Quandt, Carl Wilhelm Emil - Maleachi - Einleitung.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Maleachi - Einleitung.

Die alten Propheten Israels sind die geistlichen Aerzte ihres Volkes gewesen. So oft das alte Israel krank war, schickte ihm Gott nach seiner Barmherzigkeit Männer, die dem Volke sagten, daß es krank war, und die nach dem heiligen Geist, der sie erleuchtete, dem Volke die Mittel der Genesung nannten. Was diese Männer geschrieben haben, das haben sie vorgeschrieben, um ihr krankes Volk zu heilen.

Die prophetischen Vorschriften konnten, weil sie auf göttlicher Eingebung beruhten, nie veralten. Wo Seelenkrankheiten austreten, ähnlich wie die in Israel, da thun die alten Propheten heute noch vortrefflichen Dienst als Seelenärzte. Wohl ist der große Arzt über alle Aerzte, Christus Jesus, unser Herr, zwischeneingekommen, aber er hat die alten Propheten nicht nur nicht bei Seite geschoben, sondern sie ausdrücklich anerkannt; „ihr sollt nicht wähnen“, sagt er in der Bergpredigt Matth. 5,17, „daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ Dieselbe Anerkennung sprechen die Apostel des Herrn aus, wenn sie sagen 2. Petri 1, 19: „Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr thut wohl, daß ihr darauf achtet“; Römer 15, 4: „Was zuvor geschrieben ist, ist uns zur Lehre geschrieben.“ So ist das Ansehn der alten Propheten durch das neue Testament nicht nur nicht vermindert, sondern noch vergrößert.

Daß in der gegenwärtigen Christenheit nicht Alles gesund ist, liegt so vor Augen, daß es nicht erst bewiesen zu werden braucht. Daß aber die geistlichen Krankheiten der Christenheit denjenigen, die in dem alten Israel herrschten, ähnlich sind wie ein Ei dem andern, davon überzeugt man sich immer gründlicher, je mehr man in Beiden lebt, in der Bibel und in der Zeit. Je weniger nun gegen das Elend der Zeit die neuen Mittel anschlagen, die eine falschberühmte Kunst, die die Bibel verachtet, marktschreierisch anpreist, desto verständiger ist es, nach den alten prophetischen Vorschriften zurückzugreifen, die aus Gottes Güte durch so viel tausend Jahre unversehrt bis auf unsere Tage gekommen sind.

Von den alttestamentlichen Propheten, die uns Schriften hinterlassen haben, ist Maleachi der allerletzte, wie denn auch in unsrer deutschen Bibel sein Buch als das letzte das ganze alte Testament beschließt. Die Krankheit, die er unter seinem Geschlechte vorfand und ihm aufdeckt, ist eine Krankheit, die in unsern Tagen geradezu grassirt: Undank gegen Gott, Erschlaffung des religiösen Lebens und Bezweiflung der göttlichen Liebe. Die Mittel, die er zur Heilung vorschreibt, sind ernstliche Buße, und ernstes Aufschaun auf den Erlöser, der nur Bußfertige erlöst, während er die Unbußfertigen richten und verdammen muß. Wer das Vorhandensein der Krankheit, die Maleachi seinem Geschlechte aufdeckt, in unserm Geschlecht sich nicht verhehlt, der wird sich auch gern die alten seelenärztlichen Vorschriften Maleachi's sagen und deuten lassen.

Die christliche Kirche hat diese Vorschriften Maleachi's allzeit hoch gehalten. Schon der Herr der Kirche, Jesus Christus, unser Heiland hat in den Tagen seines Fleisches Worte Maleachi's auf seine heiligen Lippen genommen und sie als untrügliche Gottesworte citirt; Matth. 11, 10 citirt der Herr Maleachi 3, 1; Matth. 11,14 und Matth. 17, 11. 12 bringt er Maleachi 4,5 in Erinnerung. Der Evangelist Marcus (1, 2.) beginnt sein Evangelium mit dem Hinweis auf Maleachi 3, 1; der Apostel Paulus in seiner Epistel an die Römer 9, 13 weist auf Maleachi 1, 2. 3 zurück. Für das alte kirchliche Fest Mariä Reinigung oder Lichtmesse, das alljährlich zum Abschluß der Weihnachtszeit am 2. Februar nicht nur allgemein von den Katholiken, sondern auch in vielen lutherischen Gegenden z. B. Hannover und Würtemberg bis auf diesen Tag von Evangelischen gefeiert wird, ist nun schon viele Jahrhunderte hindurch ein Abschnitt aus dem Buche Maleachi's, nämlich 3, 1 bis 4, die regelmäßige prophetische Lection. Was unser theurer evangelischer Kirchenvater, Dr. Luther von Maleachi hielt, lehrt seine Aeußerung: „Er ist ein feiner Prophet, der schöne Sprüche hat von Christo und dem Evangelio, welches er nennet ein rein Opfer in aller Welt.“ Ein Buch, das dem Herrn der Kirche und der Kirche aller Zeiten so theuer gewesen, muß ja auch uns in unsern Tagen anheimeln und zu frommer Betrachtung reizen.

Wir betrachten es in der Reihenfolge der Sprüche, wie sie der Prophet einen nach dem andern gesetzt hat. Nur in der Eintheilung der Abschnitte sehen wir uns genöthigt, von der gewöhnlichen Kapiteleintheilung, wie wir sie in unsrer deutschen Bibel haben, Abstand zu nehmen. Diese Eintheilung, so alt sie auch ist, rührt nicht von dem Propheten selber her, sondern von Gelehrten späterer Zeit; sie kann auf Unfehlbarkeit durchaus keinen Anspruch machen. Statt in vier Kapitel zerlegt sich das Buch Maleachi für die sinnende Betrachtung vielmehr in sechs Hauptabschnitte:

  1. Kap. 1, 1-5. Gottes Liebe zu Israel, gerechtfertigt gegen ein unzufriedenes Geschlecht.
  2. Kap. 1,6 - 2, 9. Göttliche Rüge der Sünden der Priester in Wort und That.
  3. Kap. 2, 10-16. Göttliche Rüge der Zerrüttungen des heiligen Ehestandes in Israel.
  4. Kap. 2, 17 - 3, 6. Die Verheißung des Messias als göttliche Antwort auf die Frage: Wo ist der Gott, der da strafe?
  5. Kap. 3, 7 -12. Göttliche Mahnung zur Bekehrung unter der Verheißung des göttlichen Segens.
  6. Kap. 3, 13 - 4, 6. Der Tag des Herrn ein Tag des Heils für die Frommen, ein Tag des Unheils für die Gottlosen.

Das Auslegen der heiligen Schriften kommt dem heiligen Geiste zu, von dem getrieben die Männer Gottes geschrieben haben. Der heilige Geist wolle uns auch das Buch Maleachi lesen lehren, auf das wir durch Geduld und Trost dieser Schrift Hoffnung haben. Amen.

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