Psalm 11
11:1 Ein Psalm Davids, vorzusingen. Ich traue auf den HERRN. Wie sagt ihr denn zu meiner Seele: Fliehet wie ein Vogel auf eure Berge?
11:2 Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schießen die Frommen.
11:3 Denn sie reißen den Grund um; was sollte der Gerechte ausrichten?
11:4 Der HERR ist in seinem heiligen Tempel, des HERRN Stuhl ist im Himmel; seine Augen sehen darauf, seine Augenlider prüfen die Menschenkinder.
11:5 Der HERR prüft den Gerechten; seine Seele haßt den Gottlosen und die gerne freveln.
Alle Ereignisse stehen unter der Obhut der Vorsehung Gottes: und darum müssen wir auch alle Leiden und Prüfungen unsrer äußeren Lebensführung auf diese eine Grundursache zurückführen. Aus der goldenen Pforte des göttlichen Ratschlusses ziehen die Heere der Heimsuchungen in Schlachtordnung aus, gekleidet in eiserne Panzer und gerüstet mit Kriegswaffen. Alle Gottesführungen sind Türen für Trübsale. Selbst unsre Gnadengaben haben gleich den Rosen ihre Dornen. Die Menschen können in Meeren des Wohlergehens ebensogut umkommen, wie in Strömen der Anfechtung. Unsre Berge sind nicht zu hoch, und unsre Täler nicht zu tief für die Versuchung; Leiden lauern an allen Straßen auf uns. Überall, vor uns und hinter uns, sind wir von Gefahren umgeben und bedroht. Dennoch fällt kein Regen ohne Gottes Zulassung aus den drohendsten Wolken; jeder Tropfen hat seine vorgeschriebene Bahn, wie und wann er zur Erde fällt. Die Prüfungen, die uns von Gott kommen, sind gesandt, unsre Gaben zu erproben und zu kräftigen, und so zugleich die Macht der göttlichen Gnade ans Licht zu stellen, die Echtheit unsrer Tugenden zu bezeugen und ihre Lebenskraft zu vermehren. Der Herr setzt in seiner unendlichen Weisheit und überschwenglichen Liebe einen so hohen Wert auf den Glauben der Seinen, daß Er sie solcher Prüfungen nicht überheben will, die zur Stärkung ihres Glaubens dienen. Ihr hättet nie den köstlichen Glauben erlangt, der euch jetzt trägt und tröstet, wenn euer Glaube nicht die Feuerprobe bestanden hätte. Ihr seid Bäume, die nie so kräftige Wurzeln geschlagen hätten, wenn der Sturm euch nicht hin und her gestoßen und euch genötigt hätte, euch fest an die herrlichen Verheißungen des Gnadenbundes anzuklammern. Irdisches Wohlergehen ist ein großer Feind des Glaubens; es lockert die Bande heiliger Zucht und erschlafft die Sehnen heiligen Mutes. Der Luftballon steigt nicht, bis der fesselnde Strick durchschnitten wird; die Prüfungen des Leidens leisten gläubigen Seelen diesen Dienst. Solange der Weizen in der Ähre ruht, nützt er dem Menschen nichts, er muß ausgedroschen werden aus seiner Ruhestätte, ehe man erfährt, was er wert ist. Darum ist's gut, daß Jahwe die Gerechten prüft, denn dadurch werden sie reich in Gott. (Charles Haddon Spurgeon)
11:6 Er wird regnen lassen über die Gottlosen Blitze, Feuer und Schwefel und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben.
11:7 Der HERR ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb; die Frommen werden schauen sein Angesicht.
Herr Jesu, tausend Dank sei Dir gesagt für alle vor Herodes übernommenen Leiden, in denen Du den 11. Psalm auch an Dir bewährt hast! Laß mich aus Deinem heiligen Verhalten Weisheit, Sanftmuth, Geduld und Stille lernen. Dein Verspotten, Dein Verhöhnen müsse meine Schuld versöhnen! Dein Herumführen von einer Obrigkeit zur andern befreie mich von der Obrigkeit der Finsterniß. Dein Stehen im Gericht helfe mir, daß ich im jüngsten Gericht bestehe und nicht zu Schanden werde. Deine Sanftmuth sei die Versöhnung meines rachgierigen Herzens. Dein weißes Kleid, mein unschuldiger Heiland, war wohl ein Bild Deiner Heiligkeit und Unschuld: diese sei mir eine vollkommene Decke meiner Schuld. Möchte ich so oft an Dein weißes Spottkleid gedenken, als ich ein weißes Hemd anziehe, und mir meine tägliche Kleidung dadurch geweihet sein! Dein weißes Kleid heilige mir auch mein weißes Sterbekleid; Dein Blut, Unschuld und Gerechtigkeit sei auch alsdann mein Schmuck und Ehrenkleid, daß ich sagen könne: In des Keltertreters Wunden hab’ ich meinen Schmuck gefunden. – Herr Jesu, alle Schmach, die Du vor Herodes erduldet, widerfährt Dir noch täglich, ob Du schon auf dem Thron der Herrlichkeit sitzest. Erfülle mein Herz mit einer heiligen Ehrfurcht vor Deiner Majestät, daß ich Dich ja nicht verunehre. Dein heiliger Geist verkläre Dich in meiner Seele in Deiner unaussprechlichen Würdigkeit, daß ich Dich über Alles hoch und theuer achte, und Dir zu dienen und im Staube zu Deinen Füßen anzubeten für meine größte Ehre halte, Dich auch in Deinen von der Welt verachteten Gliedern nicht kränke, sondern Dein Bild an ihnen ehre und sie stets höher achte als mich selbst. Wie Du bist zum Hohngelächter augestellt worden, so laß mich die Welt mit allen ihren Thorheiten verlachen. Lache Du mich an, mein Freund, und zeige mir Dein holdseliges Angesicht in meinem Leben, im Leiden und besonders im Sterben. O da sei mir nur nicht schrecklich, meine Zuflucht in der Noth, sondern stärke mich so kräftig durch die Erkenntniß Deiner Freundlichkeit, daß ich auch im Tode Dir entgegenlache und den Tod selbst verlachen kann: Alles um der Verdienste Deiner Leiden willen. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)