Unbekannt - Die Geistesbewegung von Los Angeles, Christiania, Kassel etc. in Indien

Unbekannt - Die Geistesbewegung von Los Angeles, Christiania, Kassel etc. in Indien

Br. E. in B. sendet uns den nachstehenden Bericht über eine Geistesbewegung in Indien, die den im Titel ausgesprochenen bekannten Bewegungen verwandt ist. Dieser Bericht ist entnommen den „Missionsnachrichten aus Indien“; wir bringen ihn hier unverkürzt zum Abdruck.

Die Kunde von der merkwürdigen Geistesbewegung in Los Angeles, einer Stadt in Amerika, macht offenbar die Runde unter den gläubigen Kreisen aller Lande und erfüllt viele Herzen mit gespannten Erwartungen auf neue Offenbarungen der Herrlichkeit Gottes. Auch wir hier in Süd-Indien hörten gar bald von der „wunderbaren Geistesausgießung“, die dort stattgefunden. Am meisten Aufsehen verursachte die Nachricht, daß eine Anzahl von Gläubigen die Gabe empfangen hätte, in fremden Sprachen zu reden, also auch das Evangelium zu predigen. „Das wäre ja herrlich“, mußte ich denken. Denn wem sollte es nicht gefallen, anstatt sich viele Monate, ja oft zwei bis drei Jahre, in der Aneignung einer fremden Sprache abmühen zu müssen, bis oft der Kopf wehe tut, wem sollte es nicht gefallen, diesem mühseligen Wege auszuweichen, und einfach die nötige Sprache von oben zu empfangen als ein Geschenk so frei wie die Sündenvergebung? Fürwahr, eine herrliche Aussicht für zukünftige Missionare! Aber, ja wenn nur das leidige Aber nicht wäre, „wird's auch wirklich so sein? Wird sich die Kunde bewahrheiten?“ Das war die Frage.

Mehrere Wochen vergehen. Da dringt aufs neue eine merkwürdige Nachricht an unser Ohr. „Etliche Boten von Los Angeles sind in Kalkutta, in Nord-Indien, angekommen,“ heißt es, „und zwei von ihnen haben die Gabe, in der bengalischen Sprache zu reden“ (die Bengalen sind ein großer Volksstamm in Nord-Indien). - Das war gute Botschaft; das klang zuversichtlich und bestätigend. Jetzt war also diese Bewegung viel näher an uns herangekommen. Freilich, um selber zu sehen und hören zu können, dazu war sie noch viel zu fern; würden wir doch beinahe eine Woche nötig haben, um Kalkutta mit der Bahn zu erreichen.

Wieder sind etliche Wochen vergangen. Da erhalte ich ein Telegramm von der Stadt Kumur auf den Blauen Bergen. „Komme sofort für etliche Tage. Deine Gegenwart ist dringend nötig.“ Der Ruf kam von unserm teuren englischen Bruder Maynard. Zu welchem Zwecke? Ich wußte es nicht, mir ahnte es aber. Am Abend reiste ich ab, und dank der neuen Bahnverbindung war ich schon am nächsten Mittag am Ziele. Es war mir kein geringer Genuß, den teuren Bruder wieder einmal begrüßen zu dürfen, sowie auch für etliche Tage die herrliche, kühle Luft dieser Berge einatmen zu können. - „Aber was ist's denn eigentlich? Wozu bin ich denn gerufen worden?“ Meine Ahnung bestätigte sich: Los Angeles war von Kalkutta aus in Kumur angekommen, also ganz in unsere Nähe.

Die Blauen Berge gehören zu dem Gebirgszug, der unser Malabar von dem Lande der Tunulen im Osten trennt. Und Kumur ist einer der kühlen Erholungsorte, wohin sich alljährlich während der heißesten Wochen eine ganze Anzahl von Missionaren zurückziehen zu neuer Stärkung für Leib und Seele. Durch diesen Umstand gewinnt der Ort an besonderer Wichtigkeit für alle geistlichen Bewegungen in Süd-Indien, ja über Indien hinaus bis nach Birma. Es ist gleichsam ein Sammelplatz für die leitenden Offiziere im Heere des Herrn, und wer hier Einfluß gewinnt, beeinflußt damit die Weiterentwicklung des Reiches Gottes unter ganzen Volksstämmen. Dies hatten offenbar auch die Boten von Los Angeles richtig erkannt. Eine ältere Schwester, die zwei Erholungsheime in Kumur geöffnet hat, hatte sie eingeladen, und dieser Einladung waren sie gerne gefolgt. Es waren ihrer drei: Ein Prediger namens Garr, seine Frau, im Werke des Herrn an Tüchtigkeit und Tätigkeit offenbar ihren Mann überragend, und ein in Indien wohlbekannter englischer Geschäftsmann, der sich dieser Bewegung von ganzem Herzen angeschlossen hat. Sie hatten bereits ihre täglichen Zusammenkünfte begonnen und die Erregung der Gemüter hatte ihren Anfang genommen. Unser lieber Bruder M. war freilich von dieser Erregung und Bewegung nichts weniger als erbaut. Er sah darin einen gefährlichen Irrgeist am Werk und hatte mich gerufen, ihm zu helfen, demselben im Namen des Herrn Widerstand zu leisten.

Das war eine sehr ernste Sache. Auf der einen Seite mußte ich mich vor der Gefahr fürchten, einem wahren Werke des Geistes Gottes Widerstand zu leisten. Auf der andern Seite aber galt's zu prüfen, „ob diese Geister wirklich aus Gott seien.“ Zu diesem Zwecke war es unbedingt nötig, mir eine vorurteilslose und wahre Auffassung von der Lehre und dem Geist dieser Leute zu erwerben, um dann beide in ernstem Flehen und Ringen vor Gott abzuwägen in der Waage der Wahrheit. Ich besuchte nun etliche ihrer Versammlungen und hatte außerdem eine zweistündige Unterhaltung mit Prediger Garr. Der Herr gab Gnade, diese Bewegung im rechten Lichte zu erkennen. Das Ergebnis war folgendes:

  • Bis jetzt hat keiner von diesen Boten aus Los Angeles die Gabe erhalten, in einer indischen Sprache zu reden. Oben genanntes Gerücht war also falsch.
  • Dagegen tritt bei ihnen jenes Zungenreden auf, das sich in unverständlichen Lauten äußert. Der Apostel Paulus sagt hiervon, daß dies in den Versammlungen der Gläubigen nur erlaubt werden soll, wenn jemand die Gabe hat, es auszulegen (1. Kor. 14); hierum kümmern sich aber diese Leute nicht, sondern lassen den keinem Menschen verständlichen Ergießungen völlig freien Lauf. Ausleger waren in Kumur keine.
  • Prediger Garr lehrt mit aller Entschiedenheit, daß diese Art von Zungenreden der einzige und unerläßliche Beweis dafür sei, daß ein Gläubiger die Geistestaufe erhalten.
  • Wenn ein Gläubiger sich diesem neuen Lichte widersetzt, so verliert er seine Rechtfertigung und geht mit den törichten Jungfrauen verloren.
  • Die Aufgabe, zu der sich Prediger Garr von Gott berufen glaubt, ist nichts Geringeres als die Einführung der Missionare in diese „Geistestaufe“! Da er aber bis jetzt bei den letzteren kein Gehör gefunden, begnügt er sich damit, allerlei englische und schwedische Schwestern sowie eingeborene Gläubige nach sich zu ziehen, ganz unbekümmert darum, daß er solche Seelen damit losreißt von Gläubigen, mit denen sie viele Jahre in reich gesegneter Verbindung gestanden.
  • Auf meine Frage, ob denn der Herr Jesus selber, der doch gewiß mit dem Geiste getauft war, in Zungen geredet habe, antwortete Prediger Garr: „Ja, auf dem Kreuze!“

Es sollte Gläubigen nicht schwer sein, zu erkennen, daß eine solche Lehre sich gröblich versündigt an Gottes Wort. Und eine Bewegung, die sich auf eine solche Lehre stützt, kann deshalb unmöglich von mächtigen Wirkungen des Heiligen Geistes der „Wahrheit“ begleitet sein.

Aber wie steht es denn mit den außerordentlichen Erscheinungen in den Versammlungen dieser Leute von Los Angeles? Können wir ohne Weiteres urteilen, sie seine Wirkungen Satans? Ich möchte sagen nein; zwischen den Wirkungen des Geistes Gottes und des Teufels liegt noch eine Mittelstufe, die nicht übersehen werden darf. Ich meine die Mittelstufe menschlichen Machens, menschlicher Kunststücke, wobei es in der Tat zur Entfaltung von allerlei merkwürdigen Kräften kommt; es sind nicht etwa Kräfte des Heiligen Geistes, sondern Kräfte, Fähigkeiten, die in der menschlichen Seele schlummern. Die Wachrufung dieser geheimnisvollen Kräfte ist unserm Zeitalter besonders eigen, und zwar ganz vornehmlich in Amerika.

Leider, leider haben viele Gläubige unserer Zeit keinen, daß ich so sage, geistlichen Geruchssinn, um zu unterscheiden zwischen dem, das geistlich, und dem, das seelisch ist. Das trat mir so recht klar auch in diesen Versammlungen in Kumur entgegen. Was wirklich geistlich und erquicklich war, das war nichts Neues, sondern stammte alles aus alten Tagen; was aber neu war an Kraftbeweisen war rein seelisch. Im Gebet Gott geradezu anbrüllen und anherrschen und schreien, daß man es weithin hören kann; andern solange die Hände auflegen und sie bearbeiten, bis sie nicht nur in unverständliche Laute ausbrechen, sondern auch Kopfweh bekommen; den armen Leib solange plagen und abarbeiten, bis endlich der heißersehnte Taumel sich einstellt und alle Glieder zu zittern anfangen: Soll das die weltbeglückende Geistestaufe sein?

Nimmermehr; Gott sei Dank, wir kennen etwas Besseres. O Volk Gottes, verachte nicht die Wasser von Siloah, die da stille fließen; laß dir nicht die Sinne berücken von einem Gebaren und Schreien, das einen unwillkürlich an die Baalspriester erinnert.

Und was kommt denn an Frucht heraus von einer solchen Bewegung in Indien? Für die ungläubigen Heiden und Mohammedaner rein gar nichts. Bei den Gläubigen aber kommt es zu Zwiespalt, Aufgeblasenheit, abfälligen Urteilen, zerrütteten Nerven, Unlust und Unfähigkeit zu zäher, harter Arbeit, und das Traurigste von allem: Zu einem Abirren vom Wandel im Glauben, der sich einfach stützt auf das Wort des treuen Herrn, hin zu der Taumelflasche seelischer Gefühle.

Ich hielt es für meine Pflicht, dem Prediger G. offen ins Angesicht zu schauen und ihm im Namen des Herrn zu warnen. Bis jetzt ist er keiner Belehrung zugänglich gewesen. Wehe, wehe, wenn Syrern in Trawankar sich entzündet! Es würde dieses „fremde Feuer“ unter den schwachen, eingeborenen Christen in Indien z.B. enden in öden Trümmerhaufen seelischer Ruinen. Bis jetzt hat der Herr dies in Gnaden verhütet. Lasset uns bitten, daß er diese Gefahr bald gänzlich von Indien abwenden wolle, um seines heiligen Namens willen.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1907

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