Zeller, Samuel - Acht Betrachtungen über Bibel-Abschnitte - 6. Das Joch.

Zeller, Samuel - Acht Betrachtungen über Bibel-Abschnitte - 6. Das Joch.

(Jes. 10, 27.)
Zu der Zeit wird seine Last von deiner Schulter weichen müssen und sein Joch von deinem Hals; denn das Joch wird verfaulen vor der Fette.

Es gibt keinen Zustand des menschlichen Herzens ohne Gebundenheit. Entweder stehen wir noch in der Gebundenheit der Sünde, gefangen in der Sünde Gesetz, das wiederstreitet in unseren Gliedern, so dass der Feind Macht über uns hat; - oder wir stehen in der Gebundenheit des Gesetz, das uns verklagt und beschuldigt, wir haben den knechtischen Geist, der uns ängstet und nicht los lässt; oder endlich, wir sind Gebundene Jesu Christi wie Paulus, so gebunden, dass wir mit ihm sprechen können: „Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus lebt in mir!“ so gebunden wie Petrus, dass es auch von uns heißen kann: „Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.“ Es gibt also keinen Zustand der absoluten Freiheit, keinen Zustand ohne Gebundenheit, keinen Zustand, wo das Herz nicht unter irgend einem Joch wäre. Mit dem Erscheinen des Messias, mit der Geburt des Heilandes ist für Israel und alle Völker jene Weissagung erfüllt worden: „Das Volk, so im Finsteren wandelt, sieht ein großes Licht, und über die da wohnen im finsteren Land, scheint es helle. Denn du hast das Joch ihrer Last und die Rute ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen … Zu der Zeit wird seine Last von deiner Schulter weichen müssen und sein Joch von deinem Hals; denn das Joch wird verfaulen vor der Fette“ (Jes. 9,4. 10,27). Der Heiland hat aber seinen Nachfolgern ein anderes Joch gebracht, von dem Er sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matth. 11,28.29). „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein“ (Luk. 14,27).

Was sind doch das für verschiedene Joche, für verschiedene Bürden! Beim Seligwerden wird das Joch immer leichter, beim Verlorengehen immer schwerer.

Das erste Joch ist das Sündenjoch. Von diesem heißt es: „Du hast das Joch ihrer Last zerbrochen.“ Es muss dieses Joch nicht immer getragen werden; es soll und wird zerbrechen, wenn man die Gnadenmittel recht braucht.

Das zweite Joch ist das Erziehungsjoch. Auch dieses soll verschwinden, zwar nicht mit einem Mal, aber allmählich, durch einen Prozess der Auflösung. Es ist das Joch der Züchtigung und Reinigung, von dem es heißt: „Das Joch wird verfaulen vor der Fette.“

Das dritte Joch ist das Leidensjoch, das Joch der Schmach Christi. Es ist die höchste Gnade, wenn wir um Wohltat willen leiden. „Selig seid ihr,“ sagt der HErr, „,wenn sie euch um meines Namens willen verfolgen und reden allerlei Übels wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost.“ Dieses Joch, vor dem der natürliche Mensch am meisten zagt und zaudert, ist das allerleichteste und seligste.

Wie es verschiedenste Joche gibt, so gibt es auch ein verschiedenes Verhalten gegen dieselben. Es gibt solche, die können nicht gut aufsehen, es liegt etwas auf ihrem Herzen - das Sündenjoch - das soll gelöst werden. Es streitet gegen Gottes heiligen Liebesplan, dass man darin bleibe. Es. gibt solche, die wollen sich nicht beugen unter das Erziehungsjoch; aber sie müssen es tragen. Aber es gibt auch solche, sie wollen und können das Leben für die Brüder lassen, sie geben sich selbst dahin um des HErrn willen und folgen seinen Fußstapfen nach. Der HErr schenke uns zu erkennen, was wir tragen und nicht tragen, was wir leiden und nicht leiden müssen!

Alle unter uns können wissen, was das Joch der Sünde. ist. Sünden sind Taten, gegen Gottes Gesetz begangen, die sich im Herzen zusammenhäufen zu einer schweren Last. Wir können, dadurch, dass wir längere Zeit an gewisse Dinge nicht denken, sie vergessen; aber Sünde kann man nicht vergessen. Menschliche Wissenschaft vergisst man ohne Übung, Sünde nimmermehr. Wenn wirs auch wollten, wir könnens nicht; denn der HErr Jesus hat den heiligen Geist gesandt, der die heilige Mission hat, die Welt zu überzeugen von der Sünde und von der Gerechtigkeit und von dem Gericht. Wie wären alle Verhältnisse im Leben viel leichter, wie wären manche Seelen viel glücklicher, wenn nicht so viele unvergebene Sünden wären, wenn die Krankheit der Sünde, diese Trennung zwischen Gott und der Seele, hinweggenommen würde! Jede unvergebene Sünde bildet das Joch dieser Last; aber es soll zerbrechen, weil es schon im Ratschluss Gottes zerbrochen ist, seit der Sohn das Lösegeld bezahlt hat. „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter; und Er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst.“ Lasst uns mit diesem Joch aufräumen; es ist nicht Gottes Wille, dass wirs tragen! Lasst uns kindlich und einfältig die Barmherzigkeit Gottes ergreifen und das Wörtlein bedenken: „Wehe denen, die verborgen sein wollen.“

Manche möchten gerne die Gnade erfassen, wenn sie sich nur nicht demütigen müssten. „Wenn wir unsere Sünde bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass Er uns unsere Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ Das Joch zerbricht durch Vergebung. Der Satan verliert seine Macht durch Vergebung. „Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Ritterschaft ein Ende hat, denn ihre Missetat ist vergeben“ (Jes. 40,2). Alle unter uns, die nicht Gewissheit des Heils haben, sollten nicht ruhen, bis sie dazu gelangt sind. Der Mangel an der Gewissheit der göttlichen Gnade macht die Ewigkeit schwer. Nicht darben sollen wir, während wir Reichtümer vor uns sehen. Jesus sieht uns gerne aufrecht; Er heilt von der Plage des Gebücktseins, unter der jenes Weib gelitten hatte achtzehn Jahre lang. Er schenke uns alles das, was Er uns anbietet, zu nehmen, und alles das, was Er uns nehmen will, zu geben!

Wenn der HErr sein Werk getan und die Gewissheit der Gnade in uns gewirkt hat, dann gibt Er ein zweites Joch zu tragen. Es ist leichter als das erste. O, wenn keine Scheidewand mehr da ist, wenn man sagen kann: „So wahr Gottes Sonne am Himmel noch prangt, so wahr hab ich Sündenvergebung erlangt,“ welch ein seliges Leben ist das! Es ist die Gnade ein köstliches Werk, das Fundament zum ganzen Bau Gottes. Wenn Gnade das Herz gewiss gemacht hat, wenn der HErr die Sünde getilgt hat, so folgt die Erziehung zum Absterben des alten Menschen. „Fürchte dich nicht, mein Volk, das zu Zion wohnt, vor Assur!“ Er darf nur so weit plagen, bis Gottes Zweck erreicht ist. Das Erziehungsjoch des HErrn hebt die Gnade niemals auf. So allgemein das Sündenjoch ist, das Jesus zerbricht, so allgemein ist das zweite Joch. O wie gerne möchten es manche abschütteln, ihm ausweichen! Aber Gott findet sie immer wieder. Meistens möchte man viel lieber ein jedes andere Joch, das andere haben, nur nicht gerade das, das man selbst muss. „Das Joch wird verfaulen vor der Fette.“ All das Schwere, was unserem natürlichen Menschen so zuwider ist, was uns das irdische Leben bitter macht, das zerbricht nicht, es muss verfaulen, langsam abfallen vor der Fette. Erwarten wir nicht, dass es von heut auf morgen anders werde. Durch Klagen und Jammern verfault niemals das Hauskreuz. David hatte bis an sein Ende Streit im Haus. Wenn die Türen knarren, sind sie nicht gesalbt. Wir müssen das Erziehungsjoch liegen lassen, bis es von selbst verfault. Wenn die Gnade das Herz gewiss gemacht hat, wenn der Umgang mit Gott wieder hergestellt ist, so bekommen wir die Salbung des Heiligen Geistes und dadurch die Kraft, das Joch zu tragen, bis es abfällt. Dann heißt es auf einmal: Der Stachel ist weg. Er war nur da, um zu beugen, zu demütigen. Im Umgang mit dem HErrn wird alles weichen, wenn wir an Ihm hangen und von Ihm alles Leben nehmen. O, dass wir allem Schweren gegenüber diese Salbung bieten könnten!

In dem Maß, als wir treu darin sind, kommt das andere Joch: Leiden und Herrlichkeit ist die Krone, das Ende. Auf das gebrochene Sündenjoch folgt das Erziehungsjoch und dann das priesterliche Joch. Ein Priesterherz weiß, dass Jesu Joch leicht ist. Wer in wahrer Liebe in den Riss steht für die Seelen, der wird in dem Maß den Segen Golgathas erfahren, als er ein Nachfolger Jesu ist. Je mehr wir los werden von uns selbst, umso mehr ist jede Schmach um Jesu willen wahre Seligkeit. Wo jene alles vergebende Gnade ins Herz dringt, wo es heißt: „Ich glaube, darum rede ich,“ O, dann fehlt das dritte Joch nicht: „Ich werde aber sehr geplagt.“ Ein Joch ist sanft, das alles in sich fasst, was wir um Jesu willen zu tragen und um seines Namens willen zu leiden haben. Es fehlt nur an Zeugenmut, an Seelenliebe, an Glaubenskraft. Leiden mit Jesu ist das seligste, das leichteste, das herrlichste. Fort mit dem Sündenjoch, geduldig unter dem Erziehungsjoch, selig unter dem Leidensjoch!

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