Theremin, Franz - Die Forderungen des Herrn, der uns befreit hat.

Theremin, Franz - Die Forderungen des Herrn, der uns befreit hat.

Am Dankfeste nach dem Aufhören der Cholera in Berlin, den 19ten Februar 1832.

Der Herr hat Großes an uns gethan! Der Herr hat Großes an uns gethan! Deß sind wir fröhlich.
Ps. 126,3

Evang. Johannis, K. 5. V. 14 u. 15.
Darnach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe zu, du bist gesund geworden. Sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Aergeres widerfahre. Der Mensch ging hin, und verkündigte es den Juden, es sey Jesus, der ihn gesund gemacht habe.

So ist denn der frohe Tag gekommen, wo wir vor dem Angesichte des Herrn ihm danken können, daß jene furchtbare Plage, die auch unter uns geherrscht hat, vorübergezogen, und daß unsere Stadt von ihr befreit ist. So sind wir denn berufen, von dieser Seuche, von der so oft unter uns die Rede gewesen ist, jetzt wiederum zu reden, aber in einem ganz andern Sinne als früher! Denn als sie herannahte, war es nöthig, Euch auf ihr Erscheinen vorzubereiten; als sie unter uns ausgebrochen war, Euch zu trösten, zu starken, Euch zur stemmen Benutzung dieser großen Trübsal aufzufordern; jetzt da sie vorüber ist, sollen wir nur mit Euch erwägen, wie wir dem Herrn, der uns befreite, den rechten Dank dafür zollen mögen.

Diese Pflicht des Dankes aber ist eine heilige und unerläßliche Pflicht, und sie macht den heutigen Tag, wo wir Euch zu ihrer Erfüllung anleiten sollen, zu einem eben so ernsten als freudigen Tage. Es kommt darauf an, die Segnungen, die der Herr, der die Plage sandte und vorüberführte, der uns schlug und der uns heilte, in diese doppelte Schickung gelegt hat, es kommt darauf an, diese Segnungen zu verstehn, zu ergreifen, sie dem Herzen einzuprägen, um sie stets zu bewahren; es kommt darauf an, zu erkennen, was der Herr, der uns errettet hat, von uns fordert, und diese Forderungen zu erfüllen.

Was fordert er aber von uns? Was er von jenem Kranken forderte, der mit gelähmten Gliedern am Teiche Bethesda auf seinem Bette gelegen, den er geheilt und zu dem er gesagt hatte: Stehe auf; nimm dein Bette und gehe hin. Jetzt begegnet er ihm wieder im Tempel; er redet ihn an und spricht: Siehe zu, du bist gesund geworden; er erinnert ihn an die Größe der empfangenen Wohlthat. Sündige hinfort nicht mehr, auf daß dir nicht etwas Aergeres widerfahre; er zeigt ihm die eigentliche Quelle des geheilten Uebels. Der Mensch aber ging hin und verkündigte es den Juden, es sey Jesus, der ihn gesund gemacht habe.

Auch uns begegnet der Herr hier im Tempel, wo wir versammelt sind; auch an uns richtet er diese Forderungen. Wir sollen erstlich die Größe der empfangenen Wohlthat erwägen. Wir sollen zweitens die eigentliche Quelle des verschwundenen Uebels erkennen. Wir sollen drittens durch unser ganzes künftiges Leben verkündigen, es sey Jesus, der uns befreit hat.

1.

Siehe zu, du bist gesund geworden: wir sollen erstlich die Größe der empfangenen Wohlthat erwägen. Diese steht in Verhältniß zu der Größe des geheilten Uebels. Groß und schwer war das Uebel des Kranken, dem die gelähmten, erstarrten Glieder alle Dienste versagten: wie glücklich mußte er sich fühlen, als er sein Bette auf sich nehmen, und fest und kräftig dahinwandeln konnte! Groß und schwer war die Plage, die uns heimgesucht hatte; wie groß und inbrünstig muß also nicht der Dank für unsere Befreiung senn!

Denn diese Plage brachte Vielen, und drohte Allen den Tod; und der Tod ist - auch in den Augen des Christen - ein Uebel. Er ist es für den Sterbenden selbst, wegen der oft heftigen Schmerzen, die er leiden muß, und die nicht selten ein gefaßtes und ergebenes Sterben zu einer der schwersten Aufgaben machen, die ein Mensch hienieden zu erfüllen hat. Der Tod ist ein Uebel für die Freunde und Angehörigen des Verstorbenen, denen sein Verlust eine tiefe Wunde im Herzen schlägt und nach Gottes Willen auch schlagen soll. Zwar findet der sterbende Christ in seinem Glauben ein Mittel, das Uebel in eine Wohlthat zu verwandeln, und durch den Tod, der das irdische Leben raubt, zu dem ewigen Leben hindurchzudringen. Zwar wird der Glaube, wenn er in den Hinterbliebenen wohnt, sie nicht nur trösten und stärken in ihren großen Schmerzen, sondern auch sie dadurch heiligen und zu Gott erheben. Aber dieser Sieg setzt immer einen Kampf voraus; und der überwundene Feind ist deshalb nicht minder ein Feind gewesen. Einen Feind, so nennt den Tod ja auch die Schrift, die uns lehrt, daß er überwunden werden kann.

Hier jedoch erschien der Tod noch feindlicher als sonst. Die Plage, die ihn bereitete, ging ihren eigenthümlichen, geheimnißvollen Gang; und die menschliche Kunst, welche die Bewegungen der Himmelskörper berechnet, konnte die Richtung, die sie nehmen würde, nicht voraussehen. War sie an einem Orte einheimisch geworden, so umschwebte sie unsichtbar alle Bewohner desselben; ein jeder meinte sie aus der Luft einzuathmen. Sie nahte, indem sie ihre Furchtbarkeit verhehlte, gleichsam als hätte sie täuschen, und die Anwendung schützender Mittel verhindern wollen. Hatte sie aber einen Kranken mit ihrer ganzen Kraft umklammert, so spottete sie aller menschlichen Hülfe; und mit reißender Schnelligkeit zog sie ihn fort vom Leben zum Tode. Hinauf und hinab in den Straßen der Städte wüthete sie in vielen Häusern zugleich; machte viele Wohnungen zu Wohnungen der Trauer, und forderte unzählige Opfer.

Und wie vermißte man alles, wodurch sonst Krankheit und Tod erleichtert wird! Denn gewöhnlich ist ein Krankenzimmer wie ein Heiligthum, wo die nächsten Angehörigen ruhig aus- und eingehen, um die theuersten Pflichten zu erfüllen. Während sie diesem Berufe sich hingeben, ist ihre Berührung nicht abgeschnitten mit denen, die sich außerhalb befinden, und die sich oft ihnen nahen, sie durch Trost und Theilnahme zu starken. Hat die Krankheit mit dem Tode geendigt, so verschiebt die Liebe zu dem Verstorbenen doch die Bestattung der zurückgelassenen Hülle. Man bewahrt sie noch unter den Lebenden; man tritt hinzu mit nassem Auge, um manche Thräne auf das bleiche Angesicht fallen zu lassen, um in demselben nach den bekannten und theuren Zügen zu forschen. Endlich wird die Hülle langsam und feierlich an den Ort getragen, der schon seit Jahren bestimmt ist, die Ueberreste der Christen aufzunehmen, und wo die Hinterbliebenen auch schon ihre eigene Ruhestätte bezeichnet haben; unter herzerhebenden Worten, welche die großen Hoffnungen des Glaubens aussprechen, wird sie dort in die Erde versenkt, und Alle kehren beruhigt zurück. So war es nicht bei dieser Krankheit! Hier betrachtete man das Krankenzimmer als einen verpesteten Ort; die Angehörigen und Wärter, die es betraten, als dem Tode geweiht; ihr Zusammenhang mit den übrigen Menschen war abgebrochen. Dem Schmerze ward nicht Zeit gelassen, sich an dem Sarge auszuweinen. Schnell, bei nächtlicher Weile ward die Hülle des Verstorbenen an einen Ort gebracht, wo früher keine Christen geruht hatten, wo sie nur umgeben war von andern Opfern der Seuche. Gewiß konnte es nicht anders seyn. Wer wollte die Fürsorge für das Wohl der Lebenden tadeln? Wer wollte aber nicht auch bekennen, daß durch diese Umstände und Vorstellungen, die zu dem Uebel hinzukamen, die Größe des Uebels ungemein vermehrt, und die göttliche Schickung den Sterbenden und den Hinterbliebenen erschwert ward?

Mit solchen traurigen Bildern hatten wir uns schon während der Zeit einer langen und peinlichen Erwartung beschäftigt: wie hätte also die Krankheit, da sie unter uns ausbrach, nicht eine allgemeine Bangigkeit verbreiten sollen? Mag seyn, daß einige hochbegnadigte Seelen von Furcht nichts empfanden. Wir preisen sie glücklich, ohne zu staunen, daß diese Gnade nicht allen, selbst nicht allen frommen Christen zu Theil ward. Besser - sollten wir glauben - besser war es überhaupt damals zu zittern und in diesem Zittern sich an Gott zu wenden, als leichtsinnig und roh zu trotzen, und von Gott, der in seinem furchtbaren Ungewitter uns so nahe war, entfernt zu bleiben. Heftig war unter uns der erste Sturm und Andrang der Plage. Groß war die Anzahl Derer, die täglich erkrankten, täglich starben. Man erschrak, wenn man sie hörte: man fragte: Ist denn unter so vielen Befallenen Keiner genesen? Und die Antwort war: Fast Keiner. Unter dieser großen Anzahl wurde nun auch bald mancher bekannte und geachtete Namen genannt; manche ihren Freunden und dem ganzen Vaterlande theure Männer wurden, sey's hier, sey's an den Orten, wohin ihr Beruf sie geführt hatte, hinweggerafft. Der Gatte ward aus den Armen der Gattin gerissen; in demselben Hause wurden Gattin und Kinder von schnell auf einander folgenden Schlägen getroffen. Kinder, die beide Eltern verloren hatten, blieben Hülfe suchend zurück.

Siehe, du bist gesund geworden! Kaum hat die Plage einige Wochen gewüthet, da bricht sich ihre Kraft. Der Erkrankten werden weniger; mehr der Genesenen. Die Vorstellungen von der Natur des Uebels verändern sich; die Schrecken, welche am meisten auf die Einbildungskraft gewirkt hatten, verschwinden. Den Verstorbenen wird die gewöhnliche Ruhestatte vergönnt. Weihnachten kommt heran, dieses schöne Fest, wo, geheiligt durch die Gefühle des Glaubens, alle erlaubten menschlichen Empfindungen lebhafter sich regen. Werden wir es begehen können wie sonst? Wird die allgemeine Noth, womit es zusammenfällt, uns nicht sein freudiges Licht verdunkeln? Siehe, es kommt, und indem es himmlische Gaben bringt, nimmt es die irdische Noth hinweg. Es wird gefeiert, wie sonst, nur mit noch größeren Gefühlen der Wonne. Das neue Jahr beginnt; nur Wenige zieht die Plage in ihrem Verschwinden noch mit sich fort; sie ist vorüber; wir sind frei.

Siehe, du bist gesund geworden! So laßt uns denn die Größe der empfangenen Wohlthat erkennen. Wollen wir uns etwa die Noth verkleinern, um der Pflicht, welche die Rettung uns auferlegt, zu entgehen? Wollen wir nicht lieber die Gefahr, die uns umgab, in ihrer ganzen Größe uns vorstellen, um so die Gefühle des Dankes zu beleben? Bedenkt, wie Ihr sonst gebebt habt, und wie Ihr jetzt beruhigt seyd; welche Last sonst auf euerm Herzen lag, und wie es sich jetzt erleichtert fühlt. Bedenkt, wie Ihr für die Eurigen gezittert habt, wenn Ihr ihnen nahe, noch mehr, wenn Ihr von ihnen entfernt waret; wie Ihr vielleicht Euch selber bedroht sahet: und wie Ihr nun bewahrt, mit den Bewahrten, gerettet, mit den Geretteten diesen Tag feiern könnt. Bedenkt, daß Ihr sonst durch das Bedürfniß Trost und Stärkung zu finden, an diese heilige Stätte getrieben wurdet, und daß Ihr jetzt gekommen seyd, um zu danken- Nun so danket denn auch recht, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und ganzem Gemüthe. Hebt Euern feuchten Blick empor gen Himmel! Man weint ja wohl vor Schmerz; warum wollte man nicht auch vor Freude weinen? Dort im Himmel wohnt Gott, der allbarmherzige; dort zu seiner Rechten thront Jesus Christus, sein Sohn und unser Erlöser. Dieselbe Liebe, die ihn vom Himmel herab trieb auf die Erde und an das Kreuz; dieselbe Liebe, die Er, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, uns durch Leitung unserer Schicksale beweiset, er beweiset sie uns auch durch die Wohlthat dieser Befreiung. O dankt ihm dafür, wie diese Wohlthat und wie seine Liebe es verdient!

2.

Sündige hinfort nicht mehr! spricht der Herr ferner zu dem Kranken; und auch von uns fordert er zweitens, wir sollen die eigentliche Quelle des verschwundenen Uebels erkennen. Der Geheilte mußte die Ursach seiner Krankheit in den Sünden entdecken, die sein Gewissen ihm vorhielt, und die dem allsehenden Auge des Herrn nicht entgangen waren. Und auch wir sollen die jetzt verschwundene Plage auf unsere Sünden, als auf ihre eigentliche Ursach, zurückführen; wir sollen sie als ein göttliches Strafgericht, das über uns verhängt war, betrachten. Diese Behauptung ist oft aufgestellt, oft bestritten, oft mißverstanden worden. Wir müssen zuerst einige Einwendungen, die nur auf Mißverständnissen beruhen, zurückweisen.

Ist die Plage ein Strafgericht, könnte man einwenden, so sind ja wohl Diejenigen, die sie hinweggerissen hat, am härtesten gestraft worden; so sind diese also wohl auch die größten Sünder gewesen? Wollt Ihr sie dafür erklären? Nein, das sey ferne; mit Unwillen verwahren wir uns gegen eine solche Folgerung! Nein, ihr, die ihr als ein Opfer der Seuche gefallen seyd, da sey Gott vor, daß wir euer Andenken schmähen sollten, bei welchem vielleicht manches Auge der hier Anwesenden mit Thränen sich füllt! Nein, von euch allen - wenn wir nicht bestimmt von Einzelnen das Gegentheil wissen sollten - nehmen wir an, daß ihr als fromme, gläubige Christen gestorben seyd: und dann ist für euch durch die Gnade des Herrn das unleugbare Uebel des Todes in die größte der Wohlthaten umgewandelt worden. Schnell, wie im Sturm, habt ihr das Ziel erreicht, zu welchem andere nur durch viel längere Umwege geführt werden; und am Ziele hat euch der Herr als Sieger gekrönt. Dort seyd ihr aller Trübsale und Prüfungen, mit denen wir noch stets kämpfen müssen, überhoben! Ach! ihr seyd glücklich zu preisen; und unglücklich können wir nur Diejenigen nennen, die ihr in Thränen und in Noth zurückgelassen habt.

Also wären, könnte man ferner einwenden, also waren wohl diese Hinterbliebenen, als die Unglücklichsten, als die am schwersten Gestraften, auch wohl für die Schuldigsten zu halten? Abermals eine Folgerung, gegen die wir uns auf das entschiedenste erklären. Daß von den allgemeinen Leiden der Menschheit oft dem Frommsten und Besten ein größeres Maaß zugetheilt wird, das lehrt ja die tägliche Erfahrung; das wird schon durch Beispiele des Alten Testaments bestätigt, und durch des Herrn eigene Belehrungen ins Licht gesetzt. Und euch, ihr Zurückgebliebenen, euch ihr gebeugten Gatten, ihr trauernden Wittwen, ihr kinderlosen Eltern, ihr verwaiseten Kinder, euch sollten wir anklagen, euch beschuldigen, euch verdammen? An diesem Tage sollten wir es thun, wo wir uns freuen und wo ihr weinet; wo wir Gott für unsre und der Unsrigen Errettung preisen, und wo ihr euern Verlust schmerzlicher empfindet? Wäre das brüderliche Liebe; wäre das ein dem Herrn wohlgefälliger Dank? Nein, ihr seyd Gegenstände unserer innigsten Theilnahme, unseres schmerzlichsten Mitleidens; und - wenn ihr mit. christlicher Ergebung duldet - unserer Verehrung!

Was bleibt uns denn aber nun übrig, und in welchem Sinne können wir noch behaupten, die Sünde sey die eigentliche Ursach dieser Plage; diese göttliche Schickung sey ein Strafgericht gewesen? In eben dem Sinne, worin wir das von allen Leiden, und insonderheit von dem Tode behaupten müssen. Wäre der Mensch nicht von Gott abgefallen, wäre die Ordnung in seinen, Innern nicht gestört, wäre darin das, was dienen soll, nicht herrschend, das was herrschen soll, nicht unterdrückt worden: so wäre er frei geblieben von allen innern Qualen, von aller Angst, aller Unruhe, die so oft sein Herz zerreißen; so wäre er frei geblieben vom Tode. Der Tod ist der Sünde Sold. Immer weiset der Tod zurück auf die Sünde, wie die Wirkung auf die Ursach, wie die Strafe auf die Schuld. Diese Bedeutung hat selbst der Tod des Gerechten, denn der Gerechte würde nicht sterben, wenn er nicht auch ein Sünder wäre. Und wenn nun die Kraft des Todes so furchtbar, wie wir es hier gesehen haben, verstärkt, die Anzahl seiner Opfer so unermeßlich vergrößert, sein Kampf mit dem Leben so schrecklich verkürzt, die Frist zur Buße so Vielen genommen wird: sollten wir das nicht für ein Gericht Gottes halten, der bald strenger, bald gelinder strafen kann, und der hier seine Strafen geschärft hatte? Wenn wir hörten von den Hunderten und Tausenden, welche die Seuche hinwegraffte, hatten wir da nicht ausrufen mögen wie Moses: Du lassest sie dahinfahren wie ein Strom, und sind wie ein Schlaf, gleich wie ein Gras, das doch bald welk wird, das da frühe blühet und des Abends abgehauen wird, und verdorret! Aber mußten wir uns nicht auch gedrungen fühlen mit demselben Moses hinzuzufügen: Das macht dein Zorn, daß wir so vergehn, und dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen. Denn unsere Missethat stellest du vor dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht vor deinem Ange sicht? Wenn wir sahen, wie die Menschen von der Todessichel abgemäht wurden wie Gras, mußten wir da nicht staunen über das Elend unserer Natur, und erschrecken vor ihrer Verderbtheit, worin dies Elend seinen Grund hat?

Ist dies alles? Steht diese Plage nur in Beziehung zu unserer Verderbtheit im allgemeinen, und nicht auch zu der besondern Gestalt, unter welcher diese Verderbtheit gerade jetzt erscheint? Hat Gott uns nur als Menschen, und nicht auch als Menschen, die grade in diesem Zeitalter leben, bestrafen wollen? Sündige nicht mehr! So sprach der Herr zu dem geheilte n Kranken; und dieser durfte nicht widersprechen; er mußte durch sein Schweigen bekennen, daß er seine Krankheit verschuldet, daß er die bittern Folgen begangener Sünden erfahren hatte. Sündige nicht mehr! spricht der Herr zu uns; und werden wir nicht zugeben müssen, daß er hier auf Sünden hindeutet, die unserm Zeitalter eigen, und von denen wir als Kinder desselben, mehr oder weniger angesteckt sind? Ist denn dies ein Zeitalter, wo die Menschheit in allen den Vorzügen blüht, wofür sie empfänglich ist, und womit sie durch die göttliche Gnade geschmückt werden kann? Ein Zeitalter, wo der Sohn Gottes, unser Erlöser, der uns mit seinem theuern Blute erkauft hat, überall die verdiente Huldigung findet, und wo die Kniee aller Derer, die auf Erden sind, sich vor ihm beugen? Ein Zeitalter, wo die Herzen, unbefriedigt durch alles, was ihnen diese sichtbare Welt an Gütern darbieten kann, aufstreben zu einer höhern Welt und entzündet sind vom Verlangen nach ihren ewigen Gütern? Ein Zeitalter, wo die Gesinnungen, auf denen das Heil der Staaten, der Familien, der Einzelnen gegründet ist, unerschütterlich in den Gemüthern fest stehn? Ließe sich dies von unsern, Zeitalter rühmen, so würde ich die Plage, die uns heimgesucht hat, noch immer ein Gericht, und zwar ein gerechtes nennen, aber einen besondern Sinn würde ich nicht darin finden. Wie weit ist aber unser Zeitalter entfernt, einen solchen Ruhm zu verdienen; wie hat es sich gerade durch die entgegengesetzten Irrthümer und Lasier gebrandmarkt! Der Glaube an Jesum, an seine Gottheit, an die großen Wirkungen seines blutigen Todes; an die Offenbarung Gottes in der Schrift, worin er das niedergelegt und verkündigt hat, was der Mensch zu seinem Heile wissen muß, und doch durch sich selber nicht wissen kann: dieser Glaube ist jetzt ein Zeichen, dem widersprochen wird. Den Himmel haben Unzählige aufgegeben; sie wissen nichts von ewigen Gütern, wollen nichts davon wissen; wollen nur ihren armseligen Erdentand umklammern, zufrieden, im Tode gänzlich unterzugehn. Alle sonst für heilig gehaltenen Grundsätze wanken in den Gemüthern der Menschen, werden weggeschwemmt durch die zahllosen Irrthümer, welche der dem Göttlichen entfremdete Geist täglich gebiert. Mit diesen Grundsätzen zugleich wanken auch die menschlichen Verhältnisse, die auf ihnen, als auf ihrer festesten Stütze, beruhn. Aus Westen, aus Westen kommt vornehmlich das Unheil, wie es von dorther schon seit einem halben Jahrhundert gekommen ist. Es pflanzt sich fort, verbreitet sich in den Ländern von Europa, die es in geheimnißvollen schlangenartigen Windungen durchzieht. Und wenn nun auch von Osten nach Westen ein anderes Unheil schreitet, wenn es auch seinen eigenthümlichen, geheimnißvollen Gang geht, den man eben so wenig berechnen kann, als die Windungen der Schlange, die hier verschwindet, dort hervorspringt: sollte man da nicht in dem äußeren Unheil eine Strafe des innern entdecken?

Eine Züchtigung Gottes, meine Brüder, das ist also diese Plage für das jetzt lebende Geschlecht; das ist sie nicht nur für Einzelne, sondern für Alle. Denn, wer ist ganz ohne Antheil an der Schuld unsers Zeitalters; wer, traf ihn auch kein härterer Schlag, hat nicht durch Angst und Besorgniß gelitten? Wie jede Züchtigung Gottes, so kann auch diese eine heilsame Frucht der Gerechtigkeit bringen; aber nur in Denen wird sie solche Früchte tragen, welche sie für eine Züchtigung hielten, welche die Stimme des Herrn vernahmen, die ihnen zurief: Sündige nicht mehr! welche seine Absichten erkannten und erfüllten. Denn Diejenigen, die nur das Uebel sahen, ohne seine tieferen Beziehungen wahrzunehmen, die sich nur vor der Plage zu schützen suchten, und nicht verstanden, was der Herr ihnen dadurch sagen wollte: diese haben zwar viel Noth und Unruhe gehabt, aber sie haben daraus keinen Nutzen gezogen. Diese Zeit, wo Gott mit Posaunen. stimmen zu dem Erdkreis sprach, diese Zeit der großen Schickungen und Gerichte, die, so scheint es, das Menschengeschlecht hätte umwandeln müssen, ist vergeblich an ihnen vorübergegangen. Heil Denen, welche den strafenden Arm der göttlichen Gerechtigkeit über ihrem Haupte schweben sahen! Sie haben sich erweckt fühlen müssen zur Einkehr in ihr Herz, zur Erwägung des großen Elendes unserer Natur und ihrer tiefen Verderbtheit. Sie haben zurückgeblickt in ihre früheren Jahre, sie haben sich die begangenen Sünden nicht verhehlt; und während andere nur Sorge trugen für die Erhaltung ihres irdischen Lebens, haben sie für das Heil ihrer Seele gesorgt. Sie haben bei der Nahe des Todes, der sie umschwebte, bei der Nähe der Ewigkeit, die durch unzählige geöffnete Thore die Menschen in sich hereinzog, das Verdienst Jesu Christi ergriffen, durch das allein der Tod ruhig, die Ewigkeit selig werden kann. Diese, wenn sie auch viel gelitten haben durch Besorgniß für sich und die Ihrigen, ja wenn sie auch viel verloren haben sollten, so haben sie doch noch mehr gewonnen, denn sie sind tiefer in die Buße hineingeführt, und fester im Glauben gegründet worden. Diese, indem die Gefühle der Reue, die sie in den Tagen des Schreckens durchdrangen, auch jetzt am Tage der Freude in ihnen erwachen, diese bringen heute dem Herrn das wohlgefälligste Opfer. Denn die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst Du, Gott, nicht verachten. Diese werden allein die . Bestimmung dieses Tages zu erfüllen, sie werden allein zu danken vermögen. Kalt und frostig wird immer der Dank Derjenigen bleiben, die da meinen, Gott habe nur eine unverschuldete Trübsal hinweggenommen. Aber das ist ein Dank, in welchem das Herz zerschmilzt, wenn man sagt: Herr, Du hättest härter strafen können, denn ich hatte es verdient; doch Du hast mich Unwürdigen verschont!

3.

Der Mensch aber ging hin, und verkündigte es den Juden, es sey Jesus, der ihn gesund gemacht habe. Wir sollen drittens durch unser ganzes künftiges Leben verkündigen, es sey der Herr, der uns befreit hat. Die Heilungen des Herrn waren nicht wie die unserer leiblichen Aerzte. Durch die Mittel, welche ihre Kunst den letzteren darbietet, wirken sie zuweilen auf den Körper, um eine Krankheit, die ihn ergriffen hat, zu heben, aber nicht zugleich auf die Seele, um diese von einem Uebel, woran sie vielleicht ebenfalls leidet, zu befreien. Jesus aber, der Arzt des Leibes und der Seele, wenn er durch seine Wunderkraft de n Leib wieder herstellte, heilte auch gewiß immer den Schaden der Seele, wenn das körperliche Uebel darin seinen Grund hatte. So verhielt es sich auch ohne Zweifel mit dem Kranken unsers Textes. Sündige nicht mehr; hatte ihm Jesus gesagt; und wenn der Mensch nun hinging, und verkündigte es den Juden, es sey Jesus, der ihn gesund gemacht habe, so dürfen wir annehmen, daß dies nicht nur geschehen sey, indem er ihn als seinen Befreier nannte, sondern auch, indem er durch Leben und Wandel für die Kraft seiner Gnade zeugte.

Dies ist auch die Forderung, die der Herr an uns richtet. Wir alle waren ja krank, wenigstens durch Furcht und Besorgniß. Wer hat uns geheilt? Ist es ein blinder Zufall, ein eigensinniges Schicksal, die ihre Gaben ohne Absicht hinwerfen, aber auch keinen Dank dafür verlangen? Nein, es ist der Herr, der Sohn Gottes, der uns gesund gemacht hat. Er sandte uns eine Plage, um uns hinzuweisen auf unser inneres Verderben. Sie verschwindet; mit ihr verschwinde denn auch das Verderben selbst: woran sollte man sonst erkennen, daß es der Herr ist, der uns befreit hat? Das Leben hat er uns erhalten; denn - können wir es leugnen? - es war bei uns allen bedroht. Warum hat er es uns erhalten? Daß wir künftig, wie früher, nur der Welt leben sollen? Nein, das sey fern. Unser Leben ist sein, ihm gehört es, ihm werde es auch gewidmet.

Laßt uns hier in unser Gedächtniß alle die heilsamen Regungen zurückrufen, durch welche jene Tage der Angst und der Schrecken so gesegnet für uns gewesen sind. Wir sahen an unzähligen Beispielen, daß das menschliche Leben gleich ist dem Schatten der verschwindet; und wir dachten: Thöricht, thöricht, wer so eifrig und angstvoll nach Gütern strebt, die er so bald verlassen muß! Weise ist der allein, der nach Schätzen trachtet, die, wenn er von hinnen scheidet, ihm nachfolgen! - Wir fühlten jeden Tag, jeden Augenblick die Nähe des Todes; wir juchten unsere Seele in eine solche Verfassung zu setzen, daß sie, auf den Ruf des Herrn, zur Seligkeit übergehen könnte. Wir dachten: diese Verfassung will ich mir erhalten, und niemals soll der Tod, sey's daß er jetzt, sey's daß er künftig nahe, mich unvorbereitet finden! - Alle übrigen Sorgen schwanden vor der Sorge um unser und der Unsrigen Leben: ach! dachten wir, ist unser Herz nur einmal von dieser großen, drückenden Last befreit, niemals sollen dann die andern elenden Sorgen uns wieder beschleichen können! - Wir beteten - und nur im Gebet fanden wir Ruhe; wir lasen die Schrift - und nur in der Schrift fanden wir Worte des Trostes; wir begaben uns in den Tempel des Herrn - und dieser heilige Ort, der Altar, wo das Abendmahl gefeiert wird, schien uns eine sichere Freistatt: ach! dachten wir, was uns jetzt so viel Trost gewährt, das soll auch künftig unsere Freude und unsere Wonne bleiben! - Der kleine Kreis, auf den die Noth uns beschränkte, genügte, befriedigte uns: ach! dachten wir, was das Haus so vollkommen bietet, warum sollten wir es so mühsam außerhalb suchen? - Denket an diese Regungen, diese Entschließungen, meine Brüder, es ist der Herr, der sie Euch eingegeben. Bleibet ihnen getreu, und verkündigt dadurch, es sey der Herr, der Euch gesund gemacht hat.

So werden wir zugleich erfüllen, was wir unsern Mitbürgern, den andern Bewohnern dieser Stadt, zu ihrer Erbauung schuldig sind. Die Seuche war eine Angelegenheit dieser Stadt; als eine solche wird auch dieses Dankfest behandelt. In allen Kirchen, die sich heute mit einer andächtigen Menge gefüllt haben, wird es gefeiert; überall wird von dem Diener des göttlichen Wortes, die große Wohlthat des Herrn gepriesen; überall werden Loblieder gesungen; überall ertönt jener Gesang, welcher bestimmt ist, die denkwürdigen Tage öffentlicher Freude zu verherrlichen. Die Stimme der Redenden wird schweigen; die Loblieder werden verhallen; die versammelten Schaaren werden sich wieder, ein jeder in das Seinige, zerstreuen. Und nun wäre das Dankfest zu Ende? Nun wäre Alles abgemacht und vollendet, was wir dem Ewigen schuldig sind? Nein, nun soll die wahre Feier erst beginnen; beginnen, und fortgesetzt werden unser Leben lang, und von Geschlecht zu Geschlecht, durch allgemein verbreitete Ehrfurcht für das Heilige, durch Liebe zu dem Herrn, durch Begeisterung für den Glauben, durch christliche Sitte und Zucht, welche öffentlich und in de n Häusern das Verhalten bestimmt; durch das Verdammungsurtheil, welches über alles Böse, wenn man es auch nicht gänzlich verhindern kann, durch den Mund und noch mehr durch das Beispiel der Mehrzahl ausgesprochen wird. Dies ist der Dank, den unsere Stadt dem Herrn entrichten soll für seine Milde, seine Schonung, sein Erbarmen; dies ist die Bedingung, unter welcher sie die Fortdauer seiner Segnungen hoffen darf.

Wenn wir ihm diesen Dank schuldig blieben; wenn alle Erinnerungen und Eindrücke jener schweren und gnadenreichen Zeit verschwänden, wie ein ängstlicher Traum der Nacht, den man froh ist, beim Erwachen abzuschütteln; wenn dieses Fest das Zeichen gäbe, nicht zur Unterdrückung, sondern zu wilderen Ausbrüchen des Unglaubens und der Weltlust; wenn das Verderben, das, wir können es nicht leugnen, unter uns vorhanden ist, und das durch jene Plage eine Zeitlang aufgehalten ward, nun unaufhaltsam und zügellos seinen Lauf fortsetzte: dann, meine Brüder, müßten wir fürchten, daß jenes andere strenge Wort, das der Herr zu dem Geheilten spricht, auf uns seine Anwendung fände, jene Drohung: Daß dir nicht etwas Aergeres widerfahre! Denn ich darf nicht länger zögern es auszusprechen: Diese Krankheit ist eine Strafe gewesen auch für die in unserer Stadt begangenen Sünden, auch für den in unserer Stadt herrschenden Unglauben. Ach, eine gnädige Strafe, eine milde Züchtigung, eine Langmuth, die zur Buße und Besserung reizen sollte. Wenn sie aber unser Herz verstockte und verhärtete! Wisset: Gott läßt sich nicht spotten! Er ist ein rechter Richter, und ein Gott der täglich drohet. Will man sich nicht bekehren, so hat er sein Schwert gewetzet, und seinen Bogen gespannt und zielet, und hat darauf geleget tödtliches Geschoß; seine Pfeile hat er zugerichtet zu verderben. Wie auf seinen Wink alle Kräfte der Natur sich in Kräfte des Verderbens verwandeln, das hat er uns gezeigt: Darum sündiget nicht mehr, ihr Bewohner dieser Stadt, daß euch nicht etwas Aergeres widerfahre.

Und dies Aergere, was könnte es seyn? Ich weiß nicht; ich kenne nicht die Rathschlüsse Gottes. Ich weiß nur, daß er zwar unendlich reich ist an Gnade und an Erbarmen, an Mitteln zu beglücken und zu beseligen; ich weiß aber auch, daß sein Arm nicht verkürzt ist, und daß es auch an Mitteln zu strafen ihm nicht fehlt. Es ist nicht nöthig, diese weit zu suchen: eine der größten Strafen der Sünde und des Unglaubens liegt in der Sünde und in dem Unglauben selbst. Ich denke mir eine Stadt, - Gott gebe, daß dies niemals ein Bild der unsrigen seyn möge! - eine Hauptstadt, aus welcher sich eine geistige Ansteckung über das Land verbreitet; wo der Unglaube mit frecher Stirn einhergeht, während die Anhänger des Glaubens irgend einen verborgenen Winkel suchen, sich zu verstecken; wo die Eltern ihre Kinder nicht nur nicht zu einem christlichen Leben ermahnen, sondern sie davor warnen als vor Ueberspannung und Schwärmerei; wo das Böse nicht nur gethan, sondern auch öffentlich gethan und gebilligt wird. Ich denke mir eben diese Stadt von der Pest verheert, mit Todten und mit Sterbenden angefüllt: und dieser Zustand erscheint mir wünschenswerth gegen den ersten. Ich denke mir Menschen, welche in einem hohen Alter, sanft und lächelnd, gleichsam auf Rosen liegend, sterben: deren Tod aber ein sündenvolles, unbußfertiges Leben schließt; und andere, welche der Würgengel der Seuche, unter furchtbaren Krämpfen, aber in einem Augenblick der Gnade tödtet; und ich preise diese tausendfach glücklich vor jenen.

Unser aller Aufgabe, meine Brüder, ist es, dahin zu wirken, daß das öffentliche Leben in unserer Stadt, und das Leben in den Häusern, niemals in einen solchen Abgrund geistigen Verderbens gerathe und darin untergehe; daß es sich vielmehr heilige und zu der Höhe erhebe, wozu es durch die Bestimmung einer christlichen Hauptstadt, durch die Pflicht der Dankbarkeit gegen Gott, durch seine Gnade berufen ist. Wir gehören zu verschiedenen Kreisen, wir stehen auf verschiedenen Stufen des bürgerlichen Lebens. Laßt uns, einen Jeden in seinem Kreise, diese Aufgabe treu erfüllen; laßt uns, einen Jeden in seinem Hause, unter seinen Amts- und Standesgenossen, allem sündlichen, ungöttlichen Wesen steuern, Christo stets die schuldige Ehre geben, ihn als unsern Heiland verkündigen durch Wort und That, durch treue Nachfolge, im Leben und im Sterben. Willigt Ihr ein, meine Brüder? Soll hier vor dem Angesichte Gottes dieser Bund geschlossen werden? Ist dem also? Wohl; nun hat unsere Feier ihren höchsten Gipfel erreicht. Stehet jetzt auf, und lasset uns beten.

Gott, Gott, himmlischer Vater! Sohn Gottes, unser Erlöser! Vor nicht langer Zeit, als Deine Plage uns heimgesucht hatte, da standen wir auch vor Deinem Angesicht; mit bebenden Lippen und mit zerknirschtem Herzen bekannten wir Dir unsere Sünden; wir flehten zu Dir um Gnade und Erbarmen, um Milderung Deines gerechten Gerichtes; wir trösteten uns der Hoffnung, daß die Strafe bald Dein Vaterherz gereuen würde. Diese Hoffnung hat uns nicht getäuscht; dies Gebet hast Du erhört! O vernimm unsern Dank, den wir im Staube Dir zollen, und laß ihn emporsteigen zu Deinem Himmel, daß er mit den Lobgesängen sich vermische, welche die Chöre Deiner Engel Dir darbringen.

O, hattest Du mit uns gehandelt nach unsern Sünden, und uns vergolten nach unserer Missethat, wie viel furchtbarer würde Deine Plage unter uns gewüthet haben! Aber Du hast sie aufgehalten in ihrem Laufe, Du hast ihr Stillstand geboten. Du hast es gethan um Deinetwillen, um Deines Sohnes Willen; nicht um unseretwillen, denn wir hatten es nicht verdient. Wir sind viel zu gering aller der Barmherzigkeit und Treue, die Du an uns gethan hast!

Hier stehen wir vor Deinem Angesicht, nicht weit von uns unsere nächsten Angehörigen, Kinder, Freunde. Alle gerettet, alle erhalten, sie uns, und wir ihnen. Sey dafür gepriesen, o Gott, von uns, und von ihnen, mit vereinten Herzen und Gefühlen, jetzt und unser Leben lang. Mit vereinten Gefühlen, o Gott, sey von uns und von unserm ganzen Volke gepriesen, daß Du unsern theuern König, Deinen Gesalbten, und sein ganzes Haus unter dem Schatten Deiner Flügel bewahret hast, bis die Plage vorüber gegangen ist, also daß kein Unfall sie hat erreichen können.

Aber ach! die Armen, die so viel verloren haben, während uns Alles gerettet ward! Wo sind sie jetzt; wo sieht Dein Auge jetzt ihre Thränen fließen? Wo sie auch seyn mögen, sende ihnen die reichste Fülle Deines Trostes, um sie innerlich zu erquicken, sende ihnen reiche Hülfe durch die Liebe ihrer beglückteren Brüder.

O könnten wir doch für Deine Wohlthaten, wie sie es werth sind, Dir danken! Fromme Worte genügen Dir nicht; auch nicht andächtige Rührungen und Gefühle; Du willst Entschließungen, Du willst Thaten. Wohlan denn, o Gott, hier stehn wir, hier geloben wir Dir, an diesem feierlichen Tage: Wir wollen nicht mehr fündigen; wir wollen nicht mehr die größte Deiner Wohlthaten, die Erlösung durch Christum, so ungläubig verwerfen, oder so kaltsinnig annehmen. Wir wollen sie gläubig und fest ergreifen: wir wollen verkündigen die Tugenden deß, der uns berufen hat von der Finsternis; zu seinem wunderbaren Licht. O hilf uns dazu, o Gott, nimm weg die Sünde aus unsern Herzen! Reinige diese Stadt von Aergernissen und Unglauben, wie Du sie von der Plage gereinigt hast.

Nimm in Deinen Schutz unser ganzes Land, um es vor allem Unheil zu bewahren! Segne mit Deinen reichsten Gaben unsern von Dir schon so reich gesegneten König und sein ganzes Haus, und führe durch seine weisen Rathschläge uns ungefährdet durch die Stürme dieser Zeiten hindurch. Segne unser ganzes Volk, und mache es zu einem Volke Deines Eigenthums, das fleißig sey in guten Werken! Amen.

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