Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker. Mt 13, 24-30 und Mt 13, 36-43

Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker. Mt 13, 24-30 und Mt 13, 36-43

24 Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. 26 Da nun das Kraut wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. 27 Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? 28 Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind getan. Da sagten die Knechte: Willst du das wir hingehen und es ausjäten? 29 Er sprach: Nein! auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet. 30 Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer.

36 Da ließ Jesus das Volk von sich und kam heim. Und seine Jünger traten zu ihm und sprachen: Deute uns das Geheimnis vom Unkraut auf dem Acker. 37 Er antwortete und sprach zu ihnen: Des Menschen Sohn ist’s, der da Guten Samen sät. 38 Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reiches. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit. 39 Der Feind, der sie sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel. 40 Gleichwie man nun das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird’s auch am Ende dieser Welt gehen: 41 des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da unrecht tun, 42 und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappen. 43 Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Gott, der allmächtige Vater, hat alle Dinge geschaffen durch den Sohn. Den Menschen hat Er aufrichtig gemacht und ihn bestimmt, inmitten der Kreaturen ein sichtbares Abbild des ewigen Sohnes Gottes zu sein. Der HErr sah an alles, was Er geschaffen hatte, und siehe, es war sehr gut. Er freute Sich aller Seiner Werke.

Aber es blieb nicht alles gut. Der Feind hat durch seine List Eingang gefunden und Unkraut unter den Weizen gesät. So entstand ein Abfall schon in jener uralten Menschenwelt, über welche, als das Unkraut seine Reife erreicht hatte, das Gericht der Sintflut erging, während Noah gerettet wurde, um den Anfang eines neuen und bessern Weltalters zu bilden.

Solcher Art waren die Wege Gottes vor alter Zeit, und der HErr zeigt uns ein Gleichnis der Ratschlüsse Gottes in dem Acker, der Weizen und Unkraut trägt, welches beides mit einander wachsen muss bis zur Ernte.

Doch Er wollte uns damit nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft aufschließen, es ist ein prophetisches Gleichnis, und Er hat darin die Geheimnisse niedergelegt, welche im Lauf der Geschichte Seiner Kirche ans Licht kommen sollen.

Der, welcher den guten Samen säht, ist der Menschensohn.

Der Sohn Gottes ist Mensch geworden und unter uns erschienen, und nun streut Er durch Sein Wort und Seinen Geist eine Saat aus, die vorher nicht aus der Erde gefunden wurde.

Nachdem Er den Fluch getilgt, die menschliche Natur gerettet und geheiligt, Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat, senkt Er ewiges Leben in die Herzen Seiner Gläubigen.

Mitten in diese arge Welt pflanzt Er Kinder Gottes, die nicht von der Welt sind, gleichwie auch Er nicht von der Welt ist; sie gehören dem Himmel an; die Herrlichkeit, welche in dem zukünftigen Reich offenbar werden soll, ist in ihnen als im Geheimnis schon vorhanden, „der gute Same sind die Kinder des Reichs“.

Die erste christliche Gemeinde, erfüllt mit dem Trost und der Kraft des Heiligen Geistes, welche Gnade hatte bei Gott und allem Volk, war diese heilige Saat.

Sie stand auf dem Acker; der Acker ist die Welt, die Menschenwelt. Auf dem Boden der alten natürlichen Menschheit erwuchs die Kirche, und in ihr zeigt sich das himmlische Leben, das von Christus in sie gelegt ist.

Noch steht diese Saat, sie hat sich von Geschlecht zu Geschlecht erhalten und ausgebreitet, aber in ihrer Mitte hat sich das Unkraut gezeigt.

Dieses Unkraut sind nicht die Heiden und nicht die pharisäischen Juden, denn diese waren schon da vor der Gründung der Kirche, das Unkraut aber, wovon der HErr redet, wurde erst ausgestreut, als die edle Saat bereits ausgepflanzt war.

Es war dem Teufel nicht gelungen, die Stiftung der Kirche zu verhindern. Es ist ihm nicht gelungen und wird ihm nicht gelingen, die gute Saat wieder auszurotten. Wie es ihm unmöglich war, die Auferstehung des HErrn zu verhindern, so lag es auch nicht in seiner Macht, die Ausgießung des Heiligen Geistes zu verhindern oder ungeschehen zu machen.

Darum machte er einen andern Versuch: was er durch offenen Kampf und durch grausame Verfolgungen nicht ausrichten konnte, das versuchte er heimlich und mit List ins Werk zu setzen. Er streute Unkraut mitten unter die Aussaat des HErrn.

Dieses Unkraut sind die Kinder der Bosheit, und zwar solche, wie man sie vorher aus Erden noch nicht fand, also Abtrünnige; solche, die aus dem heiligen Bunde der Taufe weichen, die den HErrn, der sie erkauft hat, verleugnen, die den Geist der Gnade aus sich verscheuchen und sich mit dem Geiste des Fürsten dieser Welt erfüllen lassen.

Der Abfall in der Kirche ist das Hauptwerk des Teufels, und abtrünnige Christen sind seine gefährlichsten Werkzeuge. Darum sagt der Apostel Paulus, indem er das Kommen des Abfalls und des Menschen der Sünde voraus verkündet: das Geheimnis der Bosheit ist schon wirksam. Es zeigte sich Anfangs in den gefährlichen Irrlehren der alten Zeit; dann, als die Kirche sich weit ausbreitete und mit der Welt verflocht, kam der Abfall in den zwei Gestalten als Aberglaube und Unglaube zum Vorschein. In dem Verderben der letzten Zeit wird er zur vollen Reife gelangen.

Die Ausstreuung dieser bösen Saat ist dem Feinde gelungen, während die Leute schliefen. Diese Leute sind die Diener des HErrn, dem der Acker gehört und der den guten Samen ausgestreut hat; sie bedeuten die Knechte Christi, denen Er die Aufsicht über Seine Gemeinde anvertraut. Die ersten Jünger Christi und alle, die nach ihnen Auftrag bekommen haben, Seiner Gemeinde vorzustehen, sind diese Leute.

Wie die Kirche selbst, ungeachtet aller Spaltungen, vor Gottes Augen doch nur Eine ist, so betrachtet der HErr auch die Amtsträger aller Zeiten und Benennungen als eine Einheit.

Als diese Leute schliefen, wurde, ohne dass sie es merkten, das Unkraut ausgestreut.

Es kann sein, dass es dem Feinde einigermaßen gelungen wäre sogar in dem Falle, wenn er die Hüter des Ackers nicht schlafend gefunden hätte; doch darüber können wir nichts gewisses behaupten, so viel aber ist klar, dass der HErr für Seine Diener eine Warnung ausspricht: sie sollen nicht schlafen, sondern wachen und Seine Gemeinde vor den listigen Anläufen des Teufels beschützen.

Und auch dies ist leider klar und gewiss, dass die bestellten Wächter der guten Saat in vielen Fällen, wo sie Wache halten sollten, geschlafen haben.

Sie haben dem Feinde sein Werk erleichtert und sind dann das Unheil, welches sie mit verschuldet haben, zu spät gewahr geworden.

Das ist die große Gesamtschuld, die wir mit Demütigung vor Gott zu bekennen haben. Und wer unter denen, die der HErr zu Wächtern über die Seelen gesetzt hat, kann sich von einem Anteil an dieser Schuld freisprechen?

Kein Vater, kein Lehrer, kein Geistlicher kann austreten und sagen, dass er über die ihm Anbefohlenen so treue Aufsicht geführt, sie so auf dem Herzen getragen, für sie gebetet und für sie gegen den Feind gekämpft hat, wie es Jesus Christus für Seine Jünger getan hat.

Als die Knechte den aufkeimenden Afterweizen sahen, erschraken sie; sie konnten sich das nicht erklären, sie klagten es dem Hausherrn und boten sich an, hinzugehen und das Unkraut auszujäten. Sie wollten nun mit Eifer und Anstrengung die Sache wieder gut machen. Aber der HErr sagte: Nein.

Also eine neue Warnung: wenn das Unheil geschehen ist, dann kommen die Knechte in Versuchung, es ans eine unweise und gewaltsame Art wieder gut machen zu wollen.

Auch diese Warnung ist leider nicht zu Herzen genommen worden. Es kam eine Zeit, wo die Vorsteher der Kirche gegen die um sich greifenden Irrlehren mit Gewalt einschritten, wo sie die Ketzer verurteilten und dann der weltlichen Macht zur Verbrennung auslieferten.

Es war die böse Zeit, wo man auch die Juden, weil sie an den Heiland nicht glauben, verfolgte und die Heiden mit dem Schwert bekehren wollte.

Der HErr sagt „nein“ zu dem allen, es ist gegen Seinen Sinn. Er hat Seinen Dienern so etwas nie aufgetragen. „Lasset beides mit einander wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte werde Ich zu den Schnittern sagen: jätet zuerst das Unkraut aus usw.“

Ihr maßt euch an zu tun, was Ich Mir vorbehalten habe, wenn Ich zum Gericht komme, und was Ich dann durch andere Werkzeuge ausrichten werde, denn: „die Ernte ist das Ende der Welt, die Schnitter sind Engel.“

Durch fleischlichen Eifer kann man es nicht ungeschehen machen, wenn der Feind in einer Kirche oder in einer christlichen Familie Unkraut ausgestreut hat.

Die Geistlichkeit ist in diesem Weltalter nicht berufen, das Weltgericht auszuführen, und zu tun, was der HErr für Seine Zukunft in Herrlichkeit sich vorbehalten hat. Sie soll jetzt in den Fußstapfen wandeln, die der HErr ihr auf Erden zurückgelassen hat, in Seiner Sanftmut einhergehen, allein mit den geistlichen Waffen des Wortes und Gebetes kämpfen und aus Liebe ihr Leben für die Schafe lassen.

Die weltliche Obrigkeit mag diejenigen strafen, die gegen das Sittengesetz freveln, ihr hat Gott das Schwert in die Hand gegeben, aber zu Petrus hat Er gesagt: „Stecke dein Schwert in die Scheide“, und hat ihm den Hirtenstab übergeben, damit er ihn führe, wie Er selbst, Christus, ihn auf Erden geführt hat.

Jesus Christus hat niemals, wenn Jünger vom Glauben an Ihn abwichen, ihre Bestrafung durch die weltliche Obrigkeit verlangt, sondern die Sache Gott anheimgestellt. Aber eben deswegen, weil jetzt die Irrlehrer nicht ans der Welt ausgerottet werden sollen, muss zur Beschützung der Kinder Gottes geistliche Zucht ausgeübt werden.

Warnendes und strafendes Wort, Zurückweisung vom Genuss der heiligen Geheimnisse und zuletzt Ausschließung aus der christlichen Gemeinschaft, das sind die geistlichen Mittel zum Schutze der Gemeinde, deren Gebrauch sich die Diener Christi nicht dürfen rauben lassen; das ist die Kirchenzucht, und diese hat der HErr in diesem Gleichnis nicht aufheben wollen, Er schärft uns vielmehr ihre Notwendigkeit ein.

Er sagte: „Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet.“

Er sah mit prophetischem Blick die schreckliche Folge, welche eintrat, als man sich anmaßte, die Ketzer auszurotten. Nicht die Irrlehrer allein, sondern mit ihnen und anstatt ihrer Kinder Gottes und Zeugen der Wahrheit, die man irriger Weise für Ketzer ansah, wurden verfolgt und ausgerottet.

Der Abschluss dieses Weltalters ist nahe gekommen, der HErr selbst gibt uns im Gleichnis ein Zeichen, woran wir es erkennen sollen: wenn der Weizen und das Unkraut zur vollen Größe erwachsen sind und ihre Frucht gezeigt haben, dann kann es nicht mehr weit bis zur Ernte sein. Und dies Zeichen ist da.

Es war nie eine Zeit der jetzigen gleich: wo der Weg des HErrn bereitet werden sollte, da lassen sich die Stimmen der Lästerung hören, und die mannigfaltigen Zeichen des Abfalls erscheinen. Es war nie eine Zeit, wie die jetzige, wo der HErr Seinen Geist als Spätregen vom Himmel gibt, damit in den Herzen Seiner Kinder endlich die edle Frucht reife und Seine Kirche zur Größe des Mannesalters in Christo heranwachse.

Die Sichtung hat angefangen, die Erstlingsgarben der guten Saat werden gesammelt, auch das Unkraut wird schon in Bündel gebunden, das heißt, die Ungläubigen tun sich in Bündnissen zusammen und stärken sich in der Unglaubensgemeinschaft - sie wissen nicht, dass sie dadurch zum Gericht bereitet werden.

Das Unkraut lässt man auf dem Felde liegen, während man den Weizen in die Schelmen fährt. Ist aber der Weizen eingebracht, dann, und nicht eher, wird da draußen das aufgehäufte Unkraut verbrannt.

Das ist die große Trübsal am Ende der christlichen Haushaltung, wie noch keine gewesen ist, noch sein wird.

Nur eines lässt sich damit vergleichen: die unglückliche Stadt Jerusalem, als sie von den Heiden belagert war und ihre Zerstörung bevorstand, war ein solcher Feuerofen voll Elend und Jammer.

Wenn diese Zeit auf Erden anbricht, sollen die Kinder Gottes in Sicherheit gebracht und bei dem HErrn geborgen sein. Dann aber werden sie hervorleuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich.

Wie nach einem schweren Gewitter die Wolken sich zerteilen und die Sonne lieblich und wohltätig wieder hervorscheint, so wird es sein, wenn Christus kommt und Seine Heiligen mit Ihm Das verborgene Leben mit Christo in Gott wird dann in Herrlichkeit offenbar werden.

Christus selbst, der jetzt verborgen und verkannt ist, wird erscheinen wie Er ist, und Sein Bild wird aus Seinen Heiligen, die Ihn umgeben, widerstrahlen. Mit ihnen wird Er Seine wohltätige, segnende Wirksamkeit ausüben, und sie werden mit Ihm in unvergänglicher Freude, in himmlischen Gottesdiensten den Vater verherrlichen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/thiersch/thiersch-die_gleichnisse_jesu_christi/thiersch_gleichnisse_unkraut.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain