre mich, und den, der in die Natur versunken, nichts mehr als sich selber sieht, weckt das Wort auf und sagt ihm: Höre mich; was ich dir sage, kommt von Gott.
Ich greife dankbar, heiliger Herr und Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus, nach Deinem Wort und preise es als den hellen Strahl, der aus Deiner Sonne hervorleuchtet, als den reichen Schatz, der aus Deiner Fülle uns beschieden ist, als das feste Band, das uns mit Dir vereint. Gib mir immer reicher, immer reiner Teil an Deinem Wort. Amen. (Adolf Schlatter)


Es ist dieses einer der Sprüche, die zu erkennen geben, daß bei dem HErrn, wenigstens in den Tagen, da Er aufgetreten war, eine besonders fühlbare Gemeinschaft mit Seinem Vater stattfand. Er fühlte Sich im Schoß des Vaters, weswegen es heißt: „Der in des Vaters Schoß ist.“ Es fand bei Ihm eine Art Sehen Gottes statt, wie es bei keinem sonstigen Menschen möglich war, auch bei Mose nicht, der hintennach sehen durfte (vergl.20.a). Dadurch unterscheidet sich der HErr nicht nur als der allergrößte, sondern auch als der einzige Prophet von den anderen, wie Er auch sonst (Hebr.1,1.2) als der Sohn, durch welchen Gott zuletzt geredet habe, allen andern Propheten gegenübergestellt wird. Andere bekommens nur bruchstückweise und als Brosamen; Er aber, der Sohn, bekam es nicht nach dem Maß (Joh.3,34), sondern als Einer, der in des Vaters Schoß ist. Darum heißt es jetzt von Ihm (Kol.2,9), daß „in Ihm wohne die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.„
Es ist merkwürdig, wie sie in unsern Tagen das Leben Christi so überaus und rein menschlich aufzufassen und zu erklären sich bemühen, meinend, daß sie damit erst den rechten Christus gefunden hätten, wenn er ganz und nur Mensch wäre, und ganz menschlich sich entwickelnd gedacht werde. Aber so viel sie sich auch abmühen und krümmen, - mit der Schrift kommen sie nicht zurecht; und so können sie sich, - ein böses Zeichen wider ihre Weisheit, - nicht anders helfen, als daß sie von der Schrift gar absehen, und diese entweder als unecht wegkritisieren, oder die Verfasser auf den Stuhl der Unwissenheit oder Schwärmerei oder Irrbildung setzen. Denn die Schrift, schon obiger Spruch, will's durchaus anders, und ist eben damit dem Menschen, der Trost und Hilfe und Gewißheit des ewigen Lebens sucht, ein willkommenes Evangelium. Darum sagen wir mit Luther : „Das Wort sie sollen lassen stah'n.“ Wie groß wird doch in ihr und nur in ihr, nicht in der Scheinweisheit der Neuerer, die Barmherzigkeit Gottes, mit welcher Er durch Christum uns nahe gekommen ist! (Christoph Blumhardt)


DIeses Liecht / von Gott geoffenbart / ist zum höchsten nötig in der Kirchen zu wissen / zu erhalten unterscheid des Gesetzes / und der wunderbarlichen gnedigen Verheissungen / vom Son Gottes hesu Christo / unserm Heiland / die im Evangelio verkündiget wird / Darin Gott diesen heimlichen Rat offenbart / den kein Mensch oder Engel hette finden können.
Nemlich / das der ewige Vater / umb seines Sons willen / die elend menschlich Natur / widerumb annemen wil / gibet vergebung der Sünden / heiligen Geist / Gerechtigkeit / ewiges Leben.
Das Gesetz ist in aller Engel / und aller Menschen verstand / in der Schöpffung gebildet. Wiewol es auch Göttliche weisheit ist / dennoch ist es allen Engeln und Menschen / one newe offenbarung / bekand.
Aber die verheissung / das Gott die Sünder annimpt / one unser verdienst / Sondern umb des Sons willen / dieses ist ein newe und andere Weisheit / denn das Gesetz.
Und ist dieser heimlich Rat durch den Son / in der Verheissung / nach dem fall Ade verkündiget / Darumb er genant ist im Esaia / Magni consilii Angelus, Der Bote des hohen heimlichen Rats / Esa. ix.
Durch diese verheissung / samlet im Gott ein ewige Kirchen. In dieser Verheissung sollen wir trost und ewiges LEben suchen / und sie mit glauben annemen.
Diesen unterricht / mus man in anfang der Göttlichen schrifft wissen / das man mercke / wo von Gesetz / und wo von der Verheissung geredt wird. Denn on erkentnis der gnaden / die umb Christi willen zugesagt ist / ist keine Kirche Gottes / kein trost noch zuflucht zu Gott. Darumb ist nötig dieses Liecht / wider die Verfolger rechter Lere / zu erhalten. (Philipp Melanchthon)


Das andere Erkenntniß Gottes geschiehet aus dem Evangelio. Als, wie alle Welt von Natur ein Gräuel ist vor Gott, und ewiglich verdammet unter Gottes Zorn und des Teufels Gewalt, daraus sie nicht hat können errettet werden, denn also, daß Gottes Sohn, der dem Vater in seinen Armen liegt, Mensch ist worden, gestorben, und wiederum von den Todten auferstanden, Sünde, Tod und Teufel getilget hat.
Das ist die rechte und gründliche Erkenntniß, Weise und Gedanken von Gott, welches genennet wird das Erkenntniß der Gnaden und Wahrheit, die Evangelische Erkenntniß Gottes. Aber sie wächst in unserm Garten nicht, die Vernunft weiß nicht einen Tropfen davon. Zur linken Hand kann sie Gott kennen nach dem Gesetz der Natur und nach Mose; denn das Gesetz ist uns ins Herz geschrieben. Aber daß sie sonst sollte erkennen den Abgrund göttlicher Weisheit und Willens, und die Tiefen seiner Gnaden und Barmherzigkeit, wie es im ewigen Leben zugehen werde, da weiß Vernunft nicht einen Tropfen von, und ist ihr gar verborgen, sie redet davon als der Blinde von der Farbe. Hievon sagt Johannes recht: Es hat Gott niemand gesehen, allein sein eingeborner Sohn, der ihm auf seinen Armen liegt, der hat es der Welt verkündiget.
Und das ist die rechte Weise, Gott zu erkennen, daß man sich zur rechten Hand halte, und wisse, was Gott gedenkt und im Willen ist; da weiß sonst kein Mensch von. Es stehet aber so mit dem menschlichen Geschlechte, daß wir müssen Gnade haben durch den Sohn. Aber die Vernunft bleibet bei der ersten Erkenntniß Gottes, so aus dem Gesetz hervorkommt, und redet gar dunkel davon. (Martin Luther)

1:19 Und dies ist das Zeugnis des Johannes, da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, daß sie ihn fragten: Wer bist du?
Die Frage des heutigen Evangeliums: “ Wer bist du?“ ist offenbar die wichtigste an uns selbst, die wahre Adents- und Rüstfrage auf Weihnachten. Johannes, der größte Mensch unter allen, die vom Weibe geboren, antwortet: „Ich bin nicht Christus, ich bin nicht werth, Ihm die Schuhriemen aufzulösen, ich bin nur die Stimme des Predigers in der Wüste. Er ist das Wort, ich bin nur die Stimme des Worts. Er ist der Erlöser, ich bin nur ein armer Sünder. Er ist von oben her, ich bin von unten. Er muß wachsen, ich muß abnehmen.“ Ist das nicht auch unser Bekenntniß, wenn wir wahrhaft uns selbst prüfen? Und kommt uns dies Bekenntniß nicht lebendig zum Bewußtsein, wenn wir uns gegen Christum halten? Wie Feuer und Wasser, wie innere Reinigung von den Schlacken und äußere Reinigung vom Schmutz sich unterscheiden: so unterscheidet sich Sein Werk von unserm Werk. Wir können nur erquicken, Er aber heilt. Und wie Gott und Mensch, der Heilige und der Sünder, der Ewige und der Sterbliche sich unterscheiden, so unterscheidet sich Christi Person und unsere Person. Er ist der Ewige, der nach Johannes kam und doch vor ihm gewesen ist, der da war, ehe Abraham war, der als das Wort unbekannt das Licht und Leben der Menschen war in der alten Zeit, der von Ewigkeit her bei Gott war und Gott war; Er ist der Heilige, den die Cherubim und Engel allein würdig loben, - und wir sind befleckte Sünder, Kinder der Finsterniß und des Verderbens, unfähig Ihm den geringsten Dienst zu leisten, ja nicht werth, daß Er uns Festtage bescheert und in unseren Herzen seine Wohnung aufschlagen will. Wir sind nicht Christus, nicht unsere Selbsterlöser: aber Gottlob! - wir kennen Ihn, der mitten unter uns getreten ist, kennen seine Person, den Zweck seiner Ankunft, seine Erlösung und Erhöhung. Wie das die größte Niedrigkeit für den Menschen ist, Christum nicht zu kennen, und Sünde, Weltsinn, Leichtsinn nicht so tief erniedrigt, als solche Unwissenheit: so ist das unsere wahrhafte Erhöhung und Beseligung, von Ihm zu wissen und mit Ihm in Gemeinschaft zu stehen; ja, das der wahre Adel und die höchste Würde unserer Natur. Und haben wir Ihn erst erkannt, so ist unseres Lebens Aufgabe auch klar und nahe, es ist die, Ihm den Weg zu bereiten, sowohl zu uns als zu Andern! Und zwar durch Buße, Glauben und völlige Hingebung. Haben wir das gethan und thun wir das heute und morgen immer gründlicher: dann brich an, heilige Nacht; dann singet ihr Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe!“ und du, Gemeinde: „Hosianna dem Sohne Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“ (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

1:20 Und er bekannte und leugnete nicht; und er bekannte: Ich bin nicht Christus.

1:21 Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein!

1:22 Da sprachen sie zu ihm: Was bist du denn? Daß wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?

1:23 Er sprach: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des HERRN! wie der Prophet Jesaja gesagt hat.
4)

1:24 Und die gesandt waren, die waren von den Pharisäern.

1:25 Und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, so du nicht Christus bist noch Elia noch der Prophet?

1:26 Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt.

1:27 Der ist's, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist, des ich nicht wert bin, daß ich seine Schuhriemen auflöse.

1:28 Dies geschah zu Bethabara jenseit des Jordans, wo Johannes taufte.5); 6); 7)

1:29 Des andern Tages sieht Johannes Jesum zu ihm kommen und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!
Das ist St. Johannis Predigt, daß er immer auf Christum treibet, daß wir Vergebung der Sünden allein durch ihn hoffen und haben sollen. Fromm sollen wir seyn und uns im heiligen Leben üben, das ist wahr; aber selig werden, solches widerfähret uns allein durch Vergebung der Sünden, daß jeder lerne Gott also erkennen, daß er gnädig sey und die Sünde vergeben wolle, und spreche: Herr, rechne nicht mit mir, ich weiß doch ja nicht mit meinen Werken zu bestehen; ich will mich wohl gern vor Sünden hüten und fromm seyn; aber damit ist mir nicht geholfen. Das allein hilft mir, was du durch den heiligen Johannem hast predigen lassen, daß wir sollen selig werden durch Vergebung der Sünden!
Da merke aber das mit Fleiß: So die Welt durch Vergebung der Sünden soll selig werden, so muß je folgen, daß die Welt eitel Sünde sey. Denn wo keine Sünde ist, da bedarf man der Vergebung der Sünde nicht: wiederum, da man Vergebung der Sünde bedarf, da muß je Sünde seyn. Also schleußt es sich fein, daß alle Menschen Sünder, und so viel an ihnen ist, verdammt sind; sollen sie aber selig werden, so ist das der einige Weg, daß die Sünde ihnen vergeben muß werden. Das geschieht aber, wie Johannes lehret, allein durch den Sohn Gottes; der ist das Lämmlein, da alle unsere Sünden aufliegen; das muß uns helfen. Denn so die Sünden auf uns sollten liegen, daß wir sie tragen müßten, so müßten wir in Ewigkeit verloren seyn, und vermöchte kein Mensch in den Himmel zu kommen. Aber es heißt: Vergebung der Sünde, daß der Sohn Gottes die Sünde für uns hat tragen müssen. Das heißt St. Johannis Predigt, dadurch man lernet, wie man soll selig werden, nämlich allein durch Vergebung der Sünden. (Martin Luther)


Dem, was der Täufer über Jesus sage, hat Jesus nicht widersprochen. Das war er und er war es mit ganzem Herzen, das für Gott geheiligte und zu Gottes Eigentum gemachte Lamm. Jesus kannte nichts Größeres, keinen herrlicheren Beruf. Das für Gott geweihte Lamm kam an jedem Morgen und an jedem Abend auf den Altar und dagegen, dass er zum Altar gebracht werde, hat sich Jesus nie gesträubt. Im Leben und im Tod mit Seele und Leib gehört er dem Vater ganz. Das täglich geopferte Lamm war der Trost Israels; denn es zeigte ihm Gottes Vergebung und nahm seine Schuld von ihm weg. Darum war am frühen Morgen, wenn das Lamm auf den Altar gebracht wurde, immer auch eine betende Gemeinde im Tempel, die dankend Gottes vergebende Güte pries. Bedurfte nur Israel ein Lamm, das seine Schuld wegtrug und es von der Last seiner Sünde befreite? Was im Tempel geschah, zeigte der Welt, was sie nötig hat. Die Welt, das ist die Menschheit, wie sie immer und überall ist, die Menschheit, die ein gemeinsames Schicksal hat und eine alte bedrückende Not. Bisher sprach das Lamm Gottes nur zu Israel von Gottes Gnade. Nun aber ist die Stunde des Heils gekommen, in der sich Gottes Gnade für jeden, der Mensch ist, offenbart. Nun wird die Schuld der Welt begraben. Hier ist er, sagte der Täufer, der das kann, und Jesus widerspricht ihm nicht, sondern antwortet in der Vollmacht Gottes: Ja, ich bin da und heilige mich für euch alle und nehme von euch allen weg, was eure Seele euch bereitet hat.
Was Welt ist, lieber Vater, das sehe ich, und was die Sünde der Welt ist, ist mir nicht völlig verborgen. Offenbar und gewiss ist mir, dass niemand die Sünde der Welt wegnehmen kann als Du allein. Nun zeigt mir Dein Wort den, der dein eigen ist, den Du dazu gabst, damit er die Schuld der Welt auslösche. Das ist ein Wunder über alles Begreifen hinaus. Es ist aber ein fröhlich Ding, diesem Deinem Wort zu glauben. Dazu hilf mir, lieber Herr. Amen. (Adolf Schlatter)

1:30 Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich.

1:31 Und ich kannte ihn nicht; sondern auf daß er offenbar würde in Israel, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser.

1:32 Und Johannes zeugte und sprach: Ich sah, daß der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm.

1:33 Und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du sehen wirst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem heiligen Geist tauft.

1:34 Und ich sah es und zeugte, daß dieser ist Gottes Sohn.8)

1:35 Des andern Tages stand abermals Johannes und zwei seiner Jünger.

1:36 Und als er Jesum sah wandeln, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!
Auch an dich ergehen die zwei wichtigen Fragen: wer bist du? wer ist Christus? sei es, daß Menschen oder der Teufel oder Gott selber dich fragt. Was willst du antworten? Entweder bist du ohne Christus, dann ist dein Zustand der Zustand ohne Gnade, außerhalb des Gnadenstandes, der Zustand eines todten und verlornen Menschen, der so lange bleibt, so lange du dich nicht zu Christo bekehrst und die drei Schritte der Abkehr von der Sünde, der Umkehr zu dem einzigen Heiland, und der Einkehr in seine versöhnende, vergebende und heilende Gnade nicht thust. Oder aber, du hast diese drei Schritte gethan und stehest durch Sinnesänderung und Glauben in einer persönlichen Herzensverbindung mit Christo, und bist durch die Wiedergeburt in Ihn eingepflanzt: wer bist du dann? Dann bist du Einer von denen, welche der Mund des Herrn also anredet: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibet und ich in ihm, der bringet so viele Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts thun.“ Da ist dann ein fester Grund in dir gelegt, der da besteht und dieses Siegel hat: „Der Herr kennet die Seinen;“ und das andere: „Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.“ Dieses Doppelsiegel ist das doppelte Kennzeichen, aber auch die doppelte Bestätigung, daß du fest in Christo gegründet bist. Es besteht darin: 1) daß dich der Herr durch den zueignenden Glauben als sein Eigenthum anerkennt und dir die Gewißheit schenkt, daß du sein bist und Er dein ist, 2) daß du aber auch von aller wissentlichen Ungerechtigkeit abtretest, welche Ungerechtigkeit in der Lehre Irrlehre heißt, im Wandel aber ein Irrweg ist. Daran erkenne dich als fest in Gott gegründet. Dann wirst du aber auch von dir immer demüthiger, von Christo immer höher denken und zeugen; du immer mehr Nichts, Er dir immer mehr Alles werden. O Herr Jesu, laß mich alle Selbsterhöhung fliehen und in Geduld warten, bis Du mich selbst, wenn es Dir gefällig ist, suchen, erhöhen und in Deine ewigen Hütten einführen wirst. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

1:37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesu nach.

1:38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was suchet ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Meister, wo bist du zur Herberge?

1:39 Er sprach zu ihnen: Kommt und sehet's! Sie kamen und sahen's und blieben den Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.

1:40 Einer aus den zweien, die von Johannes hörten und Jesus nachfolgten, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.9)

1:41 Der findet am ersten seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden (welches ist verdolmetscht: der Gesalbte),10)
Die vorliegende Erzählung liefert uns ein vorzügliches Beispiel davon, wie sich je und je das geistliche Leben äußert, wenn es gesund und kräftig ist. Sobald ein Mensch Christum gefunden hat, fängt er an, auch andre zu finden. Ich will nie glauben, dass du von dem Honigseim des Evangeliums gekostet hast, wenn du ihn für dich allein essen kannst. Wahre Gnade macht aller geistlichen Selbstsucht ein Ende. Andreas fand am ersten seinen Bruder Simon und danach andre. Verwandte haben vor andern einen gerechten Anspruch darauf, dass wir ihnen unsre Kräfte widmen. Andreas, du hast wohlgetan, dass du mit Simon angefangen hast! Ich weiß nicht, ob es nicht manche Christen gibt, die in anderer Leute Häusern christliche Schriften verteilen, während es besser angelegt wäre, wenn sie dem eigenen Hause ihre Aufmerksamkeit zuwendeten; oder andere sind bei Werken der äußeren Mission tätig und vernachlässigen darüber den näheren Beruf der Wirksamkeit im Kreise der Ihrigen. Ob du berufen seist oder nicht, unter den Leuten eines besonderen Bezirkes das Evangelium zu bezeugen, so bist du jedenfalls berufen, nach deinem eigenen Gesinde, nach deiner Freundschaft und Verwandtschaft zu sehen. Beginne mit deinem Christentum daheim. Manche Handelsleute bringen ihr Bestes auf den Markt, so soll der Christ nicht handeln. All sein Wirken und Reden sei jederzeit gewürzt; aber er sorge, dass die süßesten Früchte des geistlichen Lebens und Zeugnisses seiner Familie zu gute kommen. Als Andreas seinen Bruder fand, konnte er keine Ahnung haben, welch ein Werkzeug sein Bruder einst werden sollte. Simon Petrus übertraf den Andreas an Tüchtigkeit, soweit wir dies aus der heiligen Geschichte entnehmen können; und dennoch wurde Andreas das Mittel, dass er zu Jesu kam. Es mag dir wohl an Gaben mangeln, und dennoch kann durch dich einer zu Christo gezogen werden, der durch Begnadigung und Verdienst weit hervorragt. Ach, lieber Freund, du weißt so wenig von dem, was durch dich kann möglich werden. Du sprichst vielleicht ein einziges Wort zu einem Kinde, aber es schlummert in ihm ein edles Herz, das in künftigen Zeiten der Gemeinde Gottes hell vorleuchtet. Dem Andreas waren nur zwei Zentner verliehen, aber er fand Petrum. Gehe hin und tue desgleichen. (Charles Haddon Spurgeon)


Gerettet sein schafft Rettersinn. Die Liebe zum Herrn bringt Liebe zu Seinem Wort, brüderliche Liebe - und allgemeine Liebe. Wie ein Wunder steht das vor unseren Augen; aber wir begegnen überall dieser Tatsache, wo das Evangelium gläubig und lebendig verkündigt wird. Du wirst erst recht ein Glied Christi und wirst dir deines Gnadenstandes erst recht bewusst im Dienen; Bewegung erwärmt, belebt, macht kräftig. Rege dich nur für deinen Heiland, tue etwas für Ihn, so kommst du schon vorwärts. Freilich bringen Erfahrungen andere Anschauungen. Der Neubekehrte denkt: wenn er komme, wenn er rede, wenn er für Christi Sache eintrete, dann gehe es ganz anders vorwärts als bis jetzt. Er begreift nicht, warum es in der inneren und in der äußeren Mission so langsam vorwärtsgeht. Im ersten Feuer scheint er mit Siebenmeilenstiefeln vordringen und alle überholen zu können; jede Festung will er im Sturm einnehmen. Aber er wird bald bedächtiger, vorsichtiger, ruhiger. Mit Umsicht und mit Ausdauer arbeitet er jetzt. Fest hat er sein Ziel im Auge und unentwegt steuert er darauf zu. Während der Anfänger oft nachgibt und ermattet am Boden liegt, eilt der Erfahrene langsam, aber ohne Unterbrechung vorwärts; nicht auffallend, aber sicher geht er von Sieg zu Sieg. Wie geht es dir? Große Hoffnungen erfordern viel Gebet. Arbeitest du nur, - oder liegst du auch treu und anhaltend auf den Knien? Die ganze Welt liegt im argen. Auch du bist wie Andreas berufen, andere für Jesus zu gewinnen. (Markus Hauser)

1:42 und führte ihn zu Jesu. Da ihn Jesus sah, sprach er: Du bist Simon, Jona's Sohn; du sollst Kephas (Fels) heißen.

1:43 Des andern Tages wollte Jesus wieder nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!

1:44 Philippus aber war von Bethsaida, aus der Stadt des Andreas und Petrus.

1:45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von welchem Moses im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesum, Joseph's Sohn von Nazareth.

1:46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann von Nazareth Gutes kommen? Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!

1:47 Jesus sah Nathanael zu sich kommen und spricht von ihm: Siehe, ein rechter Israeliter, in welchem kein Falsch ist.
Als Jesus seine Jünger zu sich nahm, begann er, das zu tun, was ihm der Spruch des Johannes als seine Sendung beschrieben hat. Nun handelt er als das Lamm Gottes, das die sünde der Welt wegnimmt. Indem er seinen Jüngern seine Gemeinschaft schenkte, bedeckte er ihre Sünde und rechnete ihnen ihren Fall nicht an. Er handelte dabei nach dem Spruch des Psalmisten: „Wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet, in des Geist kein Falsch ist“, Psalm 32,1+2. Auf die gerade Lauterkeit unseres Verhaltens, ohne die es für uns kein Vergeben und keine Gemeinschaft mit Jesus geben kann, wies Jesus damals hin, als Nathanael vor ihn trat. Denn dieser hatte sich kräftig gegen die Einladung gesträubt, die ihn zu Jesus berief. Es gefiel ihm durchaus nicht, dass Jesus ein Nazarener war. Das war jüdisch gedacht, menschlich gedacht, ein voreiliges Urteil ohne Einblick in Gottes Weg, die Äußerung einer stolzen Frömmigkeit, die wusste, wie der Christus kommen müsse, und zu bestimmen wagte, was Gott zu tun habe, damit sein Christus sichtbar und seine Verheißung erfüllt sei. Jüdisch und menschlich war dies gedacht, das heißt sündlich. Aber nicht die Sünde trennt von Jesus, sondern die Lüge, die Verstellung, die eigene Gerechtigkeit, die auch ihr Böses verteidigt und nicht an das Licht kommen mag. Nathanael kam, obwohl Jesus ein Nazarener war, dennoch zu ihm, nicht als Glaubender, sondern um zu prüfen, nicht ohne Vorurteil, doch mit dem Vorsatz, zu erkennen, wie es sich mit Jesus verhalte, den ihm Philippus als den Christus pries. Das war für Nathanael der gerade Weg; damit dachte er ehrlich und tat, wozu ihn seine Lage anleitete. Darum nennt ihn Jesus ohne Falsch und öffnet ihm seine Gemeinschaft nach dem Willen Gottes, den der Psalmist verkündet hat, dass dem die Sünde vergeben wird, in des Geist kein Falsch ist.
Krumme Wege führen nicht zu Dir, Herr Jesus. Mir Dir reden kann nur der, der vor Dir wahrhaftig wird. Darum bete ich, weil Du mich kennst mit dem allmächtigen Willen Gottes, und dafür danke ich Dir, dass Du den, der zu Dir kommt, nicht wegtreibst, sondern seine Sünde von ihm nimmst in der Macht, die Dir als Gottes Lamm gegeben ist. Amen. (Adolf Schlatter)

1:48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Ehe denn dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.

1:49 Nathanael antwortete und spricht zu ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!

1:50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum; du wirst noch Größeres denn das sehen.
Dies ist zu einem kindlich Gläubigen gesprochen, der bereit war, auf einen überzeugenden Beweisgrund hin Jesum als den Sohn Gottes, den König Israels, anzunehmen. Die, welche willig sind, zu sehen, sollen sehen; nur weil wir unsre Augen verschließen, werden wir so traurig blind.
Wir haben schon viel gesehen. Große und unerforschliche Dinge hat der Herr uns gezeigt, wofür wir seinen Namen preisen; aber es sind noch größere Wahrheiten in seinem Worte, größere Tiefen der Erfahrung, größere Höhen der Gemeinschaft, größere Werke im Dienste Gottes, größere Enthüllungen der Macht und der Liebe und der Weisheit. Diese sollen wir noch sehen, wenn wir willig sind, unsrem Herrn zu glauben. Die Fähigkeit, falsche Lehre zu erfinden, ist verderblich, aber das Vermögen, die Wahrheit zu sehen, ist ein Segen. Der Himmel soll uns geöffnet, der Weg dahin soll uns in dem Menschensohn frei gemacht werden, und den Engelverkehr, der zwischen dem oberen und dem unteren Reiche stattfindet, sollen wir klarer wahrnehmen. Laßt uns die Augen für geistliche Dinge offenhalten und erwarten, immer mehr zu sehen! Laßt uns glauben, daß unser Leben nicht in Nichts zusammenschrumpfen wird, sondern daß wir immer mehr wachsen und Größeres und noch Größeres sehen werden, bis wir den großen Gott selber schauen und Er niemals wieder unsren Blicken sich entziehen wird. (Charles Haddon Spurgeon)

1:51 Und spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf und herab fahren auf des Menschen Sohn.11)
Auf diese Weise hat der leutselige Sohn Gottes seine fünf ersten Jünger an sich gezogen und gesammelt. Mit solchen fünf Erstlingen hat die Kirche Christi begonnen, die sich nun über fünf Welttheile verbreitet! – Nur einem Einzigen hat er ein Gebot gegeben, nämlich dem Philippus das Gebot: „folge mir nach,“ und wahrscheinlich klang es in dem sehnenden Herzen Philippi nicht wie ein Gebot, sondern wie eine freundliche Einladung und Erlaubniß, fast wie das freundliche Wort dem Johannes und Andreas geklungen haben mag: „Kommet und sehet!“ Petrus aber bekam die Verheißung: „Du sollst Fels heißen!“ und Nathanael: „Du wirst noch Größeres denn das sehen!“ Auch seine Bergpredigt fing Jesus mit acht Seligkeits-Verheißungen, und nicht mit einer Dornenkrone von 66 Pflichten an. Verheißungen wecken Glaubenskräfte und bannen die Muthlosigkeit, die Verdrossenheit und Trägheit. – Gemeiniglich machen zweierlei Worte den tiefsten Eindruck auf uns, und werden auch am besten von uns behalten, die Worte der Bewillkommnung und des Abschieds, die ersten und die letzten Worte aus dem Munde eines theuern Menschen. So ging es auch hier. In der göttlich reinen Seele unseres Erlösers war es nicht blos ein ungetrübtes Gefühl, sondern auch ein helles Sehen, ein deutliches Kennen, womit Er nicht nur wußte, wer ein Mensch war, sondern auch was er sein und werden sollte und würde. Er kannte und kennt noch immer seine Schafe mit Namen. Und die Jünger haben den Eindruck jener ersten Begegnung nie vergessen; noch nach mehr als 40 Jahren, wo Johannes sein Evangelium schrieb, wußte er genau diese ersten Worte und den Tag und die Stunde, wo sie gesprochen waren. – Dabei behandelte Jesus jeden einzelnen der fünf Jünger anders, je nach seinem besondern Herzen und Charakter. Und noch immer sind es die verschiedensten Weisen, Zeiten, Orte, Anlässe, wie Jesus sich seine Jünger erwählt und erweckt. Wie Jesus der Originellste und Eigenthümlichste, auch der Vielseitigste aller Menschen ist, so kann Er auch nur nach eines Jeglichen Eigenthümlichkeit gefunden werden. Das einzig Gemeinsame bei Allen sind aber die drei Wörtlein: „Komm und siehe!“ Sie begründen das persönliche Verhältniß zu Christo, ohne welches kein lebendiges Christenthum Statt finden mag. Herr, hier bin auch ich: laß mich Deine Herrlichkeit sehen. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Ja, für unsren Glauben ist dieser Anblick selbst heute ein deutlicher. Wir sehen den Himmel offen. Jesus hat das Himmelreich allen Gläubigen aufgetan. Wir schauen in den Ort des Geheimnisses und der Herrlichkeit hinein, denn Er hat ihn uns enthüllt. Wir sollen bald hineinkommen, denn Er ist der Weg.
Nun sehen wir die Erklärung der Jakobsleiter. Zwischen Himmel und Erde ist ein heiliger Verkehr; das Gebet steigt hinauf, und die Antwort kommt hernieder durch Jesum, den Mittler. Wir sehen diese Leiter, wenn wir unsren Herrn sehen. Er gleicht einer lichten Treppe, die uns freien Zugang zum Throne des Höchsten gibt. Laßt uns diese benutzen und die Boten unsrer Gebete darauf empor senden. Wir werden selber das Leben der Engel leben, wenn wir in Fürbitte hinauf zum Himmel eilen, die Segnungen des Bundes ergreifen, und dann wieder herabkommen, um diese Gaben unter den Menschenkindern auszuteilen.
Diesen köstlichen Anblick, den Jakob nur im Traume hatte, wollen wir in leuchtende Wirklichkeit verwandeln. Heute noch wollen wir jede Stunde die Leiter auf- und absteigen; hinaufklimmen in Gemeinschaft mit Gott, und herabkommen in Arbeit, um unsre Mitmenschen zu erretten. Dies ist Deine Verheißung, o Herr Jesus, laß uns sie fröhlich erfüllt sehen. (Charles Haddon Spurgeon)

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