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Matthäus, Kapitel 5

Matthäus, Kapitel 5

5:1 Da er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm,

5:2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

5:3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.1); 2)
In Wahrheit stehen wir mit dem Ausspruch unseres Herrn vor der Wahl, alles zu verlieren, um alles zu gewinnen. Was die gegenwärtige Welt bietet, darf nicht unser Teil sein, sie liegt im argen; unser Erbgut liegt im Reiche des Lichts, im Reiche der Himmel. Armsein ist ein Leiden. Der Arme entbehrt das Nötigste, seine Bedürfnisse bleiben ungestillt. Mangel macht sich täglich geltend. Wer arm ist, sehnt sich nach Dingen, die er nicht hat. Die Guter sind da, aber er besitzt sie nicht; - das macht ihn arm. Der geistlich Arme hat einen geweckten Geist; was er braucht, ist nicht von dieser Welt. Er hat erkannt, dass er zwei Welten angehört und von oben herab gewisse, bleibende Güter empfangen muss. Andere mögen sich reich dünken, er fühlt sich arm. Warum? Die Augen sind ihm geöffnet worden, dass er erkennt: Ich brauche Gott. Ohne seine Vergebung bin ich verloren. Der „geistlich Arme“ sehnt sich nach Gott, bis er daheim, bis er seinem Herrn ähnlich gemacht ist, bis er Ihn schaut. Den Erretteten schenkt Gott das Erbteil der Heiligen. Seit das Paradies von der Erde verschwunden ist, entstand ein Weltreich nach dem anderen. Jetzt will der Herr vom Himmel kommen und die Sache der Menschen und der Erde selbst in die Hand nehmen. Über alle Lande wird Er der Herr sein. Und mit Ihm werden die „geistlich Armen“ das Himmelreich besten. Glaube an des Heilandes Wort, das er liebevoll, aber bestimmt ausspricht: Das Himmelreich gehört den „Armen im Geiste“. Die anderen können unmöglich den Eingang Enden. (Markus Hauser)


Die ganze Welt dreht sich um, wenn Jesus zu reden beginnt. Seine Gedanken sind nicht die unsrigen, sind auch nicht nur eine Verbesserung und Aufklärung unserer Gedanken, sondern stehen zu diesen in einem vollendeten Gegensatz. Niemals sagen wir: selig, die Armen, wobei es für unseren Widerspruch gegen Jesus ganz gleichgültig ist, ob wir dabei an den natürlichen oder geistigen Besitz denken. Für uns steht fest: Besitz ist Glück, sowohl reicher Vorrat an Lebensmitteln, als reiche Anhäufung innerer Kräfte. Wenn wir das ernsthaft schätzen, was uns inwendig reich und stark macht, klingt uns das Wort Jesu erst recht unglaublich. Wie kann er es bestreiten, dass uns mit großem Wissen, starkem Willen, reicher Erkenntnis Gottes, großem geistlichen Vermögen ein nicht genug zu schätzendes Glück beschert ist? Das ist die Rechnung des Menschen, der sich selbst beschaut und noch nichts wahrgenommen hat als sich selbst. Nun spricht aber der zu uns, der den Vater kennt, und damit dreht sich unsere ganze Welt. Denn jetzt bemisst sich mein Glück nicht nach dem, was ich habe, sondern nach dem, was Gott hat und Gott gibt. Für Gott entsteht aber der Anlass zum Geben aus dem, was ich nicht habe. Einen anderen Anlass, weshalb er mir gütig ist, als mein Bedürfnis gibt es für Gott nicht. Vor meinem Reichtum verneigt er sich nicht und mein Können lockt ihm keine Bewunderung ab. Ihm liegt es nicht daran, große Menschen zu machen, sondern daran, mir zu zeigen, dass er Gott ist. Sich will er mir zeigen, und ihn kenne ich dann, wenn ich seine Gnade schaue. Darum ist meine Armut das, was mir ihn offenbart, weil er zu meiner Armut seinen Reichtum fügt. Ihrer, sagt Jesus, ist das Himmelreich; das heißt, Gottes ganze Gnadenmacht und Herrlichkeitsoffenbarung wird ihnen zuteil.
Das ist das Evangelium Jesu für die Armen, das ist die einzige mögliche Hilfe für sie. Der Armut ist nur dann geholfen, wenn sie den Geber findet, der zu ihrem Bedürfnis seine Gabe fügt. Ist das aber nicht die Hilfe für uns alle? Denn wer ist nicht arm? Ist es nicht auch der Reiche, gerade weil sein Reichtum an ihm hängt, und endet nicht auch geistiger Reichtum in Verarmung, weil wir, je reicher wir werden, um so weniger Gottes bedürftig sind? Wenn uns dafür die Augen aufgegangen sind, entsteht in uns das Verständnis und die Danksagung für die Verheißung Jesu, die den Armen, deshalb, weil sie arm sind, das Himmelreich gewährt.
Kehre Du, lieber Herr, meine Gedanken um, dann verlieren sie die Enge und Dunkelheit, die ihnen unser natürlicher Zustand gibt, und werden Gottes Gedanken untertan. Das sind die Gedanken der gebenden Gnade, die sich nicht auf unseren Besitz und unser Vermögen aufbaut, sondern barmherzig ist, ganz zu uns herantritt und ihre Gabe in unsere Armut legt. Amen. (Adolf Schlatter)


Der holdselige Prediger auf dem Berge ist in den Tagen seines Fleisches ein Armer gewesen. Ob er wohl reich war, ward er doch arm um unsertwillen. Die Füchse haben Gruben, die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hatte nicht, da er sein Haupt hinlegte, hatte als Kind keine Wiege, als Mann kein Haus, als Sterbender kein Sterbebette. Das Gleiche zieht das Gleiche an. Die Armen und Geringen im Volke, die nicht in Purpur und köstlicher Leinwand, sondern nur in Fischerkleidern und Arbeiterröcken einhergehen, haben sich in den Tagen seines Erdenwandels um ihn geschaart. Preiset nun der Herr solche Dürftige und Nothleidende selig? Ist's der Mangel an irdischem Besitz, ist's die äußerliche Armuth, die der Herr hinstellt als Bedingung für den Eintritt ins Himmelreich? Mit nichten! Es soll allen Menschen geholfen werden, den Armen, wie den Reichen. Es ist die geistliche Armuth, über die der Herr das „Selig“ ausruft. Nicht an den auswendigen, sondern an den inwendigen Menschen wendet er sich mit seinem Wort.
Die recht seligen Armen, das sind diejenigen, welche weder in sich selber, in ihrer Tugend, Weisheit und Erkenntniß, noch in der Welt, mit all' ihrer Lust, Ehre und Herrlichkeit gefunden haben, was die Seele wahrhaft trösten und erfreuen kann. Sie haben's mit Scham und Schmerz erfahren, daß ihre Gerechtigkeit befleckt, daß ihr Wissen Stückwerk, ihre Vernunft blind, ihr Wille ohnmächtig ist. Ihre tägliche Sünde und Uebertretung steht ihnen vor Augen, sie sind darüber bekümmert und niedergeschlagen, sehen für sich allein kein Durchkommen, stehen als Bettler vor der Thüre des Himmelreiches und strecken darum ihre Hände nach einem Seligmacher, Trost und Heiland, nach Kraft und Frieden aus. Vor ihren bethränten Augen breitet der Herr Christus den unerforschlichen Reichthum seiner Gnadenschätze aus, in ihre bittenden Hände legt er das Brod des Lebens und ihre verlangenden und beladenen Herzen stillt und erquickt er. In ihm finden sie den reichen Freund, der zu ihren Bitten sich neigt, den guten Hirten, der ihnen einen Tisch bereitet und ihnen voll einschenket. Sie sprechen dann mit den Jüngern: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben erkannt, daß du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Joh. 6, 68. In der Armuth meines Geistes komme ich auch zu dir, mein göttlicher Erlöser, und bitte dich, daß du mich reich machest aus der Fülle deiner Herrlichkeit. Amen! (Spieker, Christian Wilhelm)

5:4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.3); 4)
Es ist kein Mensch, dem nicht der Trost zu Theil werden könnte, den der Herr Jesus den Leidtragenden verheißt; auch ist kein Mensch, der nicht Ursache hat, Leid zu tragen. Aber doch werden nicht alle Leidtragenden getröstet mit dem verheißenen Troste; denn der göttliche Trost gehört nur für die göttliche Traurigkeit, die zur Seligkeit wirket eine Reue, die niemand gereuet. Tausend Leidende suchen aber nur den Trost der Welt für die Traurigkeit der Welt, Trost in der Wiederherstellung oder im Ersatz des verlorenen zeitlichen Gutes, in der Genugthuung für die erlittene Kränkung, in der Hülfe aus leiblicher Noth. Aber der Verlust des höchsten Gutes läßt sie gleichgültig; die Sünde hat ihnen noch keine Thräne erpreßt; und wenn im Zeitlichen nur alles nach ihres Herzens Lust und Neigung ginge, sie würden nimmer zu den Leidtragenden und Trostbedürftigen sich zählen. Und wenn auch der himmlische Trost der Vergebung der Sünden ihnen gereicht würde, sie würden nicht wissen, was sie damit machen sollten. Aber diejenigen, denen die erkannte und bereute Sünde ein schmerzliches Leiden ist, die sich nach nichts inniger sehnen, als nach der Erlösung von der Sünde Schuld, Strafe und Herrschaft, nach rechtschaffener Heiligkeit und Gerechtigkeit und der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes: das sind die selig zu preisenden Leidtragenden, die getröstet werden sollen mit einem Troste, der sich überschwänglich erweiset über alles Leiden. Bei ihnen steht kein Trotz, keine Hoffart, keine Selbstgerechtigkeit, keine Unbußfertigkeit, kein Unglaube, Leichtsinn und Weltsinn dem tröstenden Herrn im Wege. Ihnen hat Gott verheißen: „Ich will euch trösten, wie man seine Mutter tröstet. Ich will ihr Trauern in Freude verkehren, und sie trösten und erfreuen nach ihrer Betrübniß.“ Ihnen hat Gott seinen Sohn gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Oeffnung, zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Rache unseres Gottes, zu trösten alle Traurigen. Hast du aber für das größte Leiden bei Christo Trost und Hülfe gefunden, so bist du fortan bei allen Leiden der Zeit niemals trostlos. Blicke nun nicht mehr voll Angst und Furcht in die dunkle Zukunft, denn dein Tröster spricht: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöset, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Denn so du durch's Wasser gehest, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen; und so du durch's Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht anzünden.“ Sorge nun nicht ums Durchkommen; denn hat Gott uns also geliebt, daß er auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Sei nun geduldig in Trübsalen, denn denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Das Wort Gottes bleibe deines Herzens inniger Trost; und unter seiner freundlichen Ermunterung und Zusprache gehe zu denen hin, von welchen Johannes (Offenb. Joh. 7, 14-17.) gesagt wurde: „Diese sind's, die gekommen sind aus großer Trübsal, und haben ihre Kleider gewaschen, und haben ihre Kleider helle gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhl Gottes, und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel. Und der auf dem Stuhl sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne, oder irgend eine Hitze. Denn das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen; und Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen.“ - Ja selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden(Matth. 5, 4.)! (Carl Johann Philipp Spitta)


Durch das Thränenthal kommen wir nach Zion. Man hätte denken sollen, Leidtragen und Seligsein ständen im Gegensatz zu einander, aber der allweise Heiland verbindet sie in dieser Seligpreisung. Was nun Er zusammengefüget hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Leidtragen um die Sünde, - unsre eigne und die Sünde andrer - ist des Herrn Siegel, das Er auf seine Treuen setzt. Wenn der Geist der Gnaden auf das Haus Davids ausgegossen ist, oder auf irgend ein andres Haus, so wird es Leid tragen. Durch heiliges Leidtragen empfangen wir die besten unsrer Segnungen, eben wie die seltensten Waren auf dem Wasserwege zu uns kommen. Nicht nur soll der Leidtragende an irgend einem zukünftigen Tage selig sein, sondern Christus erklärt ihn schon jetzt für selig. Der Heilige Geist wird sicherlich die Herzen trösten, die um die Sünde leidtragen. Sie sollen durch das Blut Jesu und durch die reinigende Macht des Heiligen Geistes getröstet werden. Sie sollen getröstet werden über die große Sünde ihrer Stadt und ihres Zeitalters durch die Zusicherung, dass Gott sich verherrlichen will, wie sehr sich auch die Menschen gegen Ihn empören mögen. Sie sollen getröstet werden mit der Erwartung, dass sie binnen kurzer Zeit gänzlich von der Sünde befreit und bald hinauf genommen werden sollen, um auf ewig vor dem glorreichen Angesichte ihres Herrn zu weilen. (Charles Haddon Spurgeon)


Trauernd und doch selig! Traurigkeit und Verzweiflung sind zulegt das Los der Kinder dieser Welt. Aber es gibt auch für die Jünger Christi eine Traurigkeit, ein Leidtragen, einen Zustand tiefer Wehmut, und zwar einen Zustand, der Gott wohlgefällig und ihnen heilsam ist. Jesus preist die Trauernden selig. Er will sie also traurig sehen! Allezeit fröhlich, und dennoch trauernd sollen Gottes Kinder sein: trauernd über die Unbußfertigkeit der Welt, den geistlichen Tod der Menge und die Macht der Sünde, trauernd über den Geist des Ungehorsams, des Unglaubens und der Gesetzlosigkeit, trauernd über die eigene Ohnmacht, Schwachheit, Gleichgültigkeit und Sünde. Es mag eigentümlich erscheinen, dass gerade diejenigen Leid tragen, die dem Herrn nähergekommen sind. Ist denn nicht Jesus ihr Friede? Jawohl, so ist es! Warum sind sie dann traurig? Weil sie sich noch so weit hinter dem gesteckten Ziel zurück wissen. Fruchtbar kann sich doch unser Leben erst gestalten, wenn der Geist Christi in uns lebt und herrscht. Dann ist vor uns eine neue Welt aufgeschlossen. „Selig, die ihr jetzt weinet; ihr werdet lachen.“ Jesus kam stets vom Irdischen hinweg hinein ins Himmlische. Er hat gezeigt, wie gar eng die Dinge im Diesseits und im Jenseits zusammenhängen, wie Saat und Ernte. Die „geistlich Armen“ kommen zu Gott, sie haben hier viel getrauert und geweint, nun werden sie getröstet; Gott selbst wischt die Tränen ab von ihren Augen. Verlasse dich nur ganz und gar auf deinen Herrn; Er hat Zeit für alle, die auf Ihn sehen. (Markus Hauser)

5:5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.5)
Die Armen im Geiste sind Bürger des Himmelreichs; sie freuen sich auf die Vollendung. Wie wird's ihnen sein, wenn einst alle Bürger dieses Reichs im Himmel versammelt sein werden! Der erste Fortschritt als Bürger des Himmelreiches ist die Stufe und Schule der Trauernden, die zweite aber ist die der Sanftmütigen. Der Mensch mit geöffneten Augen sieht grenzenloses Elend und wird darüber traurig. Und indem er aus Gottes Schäden nimmt, um der Welt zu helfen, wird er sanftmütig. Wir werden hier auf einen Gnadenstand aufmerksam gemacht, welcher Verklärung in das Bild Christi, Wesensähnlichkeit mit dem erstgeborenen Bruder in sich schließt. Sanftmütig ist das Haupt, sanftmütig müssen Seine Glieder sein. Die Sanftmütigen werden einst das Land besitzen. Das Land gehört dann nicht mehr dem Teufel, der Fürst der Finsternis wird es einst nicht mehr haben; es wird des Herrn, des Gesalbten, sein und wird damit zugleich in den Besitz der Sanftmütigen übergehen. Durch Sanftmut erlangen Christen die Befähigung, in Jesu Königreich irgendeine Stelle zu bekleiden, ein Amt zu übernehmen, zu dienen und zu wirken als zum Hause des Königs gehörend. Täuschen wir uns ja nicht über die Zukunft. Es wird auch nicht ein Einziger Haupt und Leiter werden, der nicht auf Erden in Jesu Nachfolge sanftmütig und von Herzen demütig geworden ist. Hast du den Herrn lieb, so wird dir Sanftmut geschenkt werden. Willst du dem Herrn dienen, so werde Ihm ähnlich im Charakter und im Verkehr mit deinen Brüdern. (Markus Hauser)

5:6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.6); 7)
Eine starke Hungersnoth ist auf Erden eingetreten, den unvernünftigen Thieren sind wir gleich geworden, essen Träber und werden nicht satt. Wer Geld liebt, wird nicht satt, wer Schwelgerei liebt, wird nicht satt, wer Ruhm sucht, wird nicht satt. Ihr thörichten Kinder Adams, indem ihr das Viehfutter dieser Welt genießet, stärket ihr ja nicht die hungrige Seele, sondern den Hunger selber. Und daß ich es euch durch ein Beispiel klar mache, indem ich eins von den Dingen nenne, wonach die Eitelkeit trachtet: So wenig können menschliche Herzen durch Gold befriedigt werden, als menschliche Leiber sich daran sättigen mögen. Wer satt zu werden wünscht, der muß nach der Gerechtigkeit hungern, nach jenem Brode verlangen, dessen im Hause des Vaters die Fülle ist. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. (Bernhard von Clairvaux)


Als Kinder des himmlischen Vaters sind wir auf der Heimreise. Wer sollte es nicht verstehen, wenn wir sagen: Wir möchten als Gerechte in der Heimat ankommen! Jeder Fehler, den wir noch an uns entdecken, drückt uns. Kindern Gottes ist die Unvollkommenheit eine Last. Was andere entschuldigen, demütigt uns tief. Als in Jesus Errettete möchten wir Ihm ähnlich werden. Woher nun kommt der Hunger nach Gerechtigkeit? Offenbar hat ihn die Gemeinschaft mit dem Herrn erzeugt. Wir sind erwacht, vor uns steht der Gerechte; darum erkennen wir unsere Gebrechen. Die Zeit ist kurz, der Schaden sitzt tief, das Ziel ist hoch, wir haben keine Zeit zu verlieren, wir wollen Jesum anziehen zu Seiner Verherrlichung! In Ihm liegen Lebenskräfte, welche allen zugänglich sind. Wir dürfen in gläubigem Gebet Tag für Tag Heil anziehen, uns mit der Gerechtigkeit Christi kleiden. Achten wir doch recht auf die kostbare Verheißung: „Denn sie werden satt werden.“ Wie dankbar sind wir dem Herrn, dem Gott der Ewigkeit, für solche Ausblicke und Aussichten! Satt sollst du werden! Höre es - und nimm es zu Herzen. Es bleibt nicht beim Hungern! Wir müssen diese große Wahrheit stark betonen, sie ist wertvoll. Treu - nur treu! Es ist oft sehr schwierig auszuhalten, der Geduldsfaden droht manchmal zu reißen. „Sie werden satt werden!“ ruft uns der Heiland zu. Das hilft. Verharre getrost bis ans Ende; wenn es dir an Mut, an Kraft gebricht, dann blicke auf die Verheißung, auf das Ziel. (Markus Hauser)


DIesen hunger und durst spüret man dabey / Wenn ein Mensch gerne Gottes wort höret und lieset / der selbig hat gewislich die hoffnung / das er in allerley anfechtung / Not und Tod / durchs Wort werde Labsal und gewissen Trost finden.
Die aber / so sat sind / das ist / so Gottes wort nicht hören noch lesen / Sondern es in wind schlahen / und verachten / die werden endlich so hüngern und dürsten / das sie niemand wird laben mit dem geringsten tröpflin wassers / Wie es dem reichen Man in der Helle gieng / der in der flammen / nicht mit dem kleinesten finger Lazari / konde gelabet werden.
Es heisst / Gleubet an das Liecht / dieweil irs habt / das ir des Liechts kinder seid. Item / Sehet / das ir die gnade Gottes nicht vergeblich empfahet. Itzt ist die angeneme zeit etc. ii.Cor. vi. (Martin Luther)

5:7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.8)
Es geziemt sich nicht, daß dem, der nicht vergeben will, vergeben wird, und dem Mangel dessen, der den Armen nicht helfen will, soll auch nicht abgeholfen werden. Gott wird uns mit unsrem eignen Maß messen, und die, welche harte Herren und harte Gläubiger gewesen sind, werden finden, daß der Herr hart mit ihnen verfahren wird. „Es wird aber ein unbarmherziges Gericht über den gehen, der nicht Barmherzigkeit gethan hat.“
Heute laßt uns versuchen zu vergeben. Laßt uns tragen und ertragen. Laßt uns freundlich und sanft und milde sein. Laßt uns das Thun andrer nicht zu strenge auslegen, nicht beim Kaufen zu sehr feilschen, nicht alberne Zänkereien anfangen, nicht so schwierig sein, daß niemand es uns recht machen kann. Gewiß, wir wünschen, gesegnet zu werden, und wir wollen gern Barmherzigkeit erlangen: laßt uns barmherzig sein, damit uns Barmherzigkeit werde. Laßt uns die Bedingung erfüllen, damit wir die Seligpreisung uns aneignen können. Ist es nicht eine angenehme Pflicht, freundlich zu sein? Ist das nicht süßer, als zornig und ungroßmütig sein? Wie? Es ist Seligkeit in der Sache selber! Überdies ist das Erlangen der Barmherzigkeit eine reiche Belohnung. Wer anders als die unumschränkte Gnade konnte eine Verheißung wie diese eingeben? Wir sind gegen unsre Mitsterblichen barmherzig in Groschen, und der Herr erläßt uns „alle diese Schuld“. (Charles Haddon Spurgeon)


Aus der Gerechtigkeit fließt die Barmherzigkeit. Der Hungernde nach Gerechtigkeit zieht Christi Sinn und Geist an, darum regt sich in ihm auch die Bannherzigkeit. Gott ist ein Gott der Barmherzigkeit; barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Güte. Hier stehen wir still, wir hören die Stimme der Weisheit, die uns sagt: Auch in diesem Stück muss dem Herrn ähnlich werden, wer um Ihn sein will allezeit. „Er ist barmherzig“, will sagen, er hat ein warmes Herz. Die tätige Liebe ist Warmherzigkeit. Wie wohl tut dieser Sinn Kranken und Gesunden, Weltkindern und Jüngern des Herrn! Mitleiden, mittragen, mitdulden, mitweinen, mitbeten, das ist der Sinn und das Tun der Barmherzigkeit. Sie ist eine edle, aus der Wiedergeburt fließende Liebe, die nicht anders als dienen und sich opfern kann. - „Sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Wir kennen alle das inhaltsschwere Wort: „Ihre Werke folgen ihnen nach.“ Da geht es den Barmherzigen gut. Wohl hundertfältig trägt ihr Leben in der Liebe Frucht. „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ Das ist Himmelreichslehre. Überraschendes empfangen sie. Selbst einen Trunk kalten Wassers einem Jünger dargereicht - als einem Jünger - lässt der Herr nicht unbelohnt! Was werden diejenigen schauen, welche viel geliebt, viel getragen, ja, sich geopfert haben im Dienste des Königs! Ihr Lohn im Himmel wird groß sein. Jetzt denken sie daran gar nicht; der ewig reiche Gott, der Vater der Barmherzigkeit aber denkt daran; Er ist der gütige Vergelter. (Markus Hauser)

5:8 Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.9); 10)
Israel hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist; schrieb Assaph Ps. 73,1. Er deutete diese Worte ohne Zweifel auf sich selbst, da er sich erinnerte, daß er wegen des Anstoßes, den er an dem Glück der Gottlosen genommen, schier gestrauchelt hätte; daß ihn aber Gott erhalten, zurecht gewiesen und wieder gestärkt habe. Diejenigen also, die reines Herzens sind, können noch Schwachheit an sich haben; hingegen sind sie im Grund ihrer Seele aufrichtig, und haben einen Geist ohne Falsch. In der Buße ist der Wille zu sündigen in ihnen zerbrochen worden und sie haben ich ohne Vorbehalt an ihren Gott und Heiland ergeben. Sie sind wahrhaftig aus Gott geboren; sie sind die Vollkommenen, deren Christus Matth. 5,48. gedenket, ihr Auge ist einfältig (Matth. 6,22.), sie sind die guten Bäume, welche gute Früchte tragen (Matth. 7,17.), sie sind durch den Glauben an Christum der Sünde und dem Gesetz gestorben und der Welt gekreuziget, und leben Gott in Christo Jesu. Von Solchen sagt nun Christus Matth. 5,8.: selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Bei der Reinigkeit oder Aufrichtigkeit ihres Herzens sehen sie auf Erden viel Böses, das sie kränket und betrübet, sie sind aber doch selig, und werden Gott schauen. Abraham und Andere sahen Gott in einer räthselhaften Gestalt, wenn sie den Engel, der Jehovah hieß, in einer menschlichen Gestalt sahen; Moses aber sah Ihn im Gesicht in einer herrlichen Gestalt, durch welche Gottes geistliches und unsichtbares Wesen seine Majestät offenbaren wollte, und wurde deßwegen 4 Mos. 12,8. andern Propheten vorgezogen. Eine gleichfalls herrliche Gestalt Gottes sahen hernach auch Jesaias, Ezechiel, Daniel und Johannes. Ohne Zweifel wird aber dasjenige, was die verklärten Seelen und auferstandenen Heiligen sehen werden, noch herrlicher sein, als was Moses und einige Propheten nach ihm bei Leibesleben gesehen haben. Das Herrlichste wird das Angesicht Gottes sein, welches die Inwohner des neuen Jerusalems sehen werden, Offenb. 22,4.; denn gleichwie der ganze Charakter eines Menschen, wodurch er von Andern unterschieden ist, aus seinem Angesicht herausleuchtet, und nur derjenige einen Menschen recht erkennen kann, der sein Angesicht sieht, also werden diejenigen, die gewürdigt werden, das Angesicht Gottes zu sehen, zwar nicht die Tiefen der Gottheit, aber doch Seine den Geschöpfen geoffenbarte Herrlichkeit unmittelbar auf das Hellste, ganz und mit Einem Blick so erkennen, daß sie davon gesättigt werden. Alsdann werden aber nicht nur ihre Herzen, sondern auch ihr ganzes Wesen rein und verklärt sein. Sie werden das Angesicht Gottes in (vollkommener) Gerechtigkeit sehen, wie David Ps. 17,15. sagt. Der erste Anblick der Herrlichkeit Gottes in jener Welt wird alles Leiden ersetzen: welche Wonne wird’s aber sein, wenn man Sein Angesicht sehen wird! Um dieses Ziel zu erreichen, soll ich bei Leibesleben mit einem reinen Herzen oder mit einem Geist ohne Falsch wandeln, aber auch der Heiligung noch weiter nachjagen, ohne welche den heiligen Gott Niemand sehen wird. Wer seine Unreinigkeit beibehalten will, dem wird Gott ein verzehrendes Feuer sein.(Magnus Friedrich Roos)


Reinheit, Herzensreinheit soll unser Hauptstreben sein. Wir müssen innerlich durch den Geist und das Wort rein gemacht werden, dann werden wir äußerlich durch Hingabe und Gehorsam rein sein. Es ist ein enger Zusammenhang zwischen den Neigungen und dem Verstande: wenn wir das Böse lieben, so können wir das nicht verstehen, was gut ist. Wenn das Herz unrein ist, wird das Auge trüb sein. Wie können diejenigen einen heiligen Gott schauen, die unheilige Dinge lieben?
Was für ein Vorrecht ist es, Gott hier zu sehen! Ein Schimmer von Ihm ist der Himmel hienieden! Zu Christo Jesu schauen die reines Herzens sind, den Vater. Wir sehen Ihn, seine Wahrheit, seine Liebe, seinen Ratschluß, seine Herrschaft, seine Bund mit uns, ja wir sehen Ihn selber in Christo. Aber dies erfassen wir nur in dem Maße, in welchem wir die Sünde aus dem Herzen fern halten. Nur die, welche nach Gottseligkeit streben, können ausrufen: „Meine Augen sehen stets zu dem Herrn.“ Der Wunsch des Mose: „Laß mich deine Herrlichkeit sehen!“ kann nur in uns erfüllt werden, wenn wir uns von aller Missethat reinigen. „Wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ Und „ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu Ihm, der reinigt sich.“ Der Genuß gegenwärtiger Gemeinschaft und die Hoffnung des seligen Schauens sind dringende Beweggründe zur Reinheit des Herzens und des Lebens. Herr, mache uns reinen Herzens, auf daß wir Dich schauen! (Charles Haddon Spurgeon)


Selig in Jesus möchten wir sein als Seine Begnadigten, und zum Anschauen Gottes möchten wir gelangen im ewigen Vaterhause. Der Herr will es, darum wollen wir es auch. Er ist rein und will auch uns rein haben. Und welches ist der Weg zu diesem herrlichen Gnadenstand, mit welchen Mitteln erreichen wir das Ziel? Das Blut Jesu Christi macht rein von aller Sünde. Schon vor vielen Jahren hat mich diese Wahrheit tief ergriffen, außerordentlich beglückt, dankbar und fröhlich gemacht. Mein Herz bleibt rein, indem ich unter Christi Kreuz bleibe und Ihm immer wieder danke für die Kraft Seines Blutes. Wir schreiten auf der Bahn des Lebens vorwärts, wenn wir reines Herzens sind. Wir bleiben rein durch den Wandel in der Gegenwart Gottes. Wiederholt bittet Er: Wandle vor mir! Die Furcht Gottes bewahrt nicht nur vor Fehltritten, sie gibt uns Kraft zum Überwinden. Wir erlangen ein Gefühl und Gemerk für das, was sich schickt und nicht schickt. „Sie werden Gott schauen.“ Diese Verheißung ergreift unser Herz mit großer Freude. Der Herr stellt ihnen Gott dar als ihr höchstes Hoffnungsgut. Und wenn Jesus davon spricht, sagt ihr Herz „Ja“. Wo der Vater ist, da ist die Heimat. Aus Gott Geborene sind doch erst daheim, wenn sie Gott zu schauen vermögen, wenn sie als heilige und geliebte Kinder ihren Vater umgeben. Einfach ist diese Wahrheit, aber wie herrlich. Durch Christus führt unser Weg zu Gott. Ist dein Herz rein? Ist das auch dein Ziel: Gott zu schauen? (Markus Hauser)


Rein ist ein Herz, in welchem nur Gott lebt und alles Andere keine Bedeutung hat. Wo etwas Anderes mit das Herz einnimmt, da sinds Flecken, ist es Schmutz und Unreinigkeit, sei's Geiz, sei's Wollust, sei's Hochmuth, oder sonst etwas, das zum Tand der Welt gehört. Wenn etwas außer Gott das Herz eigentlich einnimmt und festhält, daß es neben Gott oder gar über Gott gesetzt wird, sofern es gegen Gottes Gebot schlaff macht, so ist es ein beschmutztes unreines Herz; und wer das hat, deutet der HErr an, der wird Gott nicht schauen. Wenn man daher auch mit solchen Herzen einen Lobgesang mitsingt, so ist es vor Gott und den Engeln im Himmel ein Geplärr und kein Gesang, wie der HErr bei dem Propheten Amos (5, 23) sagt: „Tue nur weg von Mir das Geplärr deiner Lieder; denn Ich mag deines Psalterspiels nicht hören.“ Denn nur, wenn der Lobgesang aus reinem Herzen, da alle Sinne und Kräfte des Menschen allein auf den HErrn gerichtet sind, kommt, gefällts im Himmel, daß auch die Engel gleichsam mitsingen.
Uns gebe der HErr immermehr zu forschen, wo noch Schmutz in unsern Herzen ist. Lernen wir alles Ihm unterwerfen, alles in Seiner Furcht haben und genießen, nach Seinem Wohlgefallen Ihm alles opfern, und frei und los sein von allen ungeordneten Begierden, so werden wir schon auf Erden Seiner Nähe inne werden; und was wirds vollends sein, wenn die Zeit der Vollendung kommt! Gott schauen! - damit ist viel gesagt! - was nur ein Mensch sich denken mag. (Christoph Blumhardt)


Am Anfang der Seligpreisungen steht gleichsam als Grundlage die der geistlich Armen. Voraussetzung für die Rettung eines verlorenen Sünders, für die Brauchbarkeit eines Kindes Gottes ist geistliche Armut. Je weniger wir von uns selbst aus können, je mehr kann der Herr in uns. Keiner ist je ärmer geworden und gewesen als Jesus. Vom höchsten Thron stieg er herab zur Krippe. Er konnte nichts von ihm selber tun, sondern was er sah den Vater tun. Das aber tat er gerne. Seine Worte waren nicht sein. Wie er hörte, so richtete er. Und als er ans Kreuz ging, gab er nicht nur das letzte Kleid und den letzten Blutstropfen dahin, sondern er wurde auch geistlich arm bis zur Gottverlassenheit und zwar bis zu dem Grad, daß er nicht mehr wußte, weshalb er verlassen war, und fragen mußte: Warum hast du mich verlassen? Aber welche Erhöhung wartetet seiner: der Name über alle Namen. Welche Seligkeit war ihm die Verherrlichung des Vaters und unser aller Errettung. Wer heute gläubig und dankbar blickt auf unsern armen Heiland, der wird fähig werden, ihm nachzufolgen, und sein Leben wird immer mehr ein Echo des seinigen werden. (Otto Schopf)

5:9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.11)
Selig sind die Friedfertigen, buchstäblich „die Friedensstifter“. Jesus denkt an solche Menschen, die nicht nur für sich den Frieden lieben und den Streit hassen, sondern auch eifrig suchen, Streitigkeiten unter anderen zu schlichten, überall Frieden zu stiften und Hass und Eifersucht nicht aufkommen zu lassen. Dieses Wort kann uns zur Stärkung dienen: zwischen Streitsüchtigen Frieden herzustellen ist nämlich eine mühselige Sache; wer sich damit beschäftigt, muss die Unannehmlichkeiten tragen, dass man ihn von beiden Seiten mit Scheltworten, Klagen und Beschuldigungen überhäuft, weil jeder nur solche Beschützer haben will, die für ihn Partei ergreifen. Damit wir uns nun nicht an die Gunst der Menschen zu hängen brauchen, befiehlt uns Christus, auf das Urteil seines Vaters zu achten. Er, der Gott des Friedens, zählt uns zu seinen Kindern, wenn wir den Frieden pflegen, auch wenn unser Streben den Menschen nicht gefällt. (Jean Calvin)


Wir haben die siebente der Seligpreisungen zur Betrachtung vor uns: und Sieben war bei den Hebräern die Zahl der Vollendung. Vielleicht hat eben deshalb der Heiland die Friedfertigen als die Siebenten in der Reihe genannt, weil sie dem vollkommenen Menschen in Christo Jesu am nächsten stehen. Wer gern vollkommener Seligkeit teilhaftig wäre, sofern sie auf Erden erreichbar ist, muss nach dieser siebenten Seligpreisung trachten und ein Friedfertiger werden. Auch die Reihenfolge, in welcher unser Schriftwort steht, ist bedeutungsvoll. Der vorausgehende Vers redet von der Seligkeit derer, „die da reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Es ist also wohl zu beachten, „dass wir aufs erste rein (keusch), danach friedsam“ sind. Unsre Friedfertigkeit darf nie ein Vertrag mit der Sünde, eine Duldsamkeit gegen das Böse sein. Unser Herz muss hart sein wie Kiesel gegen alles, was wider Gott und sein heiliges Wesen ist; ist die Reinheit festgewurzelt in unsern Herzen, dann erst können wir wahrhaft friedfertig sein. Nicht weniger scheint der nachfolgende Vers absichtlich mit unsrer Schriftstelle verbunden zu sein. Wie friedfertig wir uns auch in dieser Welt beweisen, so werden wir doch missverstanden und unser Tun missdeutet; und das darf uns nicht wundern, denn selbst der Fürst des Friedens zündete durch seine Friedfertigkeit ein Feuer an auf Erden. Er selber, der doch alle Menschen liebte und kein Übels tat, „war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit; Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor Ihm verbarg.“ Damit der von Herzen Friedfertige nicht verwundert sei, wenn er Feinden begegnet, heißt es im folgenden Verse: „Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.“ So werden also die Friedfertigen nicht nur selig gepriesen, sondern sie werden mit Segnungen von allen Seiten umgeben. Herr, schenke uns die Gnade, dass wir auch zu dieser siebenten Seligpreisung empor gelangen! Läutere unsre Gemüter, dass wir „fürs erste keusch, danach friedsam“ werden, und stärke unsern Geist, damit unsre Friedfertigkeit uns nicht zur Feigheit verführe, wenn wir um Deinetwillen verfolgt werden! (Charles Haddon Spurgeon)


Friedfertige sind Leute, die Frieden stiften. Wenn in einem Hause alle Glieder, Mann, Frau, Kinder, Dienstboten, den Frieden Gottes besitzen, so ist ein solches Haus ein Haus des Friedens. Der Gott des Friedens wohnt darin. Sein Friede waltet im Hause. Die Friedensstifter können nicht hassen. Ihre Rede ist mit Salz gewürzt und doch lieblich; sie tragen nichts Böses nach. Warum sind sie friedliebend? Weil sie im Frieden Gottes leben. Ist das genug? Ja, ein Christ gründet in der Liebe Gottes. Friedfertig sind doch nur solche, die nicht nur wissen, dass der Herr sie liebt, sondern die vor Seinem Angesichte wandeln. Die tägliche Erfahrung der Güte und Barmherzigkeit des himmlischen Vaters drängt sie immer neu, Frieden zu verbreiten. „Sie werden Gottes Kinder heißen.“ Jesus redet hier von ihrer vollen Kindschaft. Sind wir einmal durch und durch Friedfertige, so haben wir eine wesentliche Erneuerung erfahren. Hier auf Erden sind Friedfertige den Anfängen nach Gottes Kinder, im Vollendungsleben wird der Name Gottes auf ihren Stirnen zu lesen sein. Was sie hier noch unvollkommen haben, das bricht dort verklärt mit Macht aus ihnen hervor. Nach Geist, Seele und Leib stehen sie dann als vollendete Gotteskinder da. Dann ist in Wort und Werk, in allem Wesen Jesus und sonst nichts zu lesen. - Suche auch du Frieden in Gott, suche Seine heilige Gegenwart. Sein Friede umgebe dich. Groß und herrlich stehe der Gott des Friedens vor dir. Er allein befähigt dich, in einer Welt des Hasses und des Unfriedens den Frieden zu mehren. (Markus Hauser)


Die Gottlosen haben keinen Frieden. Und weil so viel Gottlose in der Welt sind, ist so viel Unfriede, Streit und Krieg da. Auch Kinder Gottes können noch streiten. Barnabas und Paulus, zwei Männer voll des Heiligen Geistes, kamen einmal hart aneinander (Apg 15, 39). In was wetteifern die Nationen in unseren Tagen am meisten? In der Vorbereitung auf den Krieg. Und wer kann sagen, was für ein Krieg das sein wird! O wie fern sind wir noch von der Erfüllung des Engelgesanges: „Friede auf Erden!“ Es kann nicht Friede werden, bis Jesu Liebe siegt, bis er, der Friedefürst, kommt und die Herrschaft in seine Hand nimmt.
Darum ist eine Hauptaufgabe der Friedfertigen, der Friedensstifter, anhaltend zu rufen: „Komme bald, Herr Jesu!“ Sollen wir den schönen Namen „Friedensstifter“ tragen, müssen wir mit dem Gott des Friedens im Reinen sein, muß Jesus unser Friede, und der Friede nach außen und innen unser tiefes Bedürfnis geworden sein. Das ist bei allen Menschen der Fall, die zerbrochenen Herzens und gedemütigten Geistes geworden sind und als begnadigte Sünder in Geistesgemeinschaft stehen mit dem Gott des Friedens. Sie allein können Frieden stiften. Ist unser Herz nicht gründlich gedemütigt, so wird es leicht erregt, gereizt, empfindlich und ist rechthaberisch und ehrgeizig. So ist es fast unmöglich, Frieden zu halten oder zu stiften. Sind wir aber innerlich zerbrochene Leute, so machen wir nicht mehr alle möglichen Ansprüche, sondern können uns etwas gefallen lassen, nachgeben, stille sein, warten und in diesem Sinn auch auf andere wirken.
Als das stille, geduldige Lamm, als der Sanftmütige und von Herzen Demütige, der nicht seine, sondern nur des Vaters Ehre suchte, ist Jesus der große Friedensstifter geworden. Lernen wir von ihm! Dann werden wir einst vor dem Herrn als Söhne Gottes bekannt werden, und es wird sich schon in dieser Zeit zeigen, daß wir Kinder des Gottes sind, der der Gott des Friedens ist.
Ja, Du Gott des Friedens, regiere in meinem Herzen und bewahre durch Deinen Frieden Herz und Sinn, damit ich mich als Dein Kind erweise. Amen. (Elias Schrenk)

5:10 Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.12)
Den Armen im Geiste wird das Himmelreich zugesprochen. Auch den um Jesu willen Verfolgten. Sie stehen im Vollbesitze aller Reichsgüter und Reichsfreuden. Als bewährte Gotteskinder blieben sie in allen Prüfungen treu; darum wurden sie stark, zu leiden um Jesu willen. Schwankende Charaktere werden selten verfolgt. Sie suchen es jedermann recht zu machen. Verfolgt werden Christen, die entschieden mit Sünde und „Welt“ brechen und bekennen, wer sie sind. Es gibt Leiden um der Sünde willen; es gibt aber auch Leiden um der Gerechtigkeit willen. Ohne Leiden kommst du schwerlich durch die Welt. Wie leidest du? Sind es bittere Früchte der Sünde - oder leidest du um Jesu willen? Der Vernichtungssturm gegen die Jünger Jesu hängt mit der Kraft des Heiligen Geistes in der Gemeinde aufs engste zusammen. Die „Welt“ kann viel christlichen Lärm ertragen, aber die Kraft Gottes ist ihr verhasst; sie duldet fabrizierten Geist, aber den Heiligen Geist fürchtet sie wie ein hauend Schwert. Es gilt festzustehen. Nur wer stets in den Waffen bleibt, geht als Sieger aus dem Kampfe hervor. Diese Sieger sind die Gerechten und darum die Verfolgten, welche überwunden haben durch des Lammes Blut; ihrer ist das Reich der Himmel. Wie Jesus durch die Himmel gegangen ist, so stehen ihnen die Himmel offen, sie werden alles ererben und mit Christus alles besitzen, ja, mit Ihm leben und herrschen in Ewigkeit. Wo Er ist, werden auch sie sein; im himmlischen Vaterhause werden sie eine Wohnung haben immerdar. (Markus Hauser)

5:11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, so sie daran lügen.
„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen, aus ihrer Mitte scheiden und stoßen, und euren Namen als böse verschreien werden um des Menschensohnes willen. Freuet euch, wenn dies geschieht, und hüpfet vor Freude, denn euer Lohn ; im Himmel wird groß sein.“ Wir sollten also in den Tagen , der Verfolgung, nach dem Willen des Herrn, freudig sein, und jauchzen vor Freude. Denn, wenn die Verfolgung ausbricht, da tun sich die Himmel auf, da bewähren die Streiter Gottes ihren Mut, da senken sich die Kronen der Herrlichkeit auf ihre Häupter nieder.
Wir haben unsern Namen bei der Fahne Christi doch nicht unter der Bedingung einschreiben lassen, daß wir nur Frieden hätten und Kriegsdienste ausschlagen dürften, nachdem unser Herr zuerst Kriegsdienste getan hat. Er, der Lehrer der Demut und Geduld, hat zuerst getan, was er uns tun lehrte, zuerst für uns gelitten, was er uns leiden lehrte.
Stets, liebe Brüder, steh euch vor Sinn und Herz, daß der, dem der Vater alles Gericht übergeben hat, und der kommen wird, Gericht zu halten, seinen Richterspruch schon zum voraus bekanntgemacht hat, indem er bezeugt, daß er alle, die ihn bekennen, vor seinem Vater auch bekennen, und alle, die ihn verleugnen, verleugnen werde.
Wenn wir dem Tode auf immer entgehen könnten, so möchten wir unsere Furcht vor dem Tode noch mit einem Grunde decken können: aber da alle Sterblichen früher oder später sterben müssen, warum wollten wir den schönen Tod, den uns die Gnade Gottes anbeut, und seine Verheißung so lieblich macht, zu sterben uns weigern, warum nicht lieber durch Darangeben eines sterblichen Lebens die Unsterblichkeit, den Lohn einer ewigen Seligkeit, gewinnen? Was sollten wir den blutigen Zeugentod fürchten, da wir wissen, daß die Zeugen, nach erduldeter Marter, mit Herrlichkeit gekrönt werden?
Und wenn auch die Pfeile der Zerstreuung unser Volk zerstreuen, und einer da, der andere dorthin fliehen sollten, so muß es euch, liebste Brüder, nicht fremd vorkommen, die Brüderschaft nicht versammelt zu sehen, die Bischöfe nicht reden zu hören. Wir können in solchen Fällen unmöglich alle beisammenbleiben, da wir uns nicht selbst töten dürfen, sondern uns nur töten lassen müssen. Wo immer in jenen Tagen ein Bruder von der Herde getrennt sein wird, ach, er ist es nur dem Leibe nach, und dies nur aus Not, ist es nie dem Geiste nach. Diese Flucht, die ihm die Not abgedrungen hat, soll ihn nicht irre machen, und er mag sich flüchten ynd verbergen, wo er will, keine Einöde soll ihn schrecken. Der ist nicht allein, dem Christus auf der Flucht nie von der Seite geht. Der ist nie allein, der den Tempel Gottes überall mit sich nimmt, und sich nirgends ohne seinen Gott aufhält.
Und wenn ihn auf seiner Flucht in Einöden oder Bergen ein Räuber niederhiebe, ein wildes Tier angriffe, Hunger oder Kälte aufriebe, oder auf dem Meere ein Ungewitter, eine Welle ersäufte: O, Christus wartet überall auf seinen Kämpfer, wo er immer kämpfet, und teilet dem, der für ihn in der Verfolgung stirbt, die Belohnung aus, die er denen, die um seinetwillen verfolgt werden, verheißen hat. Du hast auch, wo du immer für Christus stirbst, Zeugen deines Todes genug, wenn du Christus, der die Blutzeugen prüfet und krönet, zum Zeugen hast.
Der Sohn Gottes hat gelitten, um uns zu Kindern Gottes zu machen, und ein Sohn des Menschen will nicht leiden, um Gottes Kind zu bleiben? Liegt der Haß der Welt schwer auf uns, so müssen wir nicht vergessen, daß er zuvor auf Christus gelegen hat. „Wenn euch die Welt haßt“, sprach er, „so denkt daran, daß sie mich zuerst gehaßt hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt an euch das Ihre lieben. Aber, weil ihr nicht von der Welt seid, und ich euch von der Welt gesondert habe, darum haßt euch die Welt. Vergeßt das Wort nicht, das ich zu euch geredet habe, daß der Knecht nicht größer sei als der Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, so werden sie euch auch verfolgen.“ (Cyprian)


Nicht jedes Leiden macht einen Märtyrer, sondern nach rechter Weise leiden um des Wortes Gottes willen, d.h. nicht blos für Gerechtigkeit, sondern um der Gerechtigkeit willen; nicht blos für Wahrheit, sondern aus Liebe zur Wahrheit; nicht blos für Gottes Wort, sondern nach Ihm: nämlich in jener heiligen, demüthigen, milden Weise, welche das Wort Gottes verlangt. (John Bunyan)


Schon damals, da der HErr Jesus die Bergpredigt hielt, welches bald nach dem Anfang Seines öffentlichen Lehramts geschah, standen die Menschen in der Gefahr, um Seinetwillen geschmähet und verfolgt zu werden, denn Er hatte Sich zu Jerusalem durch Seinen Eifer, womit Er die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel getrieben hatte, und durch die mißverstandene Rede von dem Abbrechen und Aufrichten des Tempels verhaßt gemacht, Joh. 2., und in der Bergpredigt selber zu vieler Leute Erstaunen öffentlich gesagt: es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so könnet ihr nicht in’s Himmelreich kommen. Wenn sich also einige Leute zu Ihm hielten, so konnte man sagen: diese sind Anhänger desjenigen, der zu Jerusalem hat ein Reformator sein wollen, und die Hohenpriester und den Hauptmann des Tempels dadurch beschimpft hat, daß er den Jahrmarkt zerstört hat, den dieselben geduldet und gebilligt haben; und diese halten es mit dem Mann, der die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer, welche die Frömmsten im Volk sind, öffentlich verworfen hat. Hernach kam’s mit dem Haß und der Schmach noch weiter, wie allen verständigen Christen bekannt sein kann.
Zu unserer Zeit kann man mitten unter den Christen um Christi willen geschmähet und verfolgt werden, wenn man nämlich wie Er wider das ungöttliche Weltwesen und die alten sündlichen Gewohnheiten, welche von der Welt privilegirt sind, eifert, und wenn man sowohl mit Worten als auch durch einen vorsichtigen und heiligen Wandel offenbart, daß man die falsche Gerechtigkeit unbekehrter Christen verwerfe, oder wenn man durch einen lebendigen und thätigen Glauben die Welt verdammt, wie von Noah Hebr. 11,7. gesagt wird. Wer dieses thut, wird von der Welt geschmähet und verfolgt, weil man ihm entweder eine Ketzerei oder wenigstens einen Mangel der Liebe und Klugheit und böse Absichten beimißt. Daß aber dieses eine alte Weise sei, kann man aus dem Buch der Weisheit lernen, wo Kap. 2. den Gottlosen diese Rede in den Mund gelegt wird: lasse uns auf den Gerechten lauern, denn er macht uns viel Unlust, und setzet sich wider unser Thun, und schilt uns, daß wir wider das Gesetz sündigen, und rufet aus unser Wesen für Sünde. Er gibt vor, daß er Gott kenne, und rühmet sich, Gottes Kind (zu sein, und) strafet, was wir im Herzen haben. Er ist uns nicht leidlich auch anzusehen, denn sein Leben reimet sich nicht mit den Andern, und sein Wesen ist gar anders. Er hält uns für untüchtig, und meidet unser Thun als einen Unflath. Selig sind diejenigen, die auf diese Weise um Christi willen geschmähet und verfolgt werden, und was wäre mehr zu wünschen, als daß es viele solche lautere und standhafte Christen gäbe, deren Leben sich in keinem Stück mit dem Leben der Maulchristen reimte, und deren Wesen gar anders wäre, als das Wesen der Welt. Wehe aber denjenigen, die sich der Welt gleich stellen und dadurch gefällig machen, die um des Bauches willen heucheln, und schweigen, wo sie zeugen sollten, und lächeln und bejahen, wo sie weinen und bestrafen sollten. Solche Leute verfehlen oft bei der Welt ihren Zweck wie Bileam, und ziehen sich überdieß die Ungnade des großen Gottes zu.(Magnus Friedrich Roos)

5:12 Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.13)
Die Zukunft ist unser, aber wir müssen treu sein in der Zeit. Wer mitkämpft, wird mitgekrönt; wer arbeitet, der empfängt Lohn. Die trägen Christen aber sind hier nicht wahrhaftig selig, und dort werden sie sehen, dass es für sie keinen Lohn gibt. Nur keine Entschuldigungen! Sobald du die empfangene Gnade verwertest, erhältst du neue Gnadenzuflüsse, darfst dich freuen, denn dein Lohn in den Himmeln wird groß sein. Das jetzige Leben ist ein ganz anderes, wenn wir einer solchen Zukunft freudig entgegensehen dürfen. Alle wahren Christen trifft Schmach, Spott und Verachtung. Das ist nun einmal das Kreuz, das sie zu tragen haben. Sie trifft um so mehr Verfolgung, je klarer und kräftiger sie zeugen vom Herrn. Aber sie haben Kraft zum Dulden und Leiden. Unter dem Kreuze freuen sie sich und frohlocken, denn ihr Lohn im Himmel ist groß. Weltentsagung ist leicht für diejenigen, die Gottes Erben sind. Aber nicht nur Duldersinn und Duldermut, auch nicht nur Verleugnungssinn und Verleugnungsmut, sondern zugleich Arbeitssinn und Arbeitsmut beseelt die fröhlichen Leute, die eines Gotteslohnes gewiss sind. Sie arbeiten, so schwach sie immer sein mögen. Sie wissen, dass die Sünder herausgebetet werden müssen, und welche Freude durchströmt sie, wenn sie solche, die Weltkinder gewesen, zu des Heilands Füßen niedersinken sehen; wie erquicken sie die Dankgebete der Neubekehrten! Ja, wer deutlich hineinblickt in die zukünftige Herrlichkeit, der hat Freudigkeit, sich dem Herrn ungeteilt hinzugeben. Wer auf das Ziel blickt, sieht die Gegenwart im rechten Lichte. (Markus Hauser)


Hier auf Erden beschäftigen sich Zionspilger mit dem unvergänglichen Erbe, hier fangen sie an, darüber zu frohlocken. Selig sind sie, weil erlöst, nun steht ihnen noch eine königliche Belohnung in Aussicht. Es nimmt sich in der Tat sonderbar aus, wenn Christen an der Erde kleben; wer ein so kostbares Erbe vor sich hat, streckt die Hände danach aus, er wird los vom Erdentand. Von irdischen Sorgen und eiteln Lüsten befreit am sichersten die lebendige Hoffnung des ewigen Lebens. Nach vergänglichen Dingen kann nicht jagen, wer für unvergängliche das Angeld schon besitzt. Dies ist sonnenklar. Nicht erst jenseits des Grabes, schon hier können Himmelsbürger erkannt werden, sie sind nicht geizig, nicht verschwenderisch, sie hangen nicht an der Welt; was sie besitzen an Erdengütern, steht im Dienste der Liebe, denn sie besitzen, als besäßen sie nicht. Die Gewissheit des himmlischen Erbes übt eine Macht aus, eine lösende und eine bewahrende. Wohl allen, die sich nicht verderben mit den Dingen dieser Erde! Der Geist leidet sehr unter allzu sorgfältiger Leibespflege. Du musst das Zeitliche und Vergängliche nicht so wichtig finden. O, dass dein Geist kein Gefangener sei! Beschwere ihn nicht, gib ihm seine Freiheit, indem du das, was droben ist, suchest, der Gerechtigkeit nachjagest, im Heiligtum deinem Gott dich weihest und den Geist nährest mit dem Geiste, welcher aus der Schrift dem betenden Forscher zufließt. Heute gehört das Erbe zu unserer Hoffnung. Es ragt das Erbe hinein in unser Geistesleben. Wir sind auf der Heimreise; was am Ziele unser wartet, das erfüllt Herz und Sinn. (Markus Hauser)

5:13 Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man's salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn das man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten.

5:14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.

5:15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind.

5:16 Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.14)15); 16)
Wenn der Heiland nach „sehen“ einen Punkt gemacht hätte oder fortgefahren wäre: „und euer Christentum und euren Eifer preisen“ - dann hätten alle Pharisäer ihm Beifall gezollt. Und du, mein Herz, auch! Dann hätte er sich die Mahnung vom Licht-leuchten-lassen ganz sparen können. Denn darauf sind wir prahlerischen, eitlen Leute sowieso, ganz von Natur, schon sehr erpicht, uns im hellsten Lichte zu zeigen, damit man uns preise. Ist aber des Vaters Lob das Ziel, dann wird das stärkste, sündige Motiv für viele Edeltaten urplötzlich ausgeschaltet. Wie wohl tut eine Anerkennung unserer Person! Haben wir unser Teil an Lob eingestrichen, dann lassen wir gern auch ein Stückchen Kleingeld für Gottes Ehre nach. Aber, wenn man uns und unserer Anstrengung kein Wort sagt, dann ärgern wir uns sogar über das Lob, das unserer Begabung gezollt wird. Ist des Vaters Ehre allein das Ziel, allein der Punkt, auf den es herauskommen wird, dann fühlen wir uns zu solcher Arbeit nicht berufen. Und dann wollen wir uns noch brüsten, daß wir Gottes liebe Kinder und Jesu Nachfolger sind!
Herr Jesus, und du schämst dich nicht, uns deine Brüder zu heißen? Erbarme dich über uns und mache uns von unserer Eitelkeit, in christlichen Werken zu glänzen, los. Gib uns von deinen reinen demütigen Gedanken, die nur des Vaters Ehre suchen, und heile uns von dem geheimen Schaden unserer Seele. Amen. (Samuel Keller)


Wache, bete, arbeite! Was hat der Herr dir anvertraut? Werde dir dessen recht bewusst. Deine Gaben, deine Kräfte, deine Lebensstellung, dein Geld verwerte für den kommenden Herrn. Nimm tätigen Anteil am Durchbruch Seines Reiches. O, wie viele träge Jünger und Jüngerinnen leben nur sich selber! Darum ist es lebendigen Christen nicht wohl bei ihnen, ihre Atmosphäre ist drückend, ihr Geist ist eben nicht frisch, nicht ins Heiligtum hineinragend. Sind die Lichter brennend, so wird das Leuchten und das Zeugen durch Gewohnheit zur anderen Natur. Hüte dich vor allen, die sich nur immer des Verdienstes Christi getrösten und selber nichts tun wollen. Der Geist kommt da mit Macht, wo sich Organe zum Wirken für Ihn finden. Priesterkönige werden nicht in Plauderstündchen, sondern in Leidenstiegeln und auf den Schlachtfeldern des Herrn erzogen. Leuchte, wärme, belebe, sei's in der Küche, im Stalle, auf der Schreibstube, auf dem Katheder oder auf der Kanzel. Wo Gott dich hingestellt hat, da sei ein Licht .und ein Salz, ein lebendiger Brief Christi; das ganze Wesen, der ganze Wandel muss heilig, muss dem Herrn ähnlich sein. Das ist Bereitschaft. Wer aber leuchten, wärmen und beleben will, der kann nicht anders als demütig, im Worte forschend und alle Zeit betend sein. Er ist sich auch bewusst, dass er sogleich aufhören wird, ein Licht zu sein, sobald er aufgehört hat, sich von Jesus Christus durchscheinen und erleuchten zu lassen. Solltest du dereinst im Reiche Gottes eine Stellung einnehmen können, wenn du nicht jetzt schon für Ihn lebst und Seine Sache vertrittst? (Markus Hauser)


Immer kommt das Wort Jesu von einer anderen Seite her, als wir erwarten. Er formt das Gleichnis, das er zum Bild seiner Jünger macht, nicht so: es ist Nacht und dunkel im Hause; zündet die Lampe an und tragt euer Licht in das dunkle Haus hinein, sondern er sagt: die Lampe brennt, verdeckt sie nicht, stellt sie nicht unter den Scheffel, wo sie nicht brennen kann und niemand leuchtet. Er hat nicht zu ihnen gesagt: macht aus euch das Licht der Welt, sondern: ihr seid es, wie er auch von sich selbst nicht sagte: ich mache aus mir das Licht der Welt, sondern: ich bin es. Warum überrascht uns sein Wort? Unsere Gedanken und die seinen gehen nicht von derselben Stelle aus. Unsere Gedanken fangen mit dem an, was wir selber sind. Jesu Gedanken fangen mit dem an, was Gott uns gibt. Weil wir bei uns selbst anfangen, fangen wir mit nichts an, beginnen mit dem, was uns fehlt und uns elend macht, bei der Lampe, die nicht brennt, die ich nun anzünden will bei der Nacht, der das Licht fehlt und die ich nun erleuchten will. Weil Jesus dagegen mit Gott anfängt, brennt bei ihm die Lampe und das Haus ist hell und er macht den Jüngern das zur Pflicht, dass sie das Licht nicht verbergen. Weil wir bei uns anfangen, das heißt beim Nichts, sehen wir, dass es viel für uns zu tun gibt. Nun machen wir uns ein großes Programm von Pflichten und verfassen ein mächtig anschwellendes Verzeichnis von Dingen, die wir schaffen wollen. Da bleibt uns nichts anderes übrig, als dass wir uns den Lastträgern zugesellen, die eine schwere Bürde schleppen. Auch Jesus hat für seine Jünger ein Programm bereit und spricht mit ihnen von ihrer Pflicht und ihrem Werk. Bei ihm besteht aber ihr Werk darin, dass sie das scheinende Licht nicht verdunkeln und die empfangene Gabe nicht verderben. Nach unserer Meinung sollen wir etwas werden; nach Jesu Gebot sollen wir das sein, wozu uns Gottes Gnade macht. Das ist zugleich sein sanftes Joch und sein mit drohendem Ernst gefülltes Gebot. Ob von meinen hübschen Phantasien und großartigen Plänen viel oder wenig zustande kommt, daran liegt wenig. Wenn ich aber Gottes Gabe verderbe und das Empfangene unfruchtbar mache, das ist Schuld. Jesus zeigt uns, was Sünde ist und was ihr die uns verderbende Macht verschafft. Wer das ihm scheinende Licht auslöscht, der sitzt nun im Finstern. Der verschiedene Anfang, den unsere Gedanken und die Jesu haben, zeigt sich auch im Ende, zu dem sie gelangen. Weil wir bei uns, das heißt beim Nichts, anfangen, bringen wir es zu Worten. Weil Jesus dagegen mit Gott und seinen Gaben anfängt, führt er uns zum Werk. Was Gott uns gibt, sind nicht nur Worte, sondern ist Leben und Tat. Denn Gottes Reich steht nicht in Worten, sondern in Kraft.
Deine Gaben, Vater, umringen mich. Dein Licht scheint mir, Dein Wort ruft mich, Dein Friede beschirmt mich. Deine Gemeinde nimmt mich bei sich auf, nährt mich und gibt mir Teil an Deinem Werk. Nun bitte ich Dich, der Du das Wollen und Vollbringen schaffst, gib mir, dass das, was DU mir gabst, seine Frucht trage zu Deinem Preis. Amen.(Adolf Schlatter)

5:17 Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.

5:18 Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe.

5:19 Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute also, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.

5:20 Denn ich sage euch: Es sei denn eure Gerechtigkeit besser als der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.17)
Spricht hier Jesus wirklich das Todesurteil über die ganze pharisäische Schar? Schließt er sie alle von seinem Reich aus? Wäre das sein Wille, so müsste die Christenheit tief erbeben. Denn die Antwort auf die Frage, ob ihr Gottesdienst höher stehe als die pharisäische Frömmigkeit, ist nicht leicht zu finden. Es gibt auch unter uns viele, deren Anteil an der Kirche darin besteht, dass sie „die religiösen Pflichten“ erfüllen, viele, die nur durch die Sitte der Gemeinde zusammenhängen, die Taufe begehren, weil die Sitte es verlangt, und am Grabe beten lassen, weil es üblich ist. Auch bei uns haben manche gelernt, was Frömmigkeit sei, und wissen dies auch darzustellen, bleiben aber inwendig zerrissen und legen die christliche Tracht über ihren inneren Jammer, und für manche besteht ihr Christenstand in ihrer Theologie, sie sei überliefert oder selbst erworben, nach der pharisäischen Weise: Du lehrst die anderen, aber dich selber nicht. Soll über diesen allen das Urteil Jesu stehen: ihr kommt nicht in das Himmelreich hinein, so drängte es auf unsere Lippe die bange Frage, die einst die Jünger aus ihrem erschütterten Herzen hervorstießen: Wer kann dann selig werden? Aber vom Schicksal der Pharisäer spricht Jesus in diesem Wort nicht, sondern vom Schicksal seiner Jünger. Ihr, sagt Er, müsst etwas anderes sein als die, die in der Schule fromm sein lernten, ihr etwas anderes als die, die nur der Ritus bei der Gemeinde erhält, ihr etwas anderes als die, die nur das Gesetz kennen und es eifrig einüben, weil es ihnen zum Verdienst vor Gott verhilft. Ihr meine Jünger, kommt so nicht in Gottes Reich hinein. Ihr habt anderes empfangen und darum auch eine heiligere und herrlichere Pflicht. Ihr habt an mir den Sohn Gottes gesehen und das bedeutet: ihr habt Gottes Gnade geschaut, die den Glauben schafft und das Herz durch den Glauben reinigt und die Liebe gibt. Ihr dürft nicht sagen: so war es immer in Israel üblich gewesen und so hat es der Meister in der Schule befohlen. Ihr habt auf mich zu hören, nicht auf das, was zu den Alten gesagt wurde, sondern auf das, was ich euch sage, und werdet nicht ins Himmelreich kommen, wenn ihr nicht eine bessere Gerechtigkeit habt als die, die auch die anderen haben. Mit ihrem eigenen Schicksal hat Jesus seine Jünger beschäftigt und ihnen den Ernst ihrer Lage enthüllt, in die sie als die Seinen, als die zum Himmelreich Geladenen, versetzt worden sind.
In Deinem Wort und Willen, Herr Christus, sind die Gnade und die Gerechtigkeit vereint. Das von dir gegebene Pfund soll sich mehren und die von dir ausgestreute Saat reifen. Deine Gerechtigkeit, mit der Du die anderen richten wirst, ist Dein Geheimnis; wird es offenbar, so zeigt es Dich in Deiner ganzen Majestät. Dein Wort heißt mich achthaben auf mich selbst und treu sein in dem, was Du mir gabst. Das ist mein Verlangen und mein Gebet. Amen. (Adolf Schlatter)

5:21 Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: „Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.“

5:22 Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Racha! der ist des Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr! der ist des höllischen Feuers schuldig.
Warum willst du noch andern zürnen? Durch solchen Zorn wirst du leicht zu einem zweifachen Mörder. Den nächsten tötest du, und dich auch.
Den nächsten tötest du mit dem Herzen, gönnst ihm das Leben nicht, sondern lieber den Tod und alles Unglück; siehst ihn unfreundlich an, kränkst seine Ehre, die ihm so lieb wie das Leben ist, und betrübst ihn mit manchem bitteren Wort. Dich selbst tötest du geistlich; denn dein Zorn trennt dich von Gott. Wo der Zorn die Herrschaft einnimmt, da geht Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, unter; Christus ist der Seele Leben, ohne Ihn bist du geistlich tot.
Willst du zürnen, so zürne besser gegen deine Sünde. Willst du strafen, so strafe besser dich. Willst du richten, so sei besser ein strenger Richter über deine eigenen Taten. - Ach, der gewöhnliche Zorn gegen andere ist meist ein sündiger, nicht hervorgegangen aus Abscheu vor der Sünde, sondern aus der Selbstsucht; nicht geübt um Gottes und der Wahrheit willen, sondern weil unser eitles, selbstverliebtes Ich verletzt worden ist. Ein solcher Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. Denn solcher Zorn ist blind, und das Sprichwort sagt zu Recht von ihm 'Zorn macht den Menschen verworren' und 'Zornes Ausgang ist der Reue Anfang'. Er sucht im Grunde nur Rache, aber nicht Recht und Gerechtigkeit, nicht die Rettung und Besserung des Bruders.
Vor solchem Zorn bewahre uns Gott! damit uns desto mehr der heilige Zorn für des Herrn Sache gegen die Sünde und alles ungöttliche Wesen in uns und außer uns durchglühe; denn dieser ist seiner innersten Natur nach nichts anderes als heilige Liebe, die nur zürnt aus Liebe, die vorsichtig wandelt, die zur rechten Zeit redet, und zur rechten Zeit schweigt. Für unsere eigene Person haben wir alles zu vergeben, und alles zu dulden; nur dann, wenn wir sagen können: ich habe keinen Feind mehr auf der Erde, sind wir recht und fähig, des Herrn Kriege zu führen und mit heiligem Feuer zu streiten. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

5:23 Darum, wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und wirst allda eingedenk, daß dein Bruder etwas wider dich habe,

5:24 so laß allda vor dem Altar deine Gabe und gehe zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und alsdann komm und opfere deine Gabe.
Jesus sagt dem, der mit seinem Opfertier vor dem Altar steht: dort tritt das Unrecht in deine Erinnerung hinein, das du am Bruder tatest. Am Altar erwachen die Erinnerungen. Das ist ein wichtiger Teil des Segens, den uns unser Gottesdienst zuträgt, und auch ein wirksamer Grund, weshalb wir die Kirchen meiden und den Gottesdienst nicht nur als Freude und Erquickung erleben. Es verbinden sich mit ihm zu viel Erinnerungen an Dinge, von denen wir wünschen, dass sie endgültig vergessen seien. Sei aber nicht weichlich. Dass du an das gedenkst, was du tatest, das ist eine dir verliehene Gabe. Wird dir die Erinnerung gegeben, so ist die eine Wohltat erzeigt. Aber nun nütze die Gabe und schlage die Wohltat Gottes nicht aus. Wie nütze ich sie? Lass, sagt Jesus, deine Gabe vor dem Altar; lass dein Opfer unvollendet. Zuerst bringe dein Verhältnis zum Bruder in Ordnung und mache dem Unrecht, soweit es noch möglich ist, ein Ende. Ich kann im Stand der Ungerechtigkeit Gott nicht dienen. Wie sollte ich imstande sein, ihm eine Gabe darzubringen, wenn ich den Bruder schädige? Es ist ein sinnloses Unternehmen, Gott zu beschenken und den Menschen zu berauben, Gott zu ehren und den Menschen zu entehren, Gottesdienst zu üben und Menschen zu verderben. Nun brauche ich nicht weiter zu fragen, warum für so viele unser Predigen leer bleibt und keine Wirkung hat. Hier mochte ein jüdischer Hörer ängstlich erwogen haben, ob er nicht etwa Gott beleidige, wenn er vom Altar weglaufe und das, was er dem Bruder schulde, höher schätze als die Gott darzubringende Gabe. Du beleidigst Gott nicht, sagt ihm Jesus, und darfst wiederkommen und darfst ihm mit deiner Gabe danken, darfst ihm auch dafür danken, dass er dich an dein Unrecht erinnert und die verstattet hat, es abzutun. Das ist die Gottesdienstordnung Jesu und kein liturgischer Künstler hat Recht und Macht, sie umzustoßen.
Herr Gott, Du bist der Menschenfreund. Wir tun einander weh und schädigen uns. Du aber widerstehst jedem Unrecht und gestattest uns, dass wir zu Deinem Altar kommen dürfen, weil Du uns verzeihst. Mache mich durch Deine Stärke stark, das Unrecht zu meiden, und durch Deine Gnade gläubig, dass ich Dir meine Gaben bringe und bei Dir die Vergebung empfange. Amen. (Adolf Schlatter)

5:25 Sei willfährig deinem Widersacher bald, dieweil du noch bei ihm auf dem Wege bist, auf daß dich der Widersacher nicht dermaleinst überantworte dem Richter, und der Richter überantworte dich dem Diener, und wirst in den Kerker geworfen.

5:26 Ich sage dir wahrlich: Du wirst nicht von dannen herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlest.18); 19)

5:27 Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: „Du sollst nicht ehebrechen.“

5:28 Ich aber sage euch: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.
Die Absicht Christi ist, jede fleischliche Begierde zu verdammen. Nach seinem Wort sind vor Gott Ehebrecher nicht nur solche, die die Frau des Nächsten mit der Tat schänden, sondern alle, welche ihre Augen durch schamlose Blicke beflecken. Nur machen selbstverständlich nicht die Augen allein den Menschen des Ehebruchs schuldig, sondern ebenso der verborgene Brand des Herzens. Darum heißt uns auch Paulus keusch sein am Leib und am Geist (1Kor 7, 34). Christus wandte sich gegen die damals übliche falsche Auslegung des Gebots, welche meinte, man müsse sich bloß vor der äußeren, ehebrecherischen Handlung hüten.
Weil jedoch die Augen gleichsam die Tür des Herzens sind, durch welche die Begierde eintritt, bediente sich Christus bei seiner Verurteilung der bösen Lust dieser Redeweise. Als Ehebrecher gilt vor Gott, wer der Anreizung zum Ehebruch Raum gewährt, ebensogut wie der andere, der mit Bewusstsein auf Hurerei sinnt. Daraus erkennen wir, wie groß die Heuchelei einer Kirche ist, wenn sie leugnet, dass Lust und Begierde ohne die Zustimmung des Willens Sünde seien. Aber freilich, es ist kein Wunder, dass der Begriff „Sünde“ so eingeschränkt wird. Denn wer die Gerechtigkeit auf das Verdienst der Werke gründen will, muss es in der Beurteilung der Sünde selbstverständlich leicht und oberflächlich nehmen. (Jean Calvin)

5:29 Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf's von dir. Es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.

5:30 Ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir. Es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.20)

5:31 Es ist auch gesagt: „Wer sich von seinem Weibe scheidet, der soll ihr geben einen Scheidebrief.“

5:32 Ich aber sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet (es sei denn um Ehebruch), der macht, daß sie die Ehe bricht; und wer eine Abgeschiedene freit, der bricht die Ehe.21)
Sieg über die Begierden des Herzens muss durch schmerzbereitende Übung gefestigt werden. Aber es muss getan werden. Alles ist uns geschenkt worden, um uns vor unseren Sünden zu retten, nicht in unseren Sünden. All unsere Sinne und Kräfte müssen von den Dingen, die uns zur Sünde verleiten, ferngehalten werden. Diejenigen, die andere dazu verführen zu sündigen, durch Kleidung oder auf andere Art, oder die die andere in der Sünde belassen, oder sie der Gefahr zu sündigen aussetzen, machen sich selbst der Sünde schuldig und werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn schmerzvolle Prozesse vollzogen werden, damit unser Leben gerettet wird, wovor sollen unsere Herzen zurückweichen, wenn es um doch die Rettung unserer Seelen geht? Es gibt sanfte Gnade bei all den göttlichen Anforderungen, und die Gnade und Tröstungen des Heiligen Geistes werden uns dazu befähigen, uns darin zu befestigen. (Matthew Henry)

5:33 Ihr habt weiter gehört, daß zu den Alten gesagt ist: „Du sollst keinen falschen Eid tun und sollst Gott deinen Eid halten.“

5:34 Ich aber sage euch, daß ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl,

5:35 noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel, noch bei Jerusalem, denn sie ist des großen Königs Stadt.

5:36 Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören, denn du vermagst nicht ein einziges Haar schwarz oder weiß zu machen.

5:37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.22)
Es gibt keinen Grund zu denken, dass feierliche Eide in einem Gerichtssaal oder zu anderen passenden Gelegenheiten falsch sind, vorausgesetzt sie werden mit angemessener Ehrfurcht abgelegt. Aber alle Eide, die ohne Notwendigkeit oder in gewöhnlichen Gesprächen abgelegt werden, müssen sündig sein, genauso wie all diese Aussprüche, die Gott anrufen, obwohl man dabei daran denkt, die Schuld, die durch Schwören entsteht, zu vermeiden. Je schlechter die Menschen sind, desto weniger lassen sie sich durch Eide binden; je besser sie sind, desto weniger sind Eide notwendig. Unser Herr legt keine genauen Formulierungen auf, mit denen wir bejahen oder verneinen sollen, sondern einen unveränderlichen Blick für die Wahrheit, der Schwüre unnötig machen würde. (Matthew Henry)

5:38 Ihr habt gehört, daß da gesagt ist: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

5:39 Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel; sondern, so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar.

5:40 Und so jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel.

5:41 Und so dich jemand nötigt eine Meile, so gehe mit ihm zwei.

5:42 Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will.23)
Die ganze Anweisung lautet: erdulde jegliche Verletzung, die ausgehalten werden kann um des Friedens willen und befiehl Deine Belange der Pflege des Herrn an. Und zusammengefasst bedeutet dies, dass Christen es vermeiden müssen, zu streiten und erbittert zu kämpfen. Wenn jemand sagt, Fleisch und Blut könnten nicht heil aus solch eine Auseinandersetzung hervorgehen, dann erinnere ihn daran, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben werden; und jene, die nach den richtigen Prinzipien handeln, werden den besten Frieden und Trost finden. (Matthew Henry)


Im Morgenland und zur Zeit Jesu spielte das Geld noch nicht die Rolle wie heute bei uns, und darum kann ich mir wohl denken, daß hier das bedingungslose Borgen von Gegenständen gemeint sein mag, deren Versagen mehr eine engherzige Unfreundlichkeit war. Ein Pfarrer schrieb mir vor vielen Jahren, als ihm sein Haus mit allem Zubehör durch Blitzschlag verbrannt war, so daß keine Stecknadel gerettet wurde:„Mir taten am meisten die mancherlei Nebensachen leid, die wir nicht zum täglichen Bedarf brauchen. Wieviel Freude hätte man damit machen können, wenn man sie sich vorher vom Herzen gerissen hätte! Manches davon hätten wir armen, notleidenden Gemeindegliedern nicht borgen wollen, obschon die der Sachen bedurften. Jetzt hielt uns der Herr eine Predigt über das großherzige Weggeben und Leihen von Sachen, die wir nicht nötig hatten!“ Das wäre mal ein gewaltiger „Hausputz“, wenn man nur die zurückgestellten, etwas schadhaft gewordenen Gegenstände kurzerhand an arme Familien verteilen wollte. Dabei brauchten wir auf unsere Bequemlichkeit noch gar nicht zu verzichten, sondern würden nur Dinge los, die außer dem wirklichen Gebrauch ständen! Los von Sachen, gebunden an Jesus!
Du bist unseres Herzens geheime Lust, Herr Jesu! Dann mache du uns los von Dingen, die andern noch eine Freude machen oder einen wichtigen Dienst tun können. Erziehe uns von der Enge zur Weite! Amen. (Samuel Keller)

5:43 Ihr habt gehört, daß gesagt ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“
Liebe deinen Nächsten. Vielleicht schwelgt er in Reichtümern, und du bist arm, du lebst in einer niedrigen Hütte neben seinem herrlichen Palast; du erblickst jeden Tag seine Pracht, seine feine Leinwand und seine üppigen Gastmähler; Gott hat ihm diese Gaben gegeben, beneide ihn um seinen Wohlstand nicht, und hege keine argen Gedanken gegen ihn. Sei zufrieden mit deinem Los, wenn‘s dir nicht gelingt, dich zu verbessern; aber siehe nicht mit Missgunst auf deinen Nächsten, wünsche nicht, er würde deinesgleichen. Liebe ihn, so wirst du ihn nicht beneiden. Oder umgekehrt, vielleicht bist du reich, und neben dir wohnt der Arme. Schäme dich nicht, ihn deinen Nächsten zu heißen. Halte dir‘s vor Augen, dass du zur Liebe gegen ihn verpflichtet bist. Die Welt sagt, er stehe tief unter dir. Worin ist er geringer als du? Er ist weit eher deinesgleichen, als dir untergeordnet an Rang und Stand, denn „Gott hat gemacht, dass von einem Blut aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen, und zwar ist Er nicht fern von einem jeglichen unter uns.“ Dein Kleid freilich ist besser als das seine, du selbst aber bist um kein Haar besser als er. Er ist ein Mensch, und was bist du mehr als das? Habe acht, dass du deinen Nächsten liebst, auch wenn er in Lumpen gekleidet oder in die tiefste Armut versunken ist.
Aber du sprichst vielleicht: „Ich kann meine Nächsten nicht lieb haben, denn für alles, was ich an ihnen tue, lohnen sie mir nur mit Undank und Geringschätzung.“ Nun, so kann sich ja die Großmut deiner Liebe nur umso herrlicher offenbaren. Nicht wahr, du wärst lieber ein Federbett-Soldat als ein Streiter, der den schweren Kampf der Liebe wagt? Wer wagt, gewinnt; und ist der Pfad deiner Liebe rau, so nimm ihn mutig unter die Füße, und liebe deine Nächsten immer zu, durch dick und dünn. Sammle feurige Kohlen auf ihr Haupt, und sind sie schwer zufrieden zu stellen, so such‘s deinem Meister recht zu machen, und bedenke das: wenn sie deine Liebe verschmähen, so verschmäht sie dein Heiland nicht, und Er hat sie noch nie zurückgewiesen, und dein Tun ist Ihm so angenehm, wie wenn sie es dankbar anerkannt hätten. Liebe deinen Nächsten, denn wenn du das tust, so trittst du in die Fußstapfen deines Herrn und Meisters. „Denn die Liebe ist von Gott, und wer lieb hat, der ist von Gott geboren und kennt Gott.“ (Charles Haddon Spurgeon)

5:44 Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen,

5:45 auf daß ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Wenn dieses unser Vater im Himmel thut, wenn Er die Sonne, die Seine Sonne ist, über böse und gute Menschen aufgehen, wenn Er den Regen, den Er allein in Seiner Gewalt hat, auf die Felder der Gerechten und Ungerechten fallen läßt, wenn Er also, wie Lukas Kap. 6,35. schreibt, über die Undankbaren und Boshaftigen gütig ist: was sollen dann wir thun, die wir Kinder dieses himmlischen Vaters heißen wollen? Wir sollen auch gegen böse und gute, gegen gerechte und ungerechte, ja auch gegen undankbare und boshafte Menschen liebreich, freundlich und gütig sein und gegen keinen Menschen eine feindselige Bitterkeit in uns haben. Die Sünde sollen wir hassen, und damit bei uns selber den Anfang machen, übrigens aber die bösen Menschen als Gottes Geschöpfe, als Leute, die, wie wir selbst, durch Christum erlöset und zur Seligkeit berufen sind, ja als unsere Brüder (weil wir Alle von Einem Stammvater herkommen) lieben. Wenn sie sich auch gegen uns feindselig beweisen, so sollen wir nicht aufhören, sie zu lieben; denn Christus verwarf die Lehre der Pharisäer, nach welcher man nur seinen Freund für seinen Nächsten halten und lieben sollte, seinen Feind aber hassen durfte, und sprach dagegen mit großem Ernst: Ich sage euch: liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Wer kann aber dieses Gebot des HErrn Jesu halten? Niemand, als wer den Heiligen Geist, als den Geist der Kraft und der Liebe und der Zucht empfangen hat, und in dessen Herzen die Liebe Gottes durch eben diesen Geist ausgegossen, und unter Anderem auch der Spruch klar geworden ist: wir sind Gott versöhnet durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, Röm. 5,10. Daß nämlich Gott Seine Sonne über Böse und Gute aufgehen läßt, ist etwas Großes; noch größer aber ist jene andere Erweisung Seiner allgemeinen Güte, von welcher der Heiland in der Bergpredigt wegen der Beschaffenheit Seiner Zuhörer noch nicht reden konnte, und welche darin besteht, daß Gott die Welt also geliebt hat, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab; daß Christus sich für Alle zur Erlösung gegeben, und sie Gott durch Seinen Tod versöhnet hat. Wer waren wir, da uns Gott als Solche ansah, welche dieser Erlösung und Versöhnung theilhaftig werden sollen? Wir waren Sünder, nichts als Sünder, ja gar Feinde Gottes. Hat nun Gott Seine Feinde also geliebt, so sollen wir auch unsere Feinde liebe, die sich ohnehin bei Weitem nicht so sehr wider uns vergangen haben, wie wir gegen Gott. Wenn die Lehre Christi allenthalben auf dem Erdboden angenommen und befolgt würde, so würde allenthalben Friede, Wonne und Glückseligkeit ausgebreitet, weil sie eine allgemeine Liebe gebietet und pflanzet. Der Satan aber übt noch bei den Kindern des Unglaubens eine große Gewalt aus und erfüllet sie, weil er selbst in einem finstern Grimm lebt und Gottes und der Menschen Feind ist, mit Haß, Neid und Zorn, wovon sowohl derjenige, der den Andern haßt, als auch derjenige, der gehaßt wird, Schaden und Unlust empfindet. Doch hat Kain, der seinen Bruder Abel haßte, sich selber mehr geschadet, als seinem Bruder, ob schon er diesen um sein zeitliches Leben brachte. Gott erzeige mir Seine Gnade, daß ich auch heute in der Liebe und im Licht wandeln könne.(Magnus Friedrich Roos)


Die Tatsache, die Jesus hier beschreibt, ist offenkundig und unbestreitbar. Die Natur gibt jedem die Lebensmittel, ob er gerecht oder ungerecht mit ihnen verfahre, ob wir boshaft oder gütig an den Menschen handeln. Wir empfangen nicht sofort und sichtbar auf unserem Acker den Lohn für unsere Bosheit. Auch die von oben kommenden Gaben, ohne die es keine reifende Ernte gibt, Sonne und Regen, werden mir deshalb, weil ich gottlos bin, nicht entzogen. Die Natur, sagen wir, tut das; die Natur fragt nicht nach unserem sittlichen Verhalten. Damit machen wir den Tatbestand, von dem Jesus spricht und den wir alle sehen, für unser eigenes Verhalten unwirksam. Nein, sagt Jesus, nicht die Natur ernährt dich. Gott gibt dir Licht, Wärme und Wasser, ohne die keine Ähre reift. Die Natur tut es, weil Gott es tut. Gönnte er dir dein Brot nicht, weil du boshaft und ungerecht bist, so schiene dir keine Sonne und tränkte deinen Acker kein Regenguss, und jetzt bekommt der einfache Tatbestand, den wir immer vor Augen haben, für uns die größte und furchtbarste Wichtigkeit. Was zeigt uns hier Gott? Gebende Güte, die sich nicht ändert, wenn ihr der Dank versagt wird, Unermüdlichkeit der Liebe auch gegen den, der boshaft und ungerecht ist. Wie fremd ist uns das, so fremd, dass der Tatbestand, an dem uns Jesus die Weise Gottes zeigt, uns oft zum Anstoß wird. Sind es nur die alttestamentlichen Frommen gewesen, die verblüfft, ja geärgert sahen, dass es auch Gottlosen wohl ging? Kennen wir diesen Anstoß nicht? Jesus hat das als die Vollkommenheit des Vaters gepriesen, dass er aus der Natur die reiche Vorratskammer machte, aus der ich holen kann, was ich brauche, auch dann noch, wenn ich aus mir einen gottlosen und boshaften Menschen gemacht habe. Die Weise des Vaters wiederholt sich im Verhalten seiner Kinder. Ihr habt, sagt Jesus, in Gott eine Güte vor Augen, die vor der Bosheit nicht verschwindet und der Feindschaft gegenüber die gebende bleibt. Nun wisst ihr, woran man Gottes Kinder erkennt und wie ihr solche werdet. Eure Liebe wartet immer auf die Liebe der anderen und geht unter, wenn euch die anderen sie versagen. So dient eure Liebe euch selbst und bleibt von eurer Eigensucht beherrscht. Gottes Liebe rechnet nicht auf Gegenleistung; sie ist frei und ganz.
Du siehst, Herr Christus, alles mit neuen Augen an, auch das, was wir beständig sehen. Denn Du siehst alles mit den Augen der Liebe an, der völligen und reinen. Darum bist Du für uns das Licht des Lebens. Führe mich dadurch ins Leben, dass Du mich zum Lieben bringst. Amen. (Adolf Schlatter)

5:46 Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner?

5:47 Und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? Tun nicht die Zöllner auch also?

5:48 Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.24); 25)
Es ist eins der wichtigsten Kapitel der heiligen Schrift, das wir gelesen haben, und gegen welches wir uns so oft versündigen, indem wir bald zu viel aus dem Gesetze machen und durch des Gesetzes Werke gerecht werden wollen vor Gott, bald wieder zu wenig daraus machen, indem wir meinen, weil Du, Herr Jesu, das Gesetz erfüllt habest, so seien wir davon frei und können durch einen werklosen Glauben selig werden. Lehre Du uns die rechte Mittelstraße Deines Evangeliums, daß wir als arme Sünder in Glauben ergreifen Deine vollkommene Gesetzerfüllung, um dadurch vor Gott gerecht zu werden, hernach aber auch Deinem Lebensbeispiele zu folgen, und nach demselben das Gesetz zur Richtschnur unseres Thuns und Lassens machen in rechtschaffenem Fleiße der Heiligung. Wir wissen ja, daß Du nicht nur das Gesetz und die Propheten vor uns und für uns erfüllt hast, sondern sie auch in uns und durch uns erfüllen willst, und das Gesetz nicht aufhebest, sondern aufrichtest. Und du willst es in uns thun und in uns das Wollen und Vollbringen des Guten wirken nach Deinem Wohlgefallen, wenn wir nur glauben, nur Deine Gnadenmittel fleißig brauchen und bitten um den heiligen Geist. Wenn wir in fröhlichem Glauben die Versöhnung ergreifen, die in Dir geschehen ist, so haben wir die alten Sühnopfer vollendet; und wenn wir Dich täglich loben und preisen, daß Du uns errettet hast aus der Obrigkeit der Finsterniß und versetzet in Dein Gnadenreich, so sind das unsere Dankopfer. Komm denn täglich zu uns aufs neue, Herr Jesus, am Morgen und am Abend, als unsere einzige und ewige Gerechtigkeit, als der Christus für uns und in uns; komm auch jetzt, und wasche uns von allen heutigen Sünden rein und mache uns Deinem Vater wohlgefällig und angenehm durch Dein heiliges Verdienst. Du bist des Gesetzes Ende, seine vollen Enthüllung und Erfüllung, auch in uns, und Du bist des Evangelii Inhalt und Kraft, lauter „Nein, Nein“ zu allem, was ungöttlich und schädlich ist, lauter „Ja, Ja“ zu allem, was heilig und zum wahren Besten dienlich ist. Du bist Anfang, Mittel und Ende, unser A und O, im Leben und im Sterben. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Die jüdischen Lehrer verstanden unter „Nächster“ nur diejenigen, die aus ihrem Land, ihrer Nation und Ihrer Religion stammten, welche sie bereitwillig als ihre Freunde ansahen. Der Herr Jesus lehrt uns, dass wir jede echte Freundlichkeit ausüben sollen, zu der wir überhaupt in der Lage sind, besonders zu den Seelen der Menschen. Wir müssen für sie beten. Während viele Gutes mit Gutem vergelten, müssen wir Gutes für Böses vergelten; und dies wird als ein besseres Prinzip wirken als das, wonach die meisten Menschen handeln. Andere grüßen ihre Geschwister und umarmen ihre Parteigenossen, Weggefährten und diejenigen, die ihre Meinung teilen, aber wir dürfen unseren Respekt nicht so eingrenzen. Es ist die Pflicht der Christen, sich Vollkommenheit an Gnade und Heiligkeit zu wünschen, sie zu erstreben und ihr nachzujagen. Und darin müssen wir uns üben, uns gemäß dem Beispiel unseres Himmlischen Vaters zu benehmen. (vgl. 1. Pet. 1,15.16). Sicher kann man von einem Nachfolger Jesu mehr erwarten als von anderen; sicherlich wird in ihnen mehr gefunden werden, als in anderen. Lasst uns Gott bitten, dass er uns befähigt, uns als seine Kinder zu erweisen. (Matthew Henry) —-
Dieses Kapitel begreift den ersten Theil der schönen Predigt, welche der Sohn Gottes, Christus Jesus, unser Heiland, Seinen Jüngern und dem übrigen Volk, das Ihm zuhörete, auf einem Berg gehalten, und darinnen Er als der vortrefflichste Schriftgelehrte, dem der heilige Geist ohne Maß beiwohnete, aus dem köstlich-guten Schatz Seines Herzens altes und neues vorgetragen, sonderlich die wahre inwendige Gestalt und Beschaffenheit Seines Gnadenreichs unter den Menschen, mithin den Kern des rechtschaffenen und thätigen Christenthums, überaus herrlich vorgestellt und abgebildet hat.
Er zeiget aber gleich im Anfang, da Er Seinen göttlichen Mund aufthut - und selig preiset die geistlich Armen, die Leidtragenden, die Sanftmüthigen, die nach der Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden, ferner die Barmherzigen und die reines Herzens sind, die Friedfertigen und die um Gerechtigkeit willen verfolget werden, wie es mit denjenigen, so zu Seinem Reich hier auf Erden gehören - und rechte Christen sind, viel anders stehe und aussehe, als die Welt und fleischliche Vernunft meinet, welche die Seligkeit oder das Wohlergehen eines Menschen in ganz andern Dingen suchet - und fromme Herzen, welche von der Welt Thorheit und Eitelkeit sich absondern, für die elendesten Creaturen anstehet. Dagegen zeiget hier unser Jesus, daß Seine wahren Nachfolger, in was für betrübte Zustände sie immer gerathen mögen, dennoch nicht allein hier schon in der That selige Leute sind vor Seinen Augen, sondern daß sie auch nach diesem Leben eine unaussprechliche Gnadenbelohnung und ewige Seligkeit im Himmel sollen zu gewarten haben.
Auf solche tröstliche Anzeige folget in diesem Kapitel ferner eine nachdrückliche Aufmunterung und Vermahnung, daß sich Seine Jünger, weil sie das Salz der Erde seyen, nicht dumm, das ist, nicht matt oder unkräftig finden lassen sollen in ihrem Ernst und Eifer, andern nützlich und erbaulich zu werden; und weil sie das Licht der Welt seyen, nachdem nämlich Gott durch das Evangelium sie erleuchtet - und das Licht Seiner Erkenntniß in ihnen angezündet, so sollen sie denn auch solches Licht vor den Leuten leuchten lassen, damit man ihre guten Werke sehe - und den Vater im Himmel preise, oder, was eben so viel ist, damit durch ihren exemplarischen Lebenswandel und durch den rechten Gebrauch der ihnen verliehenen Gnaden- und Geistesgaben immer eine Seele nach der andern gewonnen - und zu Gott bekehret werde.
Zunächst benimmt der HErr Jesus Seinen Jüngern den Gedanken, als wäre Er gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen, das ist, den Menschen ein freies, ungebundenes Leben zu gestatten, und dringet sodann auf das Bestreben nach einer bessern oder überschwänglichern, vollständigern, reichern, redlichern und aufrichtigem Gerechtigkeit des Glaubens und Lebens, von welcher die damaligen Vorsteher des jüdischen Volks gar sehr abgewichen waren - und den Sinn des Gesetzes Gottes gewaltig verfälschet hatten.
Vornehmlich lehret Christus aus dem fünften, sechsten und zweiten Gebot, daß zu deren Erfüllung vor Gott nicht genug sey, wenn man sich des groben Todtschlags, Ehebruchs und Meineids äußerlich enthalte - und denen, welche uns nicht beleidigen, auch nichts zu Leide thun, sondern es sey schon ein heftiger Zorn und Ingrimm, ein schnelles, unfreundliches Wort, eine feindselige, höhnische Geberdung eine schwere Sünde wider das fünfte Gebot, nach welchem man auch die Feinde lieben, ihnen für ihren Fluch den Segen geben, für ihren Haß Gutes erzeigen, ihre Beleidigung mit Beten für sie zu Gott erwidern - und ohne Aufschub mit ihnen sich versöhnen müsse. Ebenso verdiene man nach dem wahren Inhalt des sechsten Gebots schon darum in die Hölle geworfen zu werden, wenn man eine Person mit unkeuscher Begierde des Herzens betrachte; und nach dem zweiten Gebot müsse man sich auch des leichtsinnigen und fast für keine Sünde gehaltenen Schwörens enthalten.
Was nun der liebste Jesus in dem allen erinnert, sollen wir uns zu dieser unserer Zeit, da sich die Menschen so viele Freiheit nehmen - und aus den zornigen, unzüchtigen Gedanken, Worten und Geberden entweder gar keine oder keine große Sünde machen, gesagt seyn lassen - und mit Wehmuth erkennen, wie so gar sehr weit unser heutiges sogenanntes Christenthum von derjenigen Vorschrift und Abbildung entfernet sey, welche wir in diesem ersten Theil der Bergpredigt Christi antreffen.
Gott gebe uns Gnade, daß wir den ernstlichen Vorstellungen des Heilandes, weil wir noch auf dem Wege sind, Raum geben - und von Ihm ein anderes und besseres Christenthum, als leider insgemein geführet wird, erlernen, auch in der That beweisen mögen. Amen. (Veit Dieterich)

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