Waldenser - Die Lehre der Waldenser, betreffend das Krancken-Besuchen

Waldenser - Die Lehre der Waldenser, betreffend das Krancken-Besuchen

In eben diesem Buche l'Almanac Spiritual, oder der geistliche Calender genannt, findet man auch dasjenige, was ich nur blos in der Uebersetzung, ohne Beyfügung der eigenen Sprache, von Besuchung der Krancken hier anführen wollen. …

Wer mit dem Worte GOttes zu thun hat, der hat auch besonders mit dahin zu sehen, daß er auch andere zu der Vereinigung mit GOtt bringen möge. Hierzu soll er allen Fleiß und Mühe anwenden, und mit seinem eigenen guten Vorbilde denen andern ein Muster zu werden, sich angelegen seyn lassen. Will er durch die Predigt des Wortes rechten Nutzen schaffen, so ist es nicht genug, solches in öffentlicher Versamlung zu lehren: er muß das Evangelium auch in gemeinen Häusern, besonders denen Angefochtenen und Krancken zu ihrem Troste verkündigen. Diesen hat er insonderheit die Güte und Barmhertzigkeit des Allerhöchsten recht lebendig vorzustellen, und recht überführend zu zeigen, daß der GOtt, der die Quelle alles Segens ist, auch nichts thun könne, was nicht zu ihrem besten gereichen solte. Und wie solte es doch wohl möglich seyn, daß der allmächtige GOtt, der Vater der Barmhertzigkeit, der GOtt dessen Treue und Vorsorge viel zärter als leiblicher Eltern ihre für ihre Kinder ist, und der selber von sich gesagt hat, daß, wenn auch ein Weib ihres Kindes vergessen könte, daß sie sich nicht erbarmen solte über den Sohn ihres Leibes, er doch unser nicht vergessen wolle, wie solte es möglich seyn, daß der GOtt nicht alles zu unserm Besten wenden solte? Dieses ist so gewiß, daß, wann eben der GOtt sehen solte, daß das Gegentheil von diesem oder jenem, was er mit uns vornimmt, uns zuträglicher wäre, er dieses Gegentheil auch gewißlich bald ergreiffen würde. Solten wir ihm denn nicht unsere Seelen voller Zuversicht freudig unterwerffen, und gewiß versichert seyn, daß er uns auch mitten unter der Züchtigung, von Hertzen lieb behalte? Alle Schmertzen, Armuth, und was wir sonst zu leiden haben, soll dieses Vertrauen niemals aus unsern Hertzen reissen, oder uns auf die Gedancken bringen, ob würden wir darum von GOtt gehaßt, oder gar verworffen: vielmehr sollen wir aus diesen, an sich selbst sonst harten Schicksalen urtheilen, daß wir, als seine liebsten Kinder, bey ihm in Gnaden stehen. Wir müssen uns daher gar nicht bey denen aufhalten, denen es in der Welt allezeit nach Wunsche gehet, und die in dem Irdischen ihr eintziges Vergnügen finden, sondern auf JEsum, den wahren, liebsten und eintzigen Sohn GOttes sehen. Wer hat doch auf der Welt so viele, geschweige denn mehr Drangsale, Marter, Armuth und Noth, bis in den Tod ausgestanden, als dieser? Wie bitter muß diesem nicht der Kelch so vieler Leiden geschmeckt haben, da seine Feinde, als tolle Hunde, ihn angefallen, ihn von allen Seiten geängstiget, und mit den allerheftigsten Schmäh-Worten beleget haben? Wie muß diesem da zu Muthe gewesen seyn, als er mitten unter der grösten Leibes- und Seelen-Angst rufen muste: Mein GOtt, mein GOtt, warum hast du mich verlassen? Da bey herannahendem Ende seine Seele betrübt gewesen bis in den Tod, und da er unter dem Gebete, daß dieser Kelch, wo es möglich wäre, vorüber gehen möchte, unter dem jämmerlichsten Zittern und Zagen, blutigen Schweiß geschwitzet?

Hierauf soll der Krancke gewiesen, und ihm dabey angezeiget werden, daß er lange nicht das zu leiden habe, was sein JEsus für ihn ausgestanden, und wie er Ursache habe, seinen GOtt von Hertzen zu dancken, daß er seinen einigen Sohn für uns in so ein bitteres Leiden und Sterben habe hingeben wollen: aber auch zu bitten, daß er ihm um dieses JEsus willen, gnädig und barmhertzig seyn wolle. Es soll ihm vorgehalten werden, wie er seine Zuversicht und Hoffnung auf GOtt, der nach seiner grossen Güte, gewiß und wahrhaftig geneigt isst, ihm seine Sünden zu vergeben, nicht wegwerffen solle: und wie dieser sein himmlischer Vater durchaus so voller Liebe sey, daß ihm sein Hertze walle, wann er Gutes thun, hingegen es ihm schmertze, wenn er strafen soll. Es soll ihm gewiesen werden, wie er in solcher Zuversicht sich der erbarmenden Liebe seines himmlischen Vaters getrost überlassen, und es demselben völlig anheim stellen könne, so mit ihm zu verfahren, wie er weiß, daß es ihm am nützlichsten, und an Leib und Seel am seligsten sey. Ferner ist er auch mit allem Nachdruck zu vermahnen, in Ansehung seines Nächsten, sich so zu verhalten, wie er wünschte, daß dieser gegen ihn thun möchte, allen Groll aus seinem Hertzen zu verbannen, und es so zu verfügen, daß auch die Seinigen nach seinem Tode, ohne allen Streit und Zanck, freundlich und friedlich mit einander leben mögen.

Man zeige ihm hierauf ferner, wie er alle Hoffnung zur Seligkeit einig und allein auf den Mittler zwischen GOtt und den Menschen, JEsum Christum, gründen solle, und wie ausser demselben kein anderer Weg zum Himmel zu finden sey: auf daß, wenn er sich als einen elenden Sünder und des ewigen Todes würdig erkennt, er von GOtt Gnade suche. Spüret man an ihm die Furcht vor dem Richterstuhl GOttes, und vor dessen Zorn, so lege man ihm die tröstlichen Verheissungen des HErrn JEsu vor, deren sich alle diejenigen theilhaftig zu machen haben, die sich von gantzem Hertzen zu ihm nahen, und in seinem Namen die Vergebung der Sünden bey dem Vater suchen. So soll ein rechtschaffener Lehrer sich verhalten, wenn er den Krancken auch noch auf seinem Sterbe-Bette dem HErrn JEsu zuführen will.

Ist er denn verschieden, so soll der Lehrer die Hinterbliebenen zu trösten, sie zum Lobe GOttes zu ermuntern, und zur Erkenntniß seines heiligen und guten Willens, zu bringen suchen. Und an statt, daß ehedem die arme Witwe, die ihren Mann verlohren, viel Geld aufwenden muste, dafür man gesungen, gegessen und getruncken, da sie in der weile geweinet und gefastet: so soll man solches, als eine denen Waysen ohne dem nachtheilige Sache, einstellen; und dahingegen desto mehr Mitleiden mit ihnen haben, und nach dem Vermögen, so uns der HErr gegeben hat, mit Rath und That dahin behülflich seyn, daß die Kinder in der Furcht GOttes erzogen werden, damit sie sich, nach der Einrichtung und dem Willen GOttes, einmal ehrlich und redlich nähren können.

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