Zwingli, Huldrych - Aus der Auslegung des 18. Artikels der Schlußreden

Zwingli, Huldrych - Aus der Auslegung des 18. Artikels der Schlußreden

1523

Es haben die Großen und Gewaltigen dieser Welt angefangen, die Lehre Christi unter dem Namen des Luther zu ächten und verhaßt zu machen, also daß sie alle Lehre Christi, von wem sie auf Erden gepredigt wird, lutherisch nennen. Und ob einer schon des Luther Handel nicht gelesen hätte und sich allein an das Wort Gottes hielte, dennoch thöricht sie ihn lutherisch schelten; dergestalt mir geschieht. Nun habe ich doch angefangen zu predigen, ehe ich den Luther je habe hören nennen, und habe zu solchem Brauch vor 10 Jahren angefangen Griechisch zu lernen, damit ich die Lehre Christi aus ihrem eigenen Ursprung erlernen möchte. Wie wohl ich das ergriffen habe, laß ich andere urtheilen, jedoch hat mich Luther nicht angewiesen, dessen Namen mir noch in zwei Jahren ist unbekannt gewesen, nachdem ich mich allein der biblischen Schrift gehalten habe. Aber die Päpstler beladen mich und andere mit solchen Namen aus Alfanzerei und sprechen: Du mußt wohl lutherisch sein, du predigst doch gleich wie der Luther schreibt. Antworte ich ihnen: Ich predige doch gleich als wohl wie Paulus schreibt: warum nennst du mich nicht einen Paulinischen? Ja, ich predige das Wort Christi, warum nennst du mich nicht einen Christen? Darum ist es nichts denn Alfanzerei. Luther ist, als mich bedünkt, so ein trefflicher Streiter Gottes, der da mit so großem Ernst die Schrift durchgeforscht, als keiner in tausend Jahren auf Erden je gewesen ist, (ich achte hier nicht, daß mich die Päpstler mit ihm einen Ketzer schelten werden), und mit dem männlichen, unbeweglichen Gemüth, damit er den Papst in Rom angegriffen hat, ist ihm keiner nie gleich geworden, so lange das Papstthum gewähret hat, doch alle andern ungeschälten. Wessen ist aber solche That? Gottes oder Luthers? Frage den Luther selbst, ich weiß wohl, er spricht: Gottes. Warum schreibst du denn anderer Menschen Lehre dem Luther zu, so erste selbst Gott zuschreibt? und nichts Neues hervorbringt; sondern das, so in dem ewigen unwandelbaren Wort Gottes behalten wird, das bringt er reichlich hervor und zeigt den himmlischen Schatz den armen abgeführten Christen, und achtet nicht, was die Gottesfeinde dawider unternehmen; er gibt auch nichts um ihr Sauersehen und Drohen. Noch will ich des Luthers Namen nicht tragen, denn ich seiner Lehre gar wenig gelesen habe. Was ich aber seiner Schriften gelesen habe, daß ist gemeiniglich so wohl besehen und gegründet im Wort Gottes, daß nicht möglich ist, daß es eine Kreatur umkehre. Ich weiß auch, daß er viel nachgibt in etlichen Dingen den Blöden, die er viel anders handeln möchte, worin ich nicht seiner Meinung bin; nicht daß er zu viel, sondern daß er zu wenig geredet hat. Aber denen, die solche Meinung der Schrift, wie heut durch ihn und andere wird hervorgebracht, muthwillig nicht verstehen wollen, denen läßt er nicht nach; denn sie sind verzweifelt, ungläubig und in eigener Conscienz verurtheilet, Tit. 3, 11. Und die sich mit der Schrift nicht wollen richten lassen, unterstehen sich mit Falschheit die Lehre Christi unkräftig zu machen und haben den weidlichen vortretenden Knecht Christi, Martin Luther, zum ersten verdammt, und darnach legen sie seinen Namen den Unverdienten aus, damit sie aus der Lehre Christi eine Sekte oder Ketzerei machen. Aber, o frommer Christ, laß dir keines Menschen Namen auflegen und leg ihn auch Niemandem auf. Sprich nicht zu deinem Nächsten: Bist du lutherisch? sondern frage ihn, was er von der Lehre Christi halte, wie ihm das Wort Gottes gefalle, ob er ein Christ sei. Und ob sich die Päpstler auch für Christen wollen ausgeben, sprich: einer soll dessen Namen tragen, für den er streitet, deß Diener er ist. Seid ihr Diener Christi und beschirmet allein seine Ehre, sein Wort, so seid ihr Christen. Streitet ihr hier für den Papst und beschirmet seine Ehre, sein Wort, so seid ihr Päpstler. Darum lasset, fromme Christen, den ehrlichen Namen Christi nicht verwandelt werden in den Namen des Luther! denn Luther ist nicht für uns gestorben, sondern er lehrt uns erkennen den, von dem wir allein alles Heil haben. Lasset auch die Päbstler unter diesem herrlichen heilsamen Namen nicht begriffen werden, bis daß sie Christum, nicht den Papst verehren. Dann müssen sie uns liebe Brüder und Kinder Gottes sein. Also will ich nicht, daß mich die Päpstler lutherisch nennen; denn ich die Lehre Christi nicht von Luther gelernt habe sondern aus dem Worte Gottes. Predigt Luther Christum, so thut er eben als ich thue; wiewohl, Gott sei Lob, durch ihn in unzählbarliche Welt mehr, denn durch mich und andere (denen Gott ihr Maß macht größer oder minder, wie er will), zu Gott geführt werden. Dennoch will ich keinen Namen tragen, denn meines Hauptmanns Christi; der wird mir Amt und Sold geben, so viel ihm dünken wird gut sein. Jetzt hoffe ich, daß männiglich verstehen wird, warum ich nicht will lutherisch gescholten sein, so ich doch den Luther hoch halte. Demnach bezeuge ich vor Gott und allen Menschen, daß ich keinen Buchstaben alle meine Tage zu ihm geschrieben habe, noch er zu mir. Und habe ich solches nicht unterlassen, daß ich Jemand gefürchtet habe, sondern daß ich damit habe wollen allen Menschen eröffnen, wie einhellig der Geist Gottes sei, daß wir so weit von einander, doch einhellig die Lehre Christi lehren ohne allen Anschlag, wiewohl ich ihm nicht zuzuzählen bin; denn jeder thut so viel, als ihn Gottes Geist weiset.

Aus der Auslegung des achtzehnten Artikels. 14. Juli 1523.

Quelle: Meltzer, Hermann - Kirchengeschichtliches Quellenlesebuch

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