Unbekannt - Feinde Christi und Feinde des Kreuzes Christi

Unbekannt - Feinde Christi und Feinde des Kreuzes Christi

Auf den ersten Anblick könnte es scheinen, als ob diese beiden Bezeichnungen dasselbe meinten. Und doch ist das nicht der Fall. Wohl ist ein Feind Christi auch ein Feind des Kreuzes Christi, aber einen Feind des Kreuzes Christi kann man nicht von vornherein und ohne weiteres auch als einen Feind Christi bezeichnen; es ist jedenfalls mancher ein Feind des Kreuzes Christi, der es sich ernstlich verbitten würde, sich einen Feind Christi nennen zu lassen. Wir machen uns das wohl am besten mit biblischen Beispielen klar.

An Feinden Christi ist in den vorbildlichen Berichten des Neuen Testamentes kein Mangel. Die vielberufenen Führer des jüdischen Volkes, die Hohenpriester, Schriftgelehrten, Ältesten, Pharisäer, Sadduzäer und wie sie alle hießen, waren Feinde Christi. Ebenso Pilatus und Herodes samt ihren Untergebenen. Feinde Christi waren jene Gadarener, die ihn baten, ihre Grenzen zu meiden, ebenso wie jene Galiläer, die seine tiefen Worte von der unvergänglichen Speise in ihrem fleischlichen Wesen nicht zu ertragen vermochten. Diese alle hätten wohl auch nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn man sie Feinde Jesu genannt hätte.

Feinde des Kreuzes begegnen uns aber in den Berichten der Evangelien ebenfalls.. War nicht der Jünger Simon Petrus ein solcher, als er den Herrn eben vom Leiden abhalten wollte und von ihm „Satan“ d.h. „Feind“ gescholten wurde? War Petrus ein Feind Christi? Was würde er sich wohl gewehrt haben, wenn man ihn also genannt hätte! Aber ein Feind des Kreuzes Christi war er ohne Zweifel, als er sprach: „Herr, das widerfahre dir nur nicht!“, als er in Gethsemane mit dem Schwert losfuhr, als er den Herrn mit Fluch und Schwur vor der Magd verleugnete. Und alle Jünger teilten ja seine Kreuzesfeindschaft mehr oder weniger, als sie vor der Leidensgestalt des Knechtes Gottes flohen; ein Feind des Kreuzes war jener Jüngling, der in Gethsemane nackt von dannen floh, Feinde des Kreuzes waren jene beiden auf dem Wege nach Emmaus, die der Heiland „Toren und trägen Herzens“ schalt. Alle diese waren aber unter keinen Umständen Feinde Christi, jedenfalls hatten sie sich selbst nicht so betrachtet oder von andern so heißen lassen.

Schon beim Überblick über die Evangelien sehen wir, daß die Feinde Christi mehr außerhalb des Zaunes zu suchen sind, der die Jünger Jesu von der Welt trennt, die Feinde des Kreuzes aber mehr innerhalb desselben. Eine Ausnahme macht Judas, denn dieser wandelt mit der Feindschaft gegen Christus - nicht nur gegen sein Kreuz - im Herzen unter der Zahl seiner Jünger, bis er offenbar wird und seinen Platz bei denen einnimmt, zu denen er tatsächlich immer schon gehörte.

Wenn wir dann ferner in die Apostelgeschichte und die Apostelzeit hineinsehen, so finden wir, daß auch da der Unterschied andauert, der uns in den Evangelien begegnete. Feinde Christi waren die Obersten des jüdischen Volkes, die das Zeugnis von ihm verwarfen, ein Saul von Tarsus, ein Herodes, ein Simon Magus, ein Elymas, die Leute von Lystra, die Obersten von Philippi, die Juden von Thessalonich, die Athener, Demetrius und sein Anhang in Ephesus usw.. Diese alle sind zwar in viel bestimmterer Weise auch Feinde des Kreuzes Christi zu nennen, denn ihnen wurde ja Christus in bestimmter Weise als der Gekreuzigte verkündigt, aber ihre Feindschaft war doch eine solche wider den ganzen Christus und wider Alles und Jedes an ihm.

Es fehlt aber auch hier nicht an solchen, deren Widerwillen und Abneigung sich in immer deutlicherer Weise speziell gegen das Kreuz richtet. Die mancherlei Erfahrungen, die Paulus durch die Leidensscheu und Kreuzesflucht der Gläubigen zu machen hatte, gehören hierher; wenn Johannes Markus ihn und Barnabas verließ, war es eine gewisse Feindschaft gegen das Kreuz Christi, das diesen trieb; wenn dem Paulus in seiner ersten Verantwortung vor dem Kaiser niemand beistand, wenn er überhaupt wenig geliebt wurde (auch von den Brüdern) und niemand hatte, der seines Sinnes war usw., so waren das Erfahrungen, die auf eine Feindschaft der in Frage Kommenden schließen ließen, nicht gegen Paulus, sondern gegen das Bild des Gekreuzigten, das in ihm sich lebendig und wahrhaftig darstellte. Der Zustand der Hebräer, den der Hebräerbrief schildert, läßt sich nicht als eine Feindschaft gegen Christus, sondern als eine solche gegen das Kreuz bezeichnen; allerdings zeigen sie auch, daß die Feindschaft gegen das Kreuz, weil sie eben gegen das Wesentliche an Christus gerichtet ist, auf die Dauer Feindschaft gegen Christus überhaupt werden muß.

Vor allem gehört aber die Stelle Phi. 3,17-21 hierher, wo ja der Ausdruck „Feinde des Kreuzes Christi“ von Paulus geprägt ist; er hat hier offenbar keine Leite außerhalb, sondern innerhalb des christlichen Kreises vor Augen; die Stelle ist anders nicht zu verstehen. Diese Leute aber würden es gewiß als Beleidigung empfunden haben, wenn man sie Feinde Christi genannt hätte. Sie standen unter der Schar der Bekenner Christi; sie offenbarten nach außen Christentum und Jesusliebe, aber im Herzen war Kreuzesscheu und Leidensflucht und Sinnen auf das Irdische. Ach, man soll sich nicht sobald einnehmen lassen, wenn jemand in hohen Worten von Christo redet! Wir sollten vielmehr abwarten, wie sich das Kreuz Christi in seinem Wesen und Leben abspiegelt!

Wir wollen dabei nicht übersehen, daß selbst der allergefördertste Christ nicht frei ist von der Gefahr, hin und wieder in den Zustand der Feindschaft gegen das Kreuz Christi hineinzugeraten. Als Petrus und Barnabas sich in Antiochien stellten, als ob sie ihr Lebenlang eifrig judenkirchlich gewesen wären und von der Freiheit vom Gesetz nie etwas gehört oder gewußt hätten, schalt sie Paulus „Heuchler“, und betonte, daß seine Freiheit vom Gesetz aus dem Umstande herrühre, daß er mit Christo gekreuzigt sei (Gal. 3,19); es muß also etwas wie Kreuzesfeindschaft des Petrus und Barnabas dort überkommen haben, daß sie sich so verirrten. Jedenfalls lehrt uns die Apostelzeit, besonders das Leben Pauli, ebenso deutlich wie die Geschichte Jesu den Unterschied von Feinden Christi und Feinden des Kreuzes Christi.

Und ist er heute etwa nicht da? Wir sehen in unsern Tagen solche Leute genug, die von Christus in wer weiß welcher Begeisterung reden, ihn hoch erheben und preisen, aber von seinem Kreuze schweigen; sie wollen Freunde Christi sein - und sind Feinde des Kreuzes!

Es ist aber auch nicht damit getan, daß man das Kreuz Christi als die Heilstatsache verkündigt, durch welche der Sünder Gnade empfängt. Es gibt auch solche Leute genug, die Feinde des Kreuzes Christi sind, aber von dem Blut und dem Opfer auf Golgatha mit vielen Worten reden als dem alleinigen Heilsquell für Sünder. Gewiß, diese Verkündigung ist recht und muß geschehen. Es ist aber keine Frage, daß man diese Botschaft in ganz orthodoxer Weise predigen und doch ein Feind des Kreuzes Christi sein kann. Wer Augen hat zu sehen, der wird es schon gesehen haben; wer es noch nicht gesehen hat, nun, der ist unwissend! Christus, der Gekreuzigte, ist der Grund unseres Heiles, aber nicht nur dieses, sondern das Vorbild, den wir als echte Jünger nachzufolgen haben, das Urbild, in das die, die ihm gehören, hineingestaltet werden sollen. „Ich bin mit Christo gekreuzigt!“ sagt Paulus von sich, und kein höheres Ideal hat er, wie er bekennt, als dieses: „seinem Tode gleichgestaltet zu werden.“ (Vgl. Gal. 3,19 und Phi. 3,10).Eben das war das Ärgerniserregende für Viele an Paulus, das machte, daß wenige es liebten, seines Sinnes zu sein, weil er die Male des Leidens Christi zu deutlich an seinem Leibe trug.

Was bedarf es noch vieler Beweise? Blicken wir nur in unser eigenes Herz! Wir werden, wenn wir redlich sind, in uns die Feindschaft gegen das Kreuz Christi wohl schon genug bemerkt haben, während wir vielleicht dasselbe Kreuz den Sündern anpriesen oder den Heiland als den Schönsten unter den Menschenkindern rühmten. Hoffentlich haben wir aber auch schon empfunden, daß für uns und unser Christentum alles davon abhängt, ob die Feindschaft gegen das Kreuz aus unserm Herzen gerissen werde; wenn das nicht geschieht, muß ja auf die Dauer unser ganzes Verhältnis zu Jesu eine bloße Redensart ohne Wahrheit werden. Das ist, was der Dichter sagt:

„Reiß' das Herz aus meinem Herzen,
Sei's auch unter tausend Schmerzen.“

Der Mittelpunkt des Glaubens an Christus ist das Kreuz. Fangen wir an, dieses zu fliehen, so wird bald unser ganzes Christentum ein Trümmerhaufen sein. Wie manche um uns her sind Beweise dieser beweinenswerten Entwicklung! Tersteegen bittet:

„Zieh' durch deines Todes Kräfte
Mich in deinen Tod hinein!
Laß mein Fleisch und sein Geschäfte,
Herr, mit dir gekreuzigt sein,
Daß mein Wille werde stille
Und die Liebe heiß und rein!“

Das ist es, worauf es ankommt. Gebe uns der Herr offene Augen, daß wir unser eigenes Wesen gründlich erkennen im Lichte des Geistes Gottes und uns keine eitlen Wind vortäuschen! Er gebe uns aber auch Kraft genug, um als solche zu betrachten, die „mit seinem Tode zusammengewachsen“ sind und so als wahre Jünger des Kreuzes Christi auch das Leben Jesu vor der Welt offenbaren!

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1908

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