Usteri, Johann Martin - „Der armen Frow Zwinglin Klag.“

Usteri, Johann Martin - „Der armen Frow Zwinglin Klag.“

O Herre Gott, wie heftig schluog
Mich dines Zornes Ruten!
Du armes Herz, ists nit genuog,
Kannst du noch nit verbluoten?
Ich ring die Händ: käm doch myn End!
Wer mag myn Elend fassen?
Wer misst die Not? Myn Gott, myn Gott,
Hast du mich gar verlassen?

Ich fürcht die Nacht, ich fürcht den Tag,
Ich schüch mich vor den Lüten;
Ich hör nur Jammer, Angst und Klag,
Nur Bschuldigen und Stryten,
Man ficht mich an: Dyn Mann hats than!
Les ich in vielen Ougen;
Es bocht der Hohn: das Alt muoß koh'n!
Bald offenbar, bald tougen.

Was klagt ihr mir der Üwern Todt?
Hab ich nicht gnuog ze tragen?
Ach, üwer Not ist ouch myn Not,
Vnd meeret myne Klagen!
Wer suocht das Korn am Schleyendorn?
Bym steinin Bild Erbarmen?
Was suocht denn Ihr Trost, Hilf by mir?
Ich bin die ärmst der Armen.

Vnd kumbt die lange Abendzyt,
Wo Kopf vnd Oug ermatten,
Erschreckt mich in der Einsamkeit
Ein jeglich Ton und Schatten.
Ich süftz: o Nacht, wärst du verbracht,
Möcht doch dyn Dunkel wychen!
Entschlafen koum, plagt mich der Troum
Mit ytel Bluot und Lychen.

Ich renn in Stryt, ich suoch und kann
Durch Spieß und Schwerter dringen,
Find Mann, Sün, Bruoder, Schwestermann
In Bluot und Tode ringen.
Man zeigt mir ouch den schwarzen Rouch
Sich hoch zum Himmel schwingen.
Ich seh die Rott mit Hohn vnd Spott
Ihr Greweltat vollbringen.

Es gellet ouch das Jammergschrey
Mir stäticklich in Oren:
Uf, Waffen, Waffen, Als herby!
Ach Gott, wir hand verloren!
Auf, Wyb vnd Mann! louf, louf wer kann!
Der Feynd ist vor den Thoren.
So helf vns Gott, Alls, Alls ist todt!
Louft, louft zu Mur vnd Toren!

Ich rannt hinus, fragt wen ich sach;
Vnd fürchtet doch die Märe.
Ich Thörin, ach ich wusst es ja,
Dass er nit widerkehre!
Des Sternes Ruoth, die Luft in Bluot
So grusamcklich entzündet,
Die klag der Ewl, das Nachtgehewl
Hatts sattsam schon verkündet.

Er wusst es ouch, doch wollt er mich -
Ich wollt ihn nit erweichen.
Doch da syn Ross so rücklings wich,
Thät er wie wir erbleichen.
Die Kind vnd mich, wie brünstiglich
Hat er vns noch umbfangen!
Sah stets zurück, syn letzter Blick
Ist mir durchs Herz gegangen.

So schwinget sich wie ein Gekett
Um mich nur Angst vnd Jammer.
Entflüch ich dann der Lagerstett,
Ze süfzen in der Kammer,
So schlycht mir ach! das Regli nach,
Vnd weint: kannst du nit schlafen?
Zwingt mich ze Bett. - So bluoten stett
Die Wunden, die mich trafen.

Hör ich das erste Hahnengschrey,
So prys ich mynen Herren:
Gottlob die Nacht ist bald vorby,
Der Tag will widerkehren!
Er zeigt mir doch die Kindlein noch,
Sy mindern doch die Läre.
Wie oft voll Forcht hab ich gehorcht,
Ob ich s‘ noch atmen höre!

Ein Engelskuss hat s‘ aufgeweckt,
Drum sy so fründlich lachen.
Ein jegklichs dann syn Köpflin streckt,
Vnd spächt, ob ich erwachen.
Dann henken s‘ sich mit Bitt an mich:
Ach, hör doch uf ze schreyen!
O Mutterherz, du armes Herz,
Kann dich noch was erfrewen?

Du bindest mich ans Leben noch,
Du trybst den Tod zerücke,
Du lüpfst des Kumbers ysin Joch,
Dass es mich nit erdrücke!
Du ruofst: fortan luog d' Waislin an!
Was soll us jnen werden?
Sy sind ein Brand us Huldrychs Hand,
Vnd hand nur dich uf Erden!

Ja, diesen Schatz, mir anvertruwt,
Ich will in trüw verwalten!
Den Tempel, den er ufgebuwt,
Den sollend sy erhalten.
Uf syner Bahn führ ich sie an,
Daß er durch sie sich neuwe,
Vnd Hulderych im Himmelrych
Sich ihr und myner freuwe.

Komm du, o Buoch, du warst syn Hort,
Syn Trost in allem Uebel.
Ward er verfolgt mit Tat vnd Wort,
So griff er nach der Bibel,
Fand Hilf by ihr. - Herr, zeig ouch mir
Die Hilf in Jesu Namen!
Gib Muoth vnd Stärk zum schweren Werk
Dem schwachen Wybe! Amen.

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