Daniel, Kapitel 12
12:1 Zur selben Zeit wird der große Fürst Michael, der für die Kinder deines Volkes steht, sich aufmachen. Denn es wird eine solche trübselige Zeit sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem Leute gewesen sind bis auf diese Zeit. Zur selben Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.
12:2 Und viele, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen: etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Schmach und Schande.
12:3 Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.
Hier ist etwas, das mich aufweckt. Dies ist wert, dafür zu leben. Weise sein ist an sich eine edle Sache; hier bezieht es sich auf eine himmlische Weisheit, die der Herr allen verleihen kann. O, daß ich mich selber, meinen Gott, meinen Heiland kennte! Möchte ich so von Gott gelehret werden, daß ich die himmlische Wahrheit in Ausübung brächte und im Lichte derselben lebte! Ist mein Leben ein weises? Suche ich das, was ich suchen sollte? Lebe ich, wie ich wünschen werde, gelebt zu haben, wenn ich sterbe? Nur solche Weisheit kann mir ewigen Glanz wie jenen des sonnenerleuchteten Himmels sichern.
Ein Seelen-Gewinner sein, ist etwas Glorreiches. Ich habe es nötig, weise zu sein, wenn ich nur einen zur Gerechtigkeit weisen soll, weit mehr noch, wenn ich viele dahin weisen soll. O, daß ich die Erkenntnis Gottes, der Menschen, des Wortes und die Erkenntnis Christi hätte, die mich instandsetzt, meine Mitmenschen zu bekehren und eine große Anzahl derselben zu bekehren. Ich möchte mich dieser Arbeit widmen und niemals ruhen, bis sie mir gelänge. Dies würde besser sein, als am Hofe Sterne zu gewinnen. Dies wird mich zu einem Stern, einem leuchtenden Stern, einem Stern machen, der immer und ewiglich leuchtet; ja, noch mehr, es wird mich leuchten machen, wie viele Sterne. Meine Seele, erhebe dich! Herr, belebe mich neu! (Charles Haddon Spurgeon)
12:4 Und du, Daniel, verbirg diese Worte und versiegle diese Schrift bis auf die Letzte Zeit; so werden viele darüberkommen und großen Verstand finden.
12:5 Und ich, Daniel, sah, und siehe, es standen zwei andere da, einer an diesem Ufer des Wassers, der andere an jenem Ufer.
12:6 Und er sprach zu dem in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Flusses stand: Wann will's denn ein Ende sein mit solchen Wundern?
12:7 Und ich hörte zu dem in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Flusses stand; und er hob seine rechte und linke Hand auf gen Himmel und schwur bei dem, der ewiglich lebt, daß es eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit währen soll; und wenn die Zerstreuung des heiligen Volkes ein Ende hat, soll solches alles geschehen.
Die Zerstreuung des Volks Israel ist ein Bild aller zerstreuten Seelen, die, aus dem gelobten Lande des Friedens verstoßen, ohne Tempel und Heiligthum, ohne den Hohenpriester und Opfer, ohne ihren König, außer sich selbst umher irren, suchen Ruhe und finden sie nicht. Kehren sie aber zurück von ihrer Zerstreuung in ihr Herz und suchen sie den Heiland im Heiligthume, so wird alles erfüllt und geschehen, was ihnen verheißen ist; der Herr wird in ihnen wohnen und wandeln. Ihr Zeitenforscher, übersehet dieses Zeichen nicht, und verrechnet euch nicht mit vielen Zahlen. Nur Eins ist noth. Bringet alle Zahlen in Eins, und bleibt bei dem Einen gesammelt, so ist das Reich Gottes in euch schon angebrochen, und was noch kommen soll, wird euch dann auch nicht entgehen. Wer aber im Gegenwärtigen nicht treu ist, wer wird dem das Zukünftige geben? Wer das, was er hat, oder schon haben könnte, nicht brauchet, nicht so ganz darin ist, wer wird ihm geben, was kommen soll? Genommen wird ihm, was er hat. Zerstreuung, Gerede ohne Herz, wenn es auch von heiligen Dingen geschieht, vertreibt den Geist der Gnade, der sich allemal zurückzieht, wenn wir nicht heilig mit dem Heiligen umgehen, wenn wir nur von dem schwatzen, was wir thun sollen, wenn uns der Herr nur im Sprechen von ihm, nicht in seinem Werke antrifft. (Johannes Goßner)
12:8 Und ich hörte es; aber ich verstand's nicht und sprach: Mein Herr, was wird darnach werden?
12:9 Er aber sprach: Gehe hin, Daniel; denn es ist verborgen und versiegelt bis auf die letzte Zeit.
12:10 Viele werden gereinigt, geläutert und bewährt werden; und die Gottlosen werden gottlos Wesen führen, und die Gottlosen alle werden's nicht achten; aber die Verständigen werden's achten.
12:11 Und von der Zeit an, wenn das tägliche Opfer abgetan und ein Greuel; der Verwüstung aufgerichtet wird, sind tausend zweihundertundneunzig Tage.
12:12 Wohl dem, der da wartet und erreicht tausend dreihundert und fünfunddreißig Tage!
12:13 Du aber, Daniel, gehe hin, bis das Ende komme; und ruhe, daß du aufstehst zu deinem Erbteil am Ende der Tage!
Wir können nicht alle Weissagungen verstehen, aber wir betrachten sie dennoch mit Vergnügen und nicht mit Bangigkeit. Es kann nichts in des Vaters Ratschluß sein, wovor sein Kind gerechterweise erschrecken könnte. Ob auch „der Greuel der Verwüstung dargesetzt“ wird, soll doch der wahre Gläubige nicht besudelt werden; vielmehr soll er gereinigt, weiß gemacht und erprobt werden. Ob die Erde auch verbrennt, soll doch kein Geruch des Brandes an die Erwählten kommen. Unter dem Zusammensturz der Materie und dem Schiffbruch der Welten wird der Herr Jahwe die Seinen bewahren.
Ruhig entschlossen in der Pflicht, tapfer im Kampf, geduldig im Leiden lasst uns unsren Weg gehen, auf unsrer Straße bleiben und weder von ihr abweichen, noch träge auf ihr herumschlendern. Das Ende wird kommen; lasst uns unsren Weg gehen, bis es da ist.
Ruhe wird unser sein. Alle andren Dinge schwingen hin und her, aber unser Grund steht fest. Gott ruhet in seiner Liebe, und deshalb ruhen wir darin. Unser Friede ist wie ein Strom und soll stets so sein. Ein Teil in dem himmlischen Kanaan ist unser und wir sollen darin stehen, komme, was da wolle. Der Gott Daniels wird ein würdiges Teil allen geben, die es wagen, entschieden für Wahrheit und Heiligkeit zu sein, wie Daniel es war. Keine Löwengrube soll uns unsres sicheren Erbes berauben. (Charles Haddon Spurgeon)